Hinweise des Tages

Jens Berger
Ein Artikel von:

Heute unter anderem zu folgenden Themen: Normalverdiener können sich weniger leisten als im Jahr 2000; Ulrike Herrmann: Der Crash wird geleugnet; Nachtrag zu unserem gestrigen Hinweis #3; ZEW: Konjunkturerwartungen wegen Schuldenkrise gesunken; Anleger flüchten in Gold – Metall der Angst; Arbeitgeberverband lehnt Steuersenkungen ab; Dringend notwendig: Internationaler Gerichtshof für Globale Finanzverbrechen; “Es kommt offenbar vor, dass Studien nicht publiziert werden”; Altenpflege; Die meisten neuen Jobs gehen an Leiharbeiter; Diakonisches Werk Württemberg: Armut und Reichtum; Klinikum Offenbach: Ver.di warnt vor Verkauf; Grünes vergessen machen; NRW – Schulministerium und Bertelsmann Stiftung besiegeln Kooperation zur Lehrerfortbildung; Macht und Massenmedien – Der britische Umsturz; Fragen an den Autor: W. Hetzer „Finanzmafia“; Rezension: Stéphane Hessel, Engagiert Euch!; So teuer wie möglich – Der letzte Kampf der Atomindustrie (WL/JB)

Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:

  1. Normalverdiener können sich weniger leisten als im Jahr 2000
  2. Ulrike Herrmann: Der Crash wird geleugnet
  3. Nachtrag zu unserem gestrigen Hinweis #3
  4. ZEW: Konjunkturerwartungen wegen Schuldenkrise gesunken
  5. Anleger flüchten in Gold – Metall der Angst
  6. Arbeitgeberverband lehnt Steuersenkungen ab
  7. Dringend notwendig: Internationaler Gerichtshof für Globale Finanzverbrechen
  8. “Es kommt offenbar vor, dass Studien nicht publiziert werden”
  9. Altenpflege
  10. Die meisten neuen Jobs gehen an Leiharbeiter
  11. Diakonisches Werk Württemberg: Armut und Reichtum
  12. Klinikum Offenbach: Ver.di warnt vor Verkauf
  13. Grünes vergessen machen
  14. NRW – Schulministerium und Bertelsmann Stiftung besiegeln Kooperation zur Lehrerfortbildung
  15. Macht und Massenmedien – Der britische Umsturz
  16. Fragen an den Autor: W. Hetzer „Finanzmafia“
  17. Rezension: Stéphane Hessel, Engagiert Euch!
  18. So teuer wie möglich – Der letzte Kampf der Atomindustrie

Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Normalverdiener können sich weniger leisten als im Jahr 2000
    Es ist ein ernüchterndes Ergebnis: Deutschland ist zwar in den vergangenen zehn Jahren deutlich wettbewerbsfähiger geworden, aber der Preis für die Beschäftigten ist hoch. Laut einer Studie haben fast alle Arbeitnehmer seit dem Jahr 2000 massiv an Kaufkraft eingebüßt – teilweise bis zu 22 Prozent. […]
    Die Spaltung zeigt sich nicht nur im aktuellen Aufschwung, sondern auch bei einer Betrachtung des vergangenen Jahrzehnts: Dem Großteil der Arbeitnehmer blieb im vergangenen Jahr weniger vom Gehalt als noch 2000. Von einer höheren Kaufkraft konnten dagegen Topverdiener profitieren. Das zeigen Daten des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), die der Forscher Markus Grabka am Dienstag präsentierte. Demnach verzeichnen die unteren fünf Einkommensgruppen die stärksten Einbußen. Im Durchschnitt aller Einkommensgruppen liegt das Minus zwischen 2000 und 2010 bei 2,5 Prozent, in den unteren fünf Gruppen dagegen zwischen fünf und 22 Prozent.
    Laut Grabka ist die untere Mittelschicht von der negativen Entwicklung am stärksten betroffen. “Das liegt vor allem an der wachsenden Zahl atypischer Beschäftigungsverhältnisse.” Dazu zählen neben Leiharbeit auch befristete und geringfügige Stellen sowie Teilzeitjobs, in denen die Arbeitszeit unter 20 Stunden pro Woche liegt. Die Zahl dieser Stellen stieg 2010 in Deutschland auf 7,84 Millionen. Von den 322.000 Jobs, die 2010 geschaffen wurden, waren laut Statistischem Bundesamt 182.000 Leiharbeiter-Stellen – also 57 Prozent. Die Zahl der Leiharbeiter stieg auf insgesamt 742.000 und erreichte damit einen neuen Rekord.
    Quelle: SPIEGEL Online

    Anmerkung J.K.: Na sowas möchte man ausrufen, dass der Spiegel auch schon darauf kommt. Recht viel deutlicher lässt sich auf das hier betriebene Lohndumping wohl nicht hinweisen. Die Folgen für Deutschland und Europa dürften inzwischen hinlänglich bekannt sein. Unverständlich die etwas dümmliche Einleitung des Artikels, die versucht das Aufschwungsmärchen zu kolportieren, sich aber im ersten Satz gleich selber widerspricht.

    Anmerkung Orlando Pascheit: Es mag ganz interessant sein, auf Heller und Pfennig ausgerechnet zu bekommen, dass die meisten Arbeitnehmer in den letzten 10 Jahren an Realeinkommen verloren haben, nur ist die grundsätzliche Tendenz schon seit Jahren bekannt. Die NachdenkSeiten haben immer wieder auf Meldungen zum Reallohnverlust, zum Anstieg der Gewinne und Vermögenseinkommen, zum Anstieg des Niedriglohnsektors, die Zuhnahme an Leiharbeit hingewiesen. Diese Meldungen, wie z.B. die gestrige Meldung des statistischen Bundesamtes zur Bedeutung der Zeitarbeit im gegenwärtigen “Beschätigungszuwachs”, standen den Journalisten dieses Landes schon immer zur Verfügung.
    Der Skandal im Skandal ist, dass diese Entwicklung nicht skandalisiert wird. Sie ist heute eine Schlagzeile und morgen vergessen. Selbst die Gewerkschaften schwächeln, wie oft haben sie schon einen heißen Herbst angekündigt und nichts ist passiert. Auch die jetzt wieder einmal diskutierten Sofortmaßnahnem wie gesetzlicher Mindestlohn, Gleichbezahlung von Leiharbeitern und Stammbelegschaft und Rückkehr zur paritätischen Beteiligung bei der gesetzlichen Krankenversicherung sind jedem informierten Bürger, der Politik, den Gewerkschaften und der Presse schon längst geläufig. Wann endlich wird gehandelt? Wann wählt der Bürger endlich die Parteien ab, die den Lebensstandard so vieler bedrohen zugunsten einiger weniger? Wann wagen die Gewerschaften endlich einmal den politischen Kampf, nachdem sie sich tarifpolitisch ganz offensichtlich jahrelang über den Tisch ziehen ließen? Wann endlich realisieren die Medien, wohin eine polarisierte Gesellschaft führt? – Und kommt ja nicht mit den Löhnen in Peking, oder der Ungleichverteilung in Brasilien oder den USA.

    dazu: Schwache Lohnentwicklung – Kalkulierte Kehrseite des Aufschwungs
    Das Ausland staunt wieder, wenn es auf Deutschland blickt. Einen “Hafen in Europas Sturm” hat das “Wall Street Journal” ausgemacht, vor allem für verunsicherte Investoren. […]
    Doch diese Stärke hat ihren Preis: Deutschland gewinnt an Wettbewerbsfähigkeit, während Arbeitnehmer mit sinkenden Reallöhnen zu kämpfen haben, vor allem solche mit geringen Einkommen. Sich über die neuen Zahlen des Statistischen Bundesamts und die Berechnungen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) zu wundern wäre allerdings vermessen. Diese Kehrseite des Booms war kalkuliert.
    Der wachsende Niedriglohnsektor ist nicht einfach entstanden, er wurde geschaffen. Deutschland erfährt im Guten wie im Schlechten die Folgen der Hartz-Reformen. Sie sind Folgen einer bewussten politischen Entscheidung: Als Deutschland rund fünf Millionen Arbeitslose zählte, war es ein breiter Konsens, dass eine schlecht bezahlte Arbeit besser ist als gar keine. Das ist volkswirtschaftlich gesehen berechtigt. […]
    Sinkende Reallöhne sind inzwischen ein Charakteristikum der deutschen Wirtschaft, schwache Binnennachfrage bei starkem Export eingeschlossen. Vieles deutet darauf hin, dass die Arbeitsmarktreformen überreizt wurden. Offenbar geht die geringfügige Beschäftigung – mit der Arbeitslose leichter im Jobleben Fuß fassen sollten – zum Teil zu Lasten bislang gut bezahlter Vollzeitstellen.
    Quelle: FTD

    Anmerkung Jens Berger: Auch wenn die Kernaussage des Artikels zynisch und technokratisch klingt, trifft sie jedoch mitten ins Schwarze. Die miserable Lohnentwicklung war und ist kein Unfall, sondern eine Entwicklung, die mit Vorsatz herbeigeführt wurde. Ansonsten liegt der FTD-Leitartikler jedoch meilenweit daneben:

    • Es gab zwar einen „breiten Konsens“ in der Politik, aber ganz sicher keinen Konsens in der Bevölkerung, dass Deutschland einen Niedriglohnsektor bräuchte.
    • Gerade für ein Land mit einem sehr aktiven Außenhandel ist es sehr riskant, die Binnennachfrage zu vernachlässigen. Die Aussage, dass die Schaffung des Niedriglohnsektors „volkswirtschaftlich gesehen berechtigt“ gewesen sei, ist schlichtweg falsch.

    Anmerkung J.A.: Hier durfte mal wieder ein Neoklassiker diese hanebüchene Theorie in Reinstform ausbreiten: niedrigere Löhne führt zu mehr Arbeitsplätzen.
    Daß das nicht einmal oberflächlich stimmt – die Anzahl der Arbeitsstunden 2011 liegt unter der von 2000 -, scheint nicht zu stören. Umso schlimmer für die Wirklichkeit, wenn sie mit der Theorie nicht übereinstimmt! Aber wenigstens ist der Artikel klar und deutlich und ehrlich über die Absichten der Hartz-“Reformen”.
    Völlig unlogisch und widersprüchlich die letzte Passage mit dem Vorschlag die Sozialabgaben zu senken, ohne “das Einkommen von Konsumenten zu schwächen, die Sozialkassen leiden zu lassen und Millionen Arbeitnehmer auf Kosten der Steuerzahler in die Altersarmut zu entlassen”. Genau das ist bzw. wäre doch das Resultat einer Senkung der Sozialabgaben. Die Neoklassiker verheddern sich im Gestrüpp ihres eigenen Geschwätzes.

  2. Ulrike Herrmann: Der Crash wird geleugnet
    Sehr merkwürdig: Fast alle griechischen Banken haben den europaweiten Stresstest bestanden. Offiziell sind sie also gesund. Dabei stehen sie vor der Pleite, wie niemand besser weiß als die Griechen selbst. Seit Monaten ziehen sie ihr Erspartes ab und verlagern es ins Ausland. Der Stresstest ist ein Witz, weil er die Finanzmärkte “beruhigen” soll. Damit steht vorher fest, was hinterher herauskommt: Es müssen ein paar Banken durchfallen, damit der Test realistisch wirkt – aber es dürfen nicht zu viele sein, weil die Investoren sonst in Panik gerieten. Daher wurde zum Beispiel angenommen, dass die Aktienkurse nur um maximal 15 Prozent einbrechen. Das ist lächerlich. Nach der Pleite von Lehman Brothers verloren die Börsen mehr als die Hälfte ihres Werts. Noch lustiger ist es bei den Staatsanleihen: Während Griechenland auf den Bankrott zusteuert, kommt die Pleite eines Eurolandes beim Stresstest nicht vor.
    Unfreiwillig verrät der Stresstest, wie schlecht es um die Banken stehen muss, wenn sie nur in einer geschönten Wirklichkeit überlebensfähig sind. Daraus folgt: Ein zweiter Crash ist jederzeit möglich, bei der die Banken erneut Steuermilliarden benötigen. Was dagegen hilft? Bestimmt kein weiterer Stresstest, der “strenger” ausfällt. Stattdessen müssten alle Banken ihr Eigenkapital deutlich erhöhen, um Verlusten vorzubeugen. Diese Idee ist nicht neu, wird aber von den Instituten hartnäckig bekämpft. Die Banken wollen weiterhin wie Hedgefonds agieren und mit fremdem Geld den eigenen Gewinn mehren. Das Risiko trägt ja der Steuerzahler.
    Quelle: taz
  3. Nachtrag zu unserem gestrigen Hinweis #3

    Liebe Nachdenkseiten,

    heute, am 19.07, hatten sie in den “Hinweisen des Tages” einen Link zu einem kritischen Beitrag auf n-tv über den angeblichen Fachkräftemangel angegeben.

    Wie irrsinnig in Deutschland Debatten geführt werden kann man gerade an diesem Link nachverfolgen. Der Text legt einleuchtend und, wie ich dachte, für jeden verständlich da, warum die Debatte über den Fachkräftemangel eine Scheindebatte ist. So verständlich, wie ich dachte, ist der Artikel aber dann doch nicht, jedenfalls nicht für den durchschnittlichen n-tv-Reporter. Denn genau unter dem letzten Satz des Artikels (“Mit Fachkräftemangel hat das aber nichts zu tun” !) ist ein Video eingebettet, dass “Deutschland braucht Fachkräfte – Eine Million freie Stellen” betitelt ist und, unter anderem mit dem lieben Herrn Hund als Zeugen, sich einen Dreck schert über den Inhalt des Artikels darüber.
    Anscheinend wird man im Privatfernsehen nur noch eingestellt, wenn man schizophren ist!
    Ich frage mich immer mehr, wie man diesen ganzen Quatsch ertragen soll, ohne dauerhaft in hysterische Lach- oder Schreianfälle zu verfallen!

    Beste Grüße,
    C.M.

  4. ZEW: Konjunkturerwartungen wegen Schuldenkrise gesunken
    Angesichts der Schuldenkrise im Euro-Raum haben sich die Konjunkturerwartungen deutscher Finanzexperten eingetrübt. Das Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung teilte in Mannheim mit, der entsprechende Index sei zum fünften Mal in Folge gesunken – und zwar von minus 9 auf minus 15,1 Zähler. Für den Indikator befragt das ZEW monatlich etwa 300 Analysten und institutionelle Anleger.
    Quelle: Deutschlandfunk
  5. Anleger flüchten in Gold – Metall der Angst
    Griechenland, Italien, USA: Jede noch so skurrile Wendung in den Schuldenkrisen der Welt wird als Argument benutzt, in Gold zu investieren – der Preis pro Feinunze durchbricht erstmals 1600 Dollar. Und die Propagandisten des Edelmetalls schüren zusätzlich Weltuntergangsstimmung. Warum der neue Goldrausch an den Finanzmärkten so gefährlich ist. […]
    Nüchtern betrachtet hat die Gold-Hausse alle Anzeichen einer Spekulationsblase. Sie wird irgendwann platzen und viele Menschen werden viel Geld dabei verlieren. Wohl wahr, auf dieses Platzen warten die Experten schon lange, und bislang ist gut gefahren, wer sich auf die Irrationalität des Marktes einstellte und bei der Hausse mitmachte. Mittlerweise gibt es jedoch auch sehr gute politische und gesellschaftliche Gründe, auf das Ende der Goldspekulation zu hoffen.
    Quelle: Süddeutsche Zeitung

    Anmerkung Jens Berger: Wie sagte doch der alte Börsen-Grandseigneur André Kostolany? Wenn Dir die Schuhputzer Aktientips geben ist es höchste Zeit aus dem Markt auszusteigen. Wenn – wie gestern geschehen – sogar schon das Pro7-„Wissensmagazin“ Galileo und die BILD kräftig die Werbetrommel für Gold drehen, kann man getrost davon ausgehen, dass die großen Spieler schon dabei sind, auf fallende Kurse zu wetten. Leider klären die Medien ihre Leser/Zuschauer nicht auf, dass Gold keine sicherer Anlage, sondern ein hochvolatiles Spekulationsobjekt ist. Wer beispielsweise im Januar 1980 für 873 US$/Unze gekauft hat, hat binnen weniger Wochen mehr als die Hälfte seines Einsatzes verloren.

    Historische Goldpreisentwicklung

    dazu auch: Paul Krugman – The Glenn Beck / DeBeers Connection
    Quelle: New York Times

  6. Arbeitgeberverband lehnt Steuersenkungen ab
    Die FDP fordert Steuerentlastung, Gesamtmetall warnt dagegen vor Haushaltsrisiken angesichts der Schuldenkrise.
    Der haushaltspolitische Sprecher der CDU/CSU-Fraktion, Norbert Barthle, sieht nur wenig Spielraum für Steuersenkungen. Es wäre schon viel erreicht, wenn es gelinge, den stark progressiv steigenden Steuertarif etwas zu bereinigen, sagte der CDU-Politiker der „Passauer Neuen Presse“. Der Präsident des Arbeitgeberverbandes Gesamtmetall, Martin Kannegiesser, sprach sich gegen die Senkung von Steuern oder Sozialabgaben aus. […]
    Kannegiesser sagte der „Süddeutschen Zeitung“, die Etats von Bund, Ländern und Gemeinden seien noch lange nicht konsolidiert. Außerdem wisse niemand, welche Risiken durch die Schuldenkrise noch zu erwarten seien. Als Unternehmer könne er sich auch nicht „bis aufs Hemd ausziehen, finanziell gesehen, nach dem Motto: Wenn die Risiken eintreten, müssen wir weitersehen“.
    Auch von den Plänen, Sozialabgaben zu senken, halte er wenig. „Ich bin dagegen, sie heute zu senken und morgen wieder zu erhöhen“, sagte Kannegiesser. Das seien „konjunkturpolitische Wanderdünen“. Deutschland brauche auch hier Verlässlichkeit und Stabilität.
    Quelle: WELT

    Anmerkung J.A.: Wenn sogar die FDP-nahen Arbeitgeberverbände – völlig zu Recht und mit sehr guten Argumenten – gegen Steuersenkungen protestieren, dann müssten doch bei der Ein-Themen-Partei alle Warnglocken bimmeln. Aber weit gefehlt. Soviel zum Thema “die FDP muß sich breiter aufstellen”.

  7. Dringend notwendig: Internationaler Gerichtshof für Globale Finanzverbrechen
    Die Finanzkrise hat uns in vollem Maße getroffen, durch sie droht die Wirtschaft zusammenzubrechen. Die Krise destabilisiert inzwischen die finanzielle Zukunft ganzer Nationen. Festzustellen ist: Wir befinden uns in einem Wirtschaftskrieg.
    Quelle: Newrop Mag
  8. “Es kommt offenbar vor, dass Studien nicht publiziert werden”
    Standesvertreter antwortet auf massive Kritik an medizinischer Forschung
    Der Präsident der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften, Karl Heinz Rahn, will den Einfluss der Firmen-Sponsoren auf die Publikation von medizinischen Studien einschränken. Medizinische Studien von Firmen und öffentlichen Instituten gemeinsam finanzieren zu lassen, hält er für einen Teil der Lösung.
    Quelle: Deutschlandradio Kultur

    Anmerkung T.M.: Im Ansatz richtig, aber halbherzig: Öffentliche Institute müssen angemessen finanziell ausgestattet werden, die Verteilungsfrage stellt sich auch hier.

  9. Altenpflege
    Ende des Jahres 2009 arbeiteten in Deutschland 268.891 Personen in 12.026 Pflegediensten und 621.392 Personen in 11.634 Pflegeheimen. Dies teilt die Bundesregierung in ihrer Antwort (17/6222) auf eine Kleine Anfrage (17/6025) der Fraktion Die Linke zur Altenpflege mit. Zum gleichen Zeitpunkt seien 555.000 Pflegebedürftige zu Hause durch ambulante Pflegedienste und 717.000 in Pflegeheimen betreut worden. Keine Angaben liegen der Regierung laut eigenem Bekunden über die verschiedenen Regelungen zur Altenpflegeausbildung und ihre Finanzierung in den Bundesländern vor. Die Umsetzung des Altenpflegegesetzes des Bundes liege in der Kompetenz der Länder.
    Quelle: Deutscher Bundestag
  10. Die meisten neuen Jobs gehen an Leiharbeiter
    Der Aufschwung kommt am Arbeitsmarkt an. Die Mehrzahl der neuen Stellen erhalten aber Menschen mit befristeten Arbeitsverträgen.
    Der größte Teil neuer Arbeitsplätze ist im vergangenen Jahr durch Leiharbeit entstanden. Von den 322.000 neuen Jobs waren 182.000 – also 57 Prozent – Leiharbeiter-Stellen, wie das Statistische Bundesamt in Wiesbaden mitteilte.
    Quelle: WELT

    Anmerkung Jens Berger: So langsam sollte es selbst dem unkritischsten Leser auffallen, dass in letzter Zeit in den Medien sämtliche Fakten, die den viel zitierten Aufschwung in Frage stellen, durch einen selbstaffirmativen Hinweis auf den Aufschwung eingeleitet werden. Solche Selbstaffirmationen kennt man im medialen Bereich eigentlich eher aus den Wochenschauen des Dritten Reichs oder der Aktuellen Kamera der DDR.

  11. Diakonisches Werk Württemberg: Armut und Reichtum
    Ein Powerpoint-Vortrag mit Erläuterungen
    Quelle 1: Diakonisches Werk Württemberg [PDF – 80 KB]
    Quelle 2: Powerpoint Folien [PPT – 5.7 MB]
    Quelle 3: Powerpoint Folien als PDF [PDF – 4 MB]
  12. Klinikum Offenbach: Ver.di warnt vor Verkauf
    Die Gewerkschaft ver.di hat vor der Privatisierung kommunaler Kliniken im Rhein-Main-Gebiet gewarnt. »Die Gesundheitsversorgung ist eine öffentliche Aufgabe und kann nicht nach Profitgesichtspunkten organisiert sein«, erklärte Georg Schulze-Ziehaus, Leiter des Fachbereichs Gesundheit im ver.di-Landesbezirk Hessen, am Montag gegenüber junge Welt. Anlaß waren Äußerungen des Stadtkämmerers von Offenbach, Michael Beseler, der einen Verkauf des örtlichen Krankenhauses nicht ausgeschlossen hatte. Hintergrund ist dessen anhaltende finanzielle Schieflage, die auch durch Verzichtsleistungen der Beschäftigten in den vergangenen Jahren nicht beseitigt wurde.
    Quelle: Junge Welt

    Anmerkung Orlando Pascheit: Es gilt leider immer noch in der Haushaltspolitik des Bundes, der Kommunen von Berlin bis nach Athen über Brüssel: Was kümmern die langfristigen Kosten der Privatisierung in Form von schlechterer und teurer Versorgung der Bevölkerung, wenn man sich die Kosten öffentlicher Aufgabe kurzfristig entledigen kann. Natürlich jubelt die Privatwirtschaft ob der Profite in neuen Wirtschaftsfeldern.

  13. Grünes vergessen machen
    Unter der rot-grünen Bundesregierung ist Deutschland zum viertgrößten Rüstungsexporteur verkommen, Waffen gingen nach Saudi-Arabien. Eine Replik auf Volker Beck
    Quelle: Der Freitag
  14. NRW – Schulministerium und Bertelsmann Stiftung besiegeln Kooperation zur Lehrerfortbildung
    Fortbildungsoffensive für individuelle Förderung geht an den Start
    Der Schlüssel, um allen Kindern und Jugendlichen mit ihren unterschiedlichen Potenzialen gerecht zu werden, besteht in der individuellen Förderung. Lehrkräfte dabei zu unterstützen, genau dies im Unterricht zuverwirklichen, ist eine Aufgabe von Staat und Gesellschaft. Das nordrheinwestfälische Ministerium für Schule und Weiterbildung und die Bertelsmann Stiftung haben sich deshalb für eine Stärkung der Lehrerfortbildung zusammengetan und heute in Düsseldorf einen gemeinsamen Vertrag unterzeichnet.
    Schulministerin Sylvia Löhrmann: “Die Bildungskonferenz hat empfohlen, eine Fortbildungsoffensive für Lehrkräfte zu starten. Zusammen mit der Bertelsmann Stiftung wollen wir diesenWeg gehen und das Fortbildungsangebot für Unterrichtsentwicklung fokussiert auf individuelle Förderung weiterentwickeln.”
    Quelle: Bildungsklick

    Anmerkung WL: Da kann die Bildungsgewerkschaft GEW noch sehr eine Zusammenarbeit mit der Bertelsmann Stiftung ablehnen, das NRW-Schulministerium bezieht diese Stiftung mit ihrer Wettbewerbsideologie in der Bildung nun auch noch vertraglich in die Lehrerfortbildung ein. Man kann sich ausmalen, wie die Evaluationitis als Instrument zur Verbesserung der Unterrichtsqualität in die Lehrerfortbildung eingehen wird, wie, statt auf die Urteilskraft der Pädagogen zu bauen, nunmehr gemessen und gerankt wird. (Und zwar nach den Kriterien der Bertelsmann Stiftung.) Da Wettbewerb und Konkurrenz zur Grundphilosophie der Bertelsmann Stiftung für die Steigerung von Qualität auch in der Bildung gehören (z.B. die Ideologie der „Selbständigen Schule“), werden diese Steuerungsprinzipien nun auch noch in der Lehrerfortbildung verankert.
    Man fragt sich, warum gerade die Bertelsmann Stiftung mit ihrer eindeutigen Mission nun in besonderem Maße gerade in der Lehrerfortbildung Einfluss nehmen können soll, statt z.B. einer Konferenz aus Lehrern, Wissenschaftlern, Eltern und Schulträgern – also aller am Schulwesen Beteiligten. Wieder einmal haben diejenigen das Sagen, die die nötigen finanziellen Mittel haben, solche Projekte durchzuführen. Die Lehrerfortbildung wird in NRW von nun an ein Public- Private-Partnership-Projekt. Wie heißt es doch so treffend: Bertelsmann macht Schule.

  15. Macht und Massenmedien – Der britische Umsturz
    England wirkt in diesen Tagen wie befreit von einer Besatzungsmacht. Es ist, als hätten in den letzten Jahren nicht Blair, Brown und Cameron regiert, sondern Murdoch, Murdoch und Murdoch. Wie mächtig sind Massenmedien wirklich?
    Kein revolutionärer Vergleich ist zu groß in diesen Tagen. Ein Kommentar im „Guardian“ verglich den Mut britischer Politiker, sich plötzlich gegen Rupert Murdoch zu Wort zu melden, mit den vorher unerhörten, unvorstellbaren Buh-Rufen, die dem rumänischen Diktator Nicolae Ceauescu aus einer Menschenmenge entgegenschallten und den Anfang seines Endes bedeuteten. Eine Art „britischer Frühling“ sei unterwegs, kommentierte David Carr, der Medienkolumnist der „New York Times“, „Demokratie ist ausgebrochen in Großbritannien“.
    Quelle: FAZ

    Anmerkung Jens Berger: Der Sturz Murdochs erinnert an die griechische Sage von Ikarus, der der Sonne zu nah kam und dessen Flügel von Wachs zusammengehalten wurden. „Gut“, dass Liz Mohn und Friede Springer hitzebeständige Fluggeräte haben.

    Anmerkung Orlando Pascheit: Die Verfilzung von Massenmedien und Politik muss auch immer vor dem Hintergrund der Verflechtung von Politik und Wirtschaft gesehen werden. Wenn die Murdoch-Medien z.B. versuchen den amerikanischen Präsidenten bei der Verbesserung der Krankenversicherung in das Abseits zu stellen, so ist das eben auch ein Einsatz im Interesse der Versicherungswirtschaft und der Pharmakonzerne. Die Problematik wird durch die ungeheuren Konzentrationsprozesse in der Medienlandschaft nicht gerade kleiner.

    dazu: News of the World- Affäre: Schlammschlacht um Scotland Yard
    Es ist längst nicht mehr nur ein Skandal um illegale Recherchepraktiken bei der mittlerweile eingestellten Sonntagszeitung News of the World (NoW). Es ist auch nicht mehr nur ein Skandal um die parteiübergreifende Nähe des britischen politischen Establishments zum Medientycoon Rupert Murdoch und seinem Zeitungs- und TV-Imperium. Es wird zu einem Imagekrieg und zu einer Affäre über mögliche Korruption auf höchster Ebene bei der Polizei. Der Rücktritt des Londoner Polizeichefs Paul Stephenson am späten Sonntagnachmittag war zeitlich kalkuliert, um Premierminister David Cameron in maximale Nöte zu bringen. In seiner Rücktrittserklärung verglich er sich und seine Beschäftigung des ehemaligen NoW-Vizechefredakteurs Neill Wallis mit Cameron und dessen Beschäftigung des ehemaligen NoW-Chefredakteurs Andy Coulson. Kommentatoren witterten darin eine implizite Rücktrittsforderung an Cameron. – Die Labour-Opposition versucht, aus der Affäre politisches Kapital zu schlagen, aber sie kommt bei der Sache selbst nicht gut weg.
    Quelle: taz

  16. Fragen an den Autor: W. Hetzer „Finanzmafia“
    Dr. Wolfgang Hetzer, “Finanzmafia. Wieso Banker und Banditen ohne Strafen davonkommen”. Warum werden Leute, die Milliardenschäden angerichtet haben, nicht zur Verantwortung gezogen? Ist das ganze System korrupt oder Organisierte Kriminalität?
    Quelle: SR2 [MP3]

    Anmerkung: Wolfgang Hetzers Buch „Finanzmafia“ ist bei Westend erschienen und kostet 19,95.

    Siehe auch: Rezension: Wolfgang Hetzer, „Finanzmafia – Wie Banken und Banditen unsere Demokratie gefährden“

  17. Rezension: Stéphane Hessel, Engagiert Euch!
    Mit Nachdruck ruft Hessel jetzt – im Nachfolgewerk “Engagiert Euch” – zum friedlichen Widerstand gegen Ungerechtigkeiten in unserer Welt auf, beklagt die Macht des Finanzkapitalismus, prangert die Lage der Menschenrechte an und warnt vor der ökologischen Zerstörung unseres Planeten. Gleichzeitig appelliert er an die Leser: Habt keine Angst, euch für ein hoch gestecktes Ziel einzusetzen! Kommt heraus aus eurer Gleichgültigkeit, mischt euch ein.
    Wir müssen vor allem daran glauben, dass unser persönliches Engagement die Welt verändern kann, sagt Stephane Hessel im Gespräch mit Gilles Vanderpooten.
    Wie der Protest gegen Raubbau und Umweltzerstörung konkret aussehen könnte, darüber lässt uns Hessel im Unklaren. Überhaupt liefert das in Buchform erschienene Interview nur wenig Konkretes. Wer detaillierte Handlungsanweisungen zum zivilen Ungehorsam erwartet, wird enttäuscht. “Engagiert Euch” ist vielmehr eine interessante Gedankensammlung, die zum Nachdenken animiert, nicht mehr und nicht weniger.
    Quelle: ORF
  18. So teuer wie möglich – Der letzte Kampf der Atomindustrie
    Als die schwarz-gelbe Regierung unter Bundeskanzlerin Angela Merkel im vergangenen Jahr die Laufzeitverlängerung für die deutschen Atomkraftwerke durchgesetzt hatte, dachte Bundesumweltminister Norbert Röttgen über seinen Rücktritt nach. Rötttgen räumt dies in der ARD Dokumentation “So teuer wie möglich – der letzte Kampf der Atomindustrie” ein, zu sehen am Mittwoch, 20. Juli, um 23.30 Uhr im Ersten. Er selbst sei skeptisch gegenüber der Laufzeitverlängerung für die AKWS gewesen. “Das war eine Erfahrung von Lobbyismus und wirtschaftlicher Interessenvertretung”, erinnert sich Röttgen. “Sehr deutlich, sehr massiv und sehr finanzstark. Ich bin dann aber auch sehr schnell zu dem Ergebnis gekommen”, so Röttgen, “dass man nicht den Einsatz für eine ganz wichtige Frage immer mit dem Amt verbinden darf.”
    Quelle: NDR

    Anmerkung: Die Dokumentation wird am Mittwoch, den 20. Juli, zur zuschauerfreundlichen Zeit 23:30 in der ARD ausgestrahlt.

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