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Medien und Medienanalyse

„EWS-Award 2005“ an Roland Koch – die ganz alltägliche Meinungsmache neoliberaler Lobbyorganisationen

„Roland Koch gewinnt mit Bürokratieabbau“ titelt der Tagesspiegel einen Beitrag über die Verleihung eines sog. „Award 2005“ durch einen hochrespektabel klingenden „Europäischen Wirtschaftssenat“ (EWS). Was nicht berichtet wird, das ist, wer und was sich hinter der den hessischen Ministerpräsidenten auszeichnenden Organisation verbirgt. Der EWS hat – entgegen seinem Namen – nichts mit irgendwelchen europäischen Gremien zu tun, sondern rühmt sich selbst als „Gremium besonders erfolgreicher Unternehmerpersönlichkeiten“. Sieht man noch genauer hin, so entpuppt sich der EWS als eine der gemeinen Wirtschaftslobbyorganisationen. Da überrascht es nicht mehr, dass der CDU-Vorsitzende Koch gerade sechs Wochen vor der hessischen Kommunalwahl „geehrt“ wird.

Auch die Tagesschau macht Werbung für die privaten Lebensversicherer

Wir haben auf den NachDenkSeiten immer wieder [1] [2] [3] [4] darauf aufmerksam gemacht, wie sich unsere Medien vor den Karren der Versicherungslobby spannen lassen.
Als Quelle für die Horrordarstellungen über die gesetzliche Rente wird dabei regelmäßig das „Deutsche Institut für Altersvorsorge“ (DIA) genannt. Dabei wird – bis auf ein paar löbliche Ausnahmen – von den meisten Medien, vor allem von Bild, Welt, SpiegelOnline oder Berliner Zeitung verschwiegen, dass das DIA kein neutrales wissenschaftliches Institut, sondern ein von der Deutschen Bank und Investmenttöchtern dieser Bank getragener „Think-Tank“ ist, der als „wissenschaftlicher“ Schreibtisch für die Versicherungswirtschaft dient.
LobbyControl berichtet nun darüber, dass sich selbst die von den öffentlich-rechtlichen Rundfunksendern verantwortete Tageschau als unkritischer Werbeträger in die Propagandakampagne für die private Altersvorsorge einspannen lässt.
Ein weiterer Akt im Trauerspiel über den kritischen und unabhängigen Journalismus in Deutschland.

Sprachmüll

Paul Nolte, der inzwischen von der hochgelobten, privaten International University Bremen in den sicheren Port einer beamteten Professur für Zeitgeschichte an der Freien Universität Berlin geflüchtet ist, schreibt und redet über alle Themen, die auf die politische Tagesordnung gekehrt werden, egal ob er sich auskennt oder ob er etwas zu sagen hat. Kai Ruhsert hat sein Wort zum Sonntag über den „Bürokratieabbau“ auf seinen Sinngehalt abgeklopft und kann nur Sprachmüll entdecken.

Nach Rürup und Raffelhüschen ist MLP nun auch Programmsponsor von Harald Schmidt

Der Finanzdienstleister MLP lässt aber auch wirklich keinen Werbeträger aus, um die solidarischen Versicherungssysteme lächerlich zu machen. Nachdem der Vorsitzende des Sachverständigenrates, Bert Rürup neben seinem Kollegen Raffelhüschen für Gastvortragsreihen engagiert wurden, sponsert MLP nun auch 60 Sendungen der „Harald Schmidt Show“.
“Es gibt zwischen den Zuschauern von Harald Schmidt und unserer Kundenklientel eine hohe Übereinstimmung” meint MLP-Kommunikationschef Michael Pfister.
Zu Rürup hätte eigentlich der Kabarettist Pit Klocke besser gepasst – jedenfalls vom Phänotypus her. Aber da hapert es dann wohl an der Übereinstimmung mit der Kundenklientel. Fragt sich nur, warum Harald Schmidt noch zusätzlich millionenschwer durch Gebühren der Fernsehzuschauer gesponsert werden muss.

Die Übernahme von ProSiebenSat.1 durch den Springer-Konzern sei von nationalem Interesse

Das behauptet der saarländische Ministerpräsident Peter Müller in einem Interview mit dem Deutschlandfunk vom 25.1.2006. Im Vorspann zum Interview des Deutschlandfunks heißt es: „Der saarländische Ministerpräsident Peter Müller plädiert für eine Ministererlaubnis zur Übernahme von ProSiebenSat.1 durch den Springer-Konzern. Die Voraussetzung eines nationalen Interesses sei gegeben, sagte der CDU-Politiker. Die Alternative wäre die Übernahme durch einen anglo-amerikanischen Investor, bei der rein ökonomische Gesichtspunkte im Vordergrund stünden. Dabei habe Fernsehen doch auch eine kulturelle Dimension, betonte der Ministerpräsident.“ Es lohnt sich für medienpolitisch Interessierte, dieses Interview zu lesen, weil man daran sehr schön die Abhängigkeit und Gefügigkeit der konservativen Politiker erkennen kann.

„Rente sich wer kann!“ Mit solchen Parolen wurde für die private Rente getrommelt. Die Gesamtverszinsung für private Lebensversicherungen sinkt nun zum elften Mal in Folge. Jetzt werden Krokodilstränen geweint.

Im Gegensatz zu den großspurigen Versprechen der Versicherungswirtschaft, wonach nur noch die private (Zusatz-)Rente eine sichere und angemessene Altersversorgung garantiere, berichteten FAZ und BILD, dass die Gesamtverzinsung der deutschen Lebensversicherer von 7,28 im Jahre 1998 auf 4,30 % in diesem Jahr zurückgehen wird. Das lag im Wesentlichen an den hohen Verlusten auf den Aktienmärkten bis 2004. „Mancher Sparer musste zusehen, wie die für den Beginn des Ruhestands erwartete Überweisung Schritt für Schritt um viele tausend Euro verringert wurde“, schreibt die FAZ am 4.1.06.
Das belegt einmal mehr: Die kapitalgedeckte Lebensversicherung ist genauso von der ökonomischen Entwicklung abhängig, wie die umlagefinanzierte Rente und unterliegt darüber hinaus dem Risiko von Fehlspekulationen der Versicherer.

„Die Hartz-Reformen verpuffen

Große Teile der Hartz-Reformen verfehlen ihr Ziel, die Arbeitslosigkeit zu senken. Einzelne Teile wirken sogar kontraproduktiv. Das ist das Ergebnis der wissenschaftlichen Evaluierung der Reformpakete Hartz I bis III durch eine Reihe von Forschungsinstituten im Auftrag der Bundesregierung.“ Meldet das Handelsblatt am 26.12.2005.
Grundlage dieses Urteils ist ein mehrere tausend Seiten umfassendes Gutachten verschiedener Forschungsinstitute. Wieder wurde eine Menge Geld ausgegeben, um etwas festzustellen, was wir schon lange wissen. Durch Erfahrung und durch Zeitung- beziehungsweise NachDenkSeiten-Lesen. Nur unsere führenden Köpfe wissen es nicht und wollen es offenbar nicht wissen. Dazu eine kleine Dokumentation.

Die Primitivität der öffentlichen Debatte ist offenbar noch steigerungsfähig

Herausragender Beleg für diese Entwicklung ist die Weihnachtansprache des Bundespräsidenten. Am Weihnachtsfeiertag kam uns auch ein Beitrag von Gert G. Wagner zu Familie, Elterngeld und Erziehung auf den Tisch. Wer sich dafür interessiert, auf welchem dürftigen Niveau sich die öffentliche Debatte zu wichtigen Themen vollzieht, sollte sowohl die Weihnachtsansprache des Bundespräsidenten als auch diesen Beitrag lesen. Auszüge:

Elterngeld – ein Kommentar in der Frankfurter Rundschau, aus dem ich nicht schlau werde

1975 waren Sozialdemokraten stolz darauf, dass sie die ungerechten Kindersteuerfreibeträge, mit denen dem Staat die Kinder gut verdienender mehr wert waren als jene der Normalverdiener, ersetzt haben durch ein gleiches Kindergeld für alle. Das nannte man damals Fortschritt. Ich wüsste nicht, warum sich diese Wertung geändert haben sollte. Und dennoch will die SPD-Führung in der jetzigen Koalition das Elterngeld durchsetzen, mit dem ein neues Kind mit 67% des letzten Gehaltes, maximal 1800 € im Monat, entgolten wird.

Die EU-Kommission – eine Versammlung von Ignoranten.

Man kann das beim besten Willen nicht anders sehen. Heute kam mir eine Presseerklärung der EU-Kommission zum Thema „Fernsehen ohne Grenzen“ auf den Tisch. Siehe unten. Da rühmt sich die EU-Kommissarin Reding der Verabschiedung neuer Regeln. In diesem Dokument wird sichtbar, dass auch diese Vertreterin Europas in der Kommission, was immerhin so etwas wie die europäische Regierung ist, keine Ahnung von der Problematik des Vielfernsehens und seiner Kommerzialisierung hat. Keine Ahnung von wissenschaftlich erhobenen Folgen: Verblödung und Erhöhung der Gewaltbereitschaft.

Die Realität der Folter und unser Glaube an die Worte von Condoleeza Rice

Die Frankfurter Rundschau hat heute die Folter und das Verschwinden von Menschen zum Thema des Tages gemacht. Im folgenden die Links zu zwei der Beiträge auf dieser Seite. Mit zur bundesrepublikanischen Realität gehört die unerhörte Reaktion unserer Offiziellen. Soviel wissen wir jetzt: Man kann auch als deutscher Staatsbürger von der Bildfläche verschwinden, ohne dass sich unsere Offiziellen darum kümmern. Im Gegenteil. Und sie lernen nichts daraus. Unten finden Sie auch einen Link zu einem Schreiben des neuen Generalsekretärs der SPD an interessierte Mitglieder.