Hinweise des Tages

Jens Berger
Ein Artikel von:

Heute unter anderem zu folgenden Themen: Urban Legends – Die Mär vom Steuerdschungel; Heribert Prantl – Europas Betriebssystem ist die Demokratie, nicht der Euro; Paul de Grauwe – „Gott sei Dank haben die Staaten Schulden gemacht“; Rudolf Hickel – Nein; Eurokrise offenbart Scheitern deutscher “Reformpolitik”; Überschaubarer Kapitalbedarf für deutsche Banken; Heiner Flassbeck, Dirk Müller u.a.: Nahrungsmittelspekulation; Berlin: SPD und CDU einig über Aus für Öffentlichen Beschäftigungssektor; „Sündenbock-Funktion“ der Demografie; AKW-Betreiber bekommen Atomsteuer zurück; Der Tag, der unser Leben veränderte; Kriegsführung libyscher Rebellen gerät ins Zwielicht; Autobrände: Der Blödmann und die Brandstifter; Illusionsloser Blick auf das neoliberale Zeitalter; Grün-Rot in Stuttgart brüskiert Mitstreiter; Social and Economic Conditions of Student Life in Europe; US-Zeitung fordert “neue D-Mark” für Europa; zu guter Letzt: Volker Pispers – Einsicht (WL/JB)

Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:

  1. Urban Legends – Die Mär vom Steuerdschungel
  2. Heribert Prantl – Europas Betriebssystem ist die Demokratie, nicht der Euro
  3. Paul de Grauwe – „Gott sei Dank haben die Staaten Schulden gemacht“
  4. Rudolf Hickel – Nein
  5. Eurokrise offenbart Scheitern deutscher “Reformpolitik”
  6. Überschaubarer Kapitalbedarf für deutsche Banken
  7. Heiner Flassbeck, Dirk Müller u.a.: Nahrungsmittelspekulation
  8. Berlin: SPD und CDU einig über Aus für Öffentlichen Beschäftigungssektor
  9. „Sündenbock-Funktion“ der Demografie
  10. AKW-Betreiber bekommen Atomsteuer zurück
  11. Der Tag, der unser Leben veränderte
  12. Kriegsführung libyscher Rebellen gerät ins Zwielicht
  13. Autobrände: Der Blödmann und die Brandstifter
  14. Illusionsloser Blick auf das neoliberale Zeitalter
  15. Grün-Rot in Stuttgart brüskiert Mitstreiter
  16. Social and Economic Conditions of Student Life in Europe
  17. US-Zeitung fordert “neue D-Mark” für Europa
  18. zu guter Letzt: Volker Pispers – Einsicht

Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Urban Legends – Die Mär vom Steuerdschungel
    80 Prozent der Steuerliteratur stammen aus Deutschland? Unsinn. Ein Finanzforscher hat die Behauptung mit einem einfachen Maßband als Mythos entlarvt. Unser Steuersystem ist unkomplizierter als sein Ruf.
    Edmund Stoiber hat 2003 so argumentiert, Hans-Olaf Henkel gebrauchte das Argument drei Jahre später, und Guido Westerwelle führte es 2009 im Bundestagswahlkampf ebenfalls an: Die überwältigende Mehrheit der weltweiten Steuerliteratur sei auf Deutsch geschrieben, behaupteten alle drei mit dem Brustton der Überzeugung.
    Stoiber sprach von “weit über 60 Prozent”, Westerwelle gar von “70 bis 80 Prozent” – und das, obwohl weltweit nur zwei Prozent aller Steuerzahler aus Deutschland kämen. Alle benutzten die Anekdote als Beleg dafür, wie komplex, verworren und absurd das deutsche Steuersystem im weltweiten Vergleich doch sei. Stoiber: “Der einzelne Bürger hat kaum eine Chance, unser Steuersystem zu verstehen.”
    So schön und überzeugend die Anekdote zur Flut der deutschsprachigen Steuerliteratur aber auch klingt, sie hat einen kleinen Schönheitsfehler: Sie stimmt nicht. Es handelt sich um eine Räuberpistole, die seit vielen Jahren durch Talkshows, Wahlkampfreden und Leitartikel geistert, aber mit der Wirklichkeit nichts zu tun hat.
    Quelle: Handelsblatt

    Anmerkung JB: Hoffentlich erzählt das die Handelsblatt-Redaktion auch ihrem Chefredakteur Gabor Steingart, der – genau so wie sein Vorgänger Bernd Ziesemer – diese Mär auch bei jeder sich bietenden Gelegenheit verbreitet.

  2. Heribert Prantl – Europas Betriebssystem ist die Demokratie, nicht der Euro
    Ein Schuldenerlass für Griechenland ist nötig. Die Entscheidung darüber müssen aber die europäischen Demokratien treffen. Vorwürfe gegenüber dem Bundestag, er arbeite zu langsam und kenntnislos, sind unangebracht. Das Betriebssystem Europas ist die Demokratie, nicht der Euro – und die Kanzlerin ist durch das Parlament nicht gefesselt, sondern gestärkt.
    Quelle: Süddeutsche Zeitung

    Anmerkung WL: So sehr man Heribert Prantl Recht geben möchte, dass die parlamentarische Demokratie nicht wegen der Euro-Krise „kastriert“ werden darf, so unreflektiert ist seine Forderung nach einem Schuldenschnitt. Zur Problematik eines „haircuts“ siehe nochmals „Schulden streichen – gut gemeint, aber nicht ausreichend und Konsequenzen nicht durchdacht“.

    Unser Leser M.Z. merkt dazu ergänzend an:
    In diesem Beitrag wird, wie meiner Beobachtung nach meistens in den Publikationen der letzten Tage, nicht darauf eingegangen, welche Auswirkungen ein Schuldenschnitt an den Finanzmärkten hat. Vielleicht kann man da noch einmal vertieft drauf eingehen. In groben Zügen ist es ja so, dass aus Sicht der Banken, Fonds und sonstiger Anleger, bei einem Schuldenschnitt Griechische Staatsanleihen massiv an Wert verlieren. Das bedeutet alle, die gegen Griechenland spekuliert haben mit Leerverkäufen, Derivaten oder was auch immer durch den Schuldenschnitt gewaltige Gewinne einfahren. Nicht nur, dass ich ein Problem in meinem persönlichen Gerechtigkeitsempfinden damit habe, dass die die alles getan haben um diese Krise zu verstärken dabei gewaltige Gewinne machen, es ist ja auch so dass man damit für die so handelnden Anleger 1. eine hervorragende Rendite sicherstellt und 2. sie mit neuem Kapital ausstattet um genau diese Art von Spekulation weiterhin zu betreiben.
    Aus dieser Sicht ist also ab zu sehen, dass die Krise durch den Schuldenschnitt schlimmer wird als vorher man erreicht höchstens, dass statt gegen Griechenland gegen ein anderes Land spekuliert wird.

  3. Paul de Grauwe – „Gott sei Dank haben die Staaten Schulden gemacht“
    Die Politiker sind nicht die Schurken, sagt Euro-Ökonom Paul de Grauwe: Schuld am ganzen Schlamassel sind die privaten Schuldner.
    Quelle: FAZ
  4. Rudolf Hickel – Nein
    Der Neoliberalismus ist der größte Irrtum in der Geschichte des ökonomischen Denkens. Um die Perversionen des Systems zu beheben, muss der Kapitalismus zugunsten der Politik entmachtet werden. […]
    Die heutige Marktwirtschaft hat mit der in den Lehrbüchern beschworenen Wettbewerbsidylle, der sich die Unternehmen unterordnen, schon lange nichts mehr zu tun. Vielmehr dominiert die monopolistische Konkurrenz. Vermachtete Unternehmen passen sich nicht an die Marktvorgaben an. Vielmehr wird nicht nur mit der Marktmacht strategisches Verhalten durchgesetzt. Auch auf die Politik wird auf vielen Ebenen Einfluss genommen. Das Primat der Ökonomie gegenüber der Politik dominiert. Verstärkt durch einen massiven Lobbyismus gelingt es den marktbeherrschenden Unternehmen, Einfluss auf die parlamentarische Gesetzgebung zu nehmen. Die heutigen Rettungsprogramme für die Banken tragen die Handschrift der Bankenbosse…
    Durchgesetzt wurde ein finanzmarktgetriebener Kapitalismus, der in eine extrem bedrohliche weltweite Systemkrise gemündet ist. Ja, wenn nicht schleunigst eine umfassende Politik der Regulierung der Finanzmärkte durchgesetzt wird, dann ist dieser entfesselte Kapitalismus nicht mehr zu retten. Und das hieße erst einmal, immer schneller wiederkehrende Krisen mit generellen Wohlstandsverlusten und vor allem massive Belastung für die vom Arbeitseinkommen Abhängigen. Am Ende droht auch die demokratische Basis gefährdet zu werden…
    Die in Deutschland zumindest kurzfristig gelungene Rettung vor dem Zusammenbruch der Produktions- und Bankenwirtschaft zeigt, dass selbst in der Ära der Globalisierung politisches Gegensteuern erfolgreich sein kann. Noch wenige Wochen zuvor verpönte Konjunkturprogramme, ein Rettungsprogramm für die Banken und die Kurzarbeitergeldregeln haben den Absturz vermieden. Die Lehre ist klar: Es lohnt sich, diese Politik dauerhaft sicherzustellen.
    Quelle: Tagesspiegel
  5. Eurokrise offenbart Scheitern deutscher “Reformpolitik”
    Regierung, Opposition und führende Ökonomen in Deutschland sprechen nahezu einhellig von einer Schuldenkrise, wenn sie darüber diskutieren, wie denn der Euro noch zu retten ist. Entsprechend einhellig wird daher auch der Schuldenschnitt ins Feld geführt. Vor allem aber: Es muss weiter gespart werden. Dieses Verständnis gipfelte auf der Pressekonferenz der führenden deutschen Wirtschaftforschungsinstitute im Oktober dieses Jahres in dem Satz: “Leider muss es wohl so sein, dass Griechenland aus der Krise heraus schrumpfen muss.” So Klaus Abberger vom Ifo-Institut für Wirtschaftsforschung dort abschließend.
    Diese Sicht widerspricht nicht nur jener gesamtwirtschaftlichen Logik, nach der die Ausgaben des Einen immer auch die Einnahmen des Anderen sind und daher beispielsweise Ausgabenkürzungen des Staates nicht ohne Auswirkungen für dessen Einnahmen bleiben können. Sie ist auch in zahllosen Versuchen, sich aus der Krise heraus zu sparen, durch die Praxis widerlegt worden. Das aber ignorieren die Beteiligten.
    Quelle: Wirtschaft und Gesellschaft
  6. Überschaubarer Kapitalbedarf für deutsche Banken
    Die deutschen Banken dürften mit einem Kapitalbedarf im einstelligen Milliardenbereich durch die europäische Schuldenkrise kommen. Dies wäre deutlich weniger als die Summen, die im Vorfeld genannt wurden. Auch französische Banken dürften mit einem blauen Auge davonkommen. Am stärksten träfe es Analysten zufolge wohl die Banken in den Schuldenstaaten selbst: Für griechische Institute etwa errechneten Experten einen Kapitalbedarf von 30 Mrd. Euro, für spanische wären es wohl 15 Mrd. Euro. Mit der Kapitalaufstockung sollen die Banken auch eine Pleite Griechenlands und deren Folgen überstehen können.
    Quelle: NZZ

    Anmerkung Orlando Pascheit: Eine Rolle spielt wohl, dass die deutschen Banken, seit der Zustimmung zur Beteiligung von 21 Prozent am Rettungspaket im Juli, ihre griechischen Bestände um weit mehr abgeschrieben haben. Erleichternd kommen die starken Kursgewinne der deutschen Bundesanleihen hinzu, deren Bestände gegengerechnet werden müssen. Bei der Heraufsetzung der harten Kernkapitalquote von derzeit sechs auf neun Prozent bei als systemisch geltenden Banken ist allerdings seitens der EU das Eigenkapital im Detail noch nicht abgrenzt worden. Nun sind das alles noch keine offiziellen Zahlen. Konkret feilschen gegenwärtig die Banken hartnäckig um eine zeitliche Streckung der Abschreibung der Verluste und um einen Schuldenschnitt von 40 Prozent, während die Regierungen der Eurozone 60 Prozent fordern. Ärgerlich ist, dass die Diskussion sich derzeit allzu sehr auf Griechenland fokussiert. Zu kurz kommt auch die Frage, inwiefern die Banken für Abschreibungen auf portugiesische, spanische oder italienische Staatsanleihen gerüstet sind. Nicht nur in Griechenland, auch in Italien sind die französischen Banken stark engagiert. – Sachlich kaum nachzuvollziehen ist, dass wohl aus innenpolitischen Gründen über einen Verzicht der Euro-Staaten und des IWF auf einen Teil ihrer Forderungen an Griechenland überhaupt nicht diskutiert wird. Die Troika kommt in ihren Modellrechnungen bei einem Schuldenschnitt der privaten Gläubiger um 50 Prozent auf eine griechische Schuldenquote auf gut 120 Prozent des BIP bis Ende 2020, ein Wert, der eigentlich für eine Volkswirtschaft wie Griechenland immer noch schwer zu handhaben ist.

  7. Heiner Flassbeck, Dirk Müller u.a.: Nahrungsmittelspekulation
    Anhörung im Deutschen Bundestag
    Quelle: YouTube (Flassbeck ab Minute 25)
  8. Berlin: SPD und CDU einig über Aus für Öffentlichen Beschäftigungssektor
    Die künftige Koalition in Berlin will ein Prestigeprojekt der bisher mitregierenden Linken beerdigen. Der Öffentliche Beschäftigungssektor (ÖBS) wird abgeschafft, nur noch bestehende Verträge eingehalten. Darauf einigten sich SPD und CDU bei der vierten Runde der Koalitionsverhandlungen am Montag. Weitere Themen waren u.a. der Mindestlohn bei öffentlichen Aufträgen und die Arbeitslosigkeit.
    Quelle: Berliner Umschau

    Anmerkung eines unserer Leser: Man sollte den viel gescholtenen Berliner Landesverband der Linken als Korrekturfaktor und das bewährte Prinzip “je stärker die Linke, desto sozialer das Land” nicht unterschätzen. Das ist bestimmt nur der Anfang eines Kahlschlages der nun folgen wird. Jetzt muss sich die SPD ja für nichts mehr rechtfertigen und kann mit dem Turboantrieb der CDU endlich zu Hochtour auflaufen. Ein perfekt installiertes System und Testlauf für die nächste Bundestagswahl und ohne “linken” Störfaktor.

  9. „Sündenbock-Funktion“ der Demografie
    Gerd Bosbach, Ko-Autor des Buches „Lügen mit Zahlen“ schreibt uns:
    Massenandrang an den Hochschulen und Fachkräftemangel?
    Dieses Semester haben wieder mehr als 180 Studierende an meinem Fachbereich der FH in Remagen ihr Studium begonnen. Diese Anzahl reicht gerade eine Mittelkürzung bei uns zu vermeiden. Konzipiert war unser Fachbereich bei seiner Gründung vor 14 Jahren für 40 bis 60 Anfänger. Der Verdreifachung der Studierendenzahlen steht überhaupt keine Aufstockung bei den Professoren gegenüber. Das geht auf Kosten der Qualität. Der Raum zur Entfaltung für Studierende und Lehrende ist sehr eng geworden!
    So wie uns geht es fast allen Hochschulen, seit vielen Jahren und mindestens noch einige Jahre.
    Produzieren wir also gerade wieder einen Mangel an Hochqualifizierten, den wir in 10 bis 20 Jahren wortreich der demografischen Entwicklung anlasten? Immerhin stehen die heutigen Studierenden noch jenseits des Jahres 2050 auf dem Arbeitsmarkt.
    Ähnliches gilt auch für den nichtakademischen Bereich: In den Jahren 1990 bis mindestens 2005 wurde vielen Jugendlichen keine Ausbildung angeboten. Begründung: „Zu viele Bewerber“, wie Sie in Ihren Archiven nachlesen können. Die Bertelsmann-Stiftung spricht von 1,5 Millionen Menschen zwischen 25 und 34 Jahren ohne Ausbildung, „das ist jeder Fünfte“ (Pressemitteilung der Stiftung vom 7.9.2010). So bekommt die Diskussion über Fachkräftemangel ein neues Gesicht: Schuld scheint nicht die demografische Entwicklung zu sein, sondern die eigenen Versäumnisse der letzten Jahrzehnte – wenn es den Fachkräftemangel denn überhaupt gibt. (Siehe dazu hier und epd sozial, Nr. 28 vom 15.7.2011, S. 13)
    Falls Sie sich jetzt wundern: Zumindest die Jahrgänge zwischen 20 und 60 Jahren sind mit über 900 000 Menschen in Deutschland sehr gut besetzt, von Mangel an Menschen also keine Spur!
    So musste BA-Chef Frank-Jürgen Weise im Mai 2011 schon ganz tief in die Trickkiste der Statistik greifen, um 6 bis 7 Millionen fehlende Fachkräfte als Horrorbild für 2025 an die Wand malen zu können. (siehe hier)
    Meine Bitte: Wenn demnächst wieder die demografische Entwicklung für alles Schlechte verantwortlich gemacht wird, prüfen Sie doch mal andere Ursachen:

    • Mangelnde Berufsausbildung
    • Mangelnde Studiermöglichkeiten
    • Hoher Numerus Clausus (z.B: als Grund für Ärztemangel)
    • Geringe Lohnentwicklung und Millionen-Arbeitslosigkeit als Grund für leere Sozialkassen

    Ein interessantes, letztes Beispiel dazu ist der Nachwuchsmangel an Pflegekräften:
    Seit Jahren werden in den Pflegeschulen verstärkt Abiturienten angenommen. Die Schule erreicht damit bessere Abschlüsse. Aber viele dieser Abiturienten studieren später Medizin, Gesundheitsökonomie, … Hätte man stattdessen die motivierten Abgänger anderer Schulformen genommen, wäre die Situation heute anders. Zusätzliche Gründe für Besetzungsprobleme bei Pflegekräften sind bekannt: Harte Arbeitsbedingungen bei schlechter Bezahlung.
    Ähnlich wie bei den Ärzten ist es sowieso merkwürdig, dass jungen Menschen die Ausbildung verwehrt wird, um anschließend den Mangel an Ausgebildeten der Demografie anzulasten. Deutlicher kann die „Sündenbock-Funktion“ der Demografie nicht zu Tage treten.

  10. AKW-Betreiber bekommen Atomsteuer zurück
    Rückschlag für die Bundesregierung: Im Streit um die Brennelementesteuer muss sie um Milliardeneinnahmen bangen. Die Energiekonzerne Eon und RWE haben bereits 170 Mio. Euro vom Staat zurückbekommen.
    Quelle: FTD
  11. Der Tag, der unser Leben veränderte
    […] Heute vor zehn Jahren änderte sich etwas. Heute vor zehn Jahren erblickte der USA PATRIOT Act das Licht der Welt – die Mutter aller Anti-Terror-Gesetze, die in der westlichen Welt folgen sollten. Als der Kongress dieses Machwerk verabschiedete, dass uns nach Guantánamo und zu Waterboarding lotsen sollte, war es einer dieser historischen Augenblicke, in dem sich die Welt, wie sie war, aus unserer Realität verabschiedete. Sie war urplötzlich ein Tummelplatz von Terroristen, von sieben Milliarden potenziellen Terroristen. Wer nichts zu verbergen hat, braucht sich nicht fürchten!, war die neue Losung – und der überwachte Bürger antwortete, dass er nichts zu verbergen habe. Dabei ist es nur gut, nur menschlich, dass es Dinge gibt, die man verbirgt. Persönliche Geheimnisse: plötzlich waren sie das Vorzimmer zum Terrorismus.
    Quelle: ad sinistram
  12. Kriegsführung libyscher Rebellen gerät ins Zwielicht
    Schwere Vorwürfe gegen Libyens Rebellen: In Sirt sollen sie ein Massaker begangen haben, auch anderswo kam es wohl zu Kriegsverbrechen. Menschenrechtler fordern Aufklärung – und warnen vor einer Destabilisierung des Landes.
    Quelle: SPIEGEL Online
  13. Autobrände: Der Blödmann und die Brandstifter
    Wie der 27jährige André H. 67 Autos anzündete, damit fast die Berliner Wahl entschieden hätte – und warum sich Politiker von einer Hysterie anstecken ließen. Als André H. loslegte, entzündete er eine heiße Phase der Hysterie. Immer wieder hatten Autos gebrannt, mal hier, mal dort, es gab Hinweise auf linksextreme Täter. Aber jetzt gingen mitten in Charlottenburg in einer Nacht ein Dutzend Audi, BMW und Mercedes in Flammen auf – und nur der CDU-Spitzenkandidat Frank Henkel wusste, wer es war und was zu tun ist. Jetzt müsse die militante linke Szene endlich unter Druck gesetzt werden, forderte er, und zwar mit einer Sonderkommission der Polizei, und, maximale Drohung!, mit runden Tischen gegen Linksextremismus. Schnell klebte die CDU auch neue Plakate, mit brennenden Autos darauf, versehen mit dem abgewandelten SPD-Slogan: Muss Berlin das verstehen? Auch die FDP schimpfte auf das linke Sympathisantenumfeld, und sogar die Grünen schienen sich mit einem Hinweis auf den 1. Mai der Linke-Täter-These anzuschließen. – Max Frisch gab seinem Stück „Biedermann und die Brandstifter“ einst den Untertitel „Ein Lehrstück ohne Lehre“. Hier gibt es eine. Wo viel Rauch ist, gibt es zwar meistens Feuer, aber man sieht auch schlechter. Nur Politiker irritiert das nicht. Als neulich an Bahnstrecken ein gutes Dutzend nicht gezündeter Brandsätze und im Internet wirre Bekennerschreiben gefunden wurden, diskutierte der Bundestag schon über den neuen Terrorismus.
    Quelle: Tagesspiegel
  14. Illusionsloser Blick auf das neoliberale Zeitalter
    Schon nach dem Zusammenbruch der Lehman-Bank im September 2008 las der britische Politikwissenschaftler Colin Crouch mit dem Buch “Postdemokratie” dem Neoliberalismus die Leviten. Jetzt erklärt er, warum der Totgesagte eigentlich immer noch so erstaunlich lebendig ist. […]
    “Wenn jene Krise das Ende des damals herrschenden Wirtschaftsmodells bedeutete, sollten wir dann nicht auch heute das Ende des Neoliberalismus und seine Ablösung durch etwas Neues erwarten?”
    Der Leser erwartet ein entschlossenes “Ja”. Aber Colin Crouch überrascht ihn:
    “Nein. Denn die Krise des Keynesianismus führte nicht deshalb zu seiner Abschaffung statt zu einer Reform oder Anpassung, weil irgendetwas an seinen Ideen grundsätzlich falsch gewesen wäre, sondern weil die Schicht, deren Interessen er vertrat – die Arbeiterschaft der westlichen Industrieländer – sich in einem historischen Niedergang befand und ihre gesellschaftliche Macht zu verlieren begann. Im Gegensatz dazu haben die Kräfte, die heute vom Neoliberalismus profitieren – globale Konzerne insbesondere des Finanzsektors -, keineswegs an Einfluss verloren. (Obwohl die Banken für die Krise 2008/2009 verantwortlich waren, gingen sie gestärkt aus ihr hervor.)”
    Quelle: Deutschlandfunk
  15. Grün-Rot in Stuttgart brüskiert Mitstreiter
    Der grün-roten Landesregierung in Stuttgart drohen Proteste aus den Reihen ihrer Unterstützer. So wirft die Bildungsgewerkschaft GEW der Regierung unter Winfried Kretschmann (Grüne) vor, entscheidende Wahlversprechen nicht einzuhalten. Nach Auskunft der GEW existiert im SPD-geführten Kultusministerium eine “Giftliste”, deren Umsetzung vor allem die Unterrichtsversorgung massiv verschlechtern würde. Die GEW kündigte am Montag massive Proteste von Eltern, Schülern und Lehrern an, sollten die Pläne durchgesetzt werden. Bislang zogen Grün-Rot und GEW an einem Strang. Die GEW-Landesvorsitzende Doro Moritz zeigt sich angesichts der Pläne zutiefst enttäuscht von der neuen Regierung. In diese hatte die Bildungsgewerkschaft all ihre Hoffnungen gelegt, dass das Bildungssystem entsprechend ihrer Vorstellungen endlich reformiert werde. “Ich hatte mich über den Koalitionsvertrag so gefreut, weil das inhaltlich in die richtige Richtung ging”, sagte Moritz der taz. Nun aber habe sie den Eindruck, dass der Bildungsbereich “als Steinbruch” zur Sanierung des Haushalts herhalten muss.
    Quelle: taz

    Anmerkung Orlando Pascheit: Grün/Rot gibt den Sparhamster, auch Grün ganz im Stil der Altparteien.

  16. Social and Economic Conditions of Student Life in Europe
    Social and Economic Conditions of Student Life in Europe
    This publication of the results of EUROSTUDENT IV represents an important contribution to comparative research on European higher education.
    The study, the 4th in a series, provides a comprehensive Synopsis of Indicators on the social and economic conditions of student life from 24 countries.
    Quelle: Eurostudent IV 2008–2011 [PDF – 4.2 MB]

    Anmerkung WL: Diese Studie ist eine Fundgrube für alle, die sich für das Thema soziale und ökonomische Bedingungen des studentischen Lebens in Europa interessieren.

  17. US-Zeitung fordert “neue D-Mark” für Europa
    US-Qualitätszeitungen sind voller Berichte über die Euro-Krise: Einige raten Deutschland, sich von der kollabierenden Währung abzuspalten. […]
    Auch das konservative Boulevardblatt „Washington Times“ widmet sich dem taumelnden Euro und kommentierte am Montag kühn: „An einem bestimmten Punkt müssen eine Nation und ein Volk tun, was notwendig ist, um die eigenen Interessen zu schützen, und das versuchen die Deutschen.“
    Die spektakuläre Überschrift dazu: „Europas Retter: Eine neue Deutsche Mark.“ Unter Berufung auf Vorschläge des früheren BDI-Präsidenten Olaf Henkel empfiehlt das Blatt die Bildung einer neuen Währung rund um Deutschland, Österreich, Finnland und die Niederlande.
    Quelle: WELT

    Anmerkung JB: Ursprünglich schrieb die WELT den wirren D-Mark-Artikel der Washington Post zu. Dieses Fehler hat sie nach Leserzuschriften zwar korrigiert, doch prangt über dem Artikel immer die Aussage, eine „US-Qualitätszeitung“ würde Deutschland zum Euro-Austritt auffordern. Die Washington Times ist aber beileibe keine Qualitätszeitung, sondern ein erzkonservatives Kampfblatt mit deutlicher Nähe zur Tea Party. Dass dieses Blatt Henkel zitiert, ist also keinesfalls überraschend – gleich und gleich gesellt sich nun einmal gern. Warum die WELT dies für berichtenswert hält, bleibt wohl ihr Geheimnis.

  18. Zu guter Letzt: Volker Pispers – Einsicht
    Quelle: WDR2

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