Archiv: Monat: August 2006

Wie in einer anderen Welt: Schweden kennt keine Studiengebühren und gewährt üppige Studienbeihilfen – nun demonstrieren die Hochschüler für noch mehr Geld

Zwei Milliarden Euro gibt das kleine Schweden pro Jahr für seine 478.000 Studierenden an Studienhilfen und Darlehen aus. Das Geld ist für den Lebensunterhalt bestimmt und beläuft sich pro Studierendem auf 750 Euro pro Monat. Die Möglichkeiten für Nebenverdienste sind begrenzt und außerdem müssen die Studierende Leistungsnachweise erbringen.
60 % der Zuschüsse werden als Darlehen vergeben, für die der Staat bürgt und deswegen mit nur 2,3% verzinst werden.
In der schwedischen Öffentlichkeit gibt es dennoch kaum Entrüstung darüber, dass die im internationalen Vergleich überaus üppig bezahlten Studenten jetzt noch mehr fordern. In Schweden wird die Beihilfe gemeinhin weniger als Stütze, sondern eher als lohnende Investition betrachtet. Das berichtet die Süddeutsche Zeitung vom 14.8.06.

Telekom, ein typisches Beispiel für eine Shareholder-Value- Unternehmensstrategie: Es geht nur noch um die Steigerung der Dividenden durch Stellenabbau. Die Zufriedenheit der Kunden ist irrelevant.

Die Telekom verlor allein in diesem Jahr eine Million Festnetzkunden. Die Telekom-Aktie stürzte ab. Um das „Vertrauen“ enttäuschter Aktionäre zurückzugewinnen, sollen Besitzer von T-Aktien künftig stärker von der Dividende profitieren. Deshalb denkt Telekom-Chef Kai-Uwe Ricke über weitere Stellenstreichungen nach. An eine Verbesserung des Angebots und der Kundenbetreuung, um Kunden zurückzugewinnen denkt der Business-School-Absolvent offenbar nicht. Aber gerade am Service der Telekom verzweifeln ihre Kunden.

BIAJ prognostiziert für die Bundesagentur für Arbeit in diesem Jahr einen Überschuss von knapp 9 Milliarden Euro.

Die BA wird in diesem Haushaltsjahr einen Überschuss von etwa 9 Milliarden Euro erzielen – 7 Milliarden Euro mehr als im BA-Haushalt 2006 veranschlagt, das prognostiziert das Bremer Institut für Arbeitsmarktforschung und Jugendberufshilfe (BIAJ). Die wichtigsten Faktoren sind die weiter sinkenden Ausgaben für das Alg I (3,2 Mrd. €), Minderausgaben für die aktive Arbeitsmarktförderung (1,7 Mrd. €), geringere Ausgaben für den Aussteuerungsbetrag („Strafgeld“ an den Bund für jeden Arbeitslosen, der vom Alg I ins Alg II wechselt) (1,3 Mrd. €) und höhere Beitragseinnahmen (0,8 Mrd. €). Das BIAJ geht davon aus, dass Überschuss in den verbleibenden fünf Monaten dieses Jahres um über 1,5 Milliarden Euro größer sein wird als im entsprechenden Vorjahreszeitraum.
Die Debatte darüber, ob der Bund die Überschüsse zur Schuldentilgung kassiert, ob die Beiträge für die Arbeitslosenversicherung gesenkt werden oder ob die BA wieder mehr für Arbeitsmarktförderung einsetzen oder eine finanzielle Reserve bilden können sollte, dürfte also angeheizt werden.

Der Zugriff privater Interessen auf Universitäten – Bitte um einschlägige Beispiele für eine Dokumentation.

Seit einiger Zeit schon sammle ich Beispiele für den Zugriff privater Interessen auf Universitäten. Im Zuge der Recherchen zur „Krake Bertelsmann“ machte einer unserer Leser darauf aufmerksam, dass es angegliedert an die Westfälische Wilhelms-Universität Münster das “Centrum für Krankenhausmanagement e.V.” gibt. Ein deutsches Zentrum mit “C” machte ihn misstrauisch – und richtig: Es handelt sich um eine Kreation der Familie Mohn.
Das ist eines von vielen Beispielen der Vermischung von privaten Interessen mit der öffentlichen Einrichtung „Universität“. In der Öffentlichkeit wird häufig der Eindruck vermittelt, diese Kooperationen dienten vor allem der Akquisition von Drittmitteln. Tatsächlich dienen sie aber vor allem den privaten Interessen, die sich durch die Verbindung mit Universitäten ein Image von Neutralität und Unabhängigkeit geben. Ich nenne unten zwei weitere Beispiele.
Wenn Sie ähnliche Beispiele kennen, dann schicken Sie uns bitte die notwendigen Informationen. Sie sollten verlässlich und kurz sein und ungefähr im Schema wie unten aufgebaut sein. Wir werden die Informationen dann zu gegebener Zeit dokumentieren und hoffen auch damit ein Stück Aufklärung zu leisten.

Der frühere Chef der Bundesagentur für Arbeit Florian Gerster ist nun Headhunter und Vorsitzender des Investitionsbeirats des Private-Equity-Unternehmens Fortress.

In seiner Rubrik „Was macht eingentlich…“ berichtet das manager-magazin 8/2006, dass der frühere rheinland-pfälzische Arbeits- und Sozialminister und spätere Vorstandsvorsitzende der Bundesagentur für Arbeit nach seinem Rauswurf, aufgrund von mehreren dubiosen, vermutlich rechtswidrigen Beraterverträgen, nun nicht mehr Arbeitslose vermittelt, sondern sich beim kanadischen Headhunter Ray & Berndtson um die Besetzung von Führungspersonen, vor allem im öffentlichen Sektor kümmert.
Da ihn das nicht ausfüllt steht Gerster noch dem US-amerikanischen Private-Equity-Unternehmen Fortress als „Vorsitzender des Investitionsbeirats“ zur Verfügung. Dabei soll er seine alten Kontakte nutzen, um der deutschen Politik die Interessen von Fortress vor allem an der Einführung von börsennotierten Immobilien nahezubringen.
Zudem firmiert er bei dem von der Deutschen Post finanzierten Think-Tank „Institut zur Zukunft der Arbeit“ (IZA) als „Direktor Policy-Fellows“.

„Krake Bertelsmann“ lädt zusammen mit dem österreichischen Bundeskanzler zum „Salzburger Dialog“

Das PR-Schema ist immer das gleiche: Man hole einen hochkarätigen Kreis aus Politik, Wirtschaft, Finanzwelt und Kultur in ausgewählt vornehmer „Location“ zusammen und lasse sie über ein möglichst publikationsfähiges (d.h. populistisches) Diskussionspapier [PDF – 911 KB] bedeutungsschwere Besorgnis absondern und verkünde dann als Erlösung die Forderung nach Reformen in Wirtschaft und Gesellschaft. Und schon fallen die Medien auf das Theater herein und das Ganze wird sogar in der Frankfurter Rundschau (kritiklos) dokumentiert.

Der frühere SPD-Bundesinnenminister Otto Schily wird Aufsichtsratsmitglied in zwei Biometrie-Unternehmen.

Schily wird Aufsichtsrat bei Safe ID Solutions. Sie stellt die Sicherheitstechnologie beim Prozess der Erstellung von biometrischen Pässen zur Verfügung. In Schilys Amtszeit wurde in Deutschland der Reisepass mit biometrischen Merkmalen eingeführt.

Die Biometric Systems AG hat sogar extra ihren Aufsichtsrat erweitert. Im Februar 2004 hatte Schily ein zeitlich befristetes Pilotprojekt der Firma zur Biometrie-gestützten Grenzkontrolle mittels Iris-Erkennung am Frankfurter Flughafen genehmigt. Nachdem der Versuch letztes Jahr abgelaufen war, verlängerte Schily als eine seiner letzten Amtshandlungen im vergangenen September das Firmenprojekt am Flughafen kurzerhand um weitere zwei Jahre. Eine Hand wäscht die andere.

Christoph Butterwegge: Neoliberalismus und Standortnationalismus – eine Gefahr für die Demokratie

Die tiefe Sinnkrise des Sozialen besteht darin, dass es – quer durch die etablierten Parteien und fast alle gesellschaftlichen Lager – primär als Belastung der Volkswirtschaft und potenzielle Gefährdung ihrer Konkurrenzfähigkeit auf den Weltmärkten gesehen, aber nicht mehr als eigenständiger Faktor begriffen wird, der mit über die Demokratie, die Humanität und Lebensqualität einer Gesellschaft entscheidet. Das neoliberale Konzept verlangt, jeden Glauben an die autonome Gestaltungsmacht der Wirtschafts- und Sozialpolitik fahren zu lassen. Ökonomismus, Fatalismus und tiefe Resignation hinsichtlich einer Verbesserung des gesellschaftlichen Status quo gehören zu seinen zwangsläufigen Folgen.

Extreme Exportorientierung zum Schaden für unser Land

Joachim Jahnke macht uns darauf aufmerksam, dass er einen neuen Schwerpunkt auf seiner Website hat. Dabei ist neues Material beruecksichtigt. Joachim Jahnke schreibt:

Vielleicht für NDS von Interesse, zumal er unter Hinweis u.a. auf ein neues Bundesbank Diskussionspapier, dass der Exporterfolg auf der besseren Entwicklung der Exportmärkte nicht aber auf mit mehr Produktivität gestiegener deutscher Wettbewerbsfähigkeit aufbaut. Es ist ja kein Wunder, wenn die von dem Euro-Einheitskurs und der Lohndrückerei künstlich verwöhnte deutsche Exportwirtschaft eher an Effizienz verliert. Volkswirtschaften, die sich gegen einen weniger günstigen Wechselkurs schlagen und ihre Produktivität stärker steigern müssen, sind da auf längere Sicht besser dran. Das ist eine uralte Erfahrung, auch eine deutsche vor dem Euro.

Public Private Partnership (PPP)

„Public Private Partnerships (PPP) – oder: öffentlich private Partnerschaften – stehen für modernes und effizientes Verwaltungshandeln. Sie sind Teil der Innovationsoffensive der Bundesregierung und verfolgen das Ziel, durch eine langfristig angelegte Zusammenarbeit zwischen öffentlicher Hand und privater Wirtschaft öffentliche Infrastrukturprojekte effizienter zu realisieren als bisher.”
Das ist der offizielle Text, den Sie auf der Homepage des Ministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung finden. Daraus kann man nur schließen, dass die Bundesregierung Teil einer Interessenverflechtung zu Gunsten privater Unternehmen und der Finanzwirtschaft ist. Andernfalls könnte das zuständige Ministerium nicht einen solchen werbenden Text ins Internet stellen. Zur Interessenverfilzung ausführlich siehe Seite 115 ff. in „Machtwahn“. Dort ist beschrieben, wie in Deutschland noch vor der Wahl im September 2005 ein Gesetz zur Erleichterung von PPP beziehungsweise ÖPP über die parlamentarischen Hürden gebracht wurde.

Frankfurter Rundschau vom Unternehmenssteuersenkungswahn infiziert.

Im „Thema des Tages“ auf der Seite 2 behandelt die FR vom 8.8.06 die Unternehmenssteuerreform. Was den Lesern dort berichtet wird, könnte man auch in jeder Wirtschaftszeitung nachlesen. Wie selbstverständlich geht der Autor dieser Seite, Markus Sievers, davon aus, dass Steinbrücks Steuerreform im Grunde richtig sei und es eigentlich nur noch Streit über die Ausgestaltung der Senkung von Körperschafts-, Erbschafts-, Abgeltungs- oder über die Besteuerung von Personalgesellschaften gebe und dass nur noch die Höhe der Entlastung problematisch sei.
Die Schlagzeile lautet: „Unternehmer klagen weiter“. Ist in der Redaktion inzwischen vergessen worden, dass Jammern der Gruß der Kaufleute ist?