Alternativen zum „sozialen Ausverkauf“

Albrecht Müller
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Generalanzeiger Bonn 31.8.2004. Das aktuelle politische Buch – Brandts Planungschef rät Schröder zum Kurswechsel. Von Helmut Herles.

BERLIN. Es war eine Montagsdemonstration besonderer Art. Horst Seebofer (CSU) und Albrecht Müller (SPD) gemeinsam mit Wibke Bruhns als Moderatorin in der Landesvertretung Rheinland-Pfalz gegen Gerhard Schröders Reformpolitik. Wobei Müller – früherer Redenschreiber bei Bundeswirtschaftsminister Karl Schiller, 1972 als Öffentlichkeitsarbeiter der SPD verantwortlich für den Wahlkampf Willy Brandts und von 1973 bis 1982 Leiter der Planungsabteilung im Bonner Bundeskanzleramt bei Willy Brandt und Helmut Schmidt – dem CSU-Politiker in der Kritik nicht nachstand. Seehofer sagte, zum erstenmal in der Geschichte drohe die Gefahr, „dass die Kosten einer Reform höher sind als der Ertrag”. Müller warf den Modernisierern vor, sie „bewegen sich wie die Hamster im Laufrad”.

Müller hält in seinem Buch an der Überzeugung fest, die er für den Wahlkampf von Bundeskanzler Willy Brandt formuliert hatte: „Wer morgen sicher leben will, muss heute für Reformen kämpfen.” Damit meint er „Veränderungen zugunsten der großen Mehrheit der Menschen, vor allem der Arbeitnehmer”, nicht die Politik Schröders. Müller begleitet sein Buch mit einem offenen Brief an den Bundeskanzler „Wenn die Reformpolitik so weitergeht, dann wirst du als jener Bundeskanzler in die Geschichte eingehen, der sich in unwirksame Reformen verstrickt hat, statt die Wirtschaft zu beleben, der dabei das Vertrauen in den solidarischen Charakter unseres Gemeinwesens endgültig zerstörte… Mit der herzlichen Bitte, die Geschichte anders enden zu lassen.”

Mit dem provozierenden Titel „Die Reformlüge” will Albrecht Müller der „Schwarzmalerei” der Eliten in Wirtschaft und Politik widersprechen und Alternativen zum „sozialen Ausverkauf, den wir gegenwärtig erleben”, vorstellen. Er schreibt von „40 Denkfehlern, Mythen und Legenden, mit denen Politik und Wirtschaft Deutschland ruinieren”. Da er dialektisch zu denken vermag, hofft er im Innersten, dass seine Antithesen doch noch eine Synthese ergeben. Kernbotschaft seines Buches sei: „Es ist höchste Zeit, Deutschland keine Schwächen anzudichten, die wir nicht haben und sich auf die Stärken unseres Modells zu besinnen.”

Der SPD- und der CSU-Poliliker sehen den Neoliberalismus ihrer Parteien als Gefahr. Müller zitiert düster George Orwells „1984″: „Wenn alle anderen die von der Partei verbreitete Lüge glaubten, wenn alle Aufzeichnungen gleich lauteten, dann ging die Lüge in die Geschichte ein und wurde Wahrheit.” Dennoch sind Seehofer und Müller überzeugt, dass sie beide „konstruktiv und optimistisch” seien. Das Buch widerlege Untergangsvorstellungen zur demografischen Entwicklung, den Wachstumschancen, zur mangelnden Wettbewerbsfähigkeit, der angeblichen Erosion des Normal-Arbeitsverhältnisses und beschreibt die Sozialstaatlichkeit als eine „moderne und erhaltenswerte Regel unseres Zusammenlebens“.

© Generalanzeiger Bonn

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