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Hier finden Sie einen Überblick über interessante Beiträge aus anderen Medien und Veröffentlichungen. Wenn Sie auf “weiterlesen” klicken, öffnet sich das Angebot und Sie können sich aussuchen, was Sie lesen wollen. (RS/WL)

Hier die Übersicht. Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert.

  1. Moderates Wachstum der deutschen Wirtschaft im Jahr 2013
  2. Ifo-Prognose zur Leistungsbilanz 2013: Eine gut verkaufte Fahrt in die Hölle
  3. The Modest Proposal for Resolving the Euro Crisis explained
  4. Bravo, Monsieur le Président – Als Sozialist gesprungen und als Angebotstheoretiker gelandet
  5. Britischer Finanzminister setzt EU unter Druck
  6. Arbeitslosigkeit: Die Folgen für die Gesundheit
  7. Nahrungsmittelspekulation: Neue EU-Regeln mit großen Schwächen – Statt europäischer Lösung droht nationaler Wettlauf nach unten
  8. Norbert Blüm: „Die Rente ist den Finanzhaien ausgeliefert worden“
  9. Gerhard Bosch/Thomas Heipeter: Zukunft der Facharbeit
  10. “Fachkräftemangel” – gibt es den überhaupt?
  11. Garstig ins neue Jahr: Großbritannien streicht Sozialleistungen für EU-Bürger
  12. Mitteleinsatzes für die Eingliederung Arbeitsuchender
  13. NSA Software in 100.000 Computer eingespeist
  14. Logistik: Countdown zum Kunden
  15. Ich fürchte, dass unbezahlte Bürgerarbeit eingeführt wird
  16. Sascha Lobo: Die digitale Kränkung des Menschen
  17. Evgeny Morozov antwortet Lobo: Wir brauchen einen neuen Glauben an die Politik!
  18. Neuer Filz bei Stuttgart 21?
  19. Studie der Otto Brenner Stiftung: Verdeckte PR in Wikipedia
  20. Bildungspolitik in der Sackgasse
  21. Zuckerhaltige Getränke: Bewertung mit zweierlei Maß
  22. Friedhelm Hengsbach: Risse im deutschen Bildungssystem
  23. TV-Tipp Die Story im Ersten: Geld regiert die Welt – Die Macht der Finanzkonzerne
  24. Konsequent: Pofalla´s Lebenslauf

Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Moderates Wachstum der deutschen Wirtschaft im Jahr 2013
    Die deutsche Wirtschaft hat sich im Jahresdurchschnitt 2013 insgesamt als stabil erwiesen: Um 0,4 % war das preisbereinigte Bruttoinlandsprodukt (BIP) höher als im Vorjahr…In den beiden vorangegangenen Jahren war das BIP noch kräftiger gewachsen (2012 um 0,7 % und 2011 sogar um 3,3 %). „Offensichtlich wurde die deutsche Wirtschaft durch die anhaltende Rezession in einigen europäischen Ländern und eine gebremste weltwirtschaftliche Entwicklung belastet. Die starke Binnennachfrage konnte dies nur bedingt kompensieren“, sagte Roderich Egeler, Präsident des Statistischen Bundesamtes, heute auf einer Pressekonferenz zum Bruttoinlandsprodukt 2013 in Berlin. Allerdings habe sich die konjunkturelle Lage nach der Schwächephase im vergangenen Winter im Laufe des Jahres 2013 verbessert…
    Die privaten Konsumausgaben stiegen preisbereinigt um 0,9 %, die des Staates um 1,1 %. Dagegen gingen die Investitionen zurück: Im Inland investierten Unternehmen und Staat zusammen 2,2 % weniger in Maschinen und Geräte sowie Fahrzeuge als ein Jahr zuvor. Auch die preisbereinigten Bauinvestitionen gingen zurück, aber nur um 0,3 %.
    Quelle: Statistisches Bundesamt

    Dazu:

    Quelle: Statistisches Bundesamt [PDF – 866 KB]

    Anmerkung WL: 0,4% BIP-Wachstum im zurückliegenden Jahr 2013 nennt das Statistische Bundesamt ein „moderates Wachstum“ und es spricht von einer „stabilen Wirtschaft“. Man vergleiche diese Werte mit denjenigen der vorausgegangen Jahrzehnten. Das ganze Jahr über wurde von einem „Boom“ geredet und wie „gut“ es der deutschen Wirtschaft doch ginge. Dabei ist das Wachstum gegenüber 2012 nochmals gesunken und bewegt sich am Rande der Rezession. Dass bei einem Anstieg der privaten Konsumausgaben um 0,9% und einem Wachstumsbeitrag der Konsumausgaben von 0,7% von einer „starken Binnennachfrage“ gesprochen wird, fällt gleichfalls in die Rubrik „Beschönigung“. Lasen wir nicht das ganze letzte Jahr, dass die Deutschen in „Kauflaune“ seien.
    Besorgniserregend ist der Rückgang an Investitionen.
    Aber wie im letzten Jahr, soll im kommenden Jahr wieder alles besser werden.

  2. Ifo-Prognose zur Leistungsbilanz 2013: Eine gut verkaufte Fahrt in die Hölle
    Die Deutschen sind mal wieder Exportweltmeister. Sie sehen diesen Titel als Zeichen der Stärke. Doch in Wahrheit sind die gewaltigen Handelsüberschüsse ein Symptom der deutschen Investitionsschwäche – und ein Symbol der ökonomischen Dummheit.
    In Deutschland hingegen wachsen die Ungleichgewichte munter weiter. Laut Ifo-Wirtschaftsinstitut hatte Deutschland 2013 einen Überschuss in der Leistungsbilanz von 7,3 Prozent der Wirtschaftsleistung oder umgerechnet 260 Milliarden Dollar. Wir sind wieder mal Exportweltmeister. China gewinnt die Silbermedaille mit “nur” 195 Milliarden Dollar Überschuss. Bronze geht an den Sonderfall Saudi-Arabien mit seinen gewaltigen Ölexporten. Für 2014 erwartet das Ifo-Institut sogar einen noch höheren deutschen Überschuss. Herzlichen Glückwunsch!
    Leider führt dieser sportliche Vergleich in die Irre, denn extreme und anhaltende Ungleichgewichte im Außenhandel – egal ob Überschüsse oder Defizite – sind alles andere als Zeichen wirtschaftlicher Stärke, sondern Symptome einer verdeckten Krankheit. Ich bestreite nicht, dass alternde Gesellschaften wie Japan oder Deutschland maßvolle Überschüsse in der Leistungsbilanz aufweisen sollten, um quasi als Gesamtgesellschaft Ersparnisse fürs Alter aufzubauen. Pathologisch hingegen sind Überschüsse in einer derartig extremen Größenordnung, jahrein, jahraus, und zwar aus zwei Gründen:
    Zum einen sind diese Überschüsse Ausdruck einer fehlenden Bereitschaft, im Inland zu investieren. Deutschland leidet unter einer chronischen Investitionsschwäche. Die deutsche Investitionsquote, staatlich und privat zusammengenommen, lag in den späten neunziger Jahren noch zwischen 20 und 23 Prozent der Wirtschaftsleistung – deutlich höher als die von Frankreich. Im Jahre 2012 lag sie nur wenig über 17 Prozent. Frankreich hat längst aufgeholt. Die Investitionen von heute aber sind das Wachstum von morgen.
    Die zweite Komponente der Pathologie besteht darin, dass Überschüsse unglaublich riskant sind. Wenn wir mehr Waren ausführen als einführen, dann erhalten wir dafür ausländische Forderungen – Devisen oder andere Wertpapiere. Ob das ein guter oder schlechter Tausch ist, hängt davon ab, wie gut wir das Geld anlegen. Leider sind wir Deutschen insgesamt miserable Investoren. Wann immer es im Ausland Geld zu verlieren gibt, sei es beim Platzen von Immobilienblasen, bei der Pleite von Großbanken oder beim griechischen Schuldenschnitt – immer sind deutsche Inverstoren ganz vorne mit dabei.
    Das Gegenteil intelligenten wirtschaftlichen Handelns
    Die andauernden Leistungsbilanzüberschüsse machen uns nicht zum Weltmeister im Exportieren, sondern zum potentiellen Transferweltmeister. Wenn Deutschland sich mit seinen Exportüberschüssen brüstet, dann erinnert mich das an die Definition der Diplomatie als die Kunst, jemanden zur Hölle zu schicken, und zwar so, dass dieser sich auf die Reise freut. Je mehr Autos, Werkzeugmaschinen und Einbauküchen wir ins Ausland verkaufen, desto ärmer werden wir – weil die Forderungen, die wir im Gegenzug erwerben, sich allzu oft als nicht werthaltig herausstellen. Was hier passiert, ist genau das Gegenteil intelligenten wirtschaftlichen Handelns.
    Sinnvoll wäre eine Neuausrichtung der deutschen Wirtschaftspolitik mit dem Ziel, die Überschüsse auf eine nachhaltige Größe zu begrenzen, etwa drei Prozent. Ein guter Anfang wäre ein Investitionsprogramm von rund zwei Prozent der Wirtschaftsleistung sowie Gehaltserhöhungen im öffentlichen Sektor. Es ist besser, gezielt im Inland zu investieren, als massiv im Ausland zu verlieren. 
    Quelle: SPON

    Anmerkung Jürgen Karl: Münchau formuliert hier absolut treffend. Die ökonomische Dummheit der Merkel-Regierung sekundiert durch die Sozialdemokratien, denen es, von Heiner Flassbeck auch treffend formuliert, ebenfalls an aufgeklärten Ökonomen mangelt, ist nicht mehr zu übertreffen. Neben dem Exportwahn wird dazu weiterhin dem Austeritätsirrsinn quer durch alle Parteien gehuldigt. Wie an der Grünen Finanzministerin Schleswig-Holsteins, Monika Heinold zu sehen ist, die sich freut, dass der erstmalige Überschuss des Haushaltes komplett in die Tilgung der Schulden investiert wird. Dass nebenbei  die gesamte Infrastruktur verlottert und die Konjunktur  an der Deflation entlang schrammt, wenn kümmert es, Hauptsache die Schuldenbremse steht.

  3. The Modest Proposal for Resolving the Euro Crisis explained
    An interview with Roger Strassburg and Jens Berger from the NachDenkSeiten
    Roger Strassburg and Jens Berger of the  NachDenkSeiten interviewed me on the Modest Proposal to Resolve the Euro Crisis and the Eurozone Conference that James K. Galbraith and I organised in Austin in November 2013. Here is Part A of the interview (Part B, which is centred upon Greece, will be posted tomorrow).
    Quelle: Yanis Varoufakis

    Anmerkung RS: Dieses Interview wird demnächst auf der NachDenkSeiten in deutscher Sprache veröffentlicht.

  4. Bravo, Monsieur le Président – Als Sozialist gesprungen und als Angebotstheoretiker gelandet
    Was wir schon vorgestern angedeutet hatten, hat sich gestern bewahrheitet. François Hollande hat eine wirtschaftspolitische Wende hingelegt, die es in sich hat. In seiner Jahrespressekonferenz hat er de facto Abschied genommen von den Ideen der ersten achtzehn Monate im Amt und hat sich dazu bekannt, dass die Unternehmen entlastet werden müssen und die französische Wettbewerbsfähigkeit erhöht werden muss. Darüber hinaus will er die Lohnnebenkosten senken, die Staatsausgaben drastisch zurückfahren und die Wirtschaft entbürokratisieren. Déja vue?
    Quelle: flassbeck-economics
  5. Britischer Finanzminister setzt EU unter Druck
    Großbritanniens Finanzminister George Osborne hat die Europäische Union eindringlich dazu aufgerufen, das Reformtempo zu steigern. So müssten etwa die Ausgaben für Sozialleistungen in ganz Europa sinken, um die Wettbewerbsfähigkeit der Union gegenüber aufstrebenden Volkswirtschaften wie China und Indien zu erhöhen…
    Europa stehe für sieben Prozent der Weltbevölkerung, 25 Prozent der weltweiten Wirtschaftsleistung und 50 Prozent der weltweiten Sozialleistungen. „So kann es nicht weitergehen“, sagte Osborne.
    Quelle: Handelsblatt

    Anmerkung WL: Es ist ganz typisch für die neoliberalen Ideologen: Wettbewerbsfähigkeit ist für sie gleichbedeutend mit Sozialabbau. Fast wortwörtlich finden wir das Osborne-Beispiel in der Regierungserklärung von Kanzlerin Merkel bei der Abstimmung zum Fiskalpakt. Es ist das bornierte Denken als hänge der wachsende Wohlstand einer Gesellschaft etwas mit dem jeweiligen Anteil der Volkswirtschaft an der weltweiten Wirtschaftsleistung zu tun. Jens Berger schrieb zurecht: „Für die Menschen ist es ziemlich egal, welchen Anteil das „Tortenstück“ der heimischen Volkswirtschaft am großen „Weltwirtschaftskuchen“ hat. Entscheidend ist, wie groß es ist und wie es sich auf die „Mitesser“ verteilt. Wahrscheinlich wird das europäische Tortenstück auch in Zukunft einen immer kleineren Anteil an der gesamten „Weltwirtschaftstorte“ haben. Dies ist aber kein Problem, wenn die „Torte“ als Ganzes immer größer wird, ihr Radius also von Jahr zu Jahr zunimmt. 1950 hatte Westeuropa einen Anteil von 26,3% an der Weltwirtschaft, bis 1998 sank dieser Anteil auf 20,6%[**]. Natürlich käme noch nicht einmal ein Narr auf die Idee, aus diesen Zahlen zu schließen, dass es uns Europäern 1950 besser ging als 1998. Das Gradmaß des Kreissektors, das das europäische „Tortenstück“ darstellt, ist zweifelsohne kleiner geworden. Da der Radius der „Torte“ aber ungleich größer geworden ist, ist das „Tortenstück“ als Ganzes nicht kleiner, sondern viel größer geworden. Wenn viele Europäer – und hier vor allem vielen Deutsche – in den letzten zwei Jahrzehnten auch absolut weniger von der „Torte“ abgekommen haben, so hat dies überhaupt nichts mit dem Wirtschaftswachstum strukturschwacher Regionen, sondern einzig und allein etwas mit der Verteilungsgerechtigkeit bei unserem „Tortenstück“ zu tun. Hier hat sich seit dem Siegeszug des Neoliberalismus die Tendenz breitgemacht, dass die Reichen immer mehr, die Armen immer weniger vom „Tortenstück“ bekommen. Dies ist jedoch ein hausgemachtes und sehr nationales Problem.“
    Nach „Globalisierung“ und „Demografie“ ist nun die „Wettbewerbsfähigkeit“ zum Kampfbegriff zur Durchsetzung von Sozialabbau geworden.

    Dazu passt: In 12 von 28 EU-Ländern drohen 2013 Reallohnverluste
    Den Löhnen in Europa droht nach wie vor eine Abwärtsspirale: In 20 von 28 EU-Staaten mussten die Beschäftigten 2012 Reallohnverluste hinnehmen, im Durchschnitt der Gemeinschaft gingen die Löhne preisbereinigt um 0,7 Prozent zurück. Das geht aus dem neuen Europäischen Tarifbericht des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts in der Hans-Böckler-Stiftung (WSI) hervor. Für das laufende Jahr erwartet die Europäische Kommission, deren Statistiken WSI-Tarifexperte Dr. Thorsten Schulten ausgewertet hat, erneute Reallohnverluste in 12 Ländern. Und das, obwohl die Inflation deutlich gesunken ist. Im EU-Mittel ergibt sich lediglich ein winziges Plus von 0,2 Prozent (siehe Grafik 1 im Böckler Impuls; Link unten). Besonders drastisch ist die Entwicklung in einigen Ländern Südeuropas: Für Griechenland wird in diesem Jahr ein Rückgang des Reallohnniveaus um 6,2 Prozent prognostiziert, Zyperns Löhne werden 2013 preisbereinigt um 8,5 Prozent sinken. Aber auch in den Niederlanden, Großbritannien oder Irland drohen den Beschäftigten wieder reale Lohnverluste, zum Teil im vierten Jahr hintereinander.
    Quelle: WSI

  6. Arbeitslosigkeit: Die Folgen für die Gesundheit
    Unbestritten ist: Arbeitslosigkeit und Krankheit stehen in Zusammenhang. Psychische Erkrankungen treten bei Arbeitslosen deutlich häufiger auf als bei Erwerbstätigen. Auch prekäre Beschäftigung beeinträchtigt die Gesundheit. Dennoch fehlt es bisher an umfassender Gesundheitsvorsorge für Menschen ohne Arbeit…
    Ein Drittel der erwerbsfähigen Hartz-IV-Beziehenden leidet an gesundheitlichen Einschränkungen. Dabei spielen psychische Beeinträchtigungen eine besondere Rolle. Nach Daten der Betriebskrankenkassen (BKK) sind die Arbeitsunfähigkeitstage bei Arbeitslosen wegen psychischer Störungen etwa viermal so hoch wie bei Erwerbstätigen…
    Mehr als ein Drittel der erwerbsfähigen Hartz-IV-Empfangenden – das sind etwa 1,5 Millionen Menschen – haben im Laufe eines Jahres eine diagnostizierte psychische Störung…
    Nicht nur Arbeitslosigkeit, sondern auch prekäre Beschäftigung beeinträchtigt die Gesundheit nachweislich. Auffällig ist, dass bei Männern die seelischen Beeinträchtigungen in prekären Beschäftigungsverhältnissen im Vergleich zur kurzzeitigen Arbeitslosigkeit sogar überwiegen.
    Quelle: DGB

    Anmerkung: Siehe dazu „Gute und sichere Arbeitsplätze sind die beste Prävention“

  7. Nahrungsmittelspekulation: Neue EU-Regeln mit großen Schwächen – Statt europäischer Lösung droht nationaler Wettlauf nach unten
    Die in der vergangenen Nacht zwischen Europäischem Parlament, EU-Kommission und Rat vereinbarten neuen Vorschriften für die Finanzmärkte (MiFID II) sind ein kleiner Schritt nach vorn, der aber bei Weitem nicht ausreicht. Erstmals werden in Europa Positionslimits eingeführt, um die Spekulation mit Nahrungsmitteln zu begrenzen. (Positionslimits begrenzen die Menge bestimmter Finanzmarktprodukte,
    die ein einzelner Investor halten darf.)
    “Allerdings liefert die Novelle die Möglichkeit zur ihrer Umgehung gleich mit”, stellt Karsten Peters vom bundesweiten Attac-Koordinierungskreis fest. “Die EU-Mitgliedsländer haben der Forderung des Europäischen Parlaments nicht nachgegeben, dass die Positionslimits von der Europäischen Finanzmarktaufsicht ESMA gesetzt werden. Die Gefahr eines innereuropäischen Unterbietungswettbewerbs, bei dem das Land mit den schwächsten Regeln die Richtung vorgibt, ist groß.”
    Quelle: attac

    Anmerkung WL: Anders allerdings die Bewertung von Sven Giegold: „Im Bereich der Spekulation mit Rohstoffen und den Auswirkungen auf Lebensmittelpreise konnten wir einen großen Erfolg erzielen. Die Regelung zu Positionslimits, auf die sich die Verhandlungspartner geeinigt haben, ist stärker als jeder der ursprünglichen Texte von Parlament, Rat und Kommission. Einen weiteren großen Fortschritt konnten wir im Bereich des Hochfrequenzhandels erreichen. In der Vergangenheit haben Fälle wie der “Flash-Crash” oder der Fall “Knight-Capital” gezeigt, dass es große Risiken birgt, den Handel mit Wertpapieren in irrsinnig hoher Frequenz ohne Interventionsmöglichkeit an Computeralgorithmen zu delegieren.“

    Dazu: EU vereinbart schärfere Finanzmarkt-Regeln
    Die EU einigt sich auf neue Regeln für Europas Kapitalmärkte. Vor allem das Geschäft mit Rohstoffen soll transparenter werden – nach SPIEGEL-ONLINE-Informationen sind aber teils lange Übergangsfristen vorgesehen. Zuletzt hatte sich die britische Regierung noch gegen einige Details gestemmt.
    Quelle: Spiegel Online

  8. Norbert Blüm: „Die Rente ist den Finanzhaien ausgeliefert worden“
    Unser Rentensystem ist in den vergangenen Jahren systematisch ramponiert worden. Je mehr es dem Kapitalmarkt ausgeliefert wird, desto größer sind die Risiken für die Menschen. Ich verteidige nach wie vor das alte, umlagefinanzierte Rentensystem. Es ist das sicherste, was wir bieten können…
    Der zentrale Fehler war, dass mein Nachfolger Walter Riester eine private kapitalgedeckte Rente eingeführt hat. Und zwar nicht als Ergänzung des bestehenden solidarischen Rentensystems, sondern als Ersatz für den Teil, der der gesetzlichen Rente weggenommen wurde. Die Riester-Rente hat das Rentenniveau abgesenkt…
    Ich habe Belege dafür, dass die „Bild“-Zeitung und der Allianz-Konzern während der damaligen Rentendebatte eine Kooperationsgemeinschaft bildeten. Das Versicherungsunternehmen startete eine Anzeigenkampagne, mit der für die private Rentenversicherung geworben wurde. Sie ist von „Bild“ redaktionell begleitet und unterstützt worden. Eigentlich wäre das ein Fall für den Presserat gewesen. Daneben polemisierte die von den Metallarbeitgebern finanzierte Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft in übelster Form gegen meine Person und die staatliche Rentenversicherungen…
    Wer sein Hemd am ersten Knopf falsch zuknöpft, kann den Fehler nicht mehr am sechsten Knopf korrigieren. Die Rentenpläne der Koalition sind völlig konfus, reine Reparaturmaßnahmen. Damit sind die Probleme nicht zu lösen. Die Koalition muss endlich Farbe bekennen und darf sich nicht weiter um eine Antwort auf die zentrale Frage herummogeln. Sie lautet: Wie hoch soll künftig das allgemeine Rentenniveau sein?
    Quelle: Aachner Nachrichten
  9. Gerhard Bosch/Thomas Heipeter: Zukunft der Facharbeit
    Facharbeit ist nach wie vor das qualifikatorische Rückgrat der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industriebetriebe. Nicht von ungefähr richten deutsche Unternehmen bei der Gründung von Auslandsstandorten häufig in einem ersten Schritt Ausbildungsbetriebe ein, die den neu rekrutierten Beschäftigten fachliche Qualifikationen nach deutschen Ausbildungsstandards vermitteln sollen…
    Die Zukunft der Facharbeit ist kein Selbstläufer. Vielmehr steht die berufliche Facharbeit
    trotz der aufgezeigten großen Reformleistungen vor fundamentalen Herausforderungen. Ihre Zukunft wird deshalb entscheidend davon abhängen, welche Interessen und Strategien die für das Qualifikationssystem relevanten Akteure – Sozialpartner, Unternehmen, Staat, aber auch Jugendliche und deren Familien mit ihren Bildungs- und Ausbildungsentscheidungen ‒ verfolgen. Drei Herausforderungen, die in den Beiträgen dieses Heftes vertieft werden, sind evident.
    Die Erste ist die bröckelnde Stärke der Sozialpartner. Für sie wird es immer schwieriger, die kontinuierliche Reform von Ausbildungsordnungen zu gestalten. Und sie können zunehmend seltener tarifliche Löhne und Arbeitsstandards garantieren, die auch ein faires Entgelt für fachlich gute Arbeit versprechen.
    Zweitens werden von der Politik höhere Akademikerquoten angestrebt. Leitbilder dafür sind Länder, denen es an einer Tradition der beruflichen Facharbeit fehlt und die die fachliche Qualifizierung ganz in die tertiäre Ausbildung verlagert haben. Durch die Bologna-Reformen an den Universitäten und die Einführung des Bachelor ist der dualen Berufsausbildung zudem eine neue Konkurrenz erwachsen. Jugendliche entscheiden sich vermehrt für ein Studium. Der beruflichen Ausbildung droht deshalb ein Rekrutierungsproblem. Duale Studiengänge, in denen berufliche und akademische Bildung kombiniert werden, sind eine Antwort der Unternehmen, Facharbeit trotz dieses Wandels der Bildungspräferenzen zu
    erhalten.
    Die dritte Herausforderung schließlich ist die Entstehung eines europäischen Arbeitsmarktes und die Vergleichbarkeit der nationalen Qualifikationsstandards durch einen Europäischen Qualifikationsrahmen.
    Quelle: WSI Mitteilungen 1/2014 [PDF – 68.6 KB]

    Hinweis: Aktuelle Ausgabe der WSI- Mitteilungen
    Ausgabe: Schwerpunktheft “Zukunft der Facharbeit”

    • Gerhard Bosch, Facharbeit, Berufe und berufliche Arbeitsmärkte
    • Reinhard Bahnmüller, (Neu)Bewertung und Eingruppierung von Facharbeit in der chemischen Industrie und in der Metall- und Elektroindustrie Baden-Württembergs
    • Tabea Bromberg, Thomas Haipeter, Angelika Kümmerling, Die Erneuerung beruflicher Lern- und Karrierewege am Beispiel der Industriekaufleute
    • Rainer Brötz, Franz Kaiser, Innenansichten und Perspektiven der kaufmännischen Berufsfamilie
    • Josef Hilbert, Christoph Bräutigam, Michaela Evans, Berufsbildung im Gesundheitswesen: Ein Sonderweg mit Fragezeichen
    • Sirikit Krone, Ulrich Mill, Das ausbildungsintegrierende duale Studium
    • Linda Clarke, Christopher Winch, Michaela Brockmann, Der Widerspruch zwischen nationalen Berufsbildungssystemen und dem europäischen Arbeitsmarkt: der Fall der Maurerqualifikationen
    • Hermann Nehls, Europäischer und Deutscher Qualifikationsrahmen
  10. “Fachkräftemangel” – gibt es den überhaupt?
    Er ist in aller Munde und allein durch die Anzahl der Wiederholungen des Begriffs glauben viele an seinen Wahrheitsgehalt. Manchmal noch mit direktem Artikel versehen, wird „der Fachkräftemangel“ zu unhinterfragten Realität. Dabei wäre es dringend geboten, seinen Realitätsgehalt und somit seine Existenz zu hinterfragen.
    Quelle: Migazin

    Passend dazu: Armutszeugnis. Von Wanderarbeitern und Stammtischhysterie
    Mit dem polemischen Slogan “Wer betrügt, der fliegt” und einem Papier zum Thema Zuwanderung hat die CSU eine erbittert geführte Debatte über Armutsmigration und den angeblichen Missbrauch von Sozialleistungen losgetreten.
    Quelle: 3sat

  11. Garstig ins neue Jahr: Großbritannien streicht Sozialleistungen für EU-Bürger
    Von der prophezeiten Invasion war wenig zu bemerken. Am 1. Januar wurden die bisher geltenden Restriktionen der Freizügigkeit für Rumänen und Bulgaren aufgehoben, die seit dem EU-Beitritt ihrer Länder im Jahr 2007 ohne Visum innerhalb der EU reisen konnten. Rechtspopulisten wie Nigel Farage dürfte das nicht beeindrucken. Für den Vorsitzenden der antieuropäischen United Kingdom Independence Party (UKIP) bedeutet der Wegfall der Einschränkungen, dass Großbritannien von einer Flut bulgarischer und rumänischer Einwanderer überlaufen werden wird, die den Briten entweder ihre Arbeitsplätze wegnehmen oder dem Staat zur Last fallen, indem sie Wohn- und Arbeitslosengeld beziehen.
    Auch die Tories bekunden ihre Sorge über die Auswirkung, die Einwanderung aus Osteuropa auf die britischen Sozialsysteme haben könnte. In letzter Minute vor Ablauf der Restriktionen und auf Druck seiner Partei kündigte der konservative Premierminister David Cameron neue Regelungen bei den Sozialleistungen für Migrantinnen und Migranten aus der Europäischen Union an. Nach den neuen Regeln haben sie keinen Anspruch auf Wohngeld und müssen drei Monate in Großbritannien ansässig sein, bevor sie Arbeitslosengeld beantragen können. Der bisher leicht zu bestehende und über die Vergabe von Sozialleistungen entscheidende Habitual Residency Test soll erschwert werden und die Bedingung einschließen, dass Neuankömmlinge die englische Sprache beherrschen. Das Arbeitslosengeld kann dann nur für sechs Monate bezogen werden, wenn nicht überzeugend dargelegt wird, dass die Aussicht auf ein Arbeitsverhältnis besteht. Das Gehalt von arbeitenden Migrantinnen und Migranten muss eine Mindestgrenze überschreiten, wenn diese Zuschusszahlungen zur Sicherung des Lebensunterhalts beantragen wollen. Obdachlose EU-Bürger sollen abgeschoben werden und zwölf Monate lang nicht wieder einreisen können. Ziel dieser Maßnahmen ist es Cameron zufolge, »Wohlfahrtstourismus« zu vermeiden.
    Quelle: Jungle World

    Anmerkung Orlando Pascheit: Kommt uns sehr vertraut vor, nur dass wir dazu keinen Druck von rechtsextremen Parteien benötigen. Oder?

  12. Mitteleinsatzes für die Eingliederung Arbeitsuchender
    Vor etwa 10 Jahren, am 13. Februar 2004, wurde vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) in einem Papier „Zur Festlegung der Höhe der Eingliederungsleistungen für Bezieher von Leistungen nach dem SGB II und der hierfür notwendigen Personal- und Verwaltungsaufwendungen für das Jahr 2005“ folgender „Gesamtaufwand“ für „Eingliederungsleistungen“ und „Personal und Verwaltung“ genannt: für „A Eingliederungsleistungen“ „1.971 € pro erwerbsfähigem Erwachsenen“ und für „B Personal und Verwaltung“ „1.007 € pro erwerbsfähigem Erwachsenen“.
    Zehn Jahre später:
    Im schwarz-gelben Entwurf des Bundeshaushalts 2014 stehen gegenwärtig für „Eingliederungsleistungen nach dem SGB II“ etwa 767 Euro pro erwerbsfähigen Leistungsberechtigten zur Verfügung.
    Unter Einbeziehung
    der nicht im SGB II geregelten Bundesprogramme „Beschäftigungspakte für Ältere“, „Bürgerarbeit“ und das (geplante) ESF-„Bundesprogramm zur Reduzierung der Langzeitarbeitslosigkeit“ etwa 882 Euro (Bundesmittel).
    Für „Verwaltungskosten für die Durchführung der Grundsicherung für Arbeitsuchende“ (so die Zweckbestimmung im Bundeshaushalt: 1101/636 13) stehen (vor Umschichtungen zwischen den Eingliederungs- und Verwaltungskostenbudgets der Jobcenter) einschließlich des kommunalen Finanzierungsanteils an den Gesamtverwaltungskosten der Jobcenter (KFA: 15,2 Prozent) etwa 1.070 Euro pro erwerbsfähigen Leistungsberechtigten zur Verfügung.
    Aus 1.971 Euro für „Eingliederungsleistungen“ und 1.007 Euro für „Personal und Verwaltung“ (BMAS 2004) pro „erwerbsfähigem Erwachsenen“ wurden im zehnten „Hartz IV-Jahr“ einschließlich der nicht im SGB II geregelten Bundesprogramme 882 Euro für „Eingliederungsleistungen“ und 1.070 Euro für „Verwaltungskosten“ pro „erwerbsfähigen Leistungsberechtigten“.
    Quelle: Bremer Institut für Arbeitsmarktforschung und Jugendberufshilfe (BIAJ) [PDF – 269 KB]
  13. NSA Software in 100.000 Computer eingespeist
    Die NSA hat einem Medienbericht zufolge in knapp 100.000 Computern weltweit ihre Software eingespeist. Damit sei es dem US-Geheimdienst einerseits möglich, die Geräte und private Netzwerke heimlich zu überwachen, berichtete die „New York Times“ (online) in der Nacht auf Mittwoch. Zudem könne die NSA dies aber auch für Cyberattacken nutzen. Der Dienst selbst beschrieb das Programm mit dem Codenamen „Quantum“ dem Bericht zufolge als „aktive Verteidigung“ und nicht als Angriffsinstrument.
    Die NSA setze auch verstärkt eine Technologie ein, die ihr Zugriff auf Computer erlaube, auch wenn diese gar nicht mit dem Internet verbunden sind. Dabei würden Radiowellen dazu genutzt, die Daten über heimlich in die Computer eingesetzte Bauteile zu übermitteln.
    Quelle: Berliner Zeitung
  14. Logistik: Countdown zum Kunden
    Der Onlinehandel lässt die Paket- und Logistikbranche boomen. Anbieter wie die Deutsche Post AG und ihre Tochter DHL Express sowie eine Reihe von Wettbewerbern wie DPD, UPS, GLS oder Hermes profitieren vom Boom. Doch der Erfolg bereitet den Dienstleistern auch Kopfzerbrechen. Um die Besonderheiten der Privatkundschaft in den Griff zu bekommen, experimentieren die Anbieter mit der Zustellung am Abend oder am Wochenende. So hat die Deutsche Post begonnen, in einigen Großstädten Standardpakete auf Wunsch zwischen 18 und 22 Uhr abends abzuliefern. Für diese späten Touren werden zusätzliche Arbeitskräfte engagiert. Um größere Paketmengen zu bewältigen, investiert das Unternehmen erheblich in seine IT-Infrastruktur. Fast alle Anbieter experimentieren mit Systemen, die dem “Follow my parcel”-System von DPD ähneln. Um die Vorhersagegüte zu erhöhen, wandert mehr Logistik-Intelligenz vom Paketboten in das System. Bisher konnten die Fahrer ihre Touren weitgehend selbst planen. Damit wäre es dann vorbei. Dem Zusteller dürfte es einerseits recht sein, nicht umsonst beim Kunden vorzufahren. Aber nicht nur die Kunden schauen dem Paketboten dann dank des elektronischen Bewegungsmelders bei der Arbeit zu, sondern auch der Arbeitgeber. Schon jetzt erhalten Zusteller, deren Fahrzeuge mit GPS ausgestattet sind, bei Abweichungen vom Plan mitunter einen Anruf aus der Zentrale.
    Nicht nur, dass die Fahrer immer enger an das IT-System ihrer Unternehmen angebunden sind. Auch der Status des Arbeitnehmers verschwindet – zugunsten von Freiberuflern oder Subunternehmern. Das Outsourcing erschwert die Interessenvertretung der Beschäftigten. Seit etlichen Monaten, verstärkt durch den Undercovereinsatz von Günter Wallraff bei GLS, machen die Arbeitsbedingungen der Paketzusteller durch Negativschlagzeilen von sich reden. Die Kritik: Subunternehmer, die 1400 Euro brutto oder weniger zahlen, ausufernde Arbeitstage sowie eine willkürliche Behandlung durch die Arbeitgeber. Eine Organisation über Sub- und Subsubunternehmerstrukturen bedeutet, dass für die Beschäftigten kein auskömmlicher Lohn mehr übrig bleibt”, erklärte ver.di-Vize Andrea Kocsis. Auch der technische Wandel erreicht das schwächste Glied der Kette, die Beschäftigten, ungefiltert. Sollten Serviceangebote wie “Follow my parcel” Schule machen, könnte auch der Berliner Paketbote Novak bald als “Jaroslaw” oder “Herr Novak” auf dem Smartphone der Kunden erscheinen.
    Quelle: Magazin Mitbestimmung
  15. Ich fürchte, dass unbezahlte Bürgerarbeit eingeführt wird
    Spots im TV, »Krisenkommunikation« bei Facebook: Werbung der Bundesagentur für Arbeit (BA). Ein Gespräch mit Inge Hannemann: “… Durch die fortschreitende Automatisierung werden Vollzeitarbeitsplätze logischerweise nicht mehr, sondern eher weniger. Also kann es nur funktionieren, wenn noch mehr Menschen in »Maßnahmen« oder Ein-Euro-Jobs gedrückt werden. Ich fürchte, daß unbezahlte Bürgerarbeit eingeführt wird, daß also Erwerbslose gezwungen werden, für Hartz IV zu arbeiten – das sogenannte Workfare-Prinzip. Eventuell schicken sie auch mehr Schülern aus Bedarfsgemeinschaften Arbeitsangebote, etwa Zeitungaustragen. Das wäre nur okay, solange es freiwillig bleibt. … das passiert schon jetzt. Wir in Hamburg wurden immer wieder aufgefordert, über 15jährigen Schülern Nebenjobs anzubieten, damit sie ihre Eltern unterstützen. Zudem vermute ich, daß die Bundeswehr größeren Spielraum zum Werben bekommt. Noch können Jugendliche nicht zwangsrekrutiert werden. Aber Einladungen zu Berufsmessen, wo das Militär wirbt, dürfen sie nicht ablehnen.”
    Quelle: junge Welt

    Anmerkung Orlando Pascheit:
    Ich habe zu Hause ein blaues Klavier
     Und kenne doch keine Note.
    Es steht im Dunkel der Kellertür,
     Seitdem die Welt verrohte.
    Es spielten Sternenhände vier
     − Die Mondfrau sang im Boote −
     Nun tanzen die Ratten im Geklirr.
    Zerbrochen ist die Klaviatür…
     Ich beweine die blaue Tote.

    (Else Lasker-Schüler)

  16. Sascha Lobo: Die digitale Kränkung des Menschen
    Das Internet ist nicht das, wofür ich es so lange gehalten habe. Ich glaubte, es sei das perfekte Medium der Demokratie und der Selbstbefreiung. Der Spähskandal und der Kontrollwahn der Konzerne haben alles geändert…
    Die fast vollständige Durchdringung der digitalen Sphäre durch Spähapparate aber hat den famosen Jahrtausendmarkt der Möglichkeiten in ein Spielfeld von Gnaden der NSA verwandelt. Denn die Überwachung ist nur Mittel zum Zweck der Kontrolle, der Machtausübung. Die vierte, digitale Kränkung der Menschheit: Was so viele für ein Instrument der Freiheit hielten, wird aufs Effektivste für das exakte Gegenteil benutzt.
    Quelle: FAS
  17. Evgeny Morozov antwortet Lobo: Wir brauchen einen neuen Glauben an die Politik!
    Es ist schade, dass Sascha nicht sagt, was gesagt werden muss: Die einzige Möglichkeit, alternative Formen der Nutzung von E-Books oder Suchmaschinen oder sozialen Netzwerken zu schaffen, die nicht allzu sehr auf die scheinbar kostenlosen, von Silicon Valley angebotenen Dienstleistungen angewiesen wären, ist die Entwicklung einer neuen Wirtschaftspolitik, die Milliarden in eine öffentliche Informationsinfrastruktur investierte. Nicht digitalen Optimismus sollten wir kultivieren, sondern Optimismus im Blick auf öffentliche Institutionen und einen neuen Glauben an die Politik. Das ist in Zeiten der Sparpolitik sicher keine sonderlich populäre Botschaft…
    Aus der Sicht der Wirtschaftspolitik ist das „Internet“ lediglich eine Erweiterung jenes Geredes vom freien Markt, das wir aus den Slogans der amerikanischen und britischen Neoliberalen wie dem von der angeblichen „Alternativlosigkeit“ kennen. Natürlich gibt es Alternativen, aber wir sehen sie deshalb nicht, weil „das Internet“ ganz wie „der Markt“ als autonome Entität mit eigenen Gesetzen und Regelmäßigkeiten dargestellt wird, die wir weder vorauszusagen noch vorauszusehen vermöchten, so dass wir uns ihnen nur anpassen könnten…
    Statt in einer Debatte Partei zu ergreifen, die das „Internet“ als fixes, kohärentes Medium begreift, wäre es besser, sehr viel weiter zu gehen und das „Internet“ als eine Ideologie zu begreifen, die die Debatten über Wirtschaftspolitik zu entpolitisieren versucht.
    Quelle: FAZ.net
  18. Neuer Filz bei Stuttgart 21?
    Nach Kostenexplosionen und Fehlplanungen droht bei Stuttgart 21 ein weiterer Skandal, diesmal in Sachen Politikfilz: Die verkehrspolitische Sprecherin der CDU-Landtagsfraktion, Nicole Razavi, berät den holländischen Grontmij-Konzern. Dessen deutsche Gesellschaft ist größerer Auftragnehmer beim umstrittenen Bahnprojekt. Für zusätzliche Verwunderung sorgt, dass Grontmij die Kosten für das Prestigeprojekt bereits im März 2010 auf über sechs Milliarden Euro taxierte, Politik und Bahn damals aber noch mit 4,088 Milliarden Euro rechneten.
    Quelle: Kontext: Wochenzeitung

    Hinweis: Weitere interessante Artikel in der aktuellen Ausgabe der Kontext:Wochenzeitung u.a.

    • Showdown in Zürich: Das bevorstehende Schiedsverfahren bei der Internationalen Handelskammer über den Preis der ehemaligen EnBW-Aktien könnte in Baden-Württemberg ein kleines Beben auslösen. Gewinnt die grüne-rote Landesregierung, muss sich Heinz Seiffert (CDU), der Chef der oberschwäbischen Landräte, die knapp die Hälfte der EnBW-Anteile besitzen, warm anziehen.
    • Wer liebt hier eigentlich wen? Die Kanzlerin ließ über ihren Pressesprecher vermelden: “Wir leben im Großen und Ganzen im Respekt voreinander, unabhängig davon, ob der Mitmensch Männer  oder Frauen liebt.” Unsere Gastautorin Heike Schiller hat sich dieses „Große und Ganze” mal angeschaut. 
    • „Schwule können nicht Fußball spielen“: Wenn sich Intoleranz kreuzt mit Halbwissen, wenn Borniertheit auf gedankliche Konfusion trifft – dann kommt ein unappetitliches Gebräu zustande. Das zeigt die Debatte um Homo- und Transsexualität im Schulunterricht im Land.
    • Die Freiheit gönn‘ ich mir: Der Veggieday lastet schwer auf der grünen Seele. Man fühlt sich als Verbotspartei verrufen. Deshalb wird derzeit lieber über Freiheit als über Ökologie debattiert.
    • Eisenbahnwägele ade: Am Inneren Nordbahnhof, einem ehemaligen Bahngelände im Stuttgarter Talkessel, ist eine einzigartige Künstlerkolonie entstanden. Doch der Raum um die Wagenhallen wird enger.
    • Wo wählen sie denn? Heute, beteuern alle Politiker, sollen die Bürger mehr mitmischen können. Doch was macht der Protagonist? Er bleibt der Wahlurne fern, wie bei der jüngsten OB-Wahl in Waiblingen. Über die Gründe darf spekuliert werden.
    • Wer betrügt, fliegt: Die Sozialbetrüger hocken mitten unter uns, wettert Peter Grohmann, da  müssen wir gar nicht auf die bulgarischen Rumänen zu zeigen.
    • Schöne, geklonte Wohnwelten: Exklusiv sind allenfalls die Quadratmeterpreise im Stuttgarter Europaviertel, eher eintönig hingegen die Gestaltung. Impressionen von Fotograf Thomas Hörner, begleitet von der Stadtforscherin Yvonne P. Doderer und Kontext-Mitarbeiter Max Fastus.

    Kontext:Wochenzeitung morgen im Kiosk und am Samstag als Beilage zur taz.

  19. Studie der Otto Brenner Stiftung: Verdeckte PR in Wikipedia
    Die Otto Brenner Stiftung hat eine interessante Studie über verdeckte PR in der Wikipedia veröffentlicht. In der Studie geht es zum einen um allgemeine Möglichkeiten zur Beeinflussung und Manipulation der Öffentlichkeit durch Wikipedia. Zum anderen werden große Unternehmen wie RWE oder Daimler als Fallbeispiele für PR-Maßnahmen in Wikipedia herangezogen. Außerdem werden einzelne Autoren beleuchtet, die dadurch aufgefallen sind, dass sie kritische Betrachtungen von Einzelpersonen oder Unternehmen überarbeitet haben. Die Studie sensibilisiert damit für das Problem der verdecken Einflussnahme, die als solche nur schwer zu identifizieren ist.
    Quelle 1: Lobby Control
    Quelle 2: Otto Brenner Stiftung
  20. Bildungspolitik in der Sackgasse
    In Nordrhein-Westfalen ist ein heftiger Streit um das geplante Hochschulzukunftsgesetz entbrannt. Die Hochschulräte sehen den “Schulterschluss mit Industrie und Wirtschaft” gefährdet…
    Die Argumentation ähnelt in Wortwahl und Impetus den Lamenti der Arbeitgeber über die Einführung des gesetzlichen Mindestlohns: Auch die Hochschulen verlieren in der Projektion wettbewerbsentscheidende Arbeitskräfte und Auftraggeber und damit die Aussicht auf Profil und Profit…
    Warum die Hochschulräte sich so wortreich um die unternehmerische Hochschule sorgen, liegt auf der Hand. Hier sitzen Führungskräfte der Bayer AG, der SIGNAL Versicherungen, der Miele & Cie. KG, der KIRCHHOFF Gruppe, des Verbandes der forschenden Pharmaunternehmen, der Hüttenwerke Krupp Mannesmann GmbH oder der T-Systems International GmbH.
    Quelle: Telepolis

    Anmerkung WL: Siehe dazu „Pawlowsche Reflexe aufgrund ideologischer Konditionierung – Zu den Kritiken am Referentenentwurf für ein „Hochschulzukunftsgesetz“ NRW

  21. Zuckerhaltige Getränke: Bewertung mit zweierlei Maß
    Studien zum Zusammenhang zwischen Softdrinks und Übergewicht kommen zu widersprüchlichen Ergebnissen. Wie Cola und Limonaden abschneiden, hat offenbar vor allem damit zu tun, ob die Forscher im Auftrag von Getränkefirmen arbeiten….
    In der vergangenen Woche wurde im Fachjournal „Plos Medicine“ eine Modellrechnung der Universität Stanford veröffentlicht, derzufolge eine Softdrink-Steuer von 20 Prozent in den nächsten 20 Jahren in Indien über elf Millionen Fälle von Übergewicht und Adipositas verhindern und 400 000 Diabetes-II-Erkrankungen verhindern könnte…
    Nun hat ein spanisch-deutsches Forscherteam sich die Mühe gemacht und die „PubMed“-, die „Cochrane“- und die „Scopus“-Literaturdatenbank nach systematischen Übersichtsarbeiten zum Zusammenhang zwischen dem Konsum zuckerhaltiger Getränke und Übergewicht durchforstet. Auf den ersten Blick ist das Kriterium, nach dem die Gruppe um Maira Bes-Rastrollo von der Universität Navarra und Matthias Schulze vom Deutschen Institut für Ernährungsforschung in Potsdam-Rehbrücke (Dife) die 17 Arbeiten anschließend sortierte, etwas ungewöhnlich: Die Forscher schauten nämlich, ob die Verfasser der Übersichtsarbeiten finanzielle Interessenkonflikte durch Zusammenarbeit mit der Getränkeindustrie angaben.
    Das Kriterium erwies sich als ausgesprochen ergiebig, das Ergebnis wirkt fast plakativ. 83 Prozent der Manuskripte, in denen kein solcher Interessenkonflikt angegeben war, kamen zu dem Schluss, dass ein Zusammenhang zwischen hohem Konsum von zuckerhaltigen Getränken und Übergewicht besteht. Von den sechs Arbeiten, in denen ein Interessenkonflikt benannt war, kamen fünf – also wiederum 83 Prozent – zu dem entgegengesetzten Ergebnis: Es gibt keinen Zusammenhang.
    Quelle: Tagesspiegel

    Anmerkung W.H.: Zum Thema Hochschulgesetzgebung in NRW passend bringt der Tagesspiegel heute ein hübsches Beispiel für geldgesteuerte Wahrheitsfindung in der Forschung. Siehe dazu hier.

  22. Friedhelm Hengsbach: Risse im deutschen Bildungssystem
    Die international vergleichenden Pisa- und Piaac- Studien zur Leistungsfähigkeit der Bildungsabsolventen erzeugen in der politischen Öffentlichkeit immer wieder neue eruptive Erregungszustände, ohne die strukturellen Risse der deutschen Bildungslandschaft zu benennen und ursachenangemessene und zielgerichtete Reformen anzustoßen.
    Im Folgenden will ich drei Risse des deutschen Bildungssystems identifizieren: Die private und öffentliche Regie der Bildungswelten liegen im Widerstreit. Die Bildungsinteressen bürgerlicher Milieus und die Bildungschancen breiter Bevölkerungsschichten weichen voneinander ab. Die Rangfolge des theoretischen Wissens und des Erfahrungswissens wird kontrovers eingestuft. Mit dem Leitbild „erweiterter Beruflichkeit“, wie es der wissenschaftliche Beraterkreis von IG Metall und verdi begründet, soll ein normativer Orientierungswechsel skizziert werden, der diese Risse entschärft.
    Quelle: Denk-doch-Mal.de

    Dazu auch: Bildung ist Voraussetzung einer gerechten Gesellschaft
    Den Weg von Wilhelm Weitling (1808-1871) zeichnet Prof. Dr. Peter Faulstich in seinem historischen Beitrag nach. Für ihn personifiziert Weitling den Moment, in dem die entstehende Arbeiterbewegung zugleich die Bildungsfrage artikuliert. Er ist Agitator und Organisator beginnender Emanzipationsbestrebungen ebenso wie proletarischer Bildungsarbeit. So wie von Anfang an die selbständige deutsche Arbeiterbewegung untrennbar mit Weitling verbunden ist, ist die Geschichte ihrer politischen Organisation nicht zu trennen von den Bildungsvereinen der Handwerker und Arbeiter.
    Ursprung aller Vorstellungen zur Umgestaltung gesellschaftlicher Verhältnisse, in denen die Menschen erniedrigt, ausgebeutet und unterdrückt werden, ist die Grundeinsicht, dass die Wirklichkeit nicht zwingend so sein muss, wie sie ist, sondern, dass eine andere Welt möglich und nötig ist. Dies steht am Anfang aller Arbeiterbewegung und der Gewerkschaften, welche im Kampf für eine besseres Leben, gute Arbeit und Lernen verbinden.
    Quelle: Denk-doch-Mal.de

  23. TV-Tipp Die Story im Ersten: Geld regiert die Welt – Die Macht der Finanzkonzerne
    Wenn Arbeiter in Deutschland auf die Straße gehen, weil ihre Firma die Löhne drücken will, oder Mieter in einer deutschen Großstadt gegen den Verfall ihrer Wohnungen kämpfen, dann stecken nicht selten dieselben Verursacher dahinter: Finanzkonzerne, deren Namen nur Insidern etwas sagen. Sie sind die eigentlich Mächtigen dieser Welt.
    Während die großen Banken im Scheinwerferlicht von Börsenkontrolle und Öffentlichkeit stehen, läuft ein großer Teil des Finanzgeschäfts heute im Verborgenen. Schattenbanken investieren und spekulieren mit Billionenbeträgen – ohne öffentliche Kontrolle. Ihre Macht umspannt den ganzen Globus. Sie lassen Staatsmänner nach ihrer Pfeife tanzen, dominieren die Wirtschaft.
    Quelle: Das Erste
  24. Konsequent: Pofalla´s Lebenslauf
    Schon sein Jurastudium wurde von einer örtlichen Wirtschaftsgröße gesponsort, einem Abfallentsorgungsunternehmer mit dem Werbeslogan “Heute für morgen sorgen”.
    Quelle: WDR2-Kabarett

    Anmerkung MB: Nils Heinrich ist ein würdiger Nachfolger auf dem Sendeplatz von Pispers.

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