„Gründerpreis“ an Reinhard Mohn für den „konsequenten und fruchtbaren Transfer erfolgreicher Wirtschaftsprinzipien auf das Gemeinwesen“

Ein Artikel von:

Für das, was wir in unserer Rubrik „Krake Bertelsmann“ Reinhard Mohn und seine Stiftung seit langem kritisieren, erhält er nun den von seiner eigenen Zeitschrift, dem „stern“, den Sparkassen, dem ZDF und von Porsche ausgelobten „Gründerpreis“. Was wir mühselig analysiert haben und wofür wir den Vorwurf kassiert haben, wir seien „Verschwörungstheoretiker, bestätigten uns nun die Juroren des Gründerpreises ganz unverblümt. Dass es eine durch nichts anderem als durch Geld legitimierte Stiftung schaffen kann, die wichtigsten Politikfelder nach den unternehmerischen Prinzipien des Unternehmenspatriarchen Mohn umzubauen, wird nicht etwa als eine Bedrohung, des Parlamentarismus und als Niederlage des Parteienstaates, ja als Gefahr für die Demokratie angesehen, sondern auch noch als Dienst am Gemeinwesen hochgejubelt. So feiern also die im Kuratorium versammelten „namhaften“ Unternehmenspersönlichkeiten sich gegenseitig selbst, der Bundeswirtschaftsminister spendiert dafür noch Geld des Steuerzahlers und Phoenix überträgt auf Kosten des Gebührenzahlers. Wolfgang Lieb.

Die Begründung der Juroren für den Gründerpreis an Reinhard Mohn spricht für sich:

Reinhard Mohns unternehmerische Leitlinien finden ihren Niederschlag auch in seinem gesellschaftlichen Engagement. Hervorzuheben ist vor allem die 1977 gegründete Bertelsmann Stiftung. Die Erfolgsprinzipien, die die Bertelsmann AG groß gemacht haben, sind für Reinhard Mohn auch der Schlüssel zu einem modernen, leistungsstarken und menschlichen Gemeinwesen. Wettbewerb, Dezentralisierung und insbesondere die Übernahme von Verantwortung sind auch und gerade in Staat und Verwaltung nicht nur wünschenswert, sondern angezeigt. So will er die größtmögliche Effizienz und die bestmögliche Leistung im Gemeinwesen erreichen und damit das Wohl aller in der Gesellschaft fördern. Eines seiner wichtigsten Anliegen ist es Rahmenbedingungen zu schaffen, die das soziale Engagement der Menschen erleichtern, damit sie ihren Beitrag zu einer lebendigen Bürgergesellschaft leisten können. Von der Verwaltungsreform über das Gesundheitswesen und die internationale Verständigung bis hin zum Bildungssystem und zur Kultur reicht die Bandbreite der mehr als 60 Projekte, die derzeit von der Bertelsmann Stiftung bearbeitet werden.

Dieses nachhaltige und ungewöhnlich breit gesteckte gesellschaftliche Engagement war ein weiteres wichtiges Argument für die Jury der Partner stern, Sparkassen, ZDF und Porsche, Reinhard Mohn den Deutschen Gründerpreis in der Kategorie Lebenswerk zu verleihen. Reinhard Mohn, so die Juroren, stehe wie kaum ein anderer Unternehmer unserer Zeit für den konsequenten und fruchtbaren Transfer erfolgreicher Wirtschaftsprinzipien auf das Gemeinwesen. Für diese vorbildliche Verbindung von ökonomischem Denken und gesellschaftlicher Verantwortung wurde Reinhard Mohn mit dem Deutschen Gründerpreis in der Kategorie Lebenswerk 2007 ausgezeichnet.

Durch diese Laudatio fühle ich mich in meiner Analyse des Wirkens der Bertelsmann Stiftung bestätigt, die Sie schon mehrfach, zuletzt am 13. Juni nachlesen konnten.
Aus meiner Sicht als demokratischer Bürger, sehe ich allerdings im Wirken von Reinhard Mohn keinen Anlass zum Jubel, sondern Anlass zur Sorge um die demokratische Entwicklung in diesem Land.
Ich erlaube mir den Laudatoren meine Kritik an dem, was ihnen Anlass zur Würdigung von Reinhard Mohns „Lebensleistung“ war, noch einmal gegenüber zu stellen:

Die Bertelsmann Stiftung ist – entgegen dem Anschein, den sie zu erwecken versucht – keine gesellschaftspolitisch neutrale Einrichtung zu uneigennützigen Zwecken.
Man kann dem Firmenpatriarchen Reinhard Mohn nicht einmal vorwerfen, dass er mit seiner „Mission“ hinter dem Berg hält. Jeder kann sie auf der Website der Bertelsmann Stiftung oder in Mohns Buch „Die gesellschaftliche Verantwortung des Unternehmers“ nachlesen. Mohn legte in zahlreichen anderen Schriften seine Weltanschauung dar.

Mohn und mit ihm die Bertelsmann Stiftung vertreten eine Art deutschen Sonderweg in die wirtschaftsliberal globalisierte Welt, der auf eine korporatistische Unternehmenskultur setzt, den Sozialstaat als überdehnt oder gar überholt betrachtet und eine über den Wettbewerb hergestellte Effizienz als Steuerungsinstrument an die Stelle von Mitbestimmung und demokratischer Gestaltung setzen will. Und immer geht es deshalb auch um ein Zurückdrängen des Staates, eine Verringerung der Staatsquote und – als Mittel dazu – um die Senkung der Steuerlast.
„Es ist ein Segen, dass uns das Geld ausgeht. Anders kriegen wir das notwendige Umdenken nicht in Gang“, meinte Mohn schon 1996 in einem Stern-Interview.
Und im Hinblick auf diese Mission ist die Stiftung – wie der Tagesspiegel schrieb – eine „Macht ohne Mandat“. Etwas vorsichtiger, muss man zumindest von einer Machtbeeinflussung und einem Vorantreiben des gesellschaftlichen Umbaus ohne demokratische Kontrolle sprechen.
Unter dem Pathos der „Gemeinwohlverpflichtung“ oder „Wir helfen der Politik, dem Staat und der Gesellschaft, Lösungen für die Zukunft zu finden“ (so Reinhard Mohn) gibt es kaum ein politisches Feld von Bedeutung, wo die Bertelsmann Stiftung mit ihren Handreichungen nicht ihre Lösungsangebote macht:
Von der so genannten „Reformpolitik“ (also etwa der Agenda 2010 oder den Hartz-Gesetzen), über die Privatisierung der sozialen Sicherungssysteme, etwa der Rentenversicherung, die Kommunal-, die Gesundheits-, die Finanz-, vor allem auch die Schul-, bis hin zur Außen- und Verteidigungspolitik oder zum Bibliothekswesen und dem Wissensportal www.wissen.de oder bis zum Familiengipfel, vom Bundespräsidenten, über die Bundeskanzler Schröder und Merkel und den Bundes- und vor allem Landesministerien, bis hin zur Kommunal- oder Finanzverwaltung, überall bietet die Stiftung ihre jeweiligen „Lösungen für die Zukunft“ an.
Und was noch entscheidender ist, diese Lösungskonzepte werden auf allen Ebenen, von zahllosen öffentlichen oder halböffentlichen Institutionen, von Regierungen und Parlamenten und von fast allen Parteien von der FDP, über die CDU oder die SPD bis zu den Grünen im Sinne des herrschenden Modernisierungsdenkens begierig aufgegriffen.
Nicht zuletzt werden die Botschaften über die zum Bertelsmann-Konzern gehörenden meinungsprägenden Medien verkündet.
RTL Television, Super RTL, VOX oder N -TV in Deutschland gehören zum Konzern. Das Bertelsmann Zeitschriften-Imperium beherrscht die Kioske: Der Verlag Gruner + Jahr gehört zu 74,9% der Bertelsmann AG. Gruner + Jahr ist wiederum mit einer Sperrminorität von 25,25% am Spiegelverlag beteiligt. Stern, GEO, Capital, Brigitte, das manager-magazin, die Financial Times Deutschland sind nur einige wenige der Titel, die unter der Regie des Mutterkonzerns stehen.

Besonders engagiert ist die Bertelsmann Stiftung auf dem Feld der Hochschulpolitik. Hochschulen werden von Reinhard Mohn – richtigerweise – als „Schlüssel zur Gesellschaftsreform“ angesehen wird. Das Centrum für Hochschulentwicklung (CHE) hat sich als der bislang antriebsstärkste „Reformmotor“ der Bertelsmann Stiftung erwiesen. „In ihrer Projektarbeit folgt die Bertelsmann Stiftung der Überzeugung des Stifters Reinhard Mohn, dass die Prinzipien unternehmerischen Handelns zum Aufbau einer zukunftsfähigen Gesellschaft beitragen können“. Überall wo sich Bertelsmann einmischt geht es um die Mission von weniger Staat, mehr Wettbewerb, um unternehmerische Leitungsstrukturen und um mehr betriebswirtschaftliche Effizienz als Qualitätskriterium.

Das CHE ist quasi in das Kompetenzvakuum eines fehlenden Bundeshochschulministeriums gestoßen und füllt die in unserer Verfassung nicht vorgesehene Rolle eines Bundeshochschulministeriums aus – ein informelles Ministerium, das allerdings nicht dem Parlament sondern nur der Bertelsmann Stiftung rechenschaftspflichtig ist. Der Autor des Buches „Hinter der Fassade des Medienimperiums“ Frank Böckelmann, nennt das „eine Privatisierung der Politik“.

Es ist allerdings eine Privatisierung der Politik auf öffentliche Kosten, denn immerhin hat sich die Familie Mohn durch die Gründung der Stiftung, die ihr allerdings immer noch das Sagen über die Kapitalanteile am Konzern erhält, riesige Summen an einer möglicherweise anfallenden Erbschaft – oder Schenkungssteuern erspart und zweitens sind die Dividenden, die an die „gemeinnützige“ Stiftung abgeführt werden, steuerbegünstigt.

Natürlich ist es nach wie vor richtig, dass Bertelsmann die Gesetze nicht selber verabschiedet, sondern dass diese meist von der Exekutive eingebracht und vom Parlament verabschiedet werden. Aber über die personellen Netzwerke wird der Bertelsmannsche „Reformmotor“ zur eigenständigen politischen Antriebskraft, der auch außerhalb der Parlamente eine Art Eliten-Konsens schafft – und dabei nebenbei auch noch für ein positives Image für den Bertelsmann-Konzern sorgt.
Unter dem Zwang der leeren öffentlichen Kassen und unter dem beschönigenden Etikett eines „zivilgesellschaftlichen Engagements“ greift der Staat die „gemeinnützigen“ Dienstleistungen privater Think-Tanks nur allzu gerne auf. Ja noch mehr, er zieht sich aus seiner Verantwortung immer mehr zurück und überlässt wichtige gesellschaftliche Bereiche wie etwa die Bildung oder die Hochschule gleich ganz den Selbsthilfekräften bürgerschaftlichen Engagements.
Aus dieser Staats- und Gesellschaftsvorstellung speist sich die Idee von der „selbständigen Schule“ oder der „Entlassung“ der Hochschule aus der staatlichen Verantwortung, wie das etwa mit dem „Hochschulfreiheitsgesetz“ in Nordrhein-Westfalen geschehen ist.
„Der anonyme Wohlfahrtsstaat hat ausgedient, an seine Stelle tritt der soziale Staat, der vom bürgerschaftlichen Engagement und vom solidarischen Verhalten aller lebt. Dass möglichst viele verantwortungsvoll ihr Können in den Dienst der Gemeinschaft stellen, das macht diesen Staat auf Dauer lebensfähig“, das schrieb Liz Mohn vor kurzem (5.12.06) in einem Gastkommentar zum „Tag des Ehrenamtes“ in der Financial Times Deutschland.
Die Rollenverteilung der gesellschaftlichen Gruppen bei diesem „Dienst an der Gemeinschaft“ ergibt sich dabei ziemlich naturwüchsig daraus, was eben jeder einzelne mit seinem bürgerschaftlichen Engagement zu leisten vermag. Diejenigen, die nicht so viel Geld und Vermögen haben, machen Sozialarbeit, also Altenpflege oder Übungsleiter im Sportverein, die Vermögenden vergeben Forschungsaufträge oder Stiftungslehrstühle oder sie stiften gleich ganze Denkfabriken und prägen damit den Gang der Wissenschaft oder den gesellschaftlichen Diskurs und bestimmen so die gesellschaftliche und die politische Weiterentwicklung.

So hat sich inzwischen eine private institutionelle Macht des Reichtums herausgebildet, die, wie bei Bertelsmann streng hierarchisch organisiert, ihren Einfluss über das gesamte politische System ausdehnt und die demokratisch legitimierte Machtverteilung zwischen Parteien, Parlamenten und Exekutive unterwandert und gleichzeitig die öffentliche Meinung prägt.
Diese „zivilgesellschaftliche“ Macht ist stützt sich ausschließlich auf Reichtum und Vermögen und die Mohns gehören nach der Forbes-Rangliste zu den 250 reichsten Leuten auf der Welt. Sie stützt sich darauf, dass eben zum Beispiel der Bertelsmann-Konzern und seine Stiftung mehr Geld hat als jede andere private und staatliche Institution, Expertisen und Gutachten erstellen zu lassen, Kongresse zu veranstalten, wissenschaftliche Studien zu erstellen, um die Mission ihres Stifters zu verbreiten. Demokratisch legitimierte Macht im Staate wird so mehr und mehr durch Wirtschaftsmacht zurückgedrängt, ja sogar teilweise schon ersetzt.

Dieser Weg in diese Art von Zivilgesellschaft befördert nicht nur die ohnehin bestehende extreme materielle Ungleichheit zwischen Arm und Reich, sondern dieser Weg schließt – anders als das im Modell des Mehrheitsprinzips in der Demokratie vorgesehen ist – vor allem die große Mehrheit der weniger wohlhabenden Bevölkerung mehr und mehr von der politischen Teilhabe und der Gestaltung ihrer gesellschaftlichen Zukunft aus.
Aus Souffleuren der Macht werden die tatsächlichen Machthaber.

Dieser schleichende Systemwechsel vom demokratischen Wohlfahrtsstaat zu einer Art Timokratie, also der Herrschaft des Geldes, wird sogar noch mit dem Pathos von „mehr Freiheit“ vorangetrieben.