Hinweise des Tages

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Hier finden Sie einen Überblick über interessante Beiträge aus anderen Medien und Veröffentlichungen. Wenn Sie auf “Mehr” klicken, öffnet sich das Angebot und Sie können sich aussuchen, was Sie lesen wollen. (JB/WL)

  1. Oberbürgermeisterwahl in Stuttgart: Grüner Triumph, schwarze Blamage
  2. Die Bankenaufsicht – ein Scheinerfolg
  3. Europäische Krisenpolitik
  4. Tarifrunde 2012 – Eine Wende in der Lohnpolitik?
  5. Tarifpolitik in Europa unter dem Druck von Krise und Austeritätspolitik
  6. Ertragslage der Kreditinstitute 2011
  7. Is the Financial Sector Worth What We Pay It?
  8. Faire Steuern
  9. Robert Skidelsky – Happiness Is Equality
  10. Rentenpolitik
  11. Strompreiserhöhung
  12. Überwachungsprojekt Indect – Bloß nicht zu schnell laufen
  13. 110 Rechtsextremisten leben im Untergrund
  14. Der Einfluss des Beratungsunternehmens McKinsey geht bis in die Spitzen der SPD
  15. Jacobs University hat finanzielle Probleme
  16. Obama vs. Romney: Die USA vor der Wahl
  17. Das Verfassungsreferendum in Island
  18. Wie Journalisten aufgefordert werden, umsonst zu arbeiten
  19. Rezension von Rudolf Hickel: Werner Rügemer: Rating-Agenturen
  20. TV-Tipp: Pelzig hält sich

Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Oberbürgermeisterwahl in Stuttgart: Grüner Triumph, schwarze Blamage
    Für die Ökopartei ist damit ein weiterer Meilenstein gesetzt: Kuhn wird der erste grüne Oberbürgermeister sein, der in Deutschland einer Landeshauptstadt vorsteht. Und die Union in Stuttgart und Baden-Württemberg wird gut daran tun, nun endlich einmal in Ruhe und grundsätzlich über ihre inhaltliche Ausrichtung und ihr Personal nachzudenken. Denn man musste kein großer politischer Stratege sein, um zu erkennen, dass sich der Wind schon vor längerer Zeit gedreht hat…
    Ein Gewinner kann immer nur so stark sein, wie sein Gegner schwach ist. Das war bei der Oberbürgermeisterwahl in Frankfurt am Main zu beobachten, wo im März der SPD-Nobody Peter Feldmann gegen den amtierenden hessischen CDU-Innenminister Boris Rhein reüssierte. Und das war bei der Landtagswahl in Baden-Württemberg 2011 nicht viel anders, als das schlechte Image von Ex-CDU-Ministerpräsident Stefan Mappus seinem grünen Herausforderer Winfried Kretschmann den nötigen Rückenwind verlieh. Auch die Niederlage von Sebastian Turner ist in weiten Teilen ein hausgemachtes Problem der Stuttgarter CDU. Wer sich von dem Berliner Unternehmer eine Frischzellenkur für die ermüdete Partei erhofft hatte, wurde bitter enttäuscht. Zwar liegen auch die Revoluzzer-Jahre von Fritz Kuhn schon länger zurück, aber einen gar so biederen CDU-OB? Nein, Danke, dachten wohl die meisten Stuttgarter. Den hatten sie schon mit Wolfgang Schuster…
    Ein Jahr vor der Bundestagswahl ist die erneute Niederlage für die CDU im Südwesten ein schwerer Schlag.
    Quelle: Spiegel Online

    Anmerkung: „Die Verträge und die Volksabstimmung sind damit nicht weggewählt“, sagte er (Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne)) der taz „Aber ich nehme mal an, dass das kein Wahlergebnis ist, über das sich die Deutsche Bahn freut.

  2. Die Bankenaufsicht – ein Scheinerfolg
    Europas Staats- und Regierungschefs haben entschieden, einen weiteren Schritt in Richtung Bankenunion zu gehen, aber viel langsamer als im Juni angekündigt. Wer dafür die Schuld trägt? Die Deutschen, die viel zu zögerlich sind.
    Angela Merkel versucht erneut, Zeit zu schinden: Die neue EZB-Bankenaufsicht soll ihre Arbeit nun doch erst später aufnehmen. Und so wird auch die Entscheidung über die Verwendung der Euro-Rettungsschirme für die Rekapitalisierung der Banken auf die Zeit nach den Bundestagswahlen vertagt werden.
    Um die subtile Verzögerungstaktik zu entlarven, die als listige linguistische Wortwendung mühevoll in den frühen Morgenstunden in die offizielle Erklärung eingebaut wurde, muss man das Vorher mit dem Nachher vergleichen.
    Quelle: Daily Telegraph via Presseurop
  3. Europäische Krisenpolitik
    1. Peter Bofinger: Das infernalische Dreieck
      Als Mario Draghi, der Chef der Europäischen Zentralbank, am 6. September ankündigte, dass die EZB ab jetzt unlimitiert Staatsanleihen von Euro-Krisenländern aufkaufen werde, brach speziell in Deutschland umgehend ein Proteststurm über ihn herein. Dabei hatte Draghi das einzig Richtige unternommen: Würde die EZB jetzt nicht aktiv werden und Anleihen aufkaufen, drohte das Auseinanderbrechen der Eurozone.
      Denn wie man es auch dreht und wendet, auf kurze Sicht führt kein Weg an der EZB vorbei. Sie allein ist derzeit in der Lage, das Überleben des Euro in den nächsten Monaten zu sichern…
      Und mit der eindimensionalen Fixierung auf die Haushaltskonsolidierung, dem naiven Glauben an die wohltuende Wirkung von Strukturreformen und dem völligen Ausblenden der systemischen Probleme hat der „Berliner Konsens“ die Währungsunion erst in jene existenzbedrohende Situation geführt, die ungeachtet der von Draghi beschlossenen Sofortmaßnahmen unverändert weiter anhält. Diese existenzbedrohende Situation ist gekennzeichnet durch drei große Krisenherde, die sich wechselseitig immer mehr verstärken: eine Staatsschuldenkrise, eine Bankenkrise und eine makroökonomische Krise. Eine durchgreifende Lösung hierfür ist bisher nicht in Sicht.
      Quelle: Blätter für deutsche und internationale Politik

      Anmerkung WL: Obwohl Bofinger im Text ausführlich erklärt, dass die „Staatschuldenkrise“ eigentlich ein Problem der bedrohlich steigenden Zinsen ist und für die langfristige Entwicklung der Staatsverschuldung das Verhältnis zwischen Schuldenstandsquote, Zinsen und nominalem Wirtschaftswachstum entscheidend ist, gebraucht er dennoch diesen Begriff, der von den Agendapolitikern als Hebel benutzt wird, in ganz Europa eine Austeritätspolitik durchzusetzen, die die Volkswirtschaften einbrechen lässt.
      Auch übernimmt er den Begriff „Sparprogramme“, obwohl er belegt, dass diese nicht nur eine destabilisierende Wirkung haben, sondern das Gegenteil von dem bewirken, was sie vorgeben, nämlich – weil sie die Wirtschaft abwürgen – eine noch höhere Verschuldung.
      Es ist schade, dass selbst Ökonomen, die dem derzeitigen „Rettungskurs“ kritisch gegenüberstehen, die ideologischen Tarnworte der Verfechter des Austeritätskurses kritiklos übernehmen. Vgl. Albrecht Müller „Eine Anregung: Übernehmen Sie nicht den Sprachgebrauch und die Legenden der herrschenden Lehre. Beispiel: Sparen, Sparkurs, …

    2. Prognos-Studie: Euro-Austritt der Krisenländer könnte 17 Billionen kosten
      Mit der Idee eines Ausstiegs Griechenlands aus der Euro-Zone hatten immer wieder deutsche Politiker geliebäugelt: Markus Söder (CSU) etwa, Bayerns Finanzminister, hielt im Juli den Austritt für “zwangsläufig”. Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) befand sogar, ein Ausstieg habe längst “seinen Schrecken verloren”. Nun zeichnet eine Studie der Bertelsmann-Stiftung mal ein völlig anderes Szenario: Bei einem Austritt Griechenlands aus dem Euro hätten die wichtigsten Volkswirtschaften bis 2020 einen Verlust von 674 Milliarden zu tragen. Ein Ausstieg der Euro-Länder Spanien, Italien, Griechenland und Portugal könnte sogar bis zu 17,2 Billionen Euro an Wachstumsverlusten führen, schreibt die Stiftung. Das höchste Minus beliefe sich in Frankreich auf 2,9 Billionen Euro, in den USA auf 2,8 Billionen Euro, der Verlust in China auf 1,9 und in Deutschland auf 1,7 Billionen Euro. Die wirtschaftlichen Einbußen in Deutschland wären dann mit 21.000 Euro pro Kopf teilweise noch höher als etwa in Griechenland mit mehr als 15.000 Euro. Zwar wäre ein isolierter Austritt Griechenlands und sein Staatsbankrott ökonomisch verkraftbar, so das Fazit der Analysten. Der Ausstieg könnte aber die Weltwirtschaft in eine tiefe Rezession stürzen, die dann auch nicht-europäische Volkswirtschaften wie die USA und China treffen würde.
      Quelle 1: SZ
      Quelle 2: Bertelsmann [PDF – 416 KB]

      Anmerkung Orlando Pascheit: Lassen wir einmal außen vor, dass die Bertelsmann-Stiftung die Studie in Auftrag gab, lassen wir auch außen vor, dass im Simulationsmodell von Prognos mit einem Haircut von 60 Prozent und einer Abwertung von 50  Prozent alle möglichen Austrittsländer über einen Kamm geschoren werden. Jedenfalls sollten diejenigen, die Austrittsszenarien propagieren, nachdenklicher werden. Ob mit dem Austritt Griechenlands ein Flächenbrand entfacht wird, können  wir unter Beibehaltung der jetzigen Politik, trotz Schäubles Einlassungen, wohl bald beobachten. Studien, die einen Austritt Griechenlands  positiv bewerten sind mir nicht bekannt.  Interessant ist, dass Deutschland mit 70 Prozent seines aktuellen BIPs (1,7 Billionen Euro) und Frankreich mit 150 Prozent  seines BIPs (2,9 Billionen Euro) betroffen wären. Vielleicht erklärt das ein wenig die Eile, die Hollande in der Frage einer Bankenaufsicht, als Voraussetzung für die Bankenhilfen aus dem ESM, an den Tag legt.

    3. What caused the Greek export surge?
      The regular reader of this blog has for quite some time been aware of the spectacular surge in Greek export. At this moment, people start to pose the question ‘what caused this surge?’. Low wages? Of all (average) EU wages Greek wages declined the most by a long shot (also on this blog). Or was it caused in a ‘modern’ way (well, modern – let’s say the post 1830 way), by investments in technology and production and organization and markets and people – a strategy favoured on this blog by commentors as well as bloggers? The verdict is out and could not be clearer – at least if the data are dependable. Ronald Janssen investigated the composition of Greek exports. And the surge is led by ‘Mineral fuels, lubricants and related materials’, about the most capital intensive sector you can think of. What we need, in the Eurozone, is not savings and cuts – but investment. Savers are afraid of the future. Investors create it…
      Total Greek goods exports are still very low, comparatively.
      Quelle: Real World Economics Review
    4. Alle wollen exportieren – nur: wohin?
      Wie können die Deutschen wieder der Target-Falle entrinnen? Bisher ist ihre Politik vom Willen beseelt gewesen, den Defizitsündern ebenfalls eine Fitnesskur zu verschreiben. Das wird nicht funktionieren, nicht weil die Südländer zu bequem wären, sondern weil sich die Welt grundsätzlich verändert hat. Als Deutschland seine Reformen durchführte, brummte die globale Wirtschaft. Unter diesen Bedingungen kann ein Land seine Exportwirtschaft auf Kosten der Binnenwirtschaft fördern. Seine Produkte finden Absatz.
      Seit der Krise verfolgen alle grossen Player eine Art deutsche Agenda-Politik. Die Amerikaner, die bis 2007 konsumierten bis zum Umfallen, sparen jetzt wie blöd und wollen ihre Exporte ankurbeln. Obwohl die Chinesen allmählich die Binnenwirtschaft entdecken, bleibt der Export bis auf weiteres ihr wichtigstes Pferd. Japaner und Schweizer wollen nicht von Billig-Importen überrollt werden und schützen ihre Währungen. Mit anderen Worten: Alle wollen exportieren, und das kann nicht gut gehen. Weltweit muss die Summe aller Importe und Exporte Null ergeben, zumindest bis wir außerirdische Handelspartner gefunden haben.
      Deutschland ist so gesehen kein fitnessbewusster Sportler, sondern ein etwas einfältiger Gastwirt. Es hat den trinkfreudigen, aber illiquiden Barbesuchern aus dem Süden erlaubt, anschreiben zu lassen und sie aufgefordert, zu konsumieren bis zum Abwinken. Nun merkt dieser Gastwirt plötzlich, dass es kritisch werden könnte und will Bares sehen. Das wird nicht gelingen. Außer wertlosen Schuldscheinen ist nichts zu holen. Wenn Deutschland aus der Target-Falle entrinnen will, muss es von der Austeritätspolitik abrücken.
      Quelle: Tagesanzeiger
  4. Reinhard Bispinck: Tarifrunde 2012 – Eine Wende in der Lohnpolitik? Ein Überblick
    Tarifeinkommen stiegen 2011 auf das Kalenderjahr berechnet um 2%, preisbereinigt ergibt sich ein Minus von 0,3%. Effektiveinkommen stiegen um 3,4%, real um 1,1%.
    Die Jahresbezogene Steigerung für 2012 liegt bei Neuabschlüssen bei 3,0%, bei alten Abschlüssen bei 2,5%, d.h. gesamt bei 2,7%. Es gibt allerdings starke Branchenunterschiede.

    Quelle: WSI [PDF – 534 KB]

  5. Thorsten Schulten: Tarifpolitik in Europa unter dem Druck von Krise und Austeritätspolitik
    Die Herausbildung eines neuen europäischen Interventionismus
    Als Teil eines neuen makroökonomischen Regimes („autoritärer Neoliberalismus“) hat sich ein neuer lohn- und tarifpolitischer Interventionismus herausgebildet mit einem Lohnsenkungswettbewerb (Lohnkürzungen und Lohnstopps) und einer Zerstörung von Flächentarifverträgen auf nationaler und sektoraler Ebene.

    Quelle: Thorsten Schulten, WSI [PDF – 408 KB]

    Quelle: Thorsten Schulten, WSI [PDF – 408 KB]

    Quelle: Thorsten Schulten, WSI [PDF – 408 KB]

    Anmerkung: Siehe zu weiteren interessanten tarifpolitischen Themen „WSI Tarifpolitische Tagung 2012: Faire Löhne und Gute Arbeit“. Insbesondere auch zum krassen Missverhältnis zwischen Debattenwirklichkeit und der Wirklichkeit betrieblicher Arbeitspolitiken [PDF – 405 KB].

  6. Ertragslage der Kreditinstitute 2011
    Auswertung der Bundesbank-Berichterstattung vom September 2012.
    Die zentrale Aussage der Bundesbank: „In der Gesamtbetrachtung war ein markanter Anstieg des Jahresüberschusses zu verzeichnen“, trifft die Sachlage nicht wirklich. Denn durch die Summierung über alle Bankengruppen hinweg werden die Stärken in einzelnen Segmenten erneut – möglicherweise unzulässig – nivelliert.
    Tatsache ist, dass die Eigenkapitalrendite der Genossenschaftsbanken in 2011 auf ein neues Rekordniveau von 11,85 % nach Steuern (16,38 v.St.) gestiegen ist. Die Sparkassen können in der offiziellen Betrachtung noch höhere Werte ausweisen: Die Eigenkapitalrentabilität steigt nach Steuern auf 22,82 % (27,29 % v.St.).
    Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass die örtlichen Sparkassen offensichtlich in großem Stil stille in offene Vorsorgereserven umgewandelt haben. Diese offenen Reserven (in Summe 10 Mrd €) stärken nun das Eigenkapital und bereiten die Sparkassen so auf die Anforderungen durch Basel III vor. Würde man diesen Betrag aus dem Jahresergebnis herausrechnen, läge die Eigenkapital-Rendite nach Steuern immer noch bei 6,54 % (11,01 % v.St.).
    Aber selbst in der Darstellung der Bundesbank – summiert für die gesamte Branche – können die Kreditinstitute trotz Krise und trotz der Abschreibungen aus Griechenland und anderen Länderrisiken eine Jahresergebnis nach Steuern von 6,47 % (vSt 8,36 %) ausweisen.
    Quelle: ver.di

    Anmerkung Mark Roach: Von Krise also keine Spur, bei Sparkassen und Genossenschaftsbanken!

  7. Is the Financial Sector Worth What We Pay It?
    We are rapidly evolving a fast-moving, increasingly cybernetically interlinked capital marketplace that, as Lord May observes in the Santa Fe Institute Journal, has become intertwined in ever-more complex interdependent patterns. He goes on to ask how much are we, societally, paying the financial sector to allocate capital? More importantly, is the sector allocating capital to further societal goals, or merely enriching itself and a narrow segment of the world’s population? Human nature is powerful. John Stuart Mills said, in Social Freedom: “Men do not merely desire to be rich, but richer than other men”.
    Quelle: Somewhat Logically
  8. Faire Steuern
    1. DIW: Aufkommens- und Verteilungswirkungen einer Wiederbelebung der Vermögensteuer
      Da das private Vermögen stark auf das obere 1 Prozent der Bevölkerung konzentriert ist, kann eine Vermögensteuer der natürlichen Personen auch bei hohen Freibeträgen ein beträchtliches Aufkommen erzielen. Unter Berücksichtigung von Vorsichtsabschlägen für mögliche Schätzunsicherheiten ergibt sich für das Basisszenario mit einem persönlichen Freibetrag von 2 Mio. Euro und unter Berücksichtigung des Halbvermögensverfahrens eine Bemessungsgrundlage in Höhe von 890 Mrd. Euro (Tabelle K-1). Beim Steuersatz von 1 Prozent könnte damit ein jährliches Steueraufkommen von 8,9 Mrd. Euro erzielt werden. Steuerpflichtig wären 143 000 Personen, das entspricht den reichsten 0,2 Prozent der erwachsenen Bevölkerung.
      Bei der Vermögensteuer der juristischen Personen greifen wir auf die Schätzungen für die Jahre 2008/09 zurück. Damit werden die schwächere konjunkturelle Lage und die niedrigeren Marktwerte der Unternehmen berücksichtigt. Demnach würde die Bemessungsgrundlage unter Berücksichtigung des Halbvermögensverfahrens bei 760 Mrd. Euro liegen (Tabelle K-1). Daraus würde beim Steuersatz von 1 Prozent ein jährliches Steueraufkommen von 7,6 Mrd. Euro entstehen. Steuerbelastet wären 164 000 Unternehmen. Hierbei handelt es sich um eine vorsichtige Schätzung, da aufgrund unzureichender Datengrundlagen die steuerpflichtigen Vermögen systematisch unterschätzt werden dürften.
      Insgesamt verspricht die wiederbelebte Vermögensteuer bei einem Steuersatz von 1 Prozent ein zusätzliches Steueraufkommen von 16,5 Mrd. Euro pro Jahr, ohne Berücksichtigung von möglichen Anpassungsreaktionen der Steuerpflichtigen (Tabelle K-1). Dies entspricht 0,64 Prozent des BIP im Jahre 2011.
      Quelle 1: DIW (Download)
      Quelle 2: Landesregierung Schleswig-Holstein: DIW-Studie zeigt: Zielgenaue Vermögensbesteuerung ist machbar [PDF – 17.6 KB]
    2. Dierk Hirschel: Politik für eine faire Leistungsgesellschaft
      Die Millionärsabgabe ist ein wichtiges Instrument einer anderen Steuerpolitik, die große Einkommen und Vermögen in die Pflicht nimmt. Leistung lohnt sich nicht mehr. Wer hierzulande hart arbeitet, bleibt immer häufiger arm. Altenpfleger, Busfahrer und Fachverkäuferinnen malochen über 50 Stunden die Woche und haben am Monatsende weniger als 1 500 Euro brutto. Gleichzeitig erhält der Vorstandsvorsitzende eines Autobauers mehr als 45 000 Euro am Tag. Und für das Gehalt des Deutschbankers Anshu Jain müsste eine Erzieherin 390 Jahre arbeiten. In keinem westlichen Industrieland stieg die Einkommensungleichheit so stark wie in Deutschland. Die Kluft zwischen Spitzengehältern und Armutslöhnen lässt sich mit unterschiedlichen Qualifikationen, Arbeitszeiten und höherer Verantwortung nicht mehr erklären. Entscheidend sind vielmehr betriebliche Macht, soziale Herkunft und Geschlecht. Wer hart arbeitet, steigt auch immer seltener auf. Die soziale Mobilität geht zurück. Nur jeder achte Vollzeit arbeitende Geringverdiener gelingt noch der Aufstieg in einen Job, dessen Bezahlung zum Leben reicht. Nur sieben Prozent der Leiharbeiter schaffen langfristig den Übergang in ein reguläres Beschäftigungsverhältnis. Während Unten die Niedriglohnfalle zuschnappt, schottet sich die ökonomische Elite sozial ab. Vier von fünf Topmanagern dieser Republik kommen aus bürgerlichen oder großbürgerlichen Elternhäusern. Dieser gespaltene Arbeitsmarkt entspricht eher einer Klassengesellschaft als einer offenen Leistungsgesellschaft.
      Wer die soziale Spaltung überwinden will, muss die Verteilungsfrage stellen. Deswegen mobilisieren seit Kurzem Gewerkschaften, Wohlfahrtsverbände und NGOs im Aktionsbündnis Umfairteilen für eine höhere Besteuerung des privaten Reichtums.
      Quelle: FR
  9. Robert Skidelsky – Happiness Is Equality
    The king of Bhutan wants to make us all happier. Governments, he says, should aim to maximize their people’s Gross National Happiness rather than their Gross National Product. Does this new emphasis on happiness represent a shift or just a passing fad?
    It is easy to see why governments should de-emphasize economic growth when it is proving so elusive. The eurozone is not expected to grow at all this year. The British economy is contracting. Greece’s economy has been shrinking for years. Even China is expected to slow down. Why not give up growth and enjoy what we have?
    No doubt this mood will pass when growth revives, as it is bound to. Nevertheless, a deeper shift in attitude toward growth has occurred, which is likely to make it a less important lodestar in the future – especially in rich countries.
    The first factor to undermine the pursuit of growth was concern about its sustainability. Can we continue growing at the old rate without endangering our future?
    Quelle: Project Syndicate
  10. Rentenpolitik
    1. Rentenbeitrag sinkt zum Jahreswechsel auf 18,9 Prozent
      Arbeitnehmer und Arbeitgeber können sich ab dem nächsten Jahr auf eine höhere Entlastung bei den Rentenbeiträgen einstellen als bislang geplant. Anstelle der bisher angepeilten Reduzierung um 0,6 Prozentpunkte auf 19 Prozent des Bruttolohns laufe es nun auf eine Absenkung des Beitragssatzes auf 18,9 Prozent zu, sagte der Sprecher des Bundesarbeitsministeriums, Jens Flosdorff, am Freitag in Berlin. Die Rentenkassen sind gut gefüllt, weil die Einnahmen dank der guten Arbeitsmarktlage stärker als erwartet sprudeln. Nach geltendem Recht muss der Beitragssatz gesenkt werden, wenn die Rücklagen das 1,5-Fache einer Monatsausgabe überschreiten. Wollte man auf die Senkung verzichten, müsste das Gesetz geändert werden. Gewerkschaften und Oppositionspolitiker aber auch einzelne Koalitionsabgeordnete treten dafür ein, anstelle niedrigerer Beiträge lieber eine Demografiereserve aufzubauen.
      Quelle: Tagesspiegel

      Anmerkung Orlando Pascheit: Es ist schon erstaunlich, wie die Koalition auf das Kurzfristdenken der Wähler setzt (Landtagswahlen in Niedersachsen und Bayern sowie die Bundestagswahl im Herbst), indem sie mit dem Hinweis auf sinkende Rentenbeiträge das allmähliche Absinken des Rentenniveaus kaschiert. Dabei dürfte davon ausgegangen werden, dass die jüngere Generation liebend gern auf Beitragssenkungen verzichten würde, wenn das Rentenniveau gehalten werden könnte. 1989 war im Bundestag  zur Sicherung des Rentenniveaus die Rede von einer Beitragserhöhung auf 23 Prozent. Kein Aufschrei, auch nicht von der Arbeitgeberseite, so ändern sich die Auffassungen in Zeiten des Neoliberalismus. Natürlich muss das Gesetz geändert werden und zwar substanziell. Der sogenannte Nachhaltigkeitsfaktor* (was für eine Name für eine der größten Ungerechtigkeiten im sozialen Sicherungssystem) muss weg, um die bis zum Jahr 2030 geplante Absenkung des Rentenniveaus von 51 Prozent auf 43 Prozent zu stoppen. Leider steht die „Volkssolidarität“ mit dieser Forderung ziemlich allein. Auch dem DGB fällt neben allgemeinen Phrasen zur Altersarmut nur die Abschaffung der Praxisgebühr ein.

      * Durch den Nachhaltigkeitsfaktor soll, so die Sprachregelung, der Anstieg der Renten bei einer Erhöhung der Zahl der Rentner im Verhältnis zur Zahl der Beitragszahler gedämpft werden und die Beitragszahler dadurch entlastet werden. Natürlich ist das Augenwischerei: die Renten sinken. Sie sinken auch bereits heute, da die letzten Erhöhungen keineswegs den Kaufkraftverlust durch Inflation auffingen.

    2. Matthias Birkwald (MdB): Altersvorsorge-Verbesserungsgesetz – Riesterei für Versicherte ein Riesen-Flop!
      Wir brauchen keine milliardenschwere Riester-Förderung, sondern jeden Cent, damit die gesetzliche Rente wieder den Lebensstandard sichern und vor Altersarmut schützen kann…
      Union und FDP wollen mit dem Gesetzentwurf die Riester-Vorsorge von einer ganz schlechten Leistung zu einer nur noch ein bisschen schlechten Leistung ummodeln…
      Mit der Riester-Rente sollte die politisch gerissene Rentenlücke geschlossen werden.
      Das wird vorne und hinten nicht hinhauen!
      Und das weiß auch die Bundesregierung.
      In ihrem eigenen Rentenversicherungsbericht aus 2011 weist sie eindeutig nach:
      Früher, als es noch keine Riestereinkünfte gab, hat die gesetzliche Rente allein mehr eingebracht als morgen die gesetzliche Rente und die Riestervorsorge zusammen genommen.
      Eine gesetzliche Rente, die noch im Jahre 2009 1000 Euro Wert gewesen wäre, wird selbst mit Riester im Jahre 2025 dann nur noch 987 Euro wert sein.
      Und das trotz der Milliarden, die der Staat dazu gibt!
      Aber es kommt noch schlimmer:
      Diese Rechnung stimmt nur, wenn man durch eine rosarote Brille auf die Kapitalmärkte blickt.
      Denn die Regierung rechnet im Rentenversicherungsbericht mit vier Prozent Verzinsung:
      Das ist vollkommen unrealistisch.
      Die ganze Riesterei ist also sozialpolitisch – und das heißt: vor allem für die Versicherten – ein Riesen-Flop.
      Quelle: Matthias W. Birkwald
  11. Strompreiserhöhung
    1. DIW: Erneuerbare für 5 Cent oder Kernenergie für 50 … ?
      Es erscheint grotesk: Da wird seit Monaten ein Medienzauber um die Erhöhung der EEG-Umlage getrieben, welche am 15. Oktober nun offiziell verkündet wurde. Dabei handelt es sich um den Betrag, den private Stromkunden voraussichtlich im Jahr 2013 zusätzlich als Kompensation für die Einspeisung erneuerbarer Energien zahlen müssen (während Großverbraucher von dieser Zahlung ausgenommen sind). Nun wissen wir es, der Betrag liegt bei etwas über fünf Cent, sicherlich nicht unerheblich, aber im Vergleich zu anderen Ausgabepositionen doch eher ein mäßiger Posten.
      Dagegen wird wesentlich weniger Aufhebens um die Ankündigung von EU-Energiekommissar Oettinger gemacht, die jedoch einen wesentlich größeren Kostenschub für Strompreise zur Folge haben und mittelfristig das Ende der Kernenergie in Europa zeitigen dürfte: die Versicherungspflicht für Kernkraftwerke. Diese längst überfällige
      Forderung – bis heute ist kein Kernkraftwerk in Europa oder weltweit adäquat gegen Schäden versichert – dürfte dann auch den wahren Kostenvergleich zwischen Kernkraft und Erneuerbaren aufdecken, geht eine erste Studie doch bei der Versicherung von Kernkraft von 50 Cent pro Kilowattstunde aus, circa das Zehnfache der EEG-Umlage 2013!
      Quelle: DIW [PDF – 104 KB]
    2. Strompreis-EEG-Umlage 2013- warum steigt der Strompreis?
      In diesem Video werden die verschiedenen Maßnahmen aufgezeigt, wodurch die EEG-Umlage in den Jahren 2009 – 2012 durch die schwarz-gelbe Bundesregierung gezielt aufgebläht wurde und die Widersprüchlichkeit der vollmundigen Erklärungen zur Energiewende zu den tatsächlichen Taten.
      Ergänzend hierzu werden die angewandten Kommunikationsmethoden (“agenda setting”) aufgezeigt, die dazu führen, dass bestimmte Schlagzeilen in den Medien stehen und andere nicht.
      „Nicht die EEG-Umlage ist der Sündenbock, sondern die Bundesregierung, die rechtswidrig die Umlage aufbläht um sie politisch zu diskreditieren und abzuschaffen. Denn der Erfolg des EEG geht den etablierten Stromversorger an die wirtschaftliche Substanz. Deshalb begrüßen wir die Einleitung des Beihilfeverfahrens durch die EU-Kommission. Das Beihilfeverfahren richtet sich nicht gegen die EEG-Umlage, sondern gegen die Ausnahme von der Umlage. Unsere Beschwerde entlastet im Erfolgsfall die Stromrechnung jeden Haushalts um rund 30 Euro im Jahr, den Mittelstand um wesentlich höhere Beträge.” betont Dr. Aribert Peters, Vorsitzender des Bund der Energieverbraucher e.V.
      Quelle: YouTube

      Anmerkung WL: Ein Videobeitrag, in dem anschaulich gezeigt wird, welches Spiel gerade zur Denunzierung der Energiewende und des EEG gespielt wird. (Auch wenn der Beitrag der Photovoltaik m.E. etwas zu undifferenziert dargestellt wird und man bei der Förderung stärker auf die Effizienz der erneuerbaren Energien achten sollte.)

      Zu der in dem Video dargestellten Kampagne der INSM schreibt unser Leser P.S:
      Die INSM übernimmt einen Vorschlag des RWI, verfasst von dem langjährigen Kritiker des EEG Manual Frondel und seinem Chef Chr. Schmidt.
      Es ist das Quoten/Zertifikate- Fördermodell, das von Ökonomen schon immer bevorzugt wurde, da es auf dem Papier und theoretisch effizienter scheint. Es hat sich aber in der Praxis herausgestellt, dass es in der Wirklichkeit (speziell Großbritannien) nicht nur ineffektiv ist, sondern sogar ineffizient ist, jedenfalls bezogen auf die gleiche Technologie. Es gibt eine Serie von Studien, die zeigen, dass beispielsweise die Windenergieförderung auf die erzeugte kWh gerechnet, im Quoten/Zertifikatssystem wesentlich TEURER ist als im Einspeisesystem. Und die Praktiker (Developer) bestätigen das seit Jahren. Das hängt vor allem damit zusammen, dass der künftig erzielbare Preis im Quotensystem sehr unsicher ist, und dass die Investoren daher eine wesentlich höhere Mindestrendite ansetzen. Das wirkt sich besonders kostentreibend bei einer kapitalintensiven Technologie aus. Hinzukommen die Transaktionskosten für die Zertifikate, d.h. die Courtagen und Spekulationsgewinne der Zertifikatshändler.
      Das EEG hingegen hat die Zielsetzung, eine Reihe von Technologien gleichzeitig zu fördern, und bietet daher differenzierte Einspeisevergütungen. Das wäre beim Quotenmodell nicht so angelegt, was in der Praxis dazu geführt hat, dass z.B. in GB in Bezug auf Technologien gar nichts passiert ist. Die Quote wurde möglichst mit der Wiederbelebung alter Kleinwasserkraftwerke erfüllt. GB hat daher seit einigen Jahren die Förderpolitik (unter Einführung von differenzierten Quoten) geändert, da a) die allgemeine Quote nie zielgerecht erfüllt wurde, b) keine Erneuerbare-Energie-Technologieentwicklung stattfand, und c) das dann auch noch relativ teuer war.
      Es ist höchst fragwürdig, dass das RWI (jedenfalls in der Kurzfassung) überhaupt nicht auf die problematischen Aspekte der Quoten/Zertifikatsregelung eingeht, angesichts dessen, dass diese gut dokumentiert sind und auch in den Fachkreisen gut verbreitet, sodass beispielsweise auch die Internationale Energieagentur sich in ihren Analysen und Empfehlungen auf diese Erfahrungen stützt.
      Anscheinend sind diese Diskussion und diese Erkenntnisse auch vom Sachverständigenrat unbemerkt geblieben. Der Sachverständigenrat hat sich wohl auf sein Mitglied Chr. Schmidt verlassen (Präsident des RWI und Verantwortlich für die INSM Studie)!!! Auch Kartellamtspräsident Mundt scheint sie nicht zu kennen.
      Nun haben wir jetzt in Deutschland ja eine neue Situation, da die EE-Technologien dank EEG schon einen hohen Marktanteil haben und sehr viel billiger geworden sind.
      Damit sind die Technologieförderziele z.T. erreicht, und man kann verstärkt auf die Effizienz achten. Man kann aber nicht einfach die ollen Kamellen rausholen und sie mit den gleichen Werbesprüchen (effizient, kostensparend!) wieder verkaufen. Aus verschiedenen Gründen würde der RWI/INSM-Vorschlag keinesfalls so funktionieren wie er von seinen Propagandisten verkauft wird.

      Unser Leser M.F. merkt an: Energiewende sozial gestalten. Dieser Forderung liegt die Annahme zugrunde, Strom von Sonne und Wind sei sehr viel teurer, als konventionell erzeugter Strom aus Kohle oder Kernkraft.
      Wenn ich mir die aktuellen Wirtschaftlichkeitsberechnungen des Fraunhofer Instituts für solare Energiesysteme ISE anschaue, erkenne ich folgendes:

      1. dass die Stromgestehungskosten bei Windenergieanlagen (WEA) an guten Standorten, etwa in Süddeutschland, nur 2-4 Cent über dem heutigen Großhandelspreis für Strom an der Europäischen Strombörse (EEX)liegen. 19.10.2012: Der Strom an der EEX kostet heute von 0,044 bis 0,051 Euro/kWh.
        Die Stromgestehungskosten für Solaranlagen (PV) in D. liegen 4-11 Cent über dem aktuellen Spotpreis an der EEX.
      2. Daraus ergibt sich, dass in Deutschland die Netzkosten inklusive Verwaltung, Marketing, Wartung die reinen Stromgestehungskosten um das Fünffache übersteigen, denn der Privatkunde zahlte 2011 25,3 Cent pro verbrauchter Kilowattstunde.
      3. In den Stromkosten sind die Gewinne der Kraftwerksinvestoren enthalten. Sie liegen bezogen auf das erbrachte Eigenkapital zwischen 6-14% pro Jahr. Fremdkapital in diesem Sektor beansprucht eine 4-7%ige Rendite per annum.

      Aus diesen Daten ergeben sich für mich zwei Thesen:

      1. Anfang des 20ten Jahrhunderts war die Stromerzeugung- und Verteilung eine hoheitliche Aufgabe des Staats. Würde man die Privatisierung in diesem Bereich wieder zurücknehmen, käme die Finanzierung der Energiewende deutlich günstiger für alle. Dann lägen die Zinsen/Renditen für Investitionen in Wind- oder Sonnenkraftwerke nicht bei 4-14%, sondern zur Zeit bei unter 2%. (aktuelle mittlere Rendite von deutschen, schweizer, norwegischen, schwedischen oder englischen Staatsanleihen)
      2. 80% der Stromkosten entstehen im Bereich zwischen Kraftwerk und Steckdose. Es ist zu vermuten, dass hier noch deutliche Kostensenkungspotentiale stecken. Aber darüber redet niemand, warum eigentlich nicht?

      Quelle: Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme (ISE) [PDF – 6.6 MB]

    3. Offshore-Windenergie: Das erste Strompreisopfer
      Offshore-Windenergie galt einmal als Wunderwaffe der Energiewende. Jetzt bröckelt der Rückhalt für die teure Technologie. Branche und Politiker arbeiten an einer Schrumpfkur…
      Das Land hat sich noch nicht erholt vom Strompreisschock der vergangenen Woche. 50 Prozent mehr für die Ökostromumlage, zehn Prozent mehr für die Netze. Und ausgerechnet jetzt kämpft die Offshore-Branche für eine neue, teure Umlage. In der kommenden Woche berät der Bundestag, wer die Meereswindparks bezahlt, wenn der Kabelanschluss noch nicht fertig ist und der Strom nicht fließen kann. Der dann fällige Schadensersatz wird die Stromkunden voraussichtlich noch einmal 0,25 Cent pro Kilowattstunde kosten.
      Das Gesetz wird wohl durchkommen. Doch es könnte auf absehbare Zeit der letzte Gefallen sein, den die Politik den Meereswindparks tut. Die Euphorie der Pionierjahre ist bei vielen Politikern verschwunden. Nach dem Preisverfall bei der Sonnenenergie ist Offshore der Preistreiber der Zukunft – und deutlich teurer als Windparks an Land. Angesichts der jüngsten Strompreisexplosion überlegen Regierung und Parteien, wie viel man sich von diesem Luxus noch leisten kann…
      Wenn die süddeutschen Bundesländer lieber ihre eigenen Windräder bauen, hätte der teure Offshore-Strom auf einmal keine Abnehmer mehr…
      Zwar ist die Regierungskoalition inzwischen überzeugt davon, dass man dem klammen Netzbetreiber Tennet Risiken bei der Pionierarbeit abnehmen muss. Doch den Stromkunden ist es schwer zu vermitteln, dass sie für Planungsfehler der Unternehmen einstehen sollen.
      Quelle: FTD
  12. Überwachungsprojekt Indect – Bloß nicht zu schnell laufen
    Die EU fördert mit 11 Millionen Euro das Informationsprojekt Indect. Brüssel will Terror vorbeugen, Bürger befürchten die totale Überwachung.
    Videoüberwachung, biometrische Gesichtserkennung, Auswertung von persönlichen Informationen aus sozialen Netzwerken im Internet – das von der Europäischen Union geförderte Projekt „Indect“ (Intelligentes Informationssystem zur Unterstützung von Überwachung, Suche und Erfassung für die Sicherheit von Bürgern in städtischer Umgebung) kombiniert all diese Verfahren und bastelt so an der perfekten Überwachung eines jeden Bürgers…
    Indect bündelt verschiedene Überwachungstechnologien und entwickelt ein vollautomatisiertes Informationssystem, das – nach Angaben der Forscher – die Polizei und Sicherheitsdienste unterstützen soll bei der „Überwachung, Suche und Erfassung für die Sicherheit von Bürgern“.
    Quelle: taz

    Ob dagegen Indect hilft?

  13. 110 Rechtsextremisten leben im Untergrund
    Die Polizei hat offenbar unverändert Probleme bei der Fahndung nach Neonazis. Mehr als 100 Personen sind trotz Haftbefehls derzeit auf freiem Fuß. Das räumte Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) gegenüber der Welt am Sonntag ein. Friedrich zufolge geht das Bundeskriminalamt mit Stand September davon aus, dass 110 Rechtsextremisten mit Haftbefehlen gesucht werden und im Untergrund leben. Sein Ministerium habe die Länder nach offenen Haftbefehlen abgefragt. Die Zahlen würden nun halbjährlich aktualisiert. Grünen-Chef Cem Özdemir bezeichnete es daraufhin als ungeheuerlich, dass ein Jahr nach der Aufdeckung des rechtsextremen Terrors „über 100 Neonazis im Untergrund leben und dort unbehelligt ähnliche Gewalttaten planen können“. Dies zeige, wie wenig die Sicherheitsbehörden dazugelernt hätten.
    Quelle: FR
  14. Der Einfluss des Beratungsunternehmens McKinsey geht bis in die Spitzen der SPD
    McKinsey ist ein Beratungsunternehmen – und ein Netzwerk, dessen ehemalige Mitarbeiter in zahlreichen Führungspositionen großer Unternehmen sitzen. Die Rheinische Post gibt einen kurzen Überblick zu den Verflechtungen des Netzwerkes in der deutschen Wirtschaft. Erstaunlicher allerdings ist die Tatsache, dass Frank-Walter Steinmeier, Kanzlerkandidat der Sozialdemokraten, mit Markus Klimmer einen McKinsey-Mann zu seinem wirtschaftspolitischen Berater machte, aus dessen Feder auch Steinmeiers »Deutschlandplan« stammt.
    Quelle: das Dossier
  15. Jacobs University hat finanzielle Probleme
    Die Jacobs University in Bremen-Nord braucht Geld vom Senat. Nach Informationen von Radio Bremen bemüht sich die Leitung der privaten Uni bei der Bremer Landesregierung derzeit intensiv um finanzielle Hilfen. Um welche Summe es dabei geht, war nicht zu erfahren. Dem Vernehmen nach soll es sich um drei Millionen Euro Zuschuss pro Jahr handeln.
    Am 26. Oktober trifft sich das Aufsichtsgremium der Universität, um über Auswege aus der Finanzkrise zu beraten. Der Uni fehlen seit der Gründung ausreichend private Spender. Bremens Senatspräsident Jens Böhrnsen (SPD) und Finanzsenatorin Karoline Linnert (Grüne) hat die Bürgerschaftsabgeordneten von SPD und Grünen über die Gespräche informiert. Die Regierungsfraktionen und der Senat seien sich einig, dass staatliche Hilfen an Bedingungen geknüpft werden müssten, sagten Vertreter beider Parteien. So solle unter anderem die Laufzeit der jährlichen Zahlungen begrenzt werden.
    Quelle: Radio Bremen

    Anmerkung WL: Im September 2001 wurde die „International University Bremen“ nach dem Vorbild der „Rice University“ (Houston, Texas) feierlich eröffnet. Ausgerechnet das hoch verschuldete Bremen gewährte der IUB mit über 200 Millionen Mark eine üppige Starthilfe. Man hoffte auf eine Quote von 50 Prozent Selbstzahlern unter den Studierenden und eine hohe Spendenbereitschaft aus den Top-Unternehmen der deutschen Wirtschaft. Beide Ziele erfüllten sich nicht wie erwartet: Die Wirtschaft blieb zaudernd, und die Bewerber waren nicht so finanzstark.
    2005 verzeichnete die Bilanz der IUB-GmbH einen Fehlbetrag von 20,9 Millionen Euro; 2004 waren es 18,4 Millionen Euro. Die Substanz des 106-Millionen-Euro Startgeldes vom Land Bremen war längst angegriffen: Bankkrediten über 89 Millionen Euro standen laut Bilanz Ende 2005 nur Wertpapier-Fonds von 76 Millionen Euro gegenüber. Als der vom Land Bremen (und vom Bund mit Hochschulbaufördermittel in Höhe von 40 Millionen Euro) mit viel Geld angeschobenen Hochschule das Wasser bis zum Hals stand, rettete eine spektakuläre 200-Millionen-Euro-Spende (auf wie viele Jahre auch immer verteilt) des Unternehmers Klaus Jacobs rettete die Universität vor der Insolvenz. Der Name änderte sich Anfang 2007 in “Jacobs University” (die Uni aus der „Kaffeekasse“).

    Bremen sollte sich mit weiteren 25 Millionen über fünf Jahre beteiligen, so die Bedingung des Großspenders. (Klaus J. Jacobs, Gründer der Jacobs Foundation, in der das Vermögen aus dem Verkauf des Familienkonzerns Jacobs Suchard liegt, ist nicht nur Kaffeeröster und Schokoladehersteller (Suchard), er ist auch Großaktionär des Zeitarbeitskonzerns Adecco.)
    Zähneknirschend stimmte die Politik den zusätzlichen Millionen zu. Gleichzeitig sollte allerdings die staatliche Universität Bremen mit 25 Prozent weniger Geld auskommen und die Planung war, dass diese Hochschule statt mit über 300 mit 240 Professuren zurecht kommen sollte.
    Es gilt halt immer der gleichen Logik: Man blutet die staatlichen Institutionen aus, damit die privaten überhaupt erst eine Chance haben. Und es ist immer die gleiche Dramaturgie: Mit Hilfe der Medien werden die privaten Hochschulen zu Elite-Hochschulen hochgejubelt, um damit Staatsgelder abzupressen. Die Medien, die ja mehr oder weniger darauf programmiert sind, alle öffentlichen Einrichtungen herunterzureden, greifen die Werbesprüche der privaten Neugründer begierig auf und feiern sie als vorbildliche Eliteeinrichtungen. Nachdem sich die Unternehmer als Stifter kräftig von Politik und Medien haben feiern lassen, verlässt sie meist die Begeisterung. Mit ein paar Millionen und einigen schicken Gebäuden kann man halt keine Elite-Universität schaffen.
    Die Wirtschaft zieht – wie an vielen anderen privaten Hochschulen – ihr finanzielles Engagement nach relativ kurzer Zeit zurück oder friert es ein. Die nun einmal gegründete, private Hochschule zwingt dann unter Androhung des Konkurses den Staat in eine Ausfallbürgschaft. (Vgl. Die Wirtschaft kann alles besser oder der Größenwahn der privaten Elitehochschulen)
    Nach 10 Jahren brachte die „Elite-Uni“ Jacobs University gerade einmal 2.100 Absolventen hervor. Trotz Studiengebühren und Verpflegungskosten in Höhe von 22.500 Euro, ist wohl dem Land Bremen kein/e Studierende/r teurer gekommen als die Studierenden an der Jacobs University. Und ob sie besser ausgebildet sind, da sollte man sich auch nicht auf die Werbesprüche verlassen. Der einzige Vorteil für die Studierenden dürfte sein, dass sie in ein „Elite“-Netzwerk eingebunden sind. Und da reden manche immer noch von „Leistungsgesellschaft“!

  16. Obama vs. Romney: Die USA vor der Wahl
    Auch wenn die realen Unterschiede in der Politik von Demokraten und Republikanern keineswegs so groß sind, wie sie im politisch-kulturellen Diskurs erscheinen, handelt es sich dieses Mal doch um eine innenpolitische Richtungsentscheidung über den Kurs des Landes, vor dem Hintergrund des „American decline“…
    Die Radikalisierung der republikanischen Partei erklärt sich jedoch keineswegs nur durch den Aufschwung der Tea Party. Sie ist vielmehr Ausdruck einer Rechtswende innerhalb der Konzernwelt… man will, nach Jahrzehnten kontinuierlicher Steuersenkungen, nun offensichtlich überhaupt keine Steuern mehr zahlen…
    Während der Supreme Court den Konzernen mit „Citizens United“ fast unbeschränkten Einfluss auf den Wahlkampf eröffnet hat, wird gleichzeitig vielen Armen und Angehörigen der Minderheiten das Wahlrecht entzogen.
    Die Republikaner machen all dies aus klarem Kalkül und einem einzigen Grund: weil sie schon jetzt nur noch eine Minderheit repräsentieren, nämlich die der weißen Männer als die Kerngruppe ihrer Wählerschaft. Nach ihrer Rechtswende – mit Immigranten-Bashing, kaum verhülltem Rassismus, fanatischer Abtreibungsgegnerschaft – und angesichts der sich rapide verändernden demografischen Zusammensetzung der Bevölkerung, mit einem starken Wachstum vor allem des Anteils der Latinos, können die Republikaner die Wahlen nur so gewinnen…
    Im Falle seiner Wiederwahl wird Obama auf jeden Fall unter starken Druck der Konzerne geraten; eine grundlegende Abkehr vom Neoliberalismus ist schon deshalb nicht zu erwarten. Fest steht aber auch: Sollten Romney/Ryan gewählt werden, werden die Republikaner ihren Sieg als Mandat zum Generalangriff auf die Errungenschaften des New Deal interpretieren.
    Quelle: Blätter für deutsche und internationale Politik
  17. Das Verfassungsreferendum in Island
    Es war ein Demokratieexperiment, das seinesgleichen sucht: Islands Regierung und Parlament ließen eine neue Verfassung entwerfen – und zwar durch das Volk selbst. Nun hat eine satte Mehrheit der Isländer für den Entwurf gestimmt. Doch die “Crowdsourcing”-Verfassung hat einen Haken: Das letzte Wort hat wiederum das Parlament…
    Die Verfassung schreibt vor, dass Änderungen an ihr nicht nur einmal, sondern zweimal durchs Parlament müssen. Einmal vor und einmal nach Neuwahlen. Das heißt, um den Entwurf des Verfassungsrats in Kraft zu setzen, müsste auch nach den nächsten Wahlen im Frühjahr 2013 eine Mehrheit dafür gewonnen werden – was aber äußerst ungewiss ist. Die derzeitige linke Regierung ist wegen der drastischen Sparmaßnahmen, die sie durchsetzen musste, äußerst unbeliebt. Gut möglich, dass deshalb 2013 wieder die Unabhängigkeitspartei an die Macht kommt.
    Quelle: DLF
  18. Wie Journalisten aufgefordert werden, umsonst zu arbeiten
    Dass speziell freie Journalisten häufig viel Arbeit für wenig Geld haben, dass Autoren komplett recherchierte und ausformulierte Geschichten „zur Ansicht“ schicken und bei Nichterscheinen auch nicht bezahlt werden sollen und dass angestellte Redakteure häufig unbezahlte Überstunden machen, weil sie ohnehin zur Selbstausbeutung neigen und korrekte Arbeitszeiterfassung für „Stechuhrjournalismus“ halten, all das ist in der Branche bekannt. Und doch verursacht jedes neue Beispiel immer wieder Kopfschütteln. Aber dass auch öffentlich-rechtliche Anstalten versuchen, ihre freien Mitarbeiter umsonst oder unter Tarif zu beschäftigen, ist eine neue Eskalationsstufe im Wettlauf um Billigjournalismus.
    Quelle: ver.di
  19. Rezension von Rudolf Hickel: Werner Rügemer: Rating-Agenturen. Einblicke in die Kapitalmacht der Gegenwart
    Rating-Agenturen stehen nicht erst seit der jüngsten Finanzmarktkrise sowie den schlechteren Noten für die Länder im Zentrum der Euro-Krise in der Kritik. Sie haben ihre wichtige Rolle der Informationsbeschaffung über versteckte Risiken in Kreditkomplexen und undurchsichtig gehaltenen Finanzmarktprodukten gründlich missbraucht. Im Mittelpunkt dieses monopolistischen Marktes stehen die großen drei: Standard & Poor’s, Moody’s und Fitch. Frei von Haftung und gesamtwirtschaftlicher Verantwortung dienen die Agenturen den Interessen ihrer Eigentümer, vor allem den den Hedgefonds und den Investmentbanken, denen sie direkt oder indirekt gehören. Dabei gelten die Interessen der Wall Street als Messlatte der Benotung.
    Quelle: SZ

    Anmerkung AM: Eine weitere Besprechung des Buches von Werner Rügemer „Rating Agenturen“. Lesenswert! Siehe auch hier.

  20. TV-Tipp: Pelzig hält sich
    Gäste: Michael Glos, Stefanie Kloß und Andreas Nowak, Manfred Lütz
    Dienstag 23.10.2012, 23:00 – 00:00 Uhr
    Quelle: ZDF

    Anmerkung: Da Minister a.D. Michael Glos im Zusammenhang mit Steinbrück´s Nebengeschäften ebenfalls mit diversen Lobbytätigkeiten genannt wurde, könnte hier der Bildschirm knistern.

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