Transparencys Rankingsabsturz von Griechenland: Irreführend! Mindestens aus dreierlei Gründen.

Albrecht Müller
Ein Artikel von:

Gestern waren die Meldungen und heute sind die Zeitungen voll von der Nachricht der Anti-Korruptions-Organisation Transparency International, Griechenland sei inzwischen das korrupteste Land Europas. Das war eine wirksame Veröffentlichung. Bei Google News gab es 368 Hinweise, zwei davon in Anlage 1. Auch die Redaktion der NachDenkSeiten wurde aufgrund des Absturzes Griechenlands beim Ranking kritisiert, weil wir gerade einen relativierenden Beitrag von Heiner Flassbeck veröffentlicht hatten. Wir bestreiten nicht, dass die Korruption in Griechenland ein großes Problem ist. Aber selbst der Vertreter von Transparency weist darauf hin, dass der Absturz auf veränderten Erhebungsmethoden beruhen könnte – der erste Grund zur Skepsis. Siehe Anlage 2 . Noch gravierender sind zwei andere Schwächen der Messungen von Transparency. Von Albrecht Müller

Zweiter Grund für Skepsis:

Die Meldungen über das Ranking erwecken mit hoher Wahrscheinlichkeit bei den meisten Menschen den Eindruck, ihre Grundlage seien Messungen und Zählungen von tatsächlichen Korruptionsvorgängen. Es ist aber von Transparency nicht beobachtet und gezählt worden, ob weitere Beamte und Politiker von irgendwelchen Unternehmen bestochen worden sind, um einen Auftrag zu ergattern. Stattdessen sind Experten und andere Menschen befragt worden, wie sie die Entwicklung der Korruption einschätzen. Die Messungen sind also mehr oder weniger der Abklatsch der veröffentlichten Meinung zum Thema. Angesichts des andauernden Einprügelns auf Griechenland ist das Ergebnis nicht erstaunlich.

Zweiter Grund für Skepsis und Missachtung der Transparency-Ergebnisse:
Die politische Korruption wird nicht erhoben.

Wenn das nämlich geschähe, dann würde Deutschland beim Ranking ganz unten stehen – unten heißt: viel Korruption. Bei uns blüht nämlich die politische Korruption, wie man Anfang November wieder daran sehen konnte, dass der Deutsche Bundestag zu Gunsten der Versicherungswirtschaft das Versicherungsaufsichtsgesetz geändert hat – mit der Folge, dass die Rendite von Lebensversicherungen dahinschmilzt. Siehe hier. Auf den NachDenkSeiten haben wir immer wieder von Fällen der politischen Korruption berichtet. Von Privatisierung, von der Riester-Rente, von der Kommerzialisierung des Fernsehens usw.. Hier zum Beispiel am 16. Juli 2012 um 14:38 Uhr „Wie korrupt geht es bei uns zu? Viel mehr, als viele ahnen.“.

Deshalb ein Rat an Transparency International: Entweder sie messen anders, also nicht nur den Abklatsch der veröffentlichten Meinung, und erweitern den Korruptionsbegriff um die politische Korruption oder sie stellen die Veröffentlichung ihrer Rankings ein.

Anlage 1 – zwei Beispiele von über 300 Meldungen zum Thema:

Untersuchung von “Transparency International”: Griechenland ist das korrupteste Land Europas
In keinem Land Europas ist die Korruption so weit verbreitet wie in Griechenland. Das ist das Ergebnis einer Untersuchung von Transparency International.
(…)
Quelle: STERN

05. Dezember 2012, 06:46 Uhr
Transparency-Index
Griechenland wird zum korruptesten Land Europas

Von Johannes Korge
Bestechliche Beamte, käufliche Politiker: Transparency International hat in mehr als 170 Ländern die Korruption im öffentlichen Sektor untersucht. Alarmierend ist die Lage in Griechenland, Deutschland kann sich leicht verbessern.
Hamburg – Somalia, Nordkorea und Afghanistan sind die korruptesten Länder der Welt. Zu diesem Urteil kommt der Jahresbericht von Transparency International, den die Organisation am Mittwoch veröffentlicht hat. Wie schon im Vorjahr liegen diese drei Länder am Ende der Rangliste; 174 Nationen haben die Korruptionswächter dieses Mal unter die Lupe genommen.
Sie kommen auf der Skala von null (hohe Korruptionsrate) bis 100 (sehr wenig Korruption) nur auf jeweils acht Punkte.
(…)
Quelle: SPIEGEL Online

Anlage 2:

Transparency International: Athen zweifelt an Korruptionsindex
Dass Griechenland im Korruptionsranking einen heftigen Absturz hinnehmen musste, liegt an den veränderten Erhebungsmethoden – sagt der Direktor der griechischen Sektion von Transparency International.
(…)
Quelle: FTD

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