„Mein Gott, dafür zahlen wir Gebühren“

Albrecht Müller
Ein Artikel von:

So der Kommentar eines unserer Leser zur ZDF-Serie „Wettlauf um die Welt“. Und weiter: „Ich bin erst 38 Jahre alt, aber ich vermute, dass das TV/Radio zu Hitlers Zeiten ähnlich strukturiert war.“ Mein Eindruck war ganz ähnlich. Das war eine Angst machende Propagandaschau, und dies schon in der Tonlage der Sprache und der Musik. Auch wenn es zu Hitlers Zeiten noch kein TV gab, ist die zitierte Bewertung des Vorgangs berechtigt. Zu Ähnlichkeiten übrigens siehe auch die Einladungen zum 19. Pleisweiler Gespräch und den anderen Veranstaltungen mit Gunter Haug. Nun aber noch einige Anmerkungen zur Sendung im ZDF.

Ich habe es mir angetan, den ersten Teil von Stefan Austs und Claus Richters Dreiteiler anzuschauen. Leider vertane Zeit, was ich vorher ahnte. Hier in Stichworten einige kommentierende Hinweise:

  1. Schon der Titel „Wettlauf um die Welt“ suggeriert, dass es keinen gemeinsamen Gewinn der weltwirtschaftlichen Zusammenarbeit gäbe. Globalisierung findet sozusagen aus der Sicht der Autoren immer zu Gunsten des einen und zu Lasten des andern statt. Das entspricht nicht der Realität. Deutschland zumindest hat bisher, was die Exporte betrifft, ordentlich profitiert. Darauf deutet schon der immer weiter gestiegene Leistungsbilanzüberschuss hin. Typisch ist, dass davon zumindest in der bis jetzt gelaufenen Sendung mit keinem Wort die Rede war.
  2. Auch der Austausch mit Osteuropa wurde dramatisierend dargestellt. Ich füge die Abbildung 1 aus meinem Buch „Die Reformlüge“ hier an:

    Abbildung 1: Gesamtvolumen der Einfuhren und Ausfuhren Deutschlands mit den EU-Beitrittsländern (ohne Zypern) zwischen 1999 und 2004 (in Milliarden Euro)

    Diagramm 29/03/2007

    Quelle: Statistisches Bundesamt (Hrsg.): Statistisches Jahrbuch 2003 für die Bundesrepublik Deutschland, Wiesbaden 2003, S. 295 f.

    Die Werte für 2003 und 2004 sind unmittelbar vom Statistischen Bundesamt, wobei die Werte für 2004 vorläufige Ergebnisse sind.

    Diese Abbildung zeigt, dass und wie der Warenaustausch mit den ost- und mitteleuropäischen EU-Beitrittsländern gestiegen ist. In allen Jahren mit Ausnahme 2003 gibt es einen Überschuss der Handelsbilanz für Deutschland.
    In dem Film wurde der Eindruck erweckt, als würde alles, was in Deutschland gekauft und konsumiert wird, von außen zugeliefert. Und natürlich musste dann auch der Eindruck erweckt werden, als würden die für die Produktion von Konsumgütern notwendigen Maschinen und Anlagen langsam auch schon alle außerhalb produziert. Wenn das so wäre, dann könnte es den Leistungsbilanzüberschuss unseres Landes insgesamt wie auch den im Handel mit den osteuropäischen Ländern nicht geben.

  3. Die internationale Arbeitsteilung ist gestiegen und steigt. Das hat zur Folge, dass Strukturänderungen notwendig sind. Darauf wurde in dem Film zu Recht auch hingewiesen, es wurde sogar gezeigt, dass diese Folgen der Globalisierung auch schon vor 30 Jahren zu spüren waren. Aber hier fehlte jeder Hinweis darauf, dass diese Umstrukturierung abgefedert werden kann, wenn im inneren für eine wirtschaftliche Dynamik und für Arbeitsplätze gesorgt wird. Dann haben Menschen eine Alternative.
  4. Wie üblich wurden viele Schwierigkeiten unseres Landes, die aus der Abwesenheit einer vernünftigen Makropolitik folgen, der Globalisierung zugeschrieben. Siehe dazu auch den Tagebucheintrag vom 28.03.2007.
  5. Auch die Auflösung der so genannten Deutschland AG wurde als eine zwangsläufige Folge der Globalisierung dargestellt. Das ist der bare Unsinn. Die Befreiung der Gewinne bei der Veräußerung von Unternehmen und Unternehmensteilen zum Beispiel wurde von der Regierung Schröder bewusst entschieden, nicht zwangsläufig wegen der Globalisierung, sondern freiwillig, um den „Heuschrecken“ steuerfreie Gewinne zuzuschustern.
  6. Natürlich haben die Autoren nicht dargestellt, welche Schwierigkeiten unser Exportstärke inzwischen bei vielen unserer Handelspartner in Europa auslöst. In den USA sowieso. Dazu erschien schon mehrere Beiträge in der NachDenkSeiten. Zuletzt gerade einer von einer Flassbeck.
  7. Es wurde der Eindruck erweckt, als sei das Erscheinen von starken Exportnationen in Asien eine völlig neue Erscheinung. Ähnlich dramatisierend wurde vermutlich argumentiert, als die anderen südostasiatischen Staaten und vor allem Japan schon vor längerer Zeit als Konkurrenten auf den Weltmärkten erstarkten. Die inzwischen eingespielte Arbeitsteilung mit diesen Ländern hätte eigentlich zum Nachdenken anregen müssen. Aber nachgedacht haben die Autoren dieses Stücks überhaupt nicht. Sie haben im konkreten Fall zum Beispiel den Eindruck erweckt, als seien früher nur „Naturressourcen“ in die Welt der alten Industrienationen importiert worden. Wer auch nur ein bisschen recherchiert über die Handelsbeziehungen zwischen Japan und Europa, oder auch zwischen Singapur und Malaysia und Alt-Europa, wird entdecken, dass schon seit Jahrzehnten ein reger Handel mit industriellen Waren stattfindet. Auch früher sind mehrere Industriezweige bei uns leider dabei dezimiert worden. Das hat man im Film sogar gezeigt. Warum hat man dann in Bezug auf die aktuelle Situation nicht daraus gelernt und dafür plädiert, solche Strukturanpassungen durch eine entsprechende Wirtschaftspolitik abzufedern? Damit Arbeitnehmer eine Alternative haben.
  8. Die Autoren und Produzenten des Films im ZDF haben sich eine total einseitige Auswahl von so genannten Experten geleistet. Lauter der Wirtschaft nahe stehende Interviewpartner – mit der Ausnahme von Joseph Stiglitz und von Berthold Huber von der IG-Metall, der sich übrigens missbraucht fühlen müsste, weil seine Aussagen überhaupt nicht aufgenommen wurden. Es wurde so getan, als habe er gar nichts gesagt. Die anderen Interviewpartner waren beginnend mit dem Leiter des Instituts der deutschen Wirtschaft Prof. Hüther rund um wirtschaftsnah: die Chefs von BASF, Deutscher Post, Conti, Adidas und dann noch die einschlägigen Bekannten Klaus von Dohnanyi (der neben solchen Sätzen wie „Globalisierung ist ein Produkt von Freiheit“ immerhin ein kritisches Wort zur Kurzfristorientierung des heutigen Managements gesagt hat), der Pisa-Beauftragte der OECD Schleicher und der Chef des Davoser Forums. Einzige wirkliche Ausnahme war Joseph Stiglitz. Er hat sich meines Erachtens missbrauchen lassen. Jedenfalls kann man sich nur wundern, dass er nicht einen Satz zu seinem wichtigen Thema „Marktversagen“ untergebracht hat. Damit hätte er vieles von der Grundlinie dieses skurrilen Fernseh-Beitrags infrage stellen können.
  9. Die Entwicklung in China und Indien wurde völlig undifferenziert dargestellt.
  10. Gegen Ende kam dann auch noch die Behauptung, wenn man einmal den Anschluss an die globale Entwicklung und das Tempo der Globalisierung verloren habe, dann sei man verloren. Der Schuldige für diese angebliche Entwicklung wurde gleich zu Anfang festgemacht. Als Bild zu der Behauptung, wer die Globalisierung und ihre Dynamik versuche zu ignorieren, der sei verloren, wurde eine Demonstration von IG-Metallern gezeigt. Neben Stiglitz stellte übrigens auch der erwähnte Berthold Huber ein reines Alibi dar.

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