Archiv: Monat: August 2013

Arabischer Winter – Wenn „Demokratie“ zum Kampfbegriff wird

Demokratie ist für die westliche Politik nur dann erstrebenswert, wenn bei Wahlen die „Richtigen“ gewinnen. Der Muslimbruder Mohammed Mursi gehörte nicht dazu. Daher haben die Regierungen der westlichen Welt offenbar auch kein großes Problem damit, dass der demokratisch gewählte Präsident Ägyptens durch eine Junta aus dem Amt geputscht wurde. Erst als die neuen Machthaber in zahlreichen Massakern tausende Demonstranten abschlachteten, machte sich in Berlin, London und Washington leises Unbehagen breit. Ägypten steuert mit voller Fahrt zurück zur Militärdiktatur. Aus dem arabischen Frühling ist ein arabischer Winter geworden – währenddessen lügt man sich im Westen in die eigene Tasche und phantasiert immer noch von einem „Transformationsprozess“. Der Westen wünscht sich keine Demokratie, sondern Stabilität. Und wenn man dafür die Demokraten niederschießen muss, dann sei dem so. Von Jens Berger

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Hinweise des Tages

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Rezension: Chrystia Freeland, „Die Superreichen. Aufstieg und Herrschaft einer neuen globalen Geldelite“

Chrystia Freeland ist ehrgeizig. Sie will etwas verstehen, was kaum noch einer verstehen kann. Sie möchte begreifen, wie sich der amerikanische Kapitalismus und der Kapitalismus auf der ganzen Welt verändert haben. Ihr Ausgangspunkt ist gut gewählt. Sie will sich anschauen, was ganz oben an der Spitze passiert. Eine Buchbesprechung des gerade im Westend Verlag erschienenen Titels „Die Superreichen“. Von Wolfgang Hetzer[*].

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Glosse: Herzlichen Glückwunsch, lieber SPIEGEL!

Was im April noch eine beißende Satire des Tagesspiegel war, ist seit heute Realität: Nikolaus Blome, seines Zeichens stellvertretender Chefredakteur und „Gesicht“ der BILD-Zeitung, wird zum 1. Dezember neuer stellvertretender Chefredakteur und „Gesicht“ des SPIEGEL. Ein kleiner Schritt für einen Journalisten, ein großer Schritt für die Medienlandschaft. Da findet zusammen, was zusammen gehört. Nun ist der langjährige Transformationsprozess des ehemaligen Nachrichtenmagazins zur „BILD am Montag“ endlich abgeschlossen. Die NachDenkSeiten gratulieren dem SPIEGEL zu dieser konsequenten Personalentscheidung. Von Jens Berger.

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Pofalla rettet sich über die Zeit – Die Taktik des nichts dementierenden Dementis

Letzte Woche behauptete der Geheimdienstkoordinator Ronald Pofalla der Ausspähungsskandal sei „vom Tisch“. Er dementierte dabei Vorwürfe, die gar nicht gemacht wurden. Bei seiner neuerlichen Anhörung vor der Parlamentarischen Kontrollkommission greift er Zweifel an seinen früheren Aussagen auf, die gar nicht mehr in Zweifel standen.

Wie undurchdringlich der Dschungel der ausländischen und deutschen Geheimdienstaktivitäten ist, belegen die über einhundert Fragen die der Grünen-Abgeordnete und parlamentarische Geheimdienstkontrolleur Hans-Christian Ströbele an die Bundesregierung gestellt hat.

So wichtig und richtig das Verlangen nach Aufklärung und nach einem besseren Schutz der Grundrechte durch die Bundesregierung ist, so wenig ist zu erwarten, dass die Regierung die Enthüllungen über den Überwachungsskandal vor der bevorstehenden Wahl noch aufklären wird und will. Merkels „Schattenmann“ versucht sich wie ein angeschlagener Boxer über die Zeit retten. Wenn es die politischen Kräfteverhältnisse nach der Wahl nicht erlauben sollten, wenigsten danach einen Parlamentarischen Untersuchungsausschuss einzurichten, dann dürfte auch dieser Überwachungsskandal politisch wieder „vom Tisch“ sein. Und die Geheimdienste werden unter dem Tisch weitermachen wie bisher. Denn die Regierenden in aller Welt werden angesichts der sich zuspitzenden Krise den Teufel tun, von der Überwachung ihrer Bürgerinnen und Bürger abzulassen. Von Wolfgang Lieb.

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Die kläglichen Fundamente der Austeritätspolitik

Wenngleich große Teile der deutschen Medien in der letzten Woche die Nachricht feierten, dass das BIP im Euroraum im zweiten Quartal 2013 im Vergleich zum Vorquartal um 0,3 Prozent gestiegen ist („Es geht wieder bergauf“; „Ende der Rezession: Europa berappelt sich“ etc.), bleibt die wirtschaftliche Lage in den Euro-Krisenländern (Griechenland, Spanien, Portugal, Italien, Irland, Zypern) trostlos, wie ein Blick auf die neuen, von Eurostat veröffentlichten Daten zeigt (Eurostat 2013a). So fiel in Spanien, Italien und Zypern das BIP im zweiten Quartal 2013 abermals gegenüber dem Vorquartal, wenn auch in geringerem Maße als noch zu Beginn des Jahres (für Griechenland und Irland liegen noch keine Daten für einen solchen Vorquartals-Vergleich vor). Damit ist die Wirtschaftsleistung in Spanien seit nunmehr sieben Quartalen, in Zypern und Italien gar seit acht Quartalen in Folge geschrumpft. Von den Krisenländern verzeichnet allein Portugal im zweiten Quartal 2013 einen Anstieg des BIP gegenüber dem Vorquartal (von 1,1 Prozent), wobei aber zu berücksichtigen ist, dass die portugiesische Wirtschaft zuvor zehn Quartale hintereinander geschrumpft war. Ein Gastartikel[1] von Günther Grunert.

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Falsches Spiel mit tunesischen Pflegeschülern in Hamburg

Die Idee hörte sich durchaus gut an: Um den Menschen in den Ländern des arabischen Frühlings zu helfen, organisierte der Hamburger Klinikkonzern Asklepios in Zusammenarbeit mit dem Auswärtigen Amt das Projekt TAPiG, bei dem 150 junge Tunesier in Hamburg als Krankenpfleger ausgebildet werden sollten. Kaum gestartet steht das Projekt seit letzter Woche bereits vor dem Aus. 24 der 25 tunesischen Pflegeschüler weigern sich mittlerweile, ihren Dienst bei Asklepios zu den vertraglichen Konditionen anzutreten. Für die WELT und das Hamburger Abendblatt ist die Sache klar – zwischen den Zeilen wird den jungen Tunesiern Gier unterstellt. Ihnen sei die Ausbildungsvergütung in Höhe von 620 Euro netto zu niedrig. Doch dies ist noch nicht einmal die halbe Wahrheit. Es sieht vielmehr so aus, als ginge es Asklepios eher darum, billige Arbeitskräfte zu rekrutieren und einen großen Teil der Kosten des Projekts auf die jungen Tunesier abzuwälzen. Was nach Hilfe aussieht, wird so zur Ausbeutung. Von Jens Berger.

Zur Konstellation vor der Wahl

Im Deutschlandradio Kultur hatte ich am 7.8. gesagt, dass ich zum ersten Mal verstünde, wenn Leute nicht zur Wahl gingen. Dieses Verständnis hat einige NachDenkSeiten-Leser irritiert. Ich werte dies als Anstoß klarzustellen, wie ich die Konstellation vor der Bundestagswahl am 22.9. sehe und was noch bliebe, um einen politischen Wechsel einzuleiten. Albrecht Müller.

Rezension: Stefan Selke, Schamland – Sozialpolitik nach Gutsherrenart

Das Attribut „nach Gutsherrenart“ wird häufig gebraucht, um auszudrücken, dass es sich um gehobene, deftige ländliche Küche handelt, die eben den Gaumen eines „Gutsherren“ besonders erfreuen könnte. Gutsherren werden gern romantisch verklärt, vergessen wird dabei, dass sie in selbstherrlicher Manier über ihre Untergebenen entscheiden konnten. Die im Dienste eines Gutsherren stehenden Mägde und Knechte hatten kaum eigene Rechte, wurden meist nur gering entlohnt und oft nur mit Naturalien abgespeist. Mit der Agenda 2010 hat sich Deutschland vom Anspruch eines Wohlfahrtstaates mit einem eigenständigen Recht auf (monetärem) Schutz gegen soziale Risiken weitgehend verabschiedet und eine Bedürftigenhilfe nach Gutsherrenart eingeführt. Parallel zu diesem Rückbau des Sozialstaates hat sich eine regelrechte Armutsökonomie entwickelt.

Der Soziologiprofessor an der Hochschule Furtwangen mit dem Lehrgebiet “Gesellschaftlicher Wandel” Stefan Selke, hat ein äußerst informatives Buch mit dem Titel „Schamland – Die Armut mitten unter uns“ über die „Vertafelung“ der Gesellschaft geschrieben. Von Christine Wicht.

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Hinweise des Tages II

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Große grüne Pflegereform in Nordrhein-Westfalen

Die rot-grüne NRW-Landesregierung hat im Juli einen Gesetzentwurf der grünen Ministerin für Gesundheit, Emanzipation, Pflege und Alter, Barbara Steffens, zu einer großen landesrechtlichen Pflegereform (GEPA NRW) in den Landtag eingebracht. Landesregierung und grüne Ministerin streben mit dem GEPA NRW eine recht grundlegende, nach eigenem Bekunden „vom Menschen her gedachte“ Neuausrichtung der NRW-Pflegepolitik an.
Die Neuregelungen und Instrumente des Gesetzentwurfs sind jedoch gerade nicht geeignet, die Infrastrukturen der Pflege auf diese Zielsetzungen hin fortzuentwickeln. Wie im Folgenden dargelegt, laufen sie vielmehr teils Gefahr, neue Risiken für pflegebedürftige Menschen heraufzubeschwören und erschöpfen sich in anderen wesentlichen Fragen in symbolischer Gesetzgebung und Politik, während zentrale Anforderungen der UN-Behindertenrechtskonvention für den Pflegebereich auch weiterhin unberücksichtigt bleiben.
Nicht ein neues Denken „vom Menschen her“, sondern ein altbekanntes Denken „vom Geld her“ zieht sich als roter Faden durch den GEPA-Entwurf. Von Daniel Kreutz

Quelle: Große grüne Pflegereform in Nordrhein-Westfalen [PDF – 200 KB]