Ex-Kanzleramtsminister Friedrich Bohl, heute Vorstandsmitglied der Deutschen Vermögensberatung (DVAG) darf in BILD für die Privatvorsorge werben

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Der als „geräuschlos und effektiv“ gerühmte Gehilfe von Kanzler Helmut Kohl, Friedrich Bohl, bleibt sich treu und dient seinem neuen „Herrn“ der „Deutschen Vermögensberatung“ (DVAG) mit gewohnter Effektivität. Über den BILD-Kolumnisten Müller-Vogg lässt das Vorstandsmitglied der „weltweiten Nr. 1 der eigenständigen Finanzbetriebe“ einen Brief gegen seinen Parteifreund Norbert Blüm verbreiten, weil dieser standhaft die gesetzliche Rentenversicherung verteidigt. Ein weiteres Beispiel dafür, wie die Finanz- und Versicherungswirtschaft im Zusammenspiel mit einflussreichen Medien, die Rente als Auslaufmodell heruntermacht und Propaganda für die private Vorsorge betreibt, wie das Albrecht Müller in seinem neuen Buch „Machtwahn“ ausführlich beschreibt.

Friedrich Bohl war von 1991 bis zum Wechsel von Kohl auf Schröder als Bundesminister für besondere Aufgaben Chef des Bundeskanzleramtes. Unrühmlich in die Schlagzeilen ist er geraten, weil er „virtuos“ alle Regeln nutzte, „um die Staatsanwälte abzublocken“, als diese im Zusammenhang mit der Bestechungsaffäre des früheren Rüstungsstaatsekretärs Holger Pfahls die Akten des Kanzleramtes einsehen wollten. Bohl tat bis zum Vorwurf des Verwahrungsbruchs von Akten alles, damit bloß nicht der Eindruck bestätigt werden konnte, die Bundesregierung unter Kanzler Kohl sei käuflich.

Dennoch oder vielleicht gerade wegen dieser seiner „Virtuosität“ „kaufte“ ihn nach seinem Ausscheiden aus dem Regierungsamt 1999 die Deutsche Vermögensberatung AG (DVAG) als Vorstandsmitglied für die Bereiche „Konzernsekretariat, Recht, Öffentlichkeitsarbeit, Verbände“ ein. Eine Verfilzung zwischen Wirtschaftsinteressen und Politik, wie sie inzwischen offenbar üblich ist.
Die DVAG wirbt selbst damit, dass sie 3,9 Millionen Kunden bei deren Anlage- und Vorsorgezielen berät. Mit mehr als 123 Milliarden Euro Gesamtbestand, einem Neugeschäft von 20,5 Milliarden und Umsatzerlösen von 807,4 Millionen Euro versteht sich dieser Finanzbetrieb als einer der Größten.
Auch die DVAG musste es natürlich ziemlich getroffen haben, dass auch ihre 32.000 Vermögensberater gemeint sein können, wenn der ehemalige Sozial- und Arbeitsminister Norbert Blüm die Versicherungsvertreter pauschal „als Drücker diffamiert“.
Hätte die DVAG eine Presserklärung herausgegeben und Blüm bei seinem standhaften Eintreten für die gesetzliche Rente widersprochen, so hätte darauf wohl kaum ein Journalist reagiert. Denn dass Vermögensberater für die private Altersvorsorge kämpfen, ist nun wirklich keine Nachricht.

Deshalb hatte das für Öffentlichkeitsarbeit zuständige Vorstandsmitglied der DVAG eine pfiffigere Idee: Bohl schrieb einen Brief an seinen Parteifreund Blüm. Aber offenbar hat sich für den auch kaum ein Medium interessiert. Wer interessiert sich schon für einen Brief eines Vorstandsmitglieds eines Vermögensanlageunternehmens an eine im Ruhestand befindlichen Kabinettskollegen, in dem die gesetzliche Rente madig gemacht und die private Vorsorge als Ausweg aus der Altersarmut angepriesen wird.

Deshalb musste Bohl noch etwas tiefer in die Trickkiste der PR greifen: Er wusste ja, dass die BILD-Zeitung seit langem ohne Scheu im Zusammenspiel mit der Versicherungswirtschaft für die private Altersvorsorge Propaganda macht. Also musste man versuchen diesen Brief in dieses Boulevardblatt zu hieven. Dazu musste er wohl den BILD-Politikkolumnisten Hugo Müller-Vogg nicht gerade drängen. Müller-Vogg, der in letzter Zeit auch zwei Gefälligkeitsgesprächsbüchlein mit Angela Merkel und Horst Köhler auf den Markt brachte, und dessen konservativer Kampfjournalismus selbst der FAZ zu weit ging, so dass er dort 2001 als Mitherausgeber rausflog, ist als Klatschkolumnist der BILD-Zeitung für solche Propagandamanöver immer gut.

Also fand der Brief unter dem Titel „Ex-Kanzleramtsminister Bohl attackiert Renten-Gesundbeter Blüm“ auf der Seite 2 der BILD-Zeitung vom 26. April 2006 seine maximale Publikumsverbreitung:

Die Rente sichert einfach nicht mehr den Lebensstandard. Alle im Land wissen das inzwischen (…)

Da aber das Rentenniveau…bald deutlich unter 50% zurückgehen wir, muss der Bürger zusätzlich privat fürs Alter vorsorgen.

Sollen Bürger wirklich nur er gesetzlichen Rentenversicherung vertrauen? Dann ist der Weg in die Altersarmut doch vorprogrammiert.

So wird in der üblichen Manier die gesetzliche Rente als Auslaufmodell niedergemacht und das Heil durch die private Vorsorge versprochen.
Und natürlich darf auch ein Hinweis auf die Deutsche Vermögensberatung AG in dem Beitrag nicht fehlen, gefehlt hat eigentlich nur noch, dass BILD gleich noch einen Link zu einer Lebensversicherungspolice angeboten hätte.

Journalistisch „ausgewogen“ darf Blüm „zurück“schlagen:

Zwei Weltkriege, Inflation, Weltwirtschaftskrise, Flüchtlinge, Vertriebene, deutsche Einheit: Die Rente wurde immer gezahlt.

Das kann man von der Privatversicherung nicht sagen. In der großen Inflation lösten sich ihre Zusagen in Luft auf…Pensionsfonds wackeln weltweit.

Woher nimmt die Privatversicherung eigentlich das Recht für ihre Arroganz, mit Anzeigen gegen die Rentenversicherung Stimmung zu machen?

Wenn man dem bewährten Rentensystem jene Beitragsfreiheit gibt, wie sie sich das Privatsystem nimmt, indem es ständig die Beiträge erhöht, kann es seine Zusagen einhalten.

Auch die Beiträge für Privatversicherungen werden zu guter Letzt aus Arbeit bezahlt. Insofern ist die Diskussion über die Vorteile der von der Arbeit abgekoppelten Privatversicherung eine Phantomdiskussion.

Müller-Vogg fällt dazu nichts Besseres mehr ein, als Norbert Blüm für seine „schlagenden“ Argumente in die Ecke von „Ex-SPD-Chef Oskar Lafontaine (Linkspartei/PDS)“zu stellen, wohl mit der Absicht Blüm damit als linken Spinner zu brandmarken. Oskar wird sich darüber nur freuen.

Ein ganz alltägliches Beispiel dafür, wie wirtschaftliche Einzelinteressen an der privaten Vorsorge durch eingekaufte ehemalige „Spitzen“-Politiker im Zusammenspiel mit Journalisten über die Medien der Öffentlichkeit als „objektiv notwendige“ Politik verkauft werden soll.

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