Der Bote des Unheils wird geköpft und nicht der Unheilverursacher. Und unsere jämmerlichen Medien machen das mit.

Albrecht Müller
Ein Artikel von:

Snowden düpiert die USA – “Wie konnte das passieren?” fragen amerikanische Medien. So berichtete die Tagesschau und übernimmt diese Sicht der Dinge. Wie konnte das passieren, wie ist das möglich, dass amerikanische und britische Geheimdienste die Kommunikation des restlichen Teils der Welt abhören, und worin unterscheidet sich dies noch von den Methoden übelster Diktaturen? – Das wären die notwendigen Fragen. Die Tagesschau und die anderen Medien müssten voller Abscheu darüber berichten und recherchieren. Sie müssten den Boten des Unheils, den Aufdecker der antidemokratischen Machenschaften hochleben lassen. Wie wir z.B. “Der Mann des Jahres: Edward Snowden. Der Mann beim Abstieg: Barack Obama.”. Stattdessen verfolgen sie die Flucht des 29jährigen Snowden mit Häme und plappern nach, was die Kommunikationsstrategen seiner Verfolger sich und den Medien zurecht gelegt haben. Sie lassen beispielsweise die Tagesschau in fetten Lettern fragen: “China, Russland, Kuba – der Pfad der Freiheit?”. Von Albrecht Müller

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

Dieser Umgang mit dem „Verräter“ Snowden ist weit verbreitet. Wie immer zum Beispiel schlimm bei SpiegelOnline, hier zum Beispiel und hier.

Oder hier im „WDR 2 Klartext zu Edward Snowden: Held oder Schuft?“. Natürlich „Schuft“ so der Autor des Beitrags Paul Elmar Jöris. Zusammenfassend heißt es:

„Durch die Spionage der Geheimdienste konnten Anschläge verhindert werden. Edward Snowden brachte nun aber alle Programme ohne Differenzierung in Misskredit und richtete großen Schaden an, …“

Auch auf der Linie der Public Relations Strategie der USA liegt Deutschlandradio. Hier die Quelle und als Download Audio. Dort lässt uns Marcus Pindur vom Studio Washington wissen:

„Bedenken- und gewissenlos
Edward Snowdens bizarre Flucht

Es ist eine bizarre Flucht, und die Geschichte erscheint auf den ersten Blick so spannend wie einfach. Hier der einsame Whistleblower, der seinem Gewissen folgt und Freundin und Familie verlässt, um sein Martyrium öffentlich zu machen. Dort die herausgeforderte, rachsüchtige Großmacht USA, die all ihre Macht zum Einsatz bringt, der Goliath, der alles daran setzt, den kleinen David in seine Fänge zu bekommen.

Aber so einfach ist es eben nicht. Denn Edward Snowden ist kein Whistleblower. Er hat keine einzige illegale Praxis der amerikanischen Regierung enthüllt, keinen illegalen Übergriff der Sicherheitsbehörden belegt. All das, was wir von ihm erfahren haben, passiert innerhalb des amerikanischen Rechtsstaates und amerikanischen Rechts.

(…)

Edward Snowden wird nicht von den amerikanischen Sicherheitsbehörden verfolgt, weil er sich gegen die USA gestellt hat. Sondern weil er sich bedenken- und gewissenlos über den Rechtsstaat hinweggesetzt hat. Mal sehen, wie glücklich er im ecuadorianischen Exil wird.“

Jens Berger hat auf den NachDenkSeiten vermerkt, er empfinde die Jagd auf Edward Snowden wie eine Rückkehr des hässlichen Amerikaners.

Die US-Regierung und andere Verantwortliche in den USA haben sich eine PR Strategie zur Abwehr der Kritik an der skandalösen Überwachung von Millionen Bürgerinnen und Bürger der Welt zurecht gelegt:

  • Sie machen aus dem Helden, der das Unheil der Überwachung aufgedeckt hat, einen Schuft und Verräter.
  • Und sie diskreditieren ihn, indem sie jene, die ihm bei der Flucht helfen oder zumindest sie nicht behindern als falsche Freunde, als Feinde von Freiheit und Demokratie abwatschen.

So zum Beispiel in der FAZ Matthias Rüb aus Washington:

Whistleblower auf der Flucht
Edward Snowdens falsche Freunde
24.06.2013 · China, Russland und Ecuador: Edward Snowdens Fluchtweg macht es den Politikern in Amerika leicht, den früheren Mitarbeiter von Geheimdiensten als bösen Verräter darzustellen.“

Das ist nahezu identisch mit dem, was wir schon von der Tagesschau hörten. Offenbar hat in Washington ein Briefing stattgefunden. Ihm folgen wichtige Teile der deutschen Medien.

Die kritiklose Übernahme US-amerikanischer Propaganda zeichnet einen gewichtigen Teil deutscher Journalisten schon lange und immer wieder aus.

Sie haben über Jahrzehnte schon die gängige Unterscheidung in Gut und Böse, in USA und Westen auf der einen Seite und die Bösen, die Russen, die Iraner, die Palästinenser, der Islam usw. auf der anderen Seite gemacht und propagiert.

Dass sie jetzt bei diesem unglaublichen Skandal der Schnüffelei durch die USA und Großbritannien nach dem gleichen Schema verfahren und nicht im Ansatz fähig und willens sind, wenigstens zu fragen, ob man Snowdens Tat nicht als etwas Notwendiges und Wünschenswertes bezeichnen müsste.

Sie sind deshalb auch unfähig auf der Basis der Informationen durch Snowden zu fragen und zu recherchieren, was Briten und Amerikaner mittels ihrer Schnüffelei noch erfahren hätten können.

Offensichtlich haben die Briten Diplomaten und Politiker im Vorfeld von Internationalen Konferenzen ausspioniert. Und beide können mit der Abschöpfung von Informationen Wirtschafts- und Industriespionage betreiben. Es gäbe also ausreichend Gründe, sich über die Praxis der USA und Großbritanniens zu beschweren. Stattdessen wird beschönigt.

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