Ökonomenwahn „Masterplan“ – eine Buchbesprechung

Albrecht Müller
Ein Artikel von:

Zum neuen Jahr hat der INSM-Botschafter und VWL-Professor Ulrich van Suntum aus Münster ein Buch mit dem Titel “Masterplan Deutschland” veröffentlicht. Es beschreibt ein Gesamtkonzept für neoliberale Reformen und zeigt gewissermaßen die Blaupause auf, wohin die “Reform-Reise” gehen soll, nämlich insbesondere in eine volkswirtschaftliche Zukunft ohne Sozialversicherungen und mit nur noch minimaler staatlicher Daseinsvorsorge. Aus meiner Sicht erschreckend und ökonomisch kein Master-, sondern ein Desasterplan.

Unabhängige Rezensionen sind mir bisher nicht bekannt geworden. Ein Nutzer der NachDenkSeiten als sich die Mühe gemacht, eine Besprechung zu schreiben. In ihr sind die wesentlichen Vorschläge dieses Buches dargestellt und aus volkswirtschaftlicher Sicht kritisch analysiert und kommentiert. Wenn man das liest, dann ärgert man sich wirklich darüber, dass wir als Steuerzahler auch Ideologen wie van Suntum als Professoren bezahlen.

In den Debatten über die „Reformen“, wie sie etwa die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM) propagiert, ist immer wieder zu hören, das, was bisher geschehen oder geplant ist, sei erst der Anfang. Die Reformen müssten noch viel weiter und tiefer gehen. Unklar bleibt aber meist, wo diese Reformen enden sollen.

Darüber kann man sich jetzt eine genauere Vorstellung machen, denn einer der neoliberalen Vordenker dieser Reformen in der deutschen Ökonomenzukunft hat zum Jahreswechsel ein (Taschen-)Buch veröffentlicht, das den Titel trägt „Masterplan Deutschland. Mit dem Prinzip Einfachheit zurück zum Erfolg“. Dieser Masterplan enthält konsequent durchformulierte neoliberale Reformkonzepte zur Haushalts- und Steuerpolitik, zur Arbeitsmarktpolitik, zur Gesundheitspolitik und zur Rentenpolitik, geschickt verknüpft mit der Devise „Alles in Deutschland muss einfacher werden“ und natürlich „unbürokratischer“. Ergebnis ist u.a. die Abschaffung der Sozialversicherungen. Autor ist der Münsteraner Volkswirtschaftsprofessor Ulrich van Suntum, ehemaliger Generalsekretär der „Fünf Weisen“, Fellow der Bertelsmann-Stiftung und aktiver Botschafter der INSM (die ihrerseits Werbung für ihn macht). Seine Vorschläge sind sogar nach eigener Einschätzung „radikal“, aber, so der eigene Anspruch, „keine billigen Patentrezepte“, sondern „durchdachte Lösungen auf Basis wissenschaftlicher Konzepte und ausländischer Erfahrungen“. [Kommentare dazu erfolgen nachfolgend jeweils kursiv: Wenn diese Lösungen „durchdacht“ und „wissenschaftlich“ sein sollen, dann ist es Wahnsinn mit Methode!]

Bevor die Reformkonzepte dieses Masterplans im Einzelnen dargestellt werden, scheinen einige Ausführungen zu dem Selbstverständnis aufschlussreich, das van Suntum in dem Buch darlegt:

Als „Sohn einer Arztfamilie“ sieht er sich selbst in der Rolle, als Volkswirt mit seinen Reformkonzepten die richtigen Diagnosen und Therapieempfehlungen für die ökonomische Gesundung der Nation zu erstellen. Man könne als Wissenschaftler nicht immer nörgelnd im Elfenbeinturm hocken und sich dann wundern, wenn ökonomische Halbwahrheiten die öffentliche Meinung und dann die Politik bestimmen. Dabei sieht er sich selbst als Vertreter der ganzen ökonomischen Wahrheit und mit seinen neoliberalen Vorstellungen im Einklang mit 95% der Ökonomen in Deutschland, nur würden die sich leider in den öffentlichen Debatten oft schlecht verkaufen bzw. nicht immer „Bella Figura“ machen. Das will er mit seinem Buch etc. besser machen (womit er selber folglich auch kommerziell von der Reformdebatte profitiert). Zwar gebe es auch ein paar abweichende Stimmen sogar unter den Ökonomen und stets den einen Gewerkschaftsvertreter im Sachverständigenrat, doch jede Wissenschaft habe eben, hier landet er wieder bei Vergleichen mit der Medizin, ihre „Hackethals“.

[Dass Prof. van Suntum selbst als Therapie nichts anderes vorschlägt, als die Dosis der bisher nicht angeschlagenen Reformmedizin noch mehr zu erhöhen und ausschließlich auf eine Angebotspolitik reinsten Wassers zu setzen, legt indessen in Bezug auf ihn selbst noch ganz andere medizinische Vergleich nahe. Zugestehen muss man ihm aber insgesamt, dass er sich für einen deutschen Wirtschaftswissenschaftler sehr verständlich auszudrücken vermag, einige für den Unkundigen überraschende Überlegungen präsentiert, eingängige Bilder zeichnen kann und mit vielen Beispielen aus seinem privaten Bereich einen mitmenschlichen Touch vermittel. Für arbeitslose Mitbürger dürften manche seiner persönlichen Beispiele allerdings zynisch klingen, z.B. als er darauf hinweist, beruflich selber einmal vor dem Nichts gestanden zu haben, nachdem seine erste Zeitprofessur ausgelaufen war und er sich fast einen Job als Wirtschaftsjournalist hätte suchen müssen… bevor der rettende Ruf an eine Privatuniversität kam.). Ob die Schlussfolgerungen des Profesors tragfähig , die Bilder treffend und die Beispiele symptomatisch sind, steht ohnehin auf einem anderen Blatt. Einfacher heißt noch lange nicht besser, Übervereinfachung ist i.d.R. ein Zeichen von Ideologie statt von Wissenschaft – genau das ist hier der Fall.]

Prof. van Suntum gibt sich von seiner Mission überzeugt und schreckt keineswegs vor drastischen und polemischen Aussagen zurück. „Die Hydra Bürokratie ins Markt treffen“ lautet etwa eine Kapitelüberschrift. Die Erfinder der „Bürger(zwangs)versicherung“ gehören für ihn „eigentlich eingesperrt“. Und für Prof. van Suntum ist z.B. auch klar, dass die Linkspartei nichts anderes im Sinn hat, als eine „zweite DDR“ zu errichten. Der Gegenvorwurf, selber ein neoliberaler Kapitalistenanwalt zu sein, rührt ihn nicht, er sieht sich selbst ganz anders: Die Wähler und auch die meisten Politiker würden bloß nicht begreifen, dass „die so genannten Neoliberalen gar nicht die Interessen des ‚Kapitals’ vertreten, sondern in Wirklichkeit die besten Anwälte der Arbeitnehmer sind.“ (S. 133) Mit Erstaunen liest man auch van Suntums heftige Kritik an den sog. „Christiansen Economics“. Seiner Ansicht nach werden in den Polit-Talks der Fernsehsendung Christiansen die Reformnotwendigkeiten zu wenig dargestellt und der echte ökonomische Sachverstand würde nicht genügend zur Geltung kommen. Vielmehr kämen bei Christiansen viele ökonomische „Quacksalber“ und „falsche Propheten“ zu Wort, die dem Publikum Sand in die Augen streuen und so falsche Dinge wie die Kaufkrafttheorie der Löhne, Konjunkturprogramme oder Arbeitszeitverkürzung predigten.

[Sachverstand = Neoliberalismus? Mehrfach zitiert Prof. van Suntum den Sachverstänigenrat, solange dieser unter Vorsitz des neoliberalen Hardliners Prof. Wiegard stand, aber auch seinen ganz ähnlich wie er selbst argumentierenden Kollegen Prof. Sinn, der selbst im deutschen Ökonomenmainstream als Extremer gilt und mit seiner These von der Basarökonomie sogar im jüngsten Sachverständigenratsgutachten viel Kritik bekommen hat. Keinerlei Hinweis gibt es dagegen auf die Kritik an dem neoliberalen Dogmatismus durch andere deutsche Ökonomen oder z..B.auch seitens nobelpreisgekrönter amerikanischer Ökonomen wie die Solow oder Stiglitz – alles Quacksaber?]

Tatsächlich stehe es um unsere Volkswirtschaft, so doziert der Professor an anderer Stelle ausführlich, viel schlechter als die meisten denken, und wir lebten in der Haushaltspolitik wie bei der Altersvorsorge von der Hand in den Mund. Vor der hohen und wachsenden Arbeitslogkeit sowie dem Demografieproblem sitze unsere Politik seit zwei Jahrzehnten wie das „Kaninchen vor der Schlange“ und sehe hilflos zu. Als Diagnose liefert van Suntum die üblichen Erklärungen und Szenarien: Zu hohe Löhne, zu hohe Steuern und Soziallasten, verkrustete Arbeitsmärkte, ausufernde Bürokratie und noch dazu der steigende „Alterslastquotient“ sowie „gnadenlose internationalen Konkurrenzkampf“. Zwar seien wir „noch“ Exportweltmeister, weil unsere Industrie mit viel Kapitaleinsatz und großem technischen Know-how viel von den Kostennachteilen ausgleichen konnte und wachsende Teile der Produktion ins Ausland verlagere. Auch hätten wir noch einige Standortvorteile in Forschung und Entwicklung oder der Infrastruktur. Doch die deutschen Arbeitnehmer hätten ihre Wettbewerbsfähigkeit weitgehend verloren, der Arbeitsmarkt schrumpfe und der Staat werde zunehmend handlungsunfähig. Die Folgen wären dramatisch: „Wenn wir nicht grundlegend umdenken, geht ganz Deutschland den Bach hinunter.“ (S. 7f.)

[Wie unerschüttert er seine ideologische Position vertritt, sieht man auch daran, dass sämtliche bekannten Gegenargumente zu dieser Diagnose einfach abgetan oder ausgeblendet werden – Deutschland muss einfacher werden, gilt wohl auch für die ökonomische Denkungsart: Für den Nachweis der volkswirtschaftlichen Wettbewerbsfähigkeit genügt es nicht, Exportweltmeister zu sein,weil ja der Arbeitsmarkt aus dem Gleichgewicht ist ; die anhaltend schwache Binnennachfrage, die zunehmende Ungleichverteilung von Einkommen und Vermögen, die Folgelasten der deutschen Einheit, die hohen Realzinsen, Strukturprobleme und Fehlentwicklungen an den Güter- und am Kapitalmärkten, die Defizite in der öffentlichen Infrastruktur sowie bei Bildung und Forschung – all das kommt in der Diagnose dieses volkswirtschaftlichen „Arztes“ gar nicht vor.]

Zwar seien inzwischen viele Politiker einsichtig, so Prof. van Suntum, aber sie hätten Angst vor den Wählern, die vorerst noch weiter betrogen werden wollten. Margaret Thatcher habe zwar der Welt vorgemacht, „wie es geht“. Das funktioniere aber in Deutschland heute nicht. Es gehe „um nichts weniger, als heute eine ordnungspolitische Revolution wie Erhard nach dem Krieg hinzubekommen.“

[Darunter tut er es nicht, also Achtung: Der Masterplan ist eine Anleitung zu einer politischen Revolution!]

Sehr bemerkenswert [und beunruhigend] ist Prof. van Suntums Plädoyer für die Große Koalition, denn eine „große Koalition der Vernunft“, worunter er die Umsetzung seiner marktradikalen Vorstellungen versteht, könne in Deutschland seiner Einschätzung nach nur von einer Großen Koalition aus Union und SPD gebildet werden. Nur eine solche Große Koalition sichere dem Reformprozess die nötige Zustimmung auch im Bundesrat und die Lastenteilung zwischen den großen Parteien bei den angesichts vieler unpopulärer Maßnahmen zu erwartenden Stimmenverlusten. Das Gröbste müsse innerhalb einer Legislaturperiode erledigt sein.

Wie soll nun Prof. van Suntums Masterplan im Einzelnen aussehen?

Bürokatieabbau

In wuchernder Bürokratie, einer Unzahl von Gesetzen und Verordnungen und einem Zwangskorsett von Detailvorschriften, die in Deutschland auch nicht nur auf dem Papier stünden und oft reinen „Gehorsamkeitsprüfungen“ gleichkämen, sieht van Suntum ein deutsches Spezifikum und ein besonderer Standortnachteil für die Wirtschaft. Mit Entbürokratisierungskommissionen und einzelnen Deregulierungsmaßnahmen käme man nicht mehr weiter. Das deutsche Wirtschaftsverwaltungsrecht müsse nach angelsächsischem Vorbild grundsätzlich umgekrempelt werden in Richtung „persönliche Verantwortung und Tatsachenentscheidungen“ sowie flexiblere statt starre öffentliche Regelungen (mehr „Kreisverkehre statt Ampelanlagen“ ist eines seiner Beispiele). Nur das schaffe den nötigen Raum für pragmatisch den jeweiligen Umständen angemessene Lösungen.

Auch die Möglichkeiten, die Gerichtsbarkeit zu bemühen, müssten durch vorher verpflichtende Schlichtungsverfahren eingschränkt werden („Schlichten statt richten“). Der beste aller Richter sei ohnehin ein funktionierender Wettbewerb, der auch viele Schutzgesetze (wie etwa den Mieterschutz) überflüssig mache.

[Ein Übermaß an Bürokratie ist für jeden freiheitsbewussten Staatsbürger und verständlicherweise auch für alle wirtschaftlichen Akteure ein Greuel . Insofern ist der Ansatz nicht unsympathisch und bedenkenswert. Klar ist aber: Was der Professor vorschlägt, müsste mit erheblichen Einbußen an Rechts- und Planungssicherheit erkauft werden. Der persönlichen Bürokratenwillkür werden eher größere Spielräume eröffnet. Ein gutes Stück Rechtstaat ginge verloren. Allgemeine Bürokratieschelte allein schafft auch noch keinen besseren Ordnungsrahmen. Staatliches Handeln und staatliche Normen einschließlich eines Mindestmaßes an Bürokratie bleiben prinzipiell überall da nötig, wo die Funktionsbedingungen für Markt und Wettbewerb erst geschaffen werden müssen, Markt und Wettbewerb versagen sowie politische und gesellschaftliche Ziele jenseits von Markt und Wettbewerb erreicht werden sollen. Bürokratie an sich ist auch nicht nur ein staatliches Phänomen, sondern auch bei privaten Großorganisationen an der Tagesordnun, wie etwa bei den großen Banken und Versicherungen, die zuden Gewinnern des Masterplans gehören würden (siehe unten).]

Entzerrung der staatliche Finanzbeziehungen

Der deutsche Förderalismus und insbesondere das Geflecht seiner Finanzbeziehungen (vor allem der „Länderfinanzaugleich“) ist für Prof. van Suntum „pervertiert“. Die staatlichen Finanzbeziehungen müssten deshalb neugeordnet und entzerrt werden.

Sein Modell: Alle Steuern werden zu Bundessteuern. Dafür erhalten Länder und Kommunen einen garantierten, anteilig festen Anteil am gesamten Steueraufkommen (in heutiger Höhe), aber künftig verteilt nach Zahl der Einwohner und – damit die sie einen Anreiz zu beschäftigungsfreundlicher Politik erhalten – nach Zahl der Arbeitsplätze. Dieser Verteilungsschlüssel müsse nach einer Übergangsperiode dauerhaft verbindlich sein. Zugleich sollen Länder und Kommunen für besondere Bedarfe einen Hebesatz auf die Einkommensteuer aufschlagen dürfen, was zugleich den Wettbewerb zwischen ihnen anrege.

Für ihren garantierten Anteil plus Hebesatzaufkommen wird Ländern und Kommunen volle Ausgabenautonomie zugebilligt, dafür werden Sonderzuweisungen des Bundes und Mischfinanzierungen („goldener Zügel“) aufgehoben. Infolgedessen käme das Prinzip der „fiskalischen Gleichheit“ wieder zur Geltung, die Landes- und Kommunalregierungen würden wieder volle politische Verantwortung für ihre wirtschaftlichen Entscheidungen tragen.

[Was Prof. van Suntum vorschlägt, dürfte zu großen Verwerfungen in den Länderfinanzen führen. Für strukturschwache Länder mit relativ wenig Arbeitsplätzen – aus welchem Grund auch immer – würde der finanzielle Nachteil festgeschrieben, ohne dass eine ausgleichende Regionalpolitik gemeinsam mit dem Bund und anderen Ländern möglich wäre. Eine derartige Neuordnung der Finanzbeziehungen klärt auch nicht die Frage der Kompetenzverteilung zwischen Bund, Ländern und Kommunen bei den politischen Sachaufgaben. Die europäische Dimension ist ganz ausgeklammert.Vielfach gibt es Abgrenzungsprobleme und Zuständigkeitskonflikte, die Kooperation und nicht Wettbewerbsföderalismus erfordern. „Fiskalische Gleichheit“, d.h. die Übereinstimmung von politischer Entscheidungs- und Finanzierungsverantwortung, klingt zwar als Richtschnur vordergründig überzeugend und erscheint in manchen Bereichen zu wenig ausgeprägt, sie kann jedoch nicht das einzige Grundprinzip für einen föderalen Bundesstaat sein. Auch rein mikroökonomisch wäre ein kategorischer Ausschluss von Mischfinanzierungen alles ander als optimal.]

Steuerreform

Zwar lässt Prof. van Suntum Sympathie für erhebliche Steuersenkungen und auch für eine Flat tax erkennen, er hält sie aber in absehbarer Zeit für illusorisch, zumal seine eigenen Vorschläge zum Umbau der sozialen Sicherunsgsytem zusätzliche Steuermittel verlangen. Statt dessen plädiert er zunächst einmal für Steuervereinfachungen und dabei insbesondere für die strikte Streichung von Steuervergünstigungen, auch wenn es dabei Verlierer und Ungerechtigkeiten gebe. Verlierer dürften aber keinesfalls die Unternehmen sein, denn beachtet werden müsse der internationale Steuerwettbewerb sowie der Umstand, dass Unternehmenssteuern eigentlich Steuern auf Arbeitsplätze sind.

Während er den steuerlichen Tarifverlaufs eher für eine „Frage der Galerie“ hält, müsse eine Steuerreform in erster Linie auf die Grundsatzfrage zielen, was eigentlich steuerrelevantes Einkommen ist und wie es in möglichst einfacher und sinnvoller Weise gemessen werden kann. Prof. van Suntum erörtert und verwirft die duale Einkommensbesteuerung mit gespaltenen Steuersätzen zwischen Unternehmen und persönlichen Einkommen, wie sie in Skandinavien praktiziert wird und zuletzt auch vom Sachverständigenrat für Deutschland (hier irre sogar der) empfohlen worden ist. Alternativ spricht er sich für ein sehr viel weit reichenderes Steuerreformmodell aus, nämlich die “konsumorientierte bzw. sparbereinigte Einkommensteuer“. Diese erfasst neben den Erwerbseinkommen alle Vermögensabhebungen und ausgeschütteten Unternehmensgewinne. Gesparte Einkommensanteile und einbehaltene Gewinne sollen jedoch vollständig steuerfrei gestellt werden. Das fördere Sparen und Kapitalbildung, bei vollständig reinvestierten Gewinnen bräuchten Unternehmen überhaupt keine Steuern zu zahlen, Deutschland könne so zu in ein „Investitionsparadies“ verwandelt werden.

Auch wenn anänglich mit Steuerausfällen zu rechnen sei, würde sich dies durch ein über kurz oder lang gesteigertes Wirtschaftswachstum ausgleichen. Zugleich bekäme Deutschland das modernste, einfachste und effizienteste Steuersystem der Welt, was ein unüberschätzbarer Standortvorteil wäre.

[Die Streichung sämtlicher Steuervergünstigungen – differenzierte Ansätze sind nicht die Sache von Prof. van Suntum – hätte wirtschafts- und sozialpolitisch zweifellos sehr problematische Konsequenzen, die nicht beleuchtet werden. Auch ist die erkennbar aus taktischen Gründen an die Seite geschobene Frage des steuerlichen Tarifverlaufs weder volkswirtschaftlich noch unter dem Gesichtspunkt der sozialen Gerechtigkeit in der Gesellschaft eine Frage bloß der Galerie, was auch die heftige Kontroverse im letzten Bundestagswahlkampf demonstriert hat . Anzunehmen ist allerdings, dass der Professor steuerliche Tarifsenkungen gewissermaßen durch die Hintertür, nämlich bei der durch sein Modell nötigen Angleichung von Einkommen- und Körperschaft­steuer erreichen will. Das Modell der „konsumorientierten Einkommensteuer“ hat theoretisch zwar recht interessante Züge, nicht zuletzt, weil ausgeschüttete Gewinne und Kapitalerträge wie alle anderen Einkommen erfasst und besteuert werden sollen. Gesellschaftlich schwer erträglich und ordnungspolitisch ein Verstoß gegen das Äquivalenzprinzip ist aber, dass einbehaltene Gewinne und Kapitalerträge gänzlich steuerfrei bleiben sollen, obwohl die betreffenden Unternehmen, Investoren und Vermögensbesitzer durchaus von staatlichen Leistungen profitiert haben. Fraglich ist andererseits, wieso das Modell zu einem „Investitionsparadies“ führen soll, denn Investoren, sofern sie nicht mit einem Unternehmen persönlich eng verbunden sind, interessieren sich letztlich für die Höhe der ausgeschütteten Gewinne (nach Steuern), nicht für die Höhe des akkumulierten Kapitalstocks. Gleichzeitig stellt sich die Frage, wieso steuerliche Gewinnverwendungsanreize für Unternehmen genügen sollen, damit verstärkt am Standort Deutschland investiert wird, wenn parallel dazu der volkswirtschaftliche Konsum durch steuerliche Förderung zusätzlichen Sparens sowie Belastungen der Masseneinkommen, wie sie der Masterplan in seinen anderen Teilen impliziert, eingeschränkt wird.]

Totalumbau der sozialen Sicherungssysteme

Prof. van Suntum fordert ins einem Masterplan nichts weniger als eine vollständige Umgestaltung und Auflösung der bisherigen Sozialversicherungssysteme, einen Systemwechsel. Die Sozialabgaben und damit ein Großteil der Lohnnebenkosten sollen nach seiner Vorstellung vollständig abgeschafft werden. Renten- und Krankenversicherung sollen am Ende in rein private, überwiegend kapitalgedeckte Systeme verwandelt werden, die den Arbeitsmarkt nicht mehr belasten.

[Wie Letzteres funktionieren soll, legt der Professor nicht dar. Eine Abschaffung der Lohnnebenkosten eröffnet ja nur dann Spielräume zu einer Lohnsenkung, wenn die Sozialbeiträge nicht durch gleich hohe oder höhere private Versichungsprämien ersetzt werden – was generell eher nicht oder nur unter Inkaufnahme höherer sozialer Risiken zu erwarten ist – oder aber die sonstige Kaufkraft eingeschränkt wird, die Masseneinkommen also sinken. ]

Ein Solidarausgleich soll allerdings bestehen bleiben, aber vollständig steuerfinanziert werden. Das dafür erforderliche Geld sei durch höhere Steuereinnahmen oder niedrigere Staatsausgaben an anderer Stelle aufzubringen. Da Prof. van Suntum selbstverständlich eine durchgreifende Haushaltskonsolidierung ebenfalls für unumgänglich hält, verbindet er sein Reformkonzept für die Umgestaltung der Sozialsysteme mit einem Sparkonzept für die öffentlichen Haushalte: Er verweist auf Vorschläge für eine gesetzliche „Schuldenbremse“ in den Haushalten wie sie einzelne Schweizer Kantone eingerichtet haben. [Die Schweiz wird von dem Professor zwar mehrfach für Beispiele bemüht, aber immer nur selektiv. Ein Vorbild für starkes Wirtsachfstwachstum ist sie in der jüngeren Vergangenheit gerade nicht.] Ferner macht Prof. van Suntum Vorschläge zur kurzfristigen Einsparung von Subventionen, wie sie der Sachverständigenrat 2004 aufgestellt hat – von der Abschaffung der Eigenheimzulage über die der Steuerfreiheit von Sonntags- und Nachtarbeit bis zu der Streichung der Steinkohlehilfen. [Die zwangsläufigen Auswirkungen auf die betroffenen Branchen und Berufsgruppen sowie deren volkswirtschaftlichen Folgeeffekte werden indessen nicht beleuchtet.] Schließlich plädiert er für einen massiven Bürokratie- und Personalabbau im öffentlichen Dienst; letzteres will er durch Aufgabenverringerung bzw. Planstellenkürzungen und eine leistungsgerechtere Bezahlung im öffentlichen Dienst, ggf. unter gehaltsmäßigem „Aushungern“ überflüssiger Beamtenstellen erreichen, wobei er auch den Beamtenstatus für Professoren in Frage stellt. [Die Grundsatzfrage nach den notwendigen Staatsaufgaben und der Motivation der Staatsdiener stellt er jedoch nicht, das wäre vielleicht auch nicht einfach genug.]

Erforderlich sei insgesamt eine dauerhafte Senkung der Staatsausgaben um rd. 12%, um die „Nachhaltigkeitslücke“ zu schließen, wie sie der Sachverständigenrat ausgerechnet habe. Eine solche Größenordnung wäre machbar, manche Unternehmen hätten unter dem Druck des Wettbewerbs schon weitaus größere Kosteneinsparungen verkraften müssen. [Das mag in der Relation zutreffen, nicht aber absolut: Sein Masterplan läuft auf ein Kürzungsvolumen in den öffentlichen Haushalten Deutschlands im Umfang von rd. 120 Mrd. € hinau, was kein Unternehmen jemals geleistet hat und auch für eine der größten Volkswirtschaften der Welt zu einer konjunkturelle Katastrophe führen würde !]

Arbeitsmarktreform:

Am Arbeitsmarkt soll wieder Vertragsfreiheit herrschen, d.h. das gesetzliche und tarifvertraglich festgelegte kollektive Arbeitsrecht muss weitgehend beseitigt werden. Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände sind demnach auf die Rolle von Interessenverbänden ohne tarifliche Entscheidungsmacht mit nur noch beratender Funktionen wie etwa die Erstellung von Musterverträgen zu reduzieren. (Arbeitskonflikte sollen grundsätzlich durch Schlichter anstatt durch Verhandlungsmarathons, Streik bzw. Aussperrung geregelt werden.

[Die Tarifautonomie wäre damit weitgehend erledigt. Dass der Arbeitsmarkt kein Markt wie jeder andere ist und hier im Regelfall eine fundamentale Macht- und Informationsasymmetrie zwischen Arbeitsgebern und Arbeitnehmern besteht, die abgesehen von allen ethischen Aspekten auch rein ökonomisch andere Institutionen verlangt als individuelle Vertragsfreiheit, ist Prof. van Suntum keine Zeile wert. Genauso wenig äußert er sich zu den zwangsläufig zu erwartenden sozialen Konflikten.]

Der Kündigungsschutz soll, so der Professor, ähnlich wie in der Schweiz auf die Bestimmungen des BGB (§ 622) zurückgeführt und auf nach Betriebszugehörigkeit gestaffelte Kündigunsgfristen mit Lohnfortzahlung bis zum Ende der Frist beschränkt werden. Das (durch die Hartz-Reformen ja ohnehin auf ein Jahr beschränkte) ALG I würde damit überflüssig. Die Unternehmen müssten allerdings verbindliche und auch konkursrechtlich geschützte Rücklagen für die befristete Lohnfortzahlung bilden, insofern würde ein Teil der bisherigen Arbeitslosenversicherung in die Unternehmen hinein verlagert. Wer schließlich arbeitslos wird, fällt sofort in das ALG II, das künftig vollständig steuerfinanziert werden soll.

[Nach der Rechnung des Professors wird man arbeitslos in dem Moment, indem die Kündigung ausgesprochen wird, nicht erst nach Ablauf der Kündigungsfrist. Für diese Phase müssen die Unternehmen schon immer die Lohnansprüche decken, gar nichts wird zusätzlich in sie hineinverlagert, es sei denn, die Kündigungsfristen nach BGB wären länger als der tarifliche Kündigungsschutz, wenn es ihn dann noch geben sollte. Das BGB sieht eine Kündigungsfrist von max. 7 Monaten bei mehr als 20jähriger Betriebszugehörigkeit vor. Sowohl die Schutzrechte der Arbeitnehmer als auch der Status der Arbeitslosen würden de facto erheblich vermindert.]

Für Prof. van Suntum unumgänglich, dass Löhne, Arbeitszeiten und auch die örtlichen Zumutbarkeiten der Jobsuche flexibler werden. Vielfach bedeute das geringere Löhne, keinesfalls dürfe es Mindestlöhne geben. In einer modernen, im internationalen Wettbewerb stehenden Industriegesellschaft müsse jeder Arbeitnehmer sich selbst um größtmögliche Mobilität und Anpassungsbereitschaft bemühen. Beenden will der Professor die „Zweiklassengesellschaft am Arbeitsmarkt“: Die Spaltung zwischen denen mit „künstlich hochgehaltenen Löhne bei vollem Kündigungsschutz, während die anderen genau deswegen keinen Job finden.“ Das nütze auf Dauer auch den Arbeitenden nicht, denn diese müssten neben dem erhöhten Arbeitsplatzrisiko die steigenden Soziallasten tragen und deshalb seien die Nettolöhne in den letzten Jahren kaum noch gestiegen. [So einfach ist das zu erklären, oder nicht?] Deshalb könnten die heutigen Tariflöhne nicht mehr gehalten werden. Eine produktivitätsorientierte Lohnpolitik sei nur noch in Zeiten der Vollbeschäftigung zu vertreten, bis dahin Lohnzurückhaltung geboten.

[Zu den Problemen und Grenzen der den Arbeitnehmern auferlegten „Flexibilität“, sagt der Professor wiederum nichts. Auch das die Bruttolöhne bereits seit Jahren kaum noch Produktivitätsfortschrittfolgen und dies am Arbeitsmarkt nichts gebracht hat, erwähnt er nicht. Seine pauschale Absage an eine produktivitätsorientierte Lohnpolitik jenseits der Vollbeschäftigungssituation bedeutet, dass die Masseneinkommen und damit die größte Nachfragekomponente systematisch hinter dem Produktivitätsfortschritt zurückbleiben sollen – das kann für sich und im Ganzen Wachstum und Beschäftigung nicht anregen.]

Die bisherigen Instrumente der so genannten aktiven Arbeitsmarktpolitik sind nach Ansicht von Prof. van Suntum „hochgradig uneffektiv“, auf sie ließe sich deshalb leicht verzichten.

[Hier vertritt der Professor eine persönliche Meinung, aber keineswegs eine wissenschaftlich gesicherte Position.] Dadurch würde die gesamte Arbeitslosenversicherung gegenstandslos und man könne sich die Beiträge dafür sparen, die Lohnnebenkosten also allein dadurch um 6,5 Prozentpunkte senken. [Dass die Arbeitslosen dafür einen entsprechenden Preis bezahlen und auf bestehende Versicherungsansprüche verzichtet müssen, ist ebenfalls kein Thema.]

Die Chancen von Arbeitslosen sollen durch Leiharbeit im regulären Arbeitsmarkt („training on the job“, vorzugsweise aber Einsatz zu Hilfsarbeiten) und Versteigerungsverfahren („Wettbewerb um Arbeitslose“) verbessert werden. Die dadurch eröffneten Zuverdienstmöglichkeiten würden so zu einem „Kombilohn“ führen. Dies wären keine wettbewersbverzerrenden Lohnsubventionen, weil ja jeder Arbeitgeber gleichermaßen die Möglichkeit hat, am Verleihsystem und den Versteigerungen teilzunehmen. „Und der Arbeitslose bekommt nur gerade so viel mehr als monatliches Gesamteinkommen, dass er davon anständig leben kann und nicht die Lust verliert , überhaupt zu arbeiten. So und nicht anders kann es gehen“, meint der Professor. Das klinge zwar „vielleicht erst mal nach Sklavenhandel“, sei aber in Wirklichkeit ein eleganter Weg, um unerwünschte Verdrängungseffekte zu vermeiden und im regulären Arbeitsmarkt das (überhöhte) Lohnniveau in Richtung auf die Knappheitspreise für Arbeit senken, wodurch die Nachfrage nach Arbeit und arbeitsintensiven Dienstleistungen etwa des Handwerk angeregt werde.

[Von einem Wettbewerb um Arbeitslose hält die Arbeitgeber niemand ab, ein zusätzlicher Vorteil für diese durch „Ausleihen“ und „Versteigerungsverfahren“ ist aber nur erkennbar, wenn es tatsächlich um ein Art Sklavenhandel geht – eine Pervertierung des Wettbewerbsgedankens, die jeden Bogen überspannt. Das will der angeblich so liberale Professor in Kauf nehmen, um dadurch auch von dieser Seite Lohndruck auszuüben und das Lohngefüge auszuhebeln. Dies würde Arbeit und arbeitsintensive Dienstleistungen zwar billiger machen können, reduziert aber pari passu die Nachfrage – das klassische Kreislaufparadoxon.]

Gesundheitsreform

Das Gesundheitswesen werde aufgrund von Alterung und medizinischem Fortschritt zwangsläufig immer teurer, man könne jedoch durch mehr Wettbewerb, insbesondere zwischen den Krankenkassen ökonomisch effizienter gestalten. Kassenwettbewerb sei das Fundament für jede zielführende Gesundheitsreform. Dazu müssten jedoch Versicherung und Solidarausgleich getrennt werden, so Prof. van Suntum.

Sein Konzept bewegt sich jenseits von Bürgerversicherung oder Kopfpauschale. Er fordert die private Krankenversicherung für alle (Kinder sollen automatisch bei der Mutter mitversichert werden) und die Berechtigung der Krankenkassen, betriebswirtschaftlich kalkulierte „risikoadäquate Prämien“ zu erheben; das könne durchaus kostendämpfende Selbstbeteiligungsklauseln einschließen. Gleichzeitig müsse Jeder die Kasse wechseln können, auch der Kontrahierungszwang entfalle. Ebenso würde der Risikostrukturausgleich zwischen den gesetzlichen Krankenkassen entfallen, die (bisherigen) Gesetzlichen treten dann mit den Privaten in Wettbewerb.

Dem Professor ist klar, dass die Prämien im Einzelfall sehr teuer und die Belastungen für Schwerkranke, Alte und Kinderreiche hoch werden können. Deswegen müsse es vor allem für Geringverdiener und Großfamilien einen Solidarausgleich geben, der aber ausschließlich vom Steuersystem getragen werden soll. Das wäre ohnehin gerechter, weil damit alle Bürger und Einkommen an der Finanzierung des Solidarausgleichs beteiligt werden, nicht nur die gesetzlich Krankenversicherten innerhalb der Beitragsbemessungsgrenzen. Der Solidarausgleich soll beim Familieneinkommen ansetzen, deshalb nennt er das Ganze auch „Familienversicherung“, und übermäßige, sozialpolitisch unerwünscht hohe Belastungen durch Krankenversicherungsprämien durch staatliche Zuschüsse ausgleichen. Dafür soll möglichst unbürokratisch ein Antrag beim Finanzamt gestellt werden können, das jeweils am Jahresende beim Lohnsteuerjahresausgleich bzw. der Einkommensteuererklärung prüft, ob und in welcher Höhe der Zuschuss wirklich berechtigt war und dies mit den Steuerrück- bzw. -nachzahlungen verrechnet. Gesonderte Einkommensnachweise würden dadurch unnötig. Dabei soll allerdings nur eine gesetzlich vorgeschriebene Basisversicherung ausgelichsfähig sein, keine Sonderansprüche und Luxustarife.

[So einfach ist die Lösung eben nicht. Dass der Solidarausgleich im Gesundheitswesen künftig verstärkt über das Steuersystem erfolgt, ist zwar ein diskussionswürdiger Ansatz. Was Prof. van Suntum aber vorschlägt, ist ein sicherer Weg in die Zwei- oder Mehrklassengesellschaft bei der Versorgung mit Gesundheitsdiensten, bei der das unternehmerische Kostenrisiko dennoch auf die Staatskasse abgewälzt werden kann. Kassenwettbewerb, den es ja in Ansätzen längst gibt, ist weder ein ökonomisches Allheilmittel für den Gesundheitssektor noch kann er unter solchen Vorgabennormal funktionieren, auch wenn er wünschenswert wäre. Ob die Kosten der Gesundheitsversorgung so insgesamt ohne Leistungseinbußen gedrosselt werden könnten, ist sehr fraglich. Klar ist nur, dass das Versorgungsniveau Einkommensschwächerer abhängig von politischen Entscheidungen unter Finanzvorbehalt würde. Es sind doch genau diese Gründen, weshalb in der Gesundheitspolitik seit langem andere Wege gesucht werden.]

Rentenreform

Für Prof. van Suntum hat die bisherige Rentenpolitik nur „Irrwege“ verfolgt. Er plädiert für den (gleitenden) Übergang zu einer steuerfinanzierten einheitlichen Grundrente auf Sozialhilfe- bzw. ALG II-Niveau.

Darüber hinaus soll es nur noch eine private Absicherung über Kapitaldeckung, die er als das einzig zukunftsweisende Altersvorsorgemodell betrachtet, sowie unbegrenzte Zuverdienstmöglichkeiten und gesetzlich festgelegte Versorgungsansprüche innerhalb der Familien (Ehegatten, Eltern/Kinder) geben. Letzteres sei dann auch ein wesentlicher Anreiz, wieder mehr Kinder in die Welt zu setzen. (Für sich selber rechnet Prof. van Suntum als Staatsbeamter übrigens mit so bescheidenen Pensionsansprüchen, dass er seinen Lebensstandard nur halten können wird, wenn er privat hinzuverdient.)

[Praktisch hätte dieser Vorschlag die Aufgabe auch der staatlichen Rentenversicherung als Sozialversicherung und ihren Ersatz durch Ausdehnung der Sozialfürsorge auf das Rentenalter zur Folge. Dass die sog. „Kapitaldeckung“ aber realwirtschaftliche Demografieprobleme gar nicht löst und keineswegs global effizienter ist, für den Einzelnen jedoch erheblich riskanter wäre als das Umlageverfahren der staatlichen Rentenversicherung, ist vielfach begründet worden. Auf die unterschiedlichen Argumente geht Prof. van Suntum jedoch gar nicht ein. Er schlägt sogar eine noch weiter gehende Form der (Re-)Privatisierung der Altersvorsorge vor, indem er Altersversorgungsansprüche an die eigenen Kinder zum Anreiz für das kinderkriegen erheben will und den Zuverdienst, also das (Weiter-)Arbeiten im Rentenalter als partiellen Rentenersatz gestalten will. So etwas ist ein Rückfall in Steinzeitökonomie. Hinzu kommt, dass der Masterplan des Professors auch in der Rentenpolitik enorme Anreize zum privaten Sparen zu setzen versucht – wie bei der Steuerreform und im Grunde auch bei der Gesundheits- und der Arbeitsmarktreform -, obwohl die volkswirtschaftliche Sparquote in Deutschland heute überdurchschnittlich hoch und „Angstsparen“ längst zum Massenphänomen geworden ist. Parallel dazu zielt der „Masterplan Deutschland“ darauf ab, das Lohnniveau kräftig zu drücken und öffentliche Ausgaben nachhaltig zu kürzen, also die Binnennachfrage zu strangulieren .So stürzt man eine Volkswirtschaft in die Depression. Das ist kein ökonomischer Masterplan, sondern ein Desasterplan.]

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