Cornelia Yzer – Durch die Drehtür und zurück

Jens Berger
Ein Artikel von:

Die Personalpolitik der Bundeshauptstadt Berlin treibt immer seltsamere Blüten. Als Nachfolgerin der erfolglosen CDU-Wirtschaftssenatorin Sybille von Obernitz hat der schwarz-rote Berliner Senat eine Person auserkoren, die schon vor ihrer Nominierung als abschreckendes Musterbeispiel für den sogenannten Drehtüreffekt zwischen Lobbyismus und Politik galt. Die Ernennung Cornelia Yzers zur neuen Wirtschaftssenatorin Berlins ist ein Armutszeugnis für die Politik und der finale Kotau vor den Interessen der Wirtschaftslobby. Von Jens Berger.

Für alle Leser, denen der Name Cornelia Yzer kein Begriff ist, möchte ich an dieser Stelle gerne eine Passage aus meinem in diesem Jahr erschienen Buch „Stresstest Deutschland“ zitieren:

Problematischer sind da schon die Aktivitäten von Lobbyisten, die auf die Exekutive abzielen. Hier wird oft direkt Einfluss auf die Gesetzesvorlagen und andere administrative und exekutive Vorgänge der Fachministerien genommen und dabei die parlamentarische Kontrolle ausgehebelt. Lobbyisten, die auf die Exekutive einwirken, bedienen sich meist verdeckter Formen des Lobbyismus und setzen auf verschiedenen Ebenen an. Diese reichen von informellen Gesprächen unter vier Augen mit einem subalternen Mitarbeiter einer Behörde, der Einfluss auf seine Vorgesetzten ausüben soll, bis zu Kungeleien an oberster Stelle. Früher nannte man so etwas „Hinterzimmerpolitik“, heute spricht man lieber verklärend von „Kamingesprächen“.

Bei einem dieser Kamingespräche im Jahr 2001 konnten beispielsweise die Cheflobbyisten der Pharmaindustrie und der amerikanische Botschafter, der sich für die Interessen des US-Pharmakonzerns Pfizer eingesetzt hat, den damaligen Bundeskanzler Gerhard Schröder davon überzeugen, dass das jüngst verabschiedete Gesetz seiner Gesundheitsministerin Ulla Schmidt, das den Kassen einen Preisnachlass in Höhe von vier Prozent auf patentgeschützte Medikamente einräumt, keine so gute Sache sei. Schröder sah das ein, und Schmidt musste ihr eigenes Gesetz kurze Zeit später wieder kassieren. Der Preis für den Lobbyerfolg war eine Einmalzahlung in Höhe von 200 Millionen Euro, die die Pharmakonzerne an den Staat überwiesen. Experten schätzen, dass die Rücknahme des Gesetzes die öffentlichen Kassen jedoch jährlich rund 500 Millionen Euro kostet. Für den Steuerzahler war dies wohl eines der teuersten „Kamingespräche“ der Geschichte.

Eine kleine Anekdote am Rande: Als Cheflobbyistin der Pharmaindustrie – sie war von 1997 bis 2011 Hauptgeschäftsführerin des Verbands forschender Arzneimittelhersteller – saß dem Kanzler bei besagtem „Kamingespräch“ eine alte Bekannte gegenüber: Cornelia Yzer. Sie war vor ihrer Lobbytätigkeit acht Jahre für die CDU im Bundestag und fünf Jahre als parlamentarische Staatssekretärin unter den Ministern Merkel und Rüttgers tätig. Für ihr kurzes Intermezzo in der Politik darf sich Yzer bereits jetzt auf Pensionsansprüche in Höhe von 4500 Euro pro Monat freuen. Der Staatsrechtlicher Herbert von Arnim merkt dazu zu Recht an: „Mit Mitte dreißig hat Frau Yzer bereits Ansprüche auf eine Altersrente, für die drei Normalverdiener ein ganzes Leben brauchen.“

Heute ist Cornelia Yzer nicht mehr Mitte dreißig, sondern bereits einundfünfzig Jahre alt. Zu ihren mehr als üppigen Versorgungsansprüchen aus ihrer ersten politischen Schaffenszeit, kommen noch in der Höhe unbekannte, aber sicher noch üppigere, Ansprüche aus ihrer Zeit als Cheflobbyistin der Pharmaindustrie. Wie jedermann weiß, ist die Stelle als Wirtschaftssenatorin in Berlin nicht unbedingt ein Beruf, den man mit großer Wahrscheinlichkeit bis zu seinem Renteneintritt ausübt. Die Wahrscheinlichkeit ist sehr groß, dass Frau Yzer, die erst durch die Drehtür von der Pharmaindustrie in die Politik, dann weiter von der Politik in die Pharmaindustrie und nun wieder von der Pharmaindustrie in die Politik gewechselt ist, demnächst wieder die Drehtür betritt und einen lukrativen Posten bei der Pharmaindustrie annimmt. Es ist ohnehin ein Wunder, dass Frau Yzer bei ihrem Wechselspiel zwischen Lobby und Politik noch keinen Drehwurm bekommen hat.

Wessen Interessen vertritt die Lobbyistin im Berliner Senat? Die des Wählers, mit dem sie seit Jahrzehnten keinen Kontakt mehr hatte? Oder die der Pharmaindustrie, mit der sie so eng verbändelt ist, wie wohl kein anderer Politiker? Berlin ist das deutsche Mekka der Pharmabranche. Am Standort Berlin erwirtschaftet die Pharmaindustrie einen Umsatz von 5,6 Mrd. Euro. Bayer (früher Schering) und Berlin Chemie gehören in Berlin zu den größten Arbeitgebern und Pfizer und Sanofi haben in der Hauptstadt ihre Deutschland-Zentralen. Für diese Konzerne ist es freilich ein Hauptgewinn, dass die Frau, die noch vor kurzen die Interessen dieser Konzerne vertreten hat, nun auf Seiten der Regierung aktiv Politik im Sinne der Pharmakonzerne betreiben kann.

Wer künftig noch Krokodiltränen darüber vergießt, dass die Menschen der Politik nicht vertrauen und ihre Interessen nicht mehr gewahrt sehen, sollte sich fragen, wer die Schuld an dieser Entwicklung trägt. Es ist den Menschen nicht zu verübeln, dass sie kein Vertrauen mehr zu einer Politik haben, die Cheflobbyisten der Wirtschaft ins Ministeramt befördert.

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