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Europäische Union

Exit aus Grexit: Griechenland im Eurosystem aufbauen

Die Entwicklung Griechenlands gleicht einer Tragödie. Im Zentrum dieser Insze­nierung stehen Schuld und Sühne. In der modernen Sprache der Fiskalisten heißt das Konditionalität. Griechenland, so die Retter aus dem Euroland und von der Eu­ropäischen Zentralbank sowie vom Internationalen Währungsfonds, habe immer schon durch eine verschwenderische Schuldenpolitik „über seine Verhältnisse ge­lebt“. Die Konklusion erhält, wie es der kritische Nobelpreisökonom Paul Krugman zusammengefasst hat, geradezu moralisierende Qualität: Sünden müssen gesühnt werden. Von Rudolf Hickel

Griechenland und der Euro – Was Merkel und Schäuble der Öffentlichkeit verschweigen

Glaubt man einer offenbar von Regierungskreisen gezielt im SPIEGEL lancierten Information, halten Angela Merkel und Wolfgang Schäuble einen Austritt Griechenlands aus dem Euro mittlerweile für „verkraftbar“. Die Ansteckungsgefahr für andere Länder sei „begrenzt“, der ESM „schlagkräftig“ – also alles kein großes Problem. Diese Aussagen sind jedoch bei näherer Betrachtung abenteuerlich und stellen das Nonplusultra einer marktkonformen Demokratie dar. Was Merkel und Schäuble verschweigen: Dank ihrer Politik haftet mittlerweile der europäische Steuerzahler für kommende Ausfälle bei der Rückzahlung der griechischen Staatsschulden. Ein Austritt aus dem Euro wäre sicher für die Märkte verkraftbar – für den Steuerzahler wäre er ein unglaublich teures Desaster. Einmal mehr zeigt sich, dass die Loyalität der Bundesregierung nicht den Menschen, sondern den Finanzmärkten gilt. Von Jens Berger.

Was kommt nach Putin?

Kai Ehlers[*] greift für die NachDenkSeiten die in den letzten Wochen in den deutschen Medien hochgekochte Frage auf, was in Russland nach Putin kommen könnte. Dabei analysiert er die westliche Agenda, zunächst in der Ukraine und dann in Russland einen „Regimechange“ herbeizuführen, und geht auch ausführlich auf die russischen Perspektiven ein. Einen „Maidan von unten“ wird es demnach in Russland nicht geben. Die Gefahr eines „Maidan von oben“ sei aber vorhanden. Das Ergebnis wäre jedoch nicht ein westliches Russland, sondern Chaos und das endgültige Ende der europäischen Friedensordnung.

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Junkers 315-Milliarden-Euro-Luftnummer

„315 Milliarden Euro: Junckers Mega-Investitionsplan wird noch etwas größer“, doch diese Zahl „könnte sogar noch höher ausfallen“, denn sie „sei nur konservative Schätzung“ – so war es gestern auf SPIEGEL Online zu lesen. Und auch fast alle anderen großen Medien griffen diese Zahl auf und plapperten nach, was Juncker und die EU-Kommission vorplapperten. Ein weiteres Beispiel für das kollektive Versagen der Medien, das Albrecht Müller gestern anprangerte. Sobald man nur ein wenig hinter die Kulissen blickt, stellt sich schnell heraus, dass Junckers gigantische Luftnummer nicht mehr als ein gigantischer PR-Trick ist. Von Jens Berger.

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Reaktion auf Putin Interview: Bei Jauch nahezu vollständig auf Linie

Gestern gab es eingebaut in die Sendung von Jauch ein Interview des NDR-Journalisten Hubert Seipel mit dem russischen Präsidenten Putin und anschließend daran eine Diskussion Jauchs mit Verteidigungsministerin von der Leyen, der WDR Fernseh-Chefredakteurin Sonja Seymour Mikich, dem Historiker Heinrich August Winkler und Hubert Seipel. Das Interview mit Putin ist interessant und war auch sachverständig geführt. Es lohnt sich, dieses anzuschauen bzw. nachzulesen. Die Diskussion zeigte mehr über den Zustand der deutschen Medien als über das Interview mit Putin. Diese Medien sind weitgehend auf Linie. Jauch und seine Gäste beschäftigten sich mit dem Interview nur unter der schon in der Programmvorschau vorgegebenen Strategie der Konzentration auf die Person des russischen Präsidenten. „Putin ist der zentrale Strippenzieher,“ hieß es dort. Der Interviewer Hubert Seipel saß staunend dabei – so seine Körpersprache. Im Folgenden werde ich zunächst die notwendigen Links nennen (A), dann kurz und nur zum Überfliegen Elemente aus der Vorankündigung der ARD wiedergeben (B), dann folgen einige mir wichtig erscheinende Aussagen Putins (C) und dann (D) einige Anmerkungen zur Diskussion bei Jauch. Albrecht Müller.

Wenn es in Europa anständig zuginge, dann wäre der Rücktritt des gerade ernannten Präsidenten der Europäischen Kommission fällig.

Kommissionspräsident Juncker war Ministerpräsident und Finanzminister des Großherzogtums Luxemburg, als dieses mit einer Reihe von Großkonzernen Vereinbarungen traf, die diesen Konzernen erlaubten, mit Tricks Milliarden von Steuern zu vermeiden. Siehe dazu den Bericht der Süddeutschen Zeitung. Das ist in vielerlei Hinsicht ein Skandal: den Völkern Europas fehlen Finanzmittel, die sie, wie wir alle wissen, dringend bräuchten. Es ist weiter ein übler Skandal, weil durch solche Machenschaften kleine und mittlere Unternehmen sowie die Lohnsteuerzahler benachteiligt werden. Damit wird mit der Steuervermeidung der großen Konzerne die Konzentration der Wirtschaft in großen Unternehmen gefördert. Man braucht nur durch deutsche Innenstädte zu gehen, wo kleine Einzelhandelsgeschäfte verschwinden und durch die Filialen von steuerhinterziehenden Großkonzernen ersetzt werden. Das mindeste, was wir von Herrn Juncker verlangen können, ist, dass er als Kommissionspräsident aktiv wird, um solche Steuervermeidungstricks in Europa künftig unmöglich zu machen. Albrecht Müller.

Rezension: „Die Eroberung Europas durch die USA“ – Wolfgang Bittners faktenreiches Buch gibt Aufschluss über die Ukraine-Krise

Nach mehr als zwei Jahrzehnten friedlicher Nachbarschaft und wirtschaftlicher Kooperation durchzieht Europa wieder ein Eiserner Vorhang, verursacht durch die Krise in der Ukraine, wo inzwischen Bürgerkrieg herrscht. Wie kam es dazu? Wolfgang Bittner zeichnet minutiös die Entwicklung der letzten Monate nach und gibt Aufschluss über die verhängnisvolle Einflussnahme der USA und der EU auf die Destabilisierung des Landes. Er beschreibt, wie die Ukraine, „als Brückenland von großer geostrategischer Bedeutung sowie als Wirtschaftsraum und Tor zu Russlands Ressourcen“ über Jahre hinweg systematisch durch subversive Kräfte zu dem wurde, was sie gegenwärtig ist: Kriegsschauplatz und Zentrum der Auseinandersetzungen zwischen einer „westlichen Allianz“ und Russland. Von Jennifer Munro.

Zur Strategie der Umorientierung vom Ende des Ost-West-Konfliktes hin zur Neubelebung: Meinungsmache von Karsten Voigt und Nato-Stoltenberg

Karsten Voigt (SPD) war bis 2010 Koordinator der Bundesregierung für die deutsch-amerikanischen Beziehungen. Er unternimmt und verstärkt in einem Beitrag für IPG (Internationale Politik und Gesellschaft) vom 28. Oktober den Versuch, die Abkehr der SPD von ihrer früheren friedenspolitischen Linie und hin zur Unterstützung der neuen Konfrontation mit Russland zu begründen. Auf dieses Dokument wird in Abschnitt A. hingewiesen. In Abschnitt B wird eine Wertung des Handelsblatts zu einer Grundsatzrede des neuen Generalsekretärs der NATO zitiert. In Abschnitt C folgt mein Kommentar und meine Bewertung der Vorgänge. Albrecht Müller.

Hat sich Europa dem Druck der USA gebeugt? Oder aus eigenem Antrieb Sanktionen gegen Russland mit-verhängt?

Diese Fragen werden gestellt, nachdem der Vizepräsident der USA Joe Biden in einer Rede an der Harvard Kennedy School öffentlich bekannte, die EU sei gegen ihren Willen und in Kenntnis des wirtschaftlichen Schadens für die europäischen Volkswirtschaften zu Sanktionen gegen Russland gezwungen worden. Das Weiße Haus hat diese Rede am 3. Oktober veröffentlicht. Ins Deutsche übersetzte Teile der Rede finden sich hier unter der Überschrift „Obama-Vize blamiert Merkel: USA haben EU zu Sanktionen gegen Russland gezwungen“. Wenige Tage später hat der deutsche Bundespräsident in Leipzig die dort 1989 gewonnene Freiheit gepriesen. Als ich beides vernahm, dachte ich, welch eine Ironie: ‚Europa schadet sich auf Geheiß der USA und Gauck ruft: Das ist unsere Freiheit!‘ Albrecht Müller.

Deutschland: Wider die Großmacht!

Deutschlands Armee ist längst von einer „Verteidigungsarmee“ zur „Armee im Einsatz“ mutiert. Hinter allen euphemistischen Begründungen für derlei Handeln – mal dient es dem Frieden, dann den Frauenrechten, dann der Versorgung der Armen in der Welt – dient dies dabei vor allem einem Ziel: Deutschland mit allen Mitteln wieder als Weltmacht zu etablieren und im Kampf um Rohstoffe, Marktzugänge und Handelswege ganz vorne mit dabei zu sein. Manch Linker bemüht diesbezüglich inzwischen das Wort Neokolonialismus, andere sprechen von Neoimperialismus, meinen jedoch dasselbe. Zum Bestreben deutscher Eliten, wieder Weltmacht zu werden, das inzwischen kampagnenförmig daher kommt und sich in fast allen aktuellen sicherheitspolitischen Debatten widerspiegelt, sprach Jens Wernicke mit Jürgen Wagner, geschäftsführendem Vorstandsmitglied der Tübinger Informationsstelle Militarisierung.

TTIP und die Dreifaltigkeit von Sigmar Gabriels SPD

Immer häufiger ist die Rede von CETA und TTIP – die Freihandelsabkommen der EU mit Kanada bzw. den USA. Während die Verhandlungen der EU-Kommission mit Kanada über CETA abgeschlossen sind, laufen sie mit den USA noch. Auch die Verhandlungen über das Abkommen zum Dienstleistungshandel (TISA) sind in vollem Gange. Die Verhandlungen werden geheim und nicht öffentlich geführt. Sigmar Gabriel hat sich in jüngster Zeit in seinen besonderen Eigenschaften als Bundesvorsitzender der SPD und als Bundesminister für Wirtschaft und Energie (BMWI) sehr häufig zum Thema „Freihandelsabkommen“ geäußert. Von Christian Reimann.

Der lange Weg der Eindämmung – ein Weg wohin?

Im Konflikt um die Ukraine ist es ruhiger geworden. Was verspricht diese Ruhe, was wird, was kann sie halten? Der Russland-Kenner Kai Ehlers[*] analysiert für die NachDenkSeiten die jüngsten Entwicklungen, wirft einen kritischen Blick auf deren Kommentierung in den deutschen Medien und ordnet die Politik des Westens in einen breiteren geostrategischen Kontext ein.

Schottland stellt die Systemfrage

Heute stimmen die Schotten über ihre Zukunft ab. Dabei geht es um weit mehr als „nur“ die Frage der formellen Unabhängigkeit. Schottland vs. Großbritannien – das ist auch die das Duell der sozialen Marktwirtschaft gegen den Neoliberalismus und schlussendlich auch das Duell zwischen einer gerechteren Gesellschaft und einem Turbokapitalismus, in dem die Reichen immer reicher und die Armen immer ärmer werden. Doch selbst wenn die Schotten Großbritannien „farewell“ sagen, ist der Erfolg ihres Kampfes für Selbstbestimmung und Gerechtigkeit keinesfalls garantiert. Denn es gibt zahlreiche wichtige Detailfragen, die nach wie vor ungeklärt sind. Von Jens Berger.

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Wochenrückblick: Merkwürdiges, Bedrohliches, eine neue Scharlatanerie von Rifkin

Die Europäische Union, ihre – des Kommissionspräsidenten – Personalpolitik zu Gunsten der Finanzwirtschaft und die EU-Sanktionen gegen Russland, die politische Beteiligung rutscht ab, sichtbar an den letzten drei Landtagswahlen, die SPD nähert sich dem früheren Wahlziel der FDP von oben kommend: 18 % im Schnitt, und Gabriel sieht den Grund dafür in mangelnder Geschlossenheit, Rifkin hat ein neues Buch geschrieben. – Ein paar Anmerkungen zu Gesagtem und zu Hintergründen. Zum anecken und nachdenken. Albrecht Müller.

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