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Pflegeversicherung

Krasser Zynismus: Bahrs „Pflegereform“

Einen Rekord hat sich Ex-Banker Daniel Bahr verdient: Nie zuvor dürfte ein amtierender Minister ein Jahr für irgendwas, wofür er zuständig ist, ausgerufen haben, um es dann ohne die kleinste, wenigstens symbolische Maßnahme verstreichen zu lassen, nämlich ein „Jahr der Pflege“ . Sicher: die Nöte der Pflegebedürftigen, ihrer Angehörigen und der Pflege-Beschäftigten schreien seit vielen Jahren immer lauter zum Himmel. Doch Bahrs jetzt angekündigtes Handeln könnte schlimmer sein als Nichtstun. Von Daniel Kreutz.

Nach dem Flop der Riester-Rente nun auch noch der „Pflege-Bahr“

Was im allgemeinen Erstaunen darüber, dass sich die schwarz-gelbe Koalition nach monatelangem Gezerre zusammengerauft hat, unterzugehen droht: Neben einer bisher nur versprochenen Leistungsverbesserungen für Demenzkranke und deren Angehörige durch eine Anhebung des Beitragssatzes um 0,1 Prozentpunkte auf 1,96 % des Bruttolohns (auf 2,3% für Kinderlose) hat die FDP bei der Pflegeversicherung den Einstieg in die kapitalgedeckte Vorsorge durchgesetzt: Den „Pflege-Bahr“, wie der Gesundheitsminister stolz verkündet. Die private Zusatzversicherung soll sich an der Riester-Rente orientieren und analog dazu auch steuerlich gefördert werden.
Die Klientel-Partei FDP hat „geliefert“. Die Versicherungswirtschaft reibt sich die Hände. Von Wolfgang Lieb.

Ein neuer Anlauf für den „Pflege-Riester“

„Junge Abgeordnete von CDU und CSU“ nutzen das nachrichtenarme Sommerloch und machen einen erneuten Anlauf zur Einführung eines „Pflege-Riesters“. In einem „Manifest“, initiiert vom gesundheitspolitischen Sprecher der Unionsfraktion, Jens Spahn, und dem parlamentarischen Geschäftsführer der CSU-Landesgruppe und Chef der bayerischen Jungen Union, Stefan Müller, das inzwischen von 22 Abgeordneten unterzeichnet wurde, wird gefordert, mit der Pflegereform endlich ernst zu machen und das bisherige Umlageverfahren in der Pflegeversicherung durch eine „Kapitalreserve“ zu ergänzen.
Das steht zwar auch schon in den Koalitionsvereinbarungen sowohl der Großen Koalition als auch von Schwarz-Gelb [PDF – 312 KB], doch die jungen „Christdemokraten“ machen sich Sorge, dass dieses Vorhaben erneut „auf die lange Bank“ geschoben werden könnte.
Nach der Rentenversicherung soll nun auch die Pflegeversicherung sturmreif geschossen werden. Wolfgang Lieb

Bernd Raffelhüschen bläst zur Lobbyisten-Polka

Turnusmäßig meldet sich die neoliberale Mietfeder Bernd Raffelhüschen zu Wort und spielt stereotyp mit den Ängsten vor dem demographischen Wandels und prophezeit wie einst Nostradamus den baldigen Kollaps der gesetzlichen Sozialsysteme. Dabei erfüllt Raffelhüschen eigentlich nur seinen Auftrag, werden viele seiner Studien am Deutschen Institut für Altersvorsorge doch von der Deutschen Bank finanziert, was wiederum perfekt zu seinen Tätigkeiten im Aufsichtsrat der ERGO-Versicherungsgruppe AG und in den neoliberalen Denkfabriken Stiftung Marktwirtschaft und Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft passt. In seiner jüngsten Gefälligkeitsstudie [PDF – 129 KB] prognostiziert Raffelhüschen wieder einmal den Zusammenbruch der Pflegeversicherung. Er malt das Schreckbild einer Vervierfachung der Beiträge bis 2060 (!) an die Wand. Die Rettung für die Pflegeversicherung liegt – wie sollte es bei Raffelhüschen auch anders sein – natürlich in deren Teilprivatisierung. Mit Wissenschaft hat diese Studie jedoch wie so oft nichts zu tun. Jens Berger

Wen pflegt Rösler?

Gesundheitsminister Philipp Rösler (FDP) kündigte unlängst an, eine privat finanzierte, kapitalgedeckte Zusatzversicherung als Ergänzung zur bestehenden Pflegeversicherung auf den Weg zu bringen. Damit sollte der im Koalitionsvertrag festgehaltene „Ausbau der gesetzlich finanzierten Bereichs Gesundheits- und Pflegeleistungen und einer Verbesserung der wettbewerblichen Strukturen“ umgesetzt werden. Neuerdings rudert Rösler plötzlich wieder ein Stück weit zurück. Von einer privaten Zusatzversicherung ist augenblicklich nicht mehr die Rede, hingegen von einer gesetzlichen Neuregelung des Pflege-TÜVs zu Jahresbeginn. Das derzeitige Pflegesystem ist in der Tat äußerst marode und liegt weitgehend im Verborgenen. Wer einen Blick hinter die Kulissen wirft, muss erkennen, dass zwar eine Reform bezüglich Qualität und Transparenz dringend erforderlich ist, nicht jedoch eine private Zusatzversicherung. Von Christine Wicht

Von wegen Sozialdemokratisierung der Union (Teil I)

Je mehr ruchbar wird, was Schwarz-gelb in den Koalitionsverhandlungen verabredet, umso mehr erscheinen auch kritische Kommentare in Medien, von denen man es nicht immer erwarten konnte. Auch harte Kommentare. Von Betrug ist im Blick auf die Finanzierungsumwege der versprochenem Steuersenkungen die Rede, z.B. der Betrug mit den geplanten Schattenhaushalten. Der langfristig angelegte Betrug mittels des sozialen Anstrichs der Union und insbesondere Angela Merkels wird leider weniger ins Blickfeld geholt. Deshalb beginnen wir mit einer Serie zur angeblichen „Sozialdemokratisierung“ der Union. Heute konkret in Teil I zum Kindergeld/Kindersteuerfreibetrag, zur Pflegeversicherung und zur Interessenverflechtung mit der Finanzwirtschaft. Albrecht Müller

Das „Pflege-Elend“ – eine zynische Instrumentalisierung von Pflegebedürftigen zu Propagandazwecken für die private Pflegeversicherung durch BILD

„In Deutschland bekommt jeder 3. Pflegefall nicht genug zu essen und nicht genug zu trinken!“ „Jeder 3. Patient wird nicht häufig genug umgebettet.“ Mit solchen Schlagzeilen macht BILD einen Prüfbericht der Medizinischen Dienste (MDK) über die teilweise schlimmen Zustände in deutschen Pflegeheimen auf. Wer jedoch geglaubt hatte, BILD würde ein soziales Anliegen zur Verbesserung der Pflegesituation verfolgen, sieht sich am 3.9.07 eines Schlechteren belehrt. BILD fragt: „Brauche ich eine private Pflegversicherung?“ und macht unverhohlen Propaganda dafür. Wolfgang Lieb

Versicherungslobbyist Raffelhüschen ist wieder auf Werbetour, jetzt für die Privatisierung der Pflegeversicherung

Nachdem nun bei der Rente der Durchbruch in die private Vorsorge geschafft ist, soll als nächstes die gesetzliche Pflegeversicherung sturmreif geschossen werden. Vorneweg als Sturmstaffel mal wieder die „Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft“ und die ach so seriöse „FAZ“. Im Auftrag der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung stellte der als wissenschaftliches Sturmgeschütz der Versicherungswirtschaft (ver)dienende Professor Raffelhüschen „wissenschaftliche Berechnungen“ an. Diese beweisen – natürlich streng wissenschaftlich: „Spätestens im Jahr 2045 (!) müssen Arbeitnehmer rund sieben Prozent ihres Einkommens für die Pflegeversicherung abführen. Das ist eine Steigerung um mehr als 400 Prozent im Vergleich zum heutigen Satz.“ Für den „Wissenschaftler“ sind die Konsequenzen aus dem „erschreckenden Befund“ offenkundig: Das umlagefinanzierte System müsse schnellstens reformiert werden. Am einfachsten ginge das bei der Pflege. „Noch können wir aus der umlagefinanzierten Pflegeversicherung aussteigen“, alarmiert Raffelhüschen. Wolfgang Lieb

Beschlüsse des Koalitionsausschusses Teil Zwei: Verschiebebahnhof zwischen Pflege- und Arbeitslosenversicherung

Im öffentlichen Windschatten des umstrittenen „Kompromisses“ der Grossen Koalition zum Mindestlohn segelten die Entscheidungen zur Pflegeversicherung.
Die Einbeziehung der bereits über 1,3 Millionen Demenzkranker sowie die Stärkung und der Ausbau der ambulanten Pflege sind sicher neue wichtige Kurskorrekturen zur Verbesserung der Pflegeleistungen.
Nicht zu rechtfertigen ist das erneute Verschiebemanöver der Finanzierungslasten von der Pflegeversicherung in die Arbeitslosenversicherung, denn gerade bei den wachsenden Aufwendungen für die Pflege handele es sich – wie in kaum einen anderen Sozialversicherungszweig – um gesamtgesellschaftliche Leistungen, die von der Allgemeinheit, also über Steuern finanziert werden müssten, meint die ehemalige DGB-Vizechefin Ursula Engelen-Kefer.

INSM-Kampagne für die private Pflegeversicherung – diesmal mittels einer manipulierten Forsa-Umfrage?

„Die Kosten für die Pflege älterer Menschen werden in den nächsten Jahren und Jahrzehnten rapide (!) ansteigen. Die Pflegeversicherung wird bei den aktuellen Beitragssätzen dann jedoch nur noch einen Bruchteil (!) dieser Kosten übernehmen können.“
Wären Sie unter diesen Umständen bereit, „einen Betrag von bis zu maximal 20 Euro zusätzlich im Monat zu bezahlen, um im Alter als Pflegefall finanziell abgesichert zu sein“? So leitet das Forsa-Meinungsforschungsinstitut seine Umfrage „Meinungen zur Pflegeversicherung“ ein [PDF – 84 KB].
Bei dieser katastrophalen Aussicht für die gesetzliche Pflegeversicherung müssten Sie schon ziemlich arm dran oder ziemlich dämlich sein, wenn Sie darauf nicht mit „Ja“ antworten würden.
So haben das auch zwei Drittel der im Auftrag der INSM von Forsa Befragten getan und die „Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft“ macht daraus die Schlagzeile: „Drei von vier Bundesbürger würden lieber privat für das Pflegefallrisiko vorsorgen.“
Suggestiver kann man eine Umfrage zu einem erwünschten Ergebnis kaum formulieren und plumper kann man eine Kampagne für die private Pflegeversicherung kaum betreiben.

„Studie zur Zukunft der Pflege in Deutschland“ – wieder ein Beleg des Niedergangs der Wirtschaftswissenschaft.

Unter der Schlagzeile „Eine Reform der Pflegeversicherung ist dringend nötig“ veröffentlichte die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM) am 2.5. eine Pressemitteilung zu einer so genannten Studie des Duisburger Ökonomen Reinhold Schnabel. Hermann Zoller hat dies freundlicherweise kommentiert. Vorweg der Link zur Pressemitteilung, einige Hinweise eines unserer aufmerksamen Beobachter und am Schluss eine Anmerkung von mir. Albrecht Müller.