Hinweise des Tages

Jens Berger
Ein Artikel von:

Hier finden Sie einen Überblick über interessante Beiträge aus anderen Medien und Veröffentlichungen. Wenn Sie auf “weiterlesen” klicken, öffnet sich das Angebot und Sie können sich aussuchen, was Sie lesen wollen. (CR/WL/JB)

Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:

  1. Tod im Mittelmeer
  2. Der Krieg via Ramstein
  3. Schäubles »deutsche Arroganz« erzürnt Frankreich
  4. Griechenland
  5. Familien beherrschen Dax-Konzerne
  6. Freihandel
  7. Sparen ist nicht alles
  8. Reaktionen auf Medienkritik an der Weltbank
  9. Staatsbankrott – Immer wieder blank
  10. Agentur für Tagelöhner
  11. Zur Rente verdammt
  12. Zahl der Kinder in Hartz-IV-Haushalten steigt wieder an
  13. Wie die Autobahnräuber der Fratzscher-Kommission die eigenen Lügen entlarven
  14. Schweiz: Private Sicherheitsdienste übernehmen Polizeiaufgaben
  15. Orwell 2.0
  16. Russland/Ukraine
  17. Michael Lüders zur “Ursünde” und den Chaosstiftern im Nahen und Mittleren Osten
  18. Das PEGIDA-Gesetz
  19. Mauern gegen Ausländer? – Gebühren für internationale Studierende

Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Tod im Mittelmeer
    1. Wie die EU Flüchtlinge tötet
      400 Tote an einem Tag: Die EU hätte die Mittel und die Möglichkeiten, die Flüchtlinge aus dem Mittelmeer zu retten. Aber sie lässt sie ertrinken – einer zynischen Logik zufolge.
      Wo aber Gefahr ist, schrieb Hölderlin, wächst das Rettende auch. Doch das stimmt nicht, nicht in der Europäischen Union des Jahres 2015. Das Rettende wächst mitnichten; es verschwindet, weil die EU es verschwinden lässt. Die EU-Staaten halten das Rettende zurück, sie sperren es ein: Es gäbe natürlich die Schiffe, die die Flüchtlinge retten könnten. Aber die EU-Staaten setzen sie nicht ein, lassen sie nicht auslaufen.
      Die EU-Politik hätte die Mittel und die Möglichkeiten, die Flüchtlinge zu retten, die der Hölle in Syrien und Libyen entkommen sind; aber man lässt sie ertrinken. Ihr Tod wird hingenommen, er wird in Kauf genommen; er soll abschreckend auf andere Flüchtlinge wirken; er soll von der Flucht abhalten. Europa schützt sich vor Flüchtlingen mit toten Flüchtlingen…
      Quelle: Heribert Prantl in der SZ

      Anmerkung J.H.: Der Kommentar von Heribert Prantl in der Süddeutschen Zeitung erschien am Tag vor dem erneuten Unglück im Mittelmeer. Jetzt sind es 700 Tote mehr. Wenn er schreibt: “Wie die EU Flüchtlinge tötet“ oder “Europa schützt sich vor Flüchtlingen mit toten Flüchtlingen“ ist das in beklemmender Weise die Wahrheit. Ohne die üblichen Floskeln. Aber: wer ist die EU und wer ist Europa? Das sind wir alle. Wir alle töten und wir alle schützen uns mit toten Flüchtlingen.

      Anmerkung Volker Bahl: Und so schreibt Stephan Hebel auf der Titelseite der FR unter der Überschrift “Ums Verrecken”:”Aber die Dimension die das Verrecken im Mittelmeer angenommen hat, würde nichts anderes gerecht als die radikale Abkehr von einer Politik, die sich in Worten und in Taten der tausendfachen unterlassenen Hilfeleistung mit Todesfolge schuldig macht. […] Die Rettung der Bank Hypo Real Estate hat die deutschen Steuerzahler um die 20 Milliarden gekostet, das sind etwa 185 Jahre Mare Nostrum.

    2. “Eine neue Ebene der Grausamkeit”
      Erneut ist ein Flüchtlingsboot im Mittelmeer gesunken – und für die etwa 700 noch immer vermissten Menschen gibt es kaum noch Hoffnung. Die UN sprechen von einer Grausamkeit, die es bisher noch nicht gab. Einsatzkräfte bargen bislang mehr als 20 Leichen.
      Die “King Jacob” war als erstes zur Stelle. Nachdem die Migranten einen Notruf abgesetzt hatten, war das portugiesische Containerschiff zum Rettungseinsatz beordert worden. 60 Seemeilen vor der Küste Libyens und 150 Seemeilen vor Lampedusa.
      Doch anstatt viele retten zu können, wurde die Besatzung der “King Jacob” Zeuge einer Katastrophe, berichtet Carlotta Sami, Sprecherin des UNHCR in Italien: “Als die Migranten und Flüchtlinge an Bord gesehen haben, wie sich diese Schiff nähert, waren sie wahrscheinlich aufgeregt. Und auf einem so vollen Boot reicht schon, wenn sich wenige Menschen bewegen, und das Boot kippt um, und alle fallen ins Wasser. Das passiert leider, denn diese Schleuser stopfen die Boote unwahrscheinlich voll”, sagte Sami.
      Quelle: tagesschau.de

      Anmerkung unseres Lesers W.W.: Wo ist hier eigentlich der Unterschied zwischen dem Absturz der Germanwings Maschine in den französischen Alpen und dem massenhaften gewollten Ertrinken im Mittelmeer?
      Für mich ist das vorsätzlicher Mord weil alle EU Regierungen durch ihr Nichthandeln darin involviert sind.
      D.h. auch die EU Staatsanwaltschaften erfüllen schon lange nicht mehr ihren Auftrag.

    3. Die Flüchtlings-Todesregion Nr. 1
      Mehr als 1.000 Ertrunkene binnen zehn Tagen sind das jüngste Resultat der deutsch-europäischen Flüchtlingsabwehr im Mittelmeer. Allein am gestrigen Sonntag kamen mutmaßlich 700 Menschen zu Tode, als ihr Boot auf dem Weg nach Europa kenterte. Nach dem Höchststand von 2014, als mindestens 3.500 Flüchtlinge die Überfahrt in die EU nicht überlebten, zeichnet sich für 2015 bereits jetzt eine neue Rekordzahl an Todesopfern ab. Ursache für das Flüchtlingssterben ist seit Jahren, dass Berlin und die EU mit der Hochrüstung der Grenze Flüchtlinge rücksichtslos auf immer gefährlichere Fluchtrouten abdrängen. Zudem hat die EU letzten Herbst auf deutschen Druck eine Seenot-Rettungsmission in eine Abschreckungsoperation der Grenzbehörde Frontex umgewandelt, weshalb in Seenot geratene Flüchtlinge jetzt kaum noch Chancen auf Rettung haben. Während es vor allem in den Staaten Südeuropas heißt, die EU müsse nun endlich wieder zur Seenot-Rettung übergehen, fordert Berlin eine weitere Verschärfung der tödlichen Abschreckung: Man müsse den “Schlepperorganisationen das Handwerk” legen, wird Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) zitiert.
      Quelle: German Foreign Policy
    4. Eine Minute Menschlichkeit
      Um die Flüchtlingskatastrophe im Mittelmeer ging es am Sonntag bei Günther Jauch. Zunächst war in der Sendung alles wie immer. Doch kurz vor Schluss erlebten die Zuschauer eine Sternstunde des Fernsehens und der Menschlichkeit – dank des Brandenburgers Harald Höppner. […]
      Höppner kaufte sich ein Schiff, weil er dagegen etwas tun wollte, nämlich Menschen retten. Darüber wollte Jauch mit Höppner sprechen – aber Höppner wollte nicht mit Jauch sprechen. Kaum dass Jauch neben ihm Platz nahm, sprang er auf, schritt aufs Gästepodest, drehte sich zum Studiopublikum und forderte eine Schweigeminute ein für die über 700 Flüchtlinge, die wenige Stunden zuvor auf dem Meer ums Leben gekommen waren. Und das Publikum stand auf, sogar Köppel erhob sich, und Jauch lief hinter Höppner her, so als ob er seine eigene Sendung einfangen müsste, die Sendung, die in diesem Moment nicht mehr „Günther Jauch“ hieß, sondern für eine wunderbar richtige Minute „Harald Höppner“.
      Quelle: Tagesspiegel

      Dazu: “Flüchtlingsdebatte bei Jauch gipfelt in absurder Schweigeminute”
      Bei Günther Jauch streiten Kombattanten von rechts und links vor dem Hintergrund der jüngsten Tragödie über Europas Flüchtlingsmisere. Zwischen den extremen Positionen klafft eine riesige Lücke: die Hilflosigkeit angesichts der Völkerwanderung.
      Quelle: Focus

      Anmerkung unseres Lesers M.K.: Das ist die Moral vom Focus: 900 elendlich verreckende Menschen auf dem Mittelmeer sind diesem Herrenrassenblatt nicht mal eine Minute wert, sondern lediglich “absurd”. Beschämend!

  2. Der Krieg via Ramstein
    Wie stark unterstützt Deutschland Obamas Drohneneinsätze gegen Terroristen? Geheime Pläne belegen nach SPIEGEL-Informationen die elementare Rolle der US-Militärbasis in der Pfalz. Dokumente zeigen, dass die Bundesregierung mehr weiß, als sie zugibt…
    In geheimen Dokumenten, die dem SPIEGEL und dem US-Internetportal “The Intercept” vorliegen, ist so detailliert wie nie zuvor dargestellt, wie Obamas “Krieg gegen den Terror” organisiert wird. Die Unterlagen, die aus amerikanischen Geheimdienstkreisen kommen und als “Top Secret” klassifiziert sind, stammen aus dem Juli 2012. Ein Schaubild zeigt, wie die US-Regierung den Einsatz der Drohnen strukturiert. Andere Dokumente ermöglichen es, den Ablauf der Operationen, etwa in Somalia, Afghanistan, Pakistan oder im Jemen, weitgehend nachzuvollziehen. Sichtbar wird dabei, dass ein ebenso zentraler wie umstrittener Part der Kriegsführung in Deutschland stattfindet…
    Die Grafiken dokumentieren, dass praktisch alle Drohnenangriffe der Air Force über Ramstein abgewickelt werden. Mögen die Piloten auf Militärbasen in Nevada, Arizona oder Missouri sitzen, mögen die Ziele der Todeskommandos am Horn von Afrika liegen oder auf der Arabischen Halbinsel: Das Hauptquartier der USAFE in der Pfalz ist fast immer involviert.
    Quelle: Spiegel Online

    Anmerkung WL: „Wenn von Ramstein aus Drohnenpiloten mit Signalen versorgt werden, die in mehreren Fällen zu verbrecherischen Aktionen geführt haben sollen, dann sind dort ansässige Soldaten Gehilfen oder sogar Mittäter. “Das ist schlicht Mord”, sagt der Kölner Völkerrechtler Björn Schiffbauer“, schreibt der Spiegel. Wo ist die Staatsanwaltschaft, die wenigstens ein Ermittlungsverfahren anstrebt?

    Ergänzung AM: Seltsam, vor kurzem noch hat der Botschafter der USA in Berlin verkündet – u.a. in einem Interview mit “Die Rheinpfalz”, Ramstein sei nicht in der jetzt berichteten Weise in Drohnenangriffe involviert.

    Ergänzende Anmerkung C.R.: Vor etwa einem Jahr wurde die Bundesregierung über ihr Wissen bezüglich Ramstein gefragt. Die NachDenkSeiten haben darauf hingewiesen: Die Antworten der Bundesregierung im Wortlaut.

  3. Schäubles »deutsche Arroganz« erzürnt Frankreich
    Nun ist man in Frankreich über den CDU-Politiker sauer – der das Nachbarland wegen angeblich schleppender Reformen kritisiert hat. Auf Empörung stieß vor allem die Art und Weise: Von links bis rechts äußerten französische Politiker sich kritisch über die deutsche Arroganz.
    Bei einer Diskussionsveranstaltung am Rande der Frühjahrstagung von Internationalem Währungfonds (IWF) und Weltbank in Washington sagte Schäuble: »Frankreich wäre froh, wenn jemand das Parlament zwingen könnte.« Das sei in einer Demokratie aber schwierig. Zuvor hatte er auf das Beispiel Spaniens verwiesen, wo Reformen, wie sie bei den Austeritätsanhängern in Berlin verstanden werden, unter dem Zwang der Gläubiger durchgesetzt wurden. »Das war sehr erfolgreich«, resümierte Schäuble.
    Die Antwort der französischen Regierung ließ nicht lange auf sich warten. »Frankreich hasst es, wenn man es zwingt«, sagte Schäubles Kollegen Michel Sapin der Nachrichtenagentur AFP am Freitag. »Das Vokabular der Bestrafung, der Sanktionen und des Zwangs sorgt dafür, dass Europa verabscheut wird.«
    Quelle: ND

    Anmerkung WL: Dieser verbitterte, altersstarrsinnige Mann führt Deutschland immer mehr in eine außenpolitische Isolierung. Er reißt alte Wunden unserer Nachbarn auf und macht kaputt, was über Jahrzehnte an Vertrauen aufgebaut worden ist.
    Es wird Zeit, dass er endlich zurücktritt.

  4. Griechenland
    1. Die politische Elite will den »Grexit«
      In den nächsten Wochen und Monaten steht die Linksregierung in Athen vor enormen finanziellen Zins- und Tilgungsverpflichtungen, die die laufende Wirtschaftsleistung Griechenlands deutlich überfordern. So werden im Juli und August insgesamt 6,7 Mrd. Euro an die EZB fällig. Die Regierung in Athen ringt seit ihrem Wahlsieg Ende Januar mit der Euro-Gruppe und dem IWF um die Reformauflagen für weitere Zahlungen von 7,2 Mrd. Euro aus dem zweiten Hilfsprogramm, das Ende Juni abläuft.
      Der Druck auf die Regierung wächst. Allein die Kosten für die laufenden Verpflichtungen im eigenen Land, wie Staatsgehälter und Pensionen, betragen 2,4 Mrd. Euro. An den IWF werden am 1. Mai 203 Mio. Euro, am 12. Mai 770 Mio. Euro und im Juni noch einmal 1,6 Mrd. Euro fällig.
      Das Bemühen der Regierung dort einen Zahlungsaufschub zu erreichen, ist von der IWF-Chefin Christine Lagarde schroff abgelehnt worden. »Uns hat noch nie eine entwickelte Volkswirtschaft um einen Zahlungsaufschub gebeten.« Und es sei mehr als 30 Jahre her, dass der IWF einem Entwicklungsland einen gewährt habe. Während die anderen Gläubiger inzwischen die Rückzahlung ihrer Kredite erst ab dem Jahr 2020 fordern, muss Griechenland die IWF-Kredite pünktlich bedienen.
      Quelle: Sozialismus aktuell
    2. VIDEO: German and Greek finance ministers speak at Brookings, offer different views on eurozone issues
      As finance ministers from around the world gather in Washington, DC this weekend for the annual meetings of the IMF and World Bank, Brookings hosted two of them, separately, in back-to-back events yesterday: Germany’s Wolfgang Schäuble, and Greece’s Yanis Varoufakis. The convergence of the two ministers is of particular interest because the government in Athens is out of money, is unable to borrow on global bond markets, and is dependent on loans from the rest of Europe and the IMF. But Greece’s creditors, including Germany, are reluctant to lend Greece more money unless Athens institutes firm commitments to make Greece economically more competitive.
      Quelle: BROOKINGS

      Anmerkung RS: Die Videos der jeweiligen Diskussionen können hier abgerufen werden:

  5. Familien beherrschen Dax-Konzerne
    Die größten deutschen Firmen werden von wenigen, einflussreichen Familien gelenkt. Das ist das Ergebnis einer Studie. Besonders stark konzentriert sich die Macht bei einem Pharma-Konzern.
    Volkswagen mit den beiden herrschenden Familien Piëch und Porsche ist einer Studie zufolge kein Einzelfall unter deutschen Großunternehmen. In mehr als jedem dritten Dax-Konzern ziehen Familien im Hintergrund die Strippen, ergab eine Analyse des Beratungsunternehmens Barkow Consulting, die der “Welt am Sonntag” vorliegt.
    Nach bloßen Anteilen hätten gerade einmal vier Familien die Mehrheit an einem Dax-Konzern. “Der Einfluss der Dynastien offenbart sich erst dann, wenn es um die Macht ihrer Stimme geht”, sagte Studienautor Wolfgang Schnorr. Bei elf der 30 Dax-Konzerne seien die Familien so mächtig, dass sie auf den Hauptversammlungen Mehrheiten durchsetzen können.
    Quelle: n-tv

    Anmerkung JB: Mir liegt die genannte Studie leider nicht vor, aber ich halte die Überschrift von n-tv für grob fahrlässig. Es ist richtig, dass einzelne DAX-Konzerne in der Tat von den Gründerfamilien kontrolliert werden. Schaut man sich jedoch die Besitzverhältnisse der gesamten DAX-Konzerne an, nehmen diese Gründerfamilien mit „nur“ 9% eher eine Minderheitsposition ein. Der mit Abstand größte Teil der deutschen Großkonzerne gehört „institutionellen Anlegern“, also Großbanken, Fondss unbd Beteiligungsgesellschaften – oft aus den USA und den europäischen Nachbarländern:

    Die Grafik stammt aus meinem Buch „Wem gehört Deutschland“, das seit letzter Woche auch als überarbeitete Taschenbuchausgabe vorliegt.

  6. Freihandel
    1. “Die USA und Europa brauchen keine Paralleljustiz”
      Wie gut findet die deutsche Wirtschaft das Handelsabkommen TTIP wirklich? Mario Ohoven vertritt den Mittelstand. Er hat Bedenken, vor allem gegen Schiedsgerichte.
      ZEIT ONLINE: Herr Ohoven, es heißt immer, die deutsche Industrie stehe fest hinter dem geplanten europäisch-amerikanischen Abkommen TTIP. Sie vertreten 267.000 mittelständische Unternehmen in Berlin und viele von denen haben offensichtlich Bedenken. Welche?
      Mario Ohoven: Wir sind TTIP-Befürworter, sehen aber auch die Gefahren für den Mittelstand. So sind wir entschieden gegen private Schiedsgerichte, die durch den Vertrag ermöglicht werden sollen und die ausländischen Investoren ein besonderes Klagerecht geben würden. Warum sollten wir ausländische Investoren bevorzugen? So eine Idee hat in dem Abkommen nichts zu suchen. Außerdem können sich eh nur große Konzerne diese Klagen leisten …
      ZEIT ONLINE: Der Bundesverband der deutschen Industrie sagt, gerade kleine und mittlere Unternehmen hätten Vorteile durch solche Schiedsgerichte.
      Ohoven: Ich wüsste nicht, welche. Der BDI spricht vor allem für die großen Konzerne. Ein Mittelständler braucht so etwas gar nicht. Mit einer Klage vor ein Schiedsgericht zu ziehen, kostet im Schnitt sechs Millionen Euro. Das ist für Konzerne kein großes Problem, die allermeisten unserer Mitglieder könnten sich das aber gar nicht leisten. Wenn die dafür zwei Millionen ausgeben müssten, dann sind sie am nächsten Tag pleite. Das sieht man übrigens auch an den Zahlen, gerade mal ein Fünftel der Klagen wird von Privatleuten oder mittelständischen Unternehmen angestrengt.
      Quelle: Zeit Online
    2. Der schwierige TTIP-Zeitplan
      Interne Dokumente enthüllen: Die Verhandlungen zum wichtigsten Freihandelsabkommen zwischen Europa und den USA drohen festzufahren. Damit könnte TTIP scheitern.
      Eigentlich müsste doch alles so einfach sein. Die Staaten der EU und die USA stehen sich nah; Popcorn und Pommes Frites sind auf beiden Kontinenten beliebt und außerdem ist die Wirtschaft eng miteinander verflochten. Da müsste ein Handelsabkommen doch zügig ausgehandelt sein. Möchte man meinen. Doch nun droht der Zeitplan zum Freihandelsabkommen TTIP zu scheitern. Und damit gerät das Abkommen selbst unter Druck.
      Wie aus internen Papieren der Bundesregierung hervorgeht, gibt es in fast allen Bereichen, über die verhandelt wird, Konflikte. Selbst die EU-Kommission weist bereits intern darauf hin, dass man viel mehr Zeit brauche, um ein gutes Abkommen zu verhandeln.
      Dabei sollte TTIP nach dem Wunsch von Bundeskanzlerin Angela Merkel und EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker bis Ende des Jahres unter Dach und Fach sein, um nicht in den amerikanischen Wahlkampf hineingezogen zu werden. Denn das könnte die Gespräche schnell ruinieren, so die Befürchtung. Wer US-Präsident werden will, muss US-Interessen schützen und kann nicht einfach den Freihandel mit Europa fördern. (…)
      Über die Schwierigkeiten bei den Gesprächen ist bis jetzt so gut wie nichts bekannt – auf Wunsch der Regierungen aus Europa und den USA wird hinter geschlossenen Türen verhandelt, ohne Einbindung der Öffentlichkeit. Die Heimlichtuerei soll offenbar dabei helfen, Probleme zu vertuschen.
      Zu diesem Eindruck kommt man jedenfalls, wenn man die internen TTIP-Papiere liest, die CORRECT!V auf seiner Internetseite veröffentlicht.
      Quelle: CORRECT!V
    3. „Krieg gegen arbeitende Amerikaner“
      Die Allianz gegen das Schnellverfahren, mit dem der US-Kongress TTP und TTIP beschließen will, wächst. Aber nützen wird das nichts.
      Stahlarbeiter, Umweltschützer und demokratische Kongressabgeordnete stehen unter den blühenden Kirschbäumen vor dem Kapitol in der US-Hauptstadt. „Nein zum Fast Track“ steht auf ihren Transparenten. Sie sind wütend. Immer wieder erheben sie die Fäuste.
      An diesem Mittwoch wettern sie gegen ein beschleunigtes Verfahren („Fast Track“) bei der Abstimmung des Kongresses; gegen die beiden Freihandelsabkommen überhaupt – mit den pazifischen Ländern, TPP, und mit der EU, TTIP – und, ohne seinen Namen zu nennen, auch gegen ihren eigenen Präsidenten.
      „Wir haben Freihandel ausprobiert“, sagt Senator Bernie Sanders, „es funktioniert nicht.“ Er nennt „Millionen von Arbeitsplätzen“ und „60.000 Fabriken“ in den USA, die dem Freihandel mit Mexiko und Kanada seit 1994 zum Opfer gefallen seien. Er spricht von einem „Krieg gegen arbeitende Amerikaner“.
      Quelle: taz
    4. Das Tagebuch des täglichen Wahnsinns
      Der alltägliche Wahnsinn: erlebt, erlitten, aufgezeichnet von Claus von Wagner, einem der neuen jungen Kabarettisten aus Bayern. Eine frische Generation. Schnell, frech. Anders!
      Quelle: BR
  7. Sparen ist nicht alles
    Was Europa aus den Krisen Lateinamerikas lernen kann, um den Euro zu retten
    Es gibt einen sicheren Weg, um mit lateinamerikanischen Politikern und Sozialwissenschaftlern in einen Streit zu geraten. Man muss mit ihnen nur über Lateinamerikas “verlorene Dekade” der achtziger Jahre diskutieren und dann den “Washington Consensus” verteidigen. Diese Kurzformel steht für durch die Weltbank und den Internationalen Währungsfonds betriebene haushalts- und arbeitsmarktpolitische Reformen für überschuldete lateinamerikanische Staaten. Sie waren die vertraglich vereinbarte Gegenleistung der Schuldnerstaaten für frisches Kapital von den Gläubigerstaaten. Ihre Kritiker verbinden damit vor allem kurzsichtige Sparprogramme, die schlimme konjunkturelle und soziale Folgen hatten. Gegner der Sparpolitik in Europa rechtfertigen damit heute ihre Position.
    In der Tat gibt es Ähnlichkeiten zwischen Lateinamerika damals und Europa heute. Damals wie heute haben Staaten ihre Ausgaben reduziert und ihre Einnahmen erhöht, weil sie ihren finanziellen Verpflichtungen sonst nicht mehr hätten nachkommen können. Außerdem haben Lateinamerikas Staaten ihre eigenen Währungen abgewertet, um ihre Produkte im Ausland billiger zu machen und damit mehr zu verkaufen. In Europa wurden vor allem die Löhne gekürzt, um diesen Effekt zu erzielen. Ergänzt wurden die Programme durch Privatisierungen öffentlicher Betriebe.
    Quelle: Zeit Online

    Anmerkung unseres Lesers J.K.: Nachdem der Autor zunächst der Anschein einer kritischen Reflexion der europäischen Krisenpolitik erweckt , und, Oh Wunder, Sparen als die einzige eierlegende Wollmilchsau infrage stellt, schließt er schlussendlich doch nur mit der Forderung nach weiterer Deregulierung und Privatisierung. So geht Propaganda.
    “Auch hier lässt sich aus der Lateinamerika-Krise lernen: Ende der achtziger Jahre boten die USA Mexiko die weitere Öffnung des US-Marktes durch die Gründung der Nordamerikanischen Freihandelszone an. Ähnliches könnten in Europa Reformen hin zu einer Vertiefung des Binnenmarktes leisten. In Deutschland sind etwa noch immer weite Bereiche des Dienstleistungssektors hoch reguliert und in den Händen nationaler, oft öffentlicher, Anbieter. Noch immer sind restriktive nationale Produktstandards eine Zugangsbarriere für Anbieter aus anderen EU-Ländern. Das sollte sich ändern. Die oft strapazierte Solidarität erhielte jenseits der finanziellen Hilfen viel mehr Glaubwürdigkeit, würde sie sich am Post-Washington-Consensus orientieren.”

  8. Reaktionen auf Medienkritik an der Weltbank
    Nach Berichten von NDR, WDR und “Süddeutscher Zeitung” ist es bei weltbankfinanzierten Großprojekten in vielen Fällen zu gewaltsamer Vertreibung, Vergewaltigung und Mord gekommen. Jetzt reagieren deutsche Politiker aller Parteien und Nichtregierungsorganisationen auf die Vorwürfe. Sie kritisierten sowohl die Weltbank als auch die Bundesregierung.
    Bei Projekten der größten Entwicklungsorganisation der Welt sind in den letzten zehn Jahren 3,4 Millionen Menschen umgesiedelt worden oder haben teilweise ihre Lebensgrundlage verloren. Eigentlich gibt es strenge Richtlinien für finanzielle Hilfen der Weltbank, doch sind sie in vielen Fällen übergangen worden. (…)
    Die SPD-Entwicklungspolitikerin Bärbel Kofler sieht bei der Weltbank einen Trend, Projekte einfach durchzudrücken, wobei zu wenig auf menschenrechtliche Standards geachtet werde. Sie sagte im NDR, sie fände es katastrophal, wenn die Weltbank selbst keinen Überblick mehr über die Umsiedlungskonsequenzen ihrer Projekte habe: “Hier gehört Klarheit rein, Transparenz und eine andere Politik.”
    Auf die Politik der Weltbank kann die Bundesregierung entscheidend Einfluss nehmen, denn sie stellt einen der 25 Exekutivdirektoren. Das Gremium entscheidet laut Bundesentwicklungsministerium über etwa 600 Projekte jährlich. Doch seit Ende 2013 hat Deutschland nur ein einziges Projekt abgelehnt.
    Quelle: WDR
  9. Staatsbankrott – Immer wieder blank
    Historisch betrachtet ist ein Staatsbankrott kein seltenes Ereignis. Es kommt auch dann vor, wenn ein Staat eigentlich noch genug Geld hat.

    Quelle: Katapult Magazin

  10. Agentur für Tagelöhner
    Ein-Euro-Jobs sind in Hamburg out. Erwerbslose und Rentner können sich jetzt aber kurzzeitig verdingen – für maximal einen Fünfer pro Tag (…)
    Das Projekt »Tagwerk« läuft bereits seit Februar. Neben »Mook wat« (zu hochdeutsch: »Mach was«) bieten sieben weitere Träger derlei Beschäftigung in verschiedenen Stadtteilen an, wie die Dulsberger Projektleiterin Dörte Berger gegenüber jW berichtete. An der Hamburgischen Bürgerschaft und den einzelnen Bezirksversammlungen sei die Planung für dieses Programm komplett vorbeigegangen, beklagt die Linke-Abgeordnete Inge Hannemann. Sie habe zufällig davon erfahren und beim Senat nachgefragt, berichtete sie am Donnerstag im Gespräch mit jW.
    Nach dessen Angaben hält der Verein »Mook wat« 30 Tagesjobs vor. Gedacht seien diese vorrangig für »besonders arbeitsmarktferne Arbeitslose« bzw. »Hartz-IV-Berechtigte mit vielfältigen Vermittlungshemmnissen«, heißt es in der Antwort der Behörde in bestem Amtsdeutsch. Als solche gelten Suchtprobleme, Krankheit, Obdachlosigkeit – oder Kinder. Daneben könnten sich sonstige »einkommensschwache Bedürftige« verdingen. »Das Projekt soll einen niederschwelligen offenen Einstieg in weitergehende beschäftigungsfördernde Maßnahmen oder Hilfen bieten«, erklärt der Senat. Und: Die »einfach strukturierten Tätigkeiten« erforderten keine Vorkenntnisse. So könnten Projektteilnehmer »ihre Arbeitsfähigkeit erproben und ausbauen sowie ihre kognitiven und motorischen Fähigkeiten (re)aktivieren«. Sie sollten sich »eine Tagesstruktur aufbauen und ihre persönliche Einstellung zur Arbeit verändern«. Erhebungen über letztere legen die Regierenden allerdings nicht vor.
    Quelle: junge Welt
  11. Zur Rente verdammt
    Die Programmiererin Rose-Rita Schäfer geht heute mit 65 Jahren in Rente, leider. Denn sie würde gerne länger arbeiten. Doch das geht nicht. Deswegen lädt sie ihre Kollegen zur „Trauerfeier“.
    Rose-Rita Schäfer hat ihre Kollegen zur „Trauerfeier“ geladen. Denn an diesem Freitag trägt sie ihr Berufsleben zu Grabe. Im Juli wird sie 65 Jahre alt. Im August dürfte sie in Rente gehen, doch dank Resturlaubs und eines prallgefüllten Überstundenkontos ist schon Mitte April Schluss. Die meisten Menschen würden wahrscheinlich sagen, dass Schäfer früher in den Ruhestand gehen darf. Sie selbst redet von „müssen“. Sie will nicht zum „alten Eisen“ gehören und fühlt sich schon diskriminiert, wenn sie von Dingen liest wie „Handy 50 plus mit extra großen Tasten“ oder „Internetkurse für Senioren.“ „Das klingt, als wäre man ein bisschen blöd“, klagt Schäfer. (…)
    Frau Schäfer hat dafür gekämpft, dass sie weitermachen darf. Sie arbeitete als Programmiererin für den Optikkonzern Zeiss im hessischen Wetzlar. Ein paar Jahre hätte sie gern noch gearbeitet, doch sie hat verloren. Deshalb nennt sie den letzten Umtrunk im Kollegenkreis eine „Trauerfeier“. Viele verstünden aber gar nicht, wo ihr Problem liegt. Einige der Jüngeren fänden es zwar gut, dass sie weiterarbeiten wolle, glaubt Schäfer. Bei den mittelalten nehme die Skepsis schon zu, sie machten dann Witze wie: „Du kannst gerne meine restlichen Jahre bis zur Rente haben.“ Klarer fielen die meisten Kommentare von Kollegen in ihrem Alter aus: „Du spinnst, sei doch froh.“ Nur zwei oder drei hätten sich getraut und ebenfalls den Wunsch geäußert, gerne länger arbeiten zu wollen.
    Quelle: Frankfurter Allgemeine

    Anmerkung unseres Lesers J.A.: Der FAZ-Propagandist Astheimer verbreitet ja auch sonst gerne die aktuellen Jubelmeldungen vom Arbeitsmarkt und den Unsinn vom angeblichen Arbeitskräftemangel (bei über 6 Millionen Arbeitslosen). Mit diesem dreist manipulativen Artikel hat er sich selbst übertroffen, denn selbstverständlich dürfen auch Rentner arbeiten. Nachdem Astheimer alle möglichen Schuldigen durchgehechelt hat (die uneinsichtige Politik, die Betonköpfe von der Gewerkschaft, …), erfolgt erst im letzten Drittel des Artikels die Auflösung: der Arbeitgeber, die Firma Zeiss, möchte der armen Frau keinen Arbeitsplatz mehr geben; warum, ist unbekannt. Aber immerhin hat Astheimer nebenbei die üblichen BDI-Topoi verstreut: Überalterung, Fachkräftemangel, “Ältere müssen länger arbeiten”, die Alten haben genug zum Leben, wollen aber arbeiten, Menschen, die mit 50 oder 60 körperlich am Ende sind und Altersarmut gibt es nicht… Es wäre schön, wenn die FAZ mal mit derselben Verve z. B. das Schicksal der vielen von Karstadt entlassenen Verkäuferinnen behandeln würde, die auch gerne arbeiten würden, aber nicht dürfen…

  12. Zahl der Kinder in Hartz-IV-Haushalten steigt wieder an
    Die Zahl der unter 15-jährigen, die auf Hartz-IV-Leistungen angewiesen sind, steigt wieder. Es sind über 1,6 Millionen Kinder, etwa die Hälfte lebt bei Alleinerziehenden.
    Immer mehr Kinder unter 15 Jahren leben einem Zeitungsbericht zufolge von Hartz IV. Die Zahl der unter 15jährigen in betroffenen Haushalten sei 2014 um ein Prozent auf 1.634.095 gestiegen und damit auf den höchsten Stand seit 2010. Das berichtet die Bild-Zeitung unter Berufung auf Zahlen der Bundesagentur für Arbeit (BA). 343.897 Kinder seien unter drei Jahre alt, 463.179 zwischen drei und sieben, 827.019 zwischen sieben und 15 Jahre alt. 822.000 der Kinder lebten dem Bericht zufolge bei Alleinerziehenden Hartz-IV-Empfängern.
    Quelle: Zeit Online
  13. Wie die Autobahnräuber der Fratzscher-Kommission die eigenen Lügen entlarven
    Am Dienstag wird Marcel Fratzscher seinem Auftraggeber Sigmar Gabriel das Gutachten seiner Infrastrukturkommission übergeben. Den eigentlichen Zweck der Aktion, Allianz und Co. auf Kosten der Steuerzahler und der ADAC-Mitglieder (als Mautzahler) die Kapitalerträge zu subventionieren, wird hinter einer ganzen Reihe von Lügen versteckt. Man braucht nur den Bericht genau zu lesen, um diese Lügen zu entlarven. Bevor wir uns dieser kurzweiligen Übung zuwenden, seien noch kurz Felix Rohrbeck und Mark Schieritz aus der letzten „Zeit“ zitiert, die sich endlich kritisch diesem Thema annehmen, das die Mainstram-Medien bisher im Wesentlich dem Handelsblatt, dem Tagesspiegel und meinem Blog überlassen hatten:
    „Rasen für die Rente! Wenn es nach Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel eingesetzten Expertenkommission geht, dann sichern womöglich bald die Autofahrer die Altersvorsorge. Deutsche Autobahnen würden zur mautpflichtigen Einnahmequelle für Kleinanleger und Finanzindustrie.“
    Denn, wie hier ausführlicher nachzulesen, muss das gescheiterte Modell der kapitalgedeckten Altersvorsorge irgendwie gerettet werden, zum Beispiel, indem den Versicherern und sonstigen Trägern die Renditen subventioniert werden. Dass die letztjährige Rekorddividende des angeblich so schwer unter den Niedrigzinsen ächzenden Versicherers Allianz nicht möglich gewesen wäre, wenn die Gesellschaft nicht auf solche Großzügigkeit hoffen dürfte, kommt noch hinzu, wird aber in diesem Zusammenhang ungern erwähnt.
    Hier im Überblick die fünf Lügen, die die Kommission selbst enttarnt:
    Lüge 1: Eine Staatsgarantie für die Verkehrs-Infrastrukturgesellschaft führt dazu, dass deren Schulden dem Staat zugerechnet werden.
    Lüge 2: Die Hoheit der Parlamente soll gewahrt werden.
    Lüge 3: Die Anleger werden für die Übernahme von Risiko vergütet.
    Lüge 4: Die Einbeziehung von Privatinvestoren bringt Kosten-, Effizienz- und Geschwindigkeitsvorteile.
    Lüge 5: Die vorgeschlagenen „Infrastrukturgesellschaften für Kommunen (IfK)“ sollen diese ohne Interessenbindung beraten.
    Quelle: Norbert Häring

    Passend dazu: Ärger um Privatisierung – Die fragwürdigen Berater des Bundes
    Die Bundesregierung lässt sich bei Neubauten und IT-Vorhaben oft von einer umstrittenen Firma beraten. Deren Anteilseigner profitieren am Ende von den Projekten. Die Opposition fürchtet den Ausverkauf der öffentlichen Infrastruktur.
    Anfang vergangener Woche feierte sich die Große Koalition mal wieder selbst. Bauministerin Barbara Hendricks (SPD) verlieh Forschungsministerin Johanna Wanka (CDU) ein Zertifikat für nachhaltiges Bauen. Man hätte es auch Zertifikat für teures Bauen nennen können.
    Es ging um das neue Ministerium von Wanka in der Nähe des Berliner Hauptbahnhofs. Voriges Jahr bezogen erste Beamte den 260 Millionen Euro schweren Komplex aus grünem Naturstein mit vertikalen Schlitzfenstern. Ein Konsortium um den Baukonzern BAM hat das Ministerium errichtet und wird es bis zum Jahr 2041 betreiben. Im Gegenzug erhalten die Investoren jährlich rund sechs Millionen Euro für Miete und Instandhaltung vom Staat.
    Fachleute sprechen von öffentlich-privaten Partnerschaften, kurz ÖPP: Die Regierung vermeidet die hohen Baukosten, stattdessen muss sie jahrzehntelang üppige Mieten zahlen. Die Große Koalition will die private Finanzierung von öffentlicher Infrastruktur in den kommenden Jahren massiv ausweiten, obwohl sich der Bund fast zum Nulltarif verschulden kann.
    Quelle: Spiegel Online

  14. Schweiz: Private Sicherheitsdienste übernehmen Polizeiaufgaben
    Juristen warnen vor einer Erosion des staatlichen Gewaltmonopols
    Ein Gesetz, das Anfang des Jahres in Kraft trat, finanzielle Nöte und ein Belastungs-und Anspruchsphänomen, das mit “24-Stunden-Gesellschaft” umschrieben wird, hat in der Schweiz dazu geführt, dass bestimmte polizeiliche Aufgaben ausgelagert werden. Private Sicherheitsfirmen übernehmen, zu einem weitaus günstigeren Preis. Aktuell haben sich nun mehrere Gemeinden im Umkreis von Basel dieser Auslagerung angeschlossen, was in Medien zu kritischer Aufmerksamkeit führt. (…)
    Die überforderte Polizei, deren Kosten allein schon durch den Ausbildungsaufwand höher liegen, sei auf dem Rückzug, die Sicherheitsbranche habe Konjunktur, kommentierte die NZZ heute alarmiert. Die Zahl der Angestellten in dieser Branche nehme jährlich um rund fünf Prozent zu.
    Das Problem sei, dass Sicherheit nur “vorgegaukelt” werde, weil die Kompetenzen der Sicherheitsmitarbeiter zu beengt sind, um tatsächlich Polizeiaufgaben zu übernehmen. Als Beispiel wird in Medien die Situation genannt, dass es die Security-Angestellte bei einer Ruhestörung mit unbequemen Zeitgenossen zu tun bekommen, wofür die Polizei, die aber nicht vor Ort ist, die besseren Mittel hätte.
    Quelle: Thomas Pany auf Telepolis

    Anmerkung C.R.: Ist es nur noch eine Frage der Zeit bis entsprechende Gesetz auch in Deutschland oder der gesamten Europäischen Union existieren?

  15. Orwell 2.0
    1. Big Brother Awards 2015: Im Westen nichts Neues
      Zur Stunde werden in Bielefeld die Big Brother Awards verliehen. Neben deutschen Ministerien und Geheimdiensten sind diesmal auch Preisträger US-amerikanischer Prägung dabei, für die das Wort Datenschutz ein Fremdwort ist.
      Telemedizinische Datenautobahn
      Bekanntlich will Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) Tempo machen auf der telemedizinischen Datenautobahn und den in der Garage schlummernden Sportwagen Gesundheitskarte auf Hochtouren bringen. Für sein geplantes e-Health-Gesetz bekommt Gröhe den Big Brother Award in der Kategorie Verbraucherschutz, wie ihn zuvor schon einmal Gesundheitsministerin Ulla Schmidt kassierte. Das war im Jahre 2004, als mit dem GKV-Modernisierungsgesetz die elektronische Gesundheitskarte eingeführt wurde. Nun wird sie beschleunigt und dass nicht zu unser aller Gesundheit, meint die Jury, sondern einzig und allein, um der IT-Industrie satte Erlöse zu bescheren. Rund 15 Milliarden Euro werden so ausgegeben und kommen dem Shareholder Value der Firmen zugute, heißt es in der Preisbegründung.
      Gleich zwei Minister dürfen sich über einen Preis in der Kategorie Politik freuen. Denn prämiert die verschleppende und bremsende Haltung von Deutschland bei der Europäischen Datenschutzgrundverordnung. Um diese Verordnung wird seit Jahren gerungen, deshalb geht der Big Brother Award zu gleichen Teilen an den Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) wie an seinen Amtsvorgänger Hans-Otto Friedrich (CSU), die bei der “Grundrechtsvernichtung” ganze Arbeit geleistet haben, wie die Jury anmerkt.
      Quelle: heise online
    2. Terrorbekämpfung: Europol soll das Internet stärker überwachen
      Neben dem Projekt “Check the Web” zur Beobachtung terroristischer Umtriebe im Netz wird Europol eine neue “Hinweisstelle” auf extremistische Inhalte einrichten.
      Bei Europol laufen die Pläne auf Hochtouren, Anfang Juli ein neues Hinweiszentrum auf Propaganda und sonstige Aktivitäten insbesondere islamistischer Terrorgruppen im Internet in Betrieb zu nehmen. Die entsprechende Stelle solle die Expertise, die sich die Polizeibehörde mit dem Projekt “Check the Web” und dem Europäischen Cybercrime-Zentrum aufgebaut habe, “weiterentwickeln”, hat die Bundesregierung jetzt in Antwort auf eine Anfrage der Linken im Bundestag erklärt. Es sei aber nicht vorgesehen, Check the Web in die neue Einheit umzuwandeln. (…)
      Die 2007 gestartete und vom Bundeskriminalamt mit vorangetriebene Überwachungsinitiative soll eigentlich bereits Online-Äußerungen bekannter Terroristenvereinigungen wie ISIS oder al-Qaida auswerten und den Informationsaustausch einschlägiger Experten der EU-Mitgliedsstaaten verbessern. Worin der Unterschied der künftigen Meldestelle zum derzeitigen “Fokuspunkt” Check the Web liegen soll, steht nach Angaben des federführenden Bundesinnenministeriums daher “noch nicht fest”. Die Ausgestaltung und Arbeitsweise des Zentrums werde derzeit noch in den EU-Gremien erörtert.
      Eingebracht hat den Vorschlag für die geplante Einheit nach Regierungskenntnis im Januar der Anti-Terror-Koordinator Gilles de Kerchove. Berichten zufolge soll die Stelle terroristische und extremistische Online-Inhalte ausfindig machen und Polizeiämter der Mitgliedsstaaten bei einschlägigen Untersuchungen helfen. Beobachter gehen davon aus, dass eine engere Kooperation der “Hotline” mit Internetprovidern angestrebt wird. Ersuchen zum Löschen einschlägiger Inhalte käme so ein größeres Gewicht zu.
      Quelle: heise online
    3. Verfassungsschutz baut Internetüberwachung aus
      Ziel ist die schnelle Analyse großer Datenmengen trotz des “stetig zunehmenden Kommunikationsverhaltens” und der “Nomadisierung” des Nutzungsverhaltens, um Kommunikationsnetze und Bewegungsprofile zu erstellen
      Das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) beabsichtigt den Aufbau einer Einheit “Erweiterte Fachunterstützung Internet” (EFI). Vorgesehen sind dafür, wie aus einem Konzept des BfV hervorgeht, das Netzpolitik zugespielt wurde und veröffentlicht hat, 6 Referate mit 75 Vollzeitstellen. Bereits im Juni 2014 berichteten Medien über die neue Einheit, mit deren Aufbau im April 2014 begonnen wurde.
      Das BfV erachtet angesichts “der sich verändernden Kommunikationsformen und -medien im Internet … in Bezug auf die Informationssammlung und -auswertung eine strategische und organisatorische Neuaufstellung” als erforderlich. Dazu soll die “Telekommunikationsüberwachung von internetgestützter Individualkommunikation nach dem Artikel-10-Gesetz” verbessert und ausgebaut werden. Zudem sollen neue Methoden und Maßnahmen zur Datenauswertung entwickelt werden, die eine “Einordnung in einen komplexen Rechtsrahmen, ohne dass G-10 einschlägig ist”.
      Nach Netzpolitik.org dient die neue Einheit der Entwicklung eines Systems der automatisierten Massendatenauswertung, obgleich der BfV nur Einzelpersonen überwachen darf. Die Auswertung soll unter den Voraussetzungen der Verschlusssachenanweisung auswerten, um “bislang unbekannte und nicht offen erkennbare Zusammenhänge zwischen einschlägigen Personen und Gruppierungen im Internet festzustellen”.
      Quelle: Telepolis

      Anmerkung C.R.: Auffällig ist – leider – die Reklame rechts neben dem Artikel für ein Call-Center, das keinen Betriebsrat hat und vermutlich nahezu jedes Telefongespräch aufzeichnet. Offenbar schaltet dieses Call-Center in einigen überregionalen Medien Anzeigen. Hat sich die wohl meist prekär beschäftigte/bezahlte Mitarbeiterschaft dieser Firma noch nie gefragt, was mit ihrem erzielten Mehrwert (= Unternehmensgewinn) geschieht?
      Die NachDenkSeiten haben bereits auf fragwürdige Aktionen des Unternehmens hingewiesen: Osnabrücker Firma KiKxxl spendet 50000 Euro.

  16. Russland/Ukraine
    1. Morde an Regimegegnern
      Mindestens drei ukrainische Journalisten getötet. Vorwurf: »prorussisch«. Regierung ruft zu Denunziationen auf
      Die Serie der Morde an Gegnern der ukrainischen Machthaber geht weiter. Allein in dieser Woche wurden in Kiew ein ehemaliger Abgeordneter und zwei Journalisten erschossen. Zu den beiden Attentaten bekannte sich die Faschistengruppe »Ukrainische Aufständische Armee« (UPA), wie dpa am Freitag meldete. Die Organisation habe damit gedroht, weitere »antiukrainische« Personen zu töten, sollten diese bis Montag abend nicht das Land verlassen haben. Eine weitere Journalistin wurde in einer Provinzstadt tot aufgefunden. (…)
      Während der Mord an Busina selbst vom US-Außenministerium »verurteilt« wurde, konnten sich weder das ukrainische Innenministerium noch Präsident Petro Poroschenko bisher ein Wort des Beileids für die Familien der Ermordeten abringen. Anton Geraschtschenko, als »Berater« des Innenministeriums für Pressearbeit und – anscheinend – Desinformation zuständig, verkündete auf Facebook, offenbar würden die Mitwisser staatsfeindlicher Aktionen gegen die Ukraine jetzt liquidiert. Wer noch etwas zu verbergen habe, solle sich den Behörden stellen, um dem Schicksal Kalaschnikows und Businas zu entgehen. Poroschenko ließ auf seiner Webseite erklären, die Morde seien von Russland inspiriert, um von der Tötung des russischen liberalen Politikers Boris Nemzow abzulenken und die Ukraine zu diskreditieren.
      Quelle: junge Welt
    2. 173rd Airborne Brigade arrives in Ukraine for Fearless Guardian
      About 300 paratroopers, from the 173rd Airborne Brigade, arrived at the International Peacekeeping and Security Center, April 14 – 15, to begin a six-month training rotation with Ukrainian national guard forces, here.
      “The 173rd Airborne Brigade is here to train with Ukrainian forces,” said Maj. Jose Mendez, a brigade operations officer. “We will be conducting classes on war-fighting functions, as well as training to sustain and increase the professionalism and proficiency of military staffs.”
      The training, known as Fearless Guardian, is for the newly-formed national guard under the congressionally-approved Global Contingency Security Fund. Under the program, the United States will begin training three battalions of Ukrainian troops during the six-month period.
      Two companies, from the brigade and a battalion staff, will train two Ukrainian national guard companies and their respective staff in each of the three two-month training rotations. Soldiers and paratroopers will focus on building capacity with the newly established national guard units.
      “We can talk about partnership all day,” said 1st Sgt. Christopher J. Valverde, Troop B, 1st Squadron, 91st Cavalry Regiment, 173rd Airborne Brigade. “But it is at the lowest level, when the Soldiers interact together, where real relationships are built and the more beneficial the training becomes.”
      While the Americans have come fully ready to share knowledge, they also are anxious also to learn.
      “Coming to Ukraine is a great opportunity for our troop,” said Capt. Matthew Carpenter, commander, Troop B. “We will not only teach our Ukrainian peers what we know, but we will also try to learn from them as much as we can.”
      Today, the brigade, as the Army Contingency Response Force in Europe, is conducting continuous operations in six different countries.
      Quelle: U.S. Army

      Dazu: Amerika gießt Öl ins ukrainische Feuer
      Die USA entsenden Soldaten in die Westukraine. Das kann eine lebensgefährliche Eskalationsspirale in Gang setzen. Die Kanzlerin muss hart bleiben: keine Waffen, keine Soldaten.
      Vor drei Tagen meldete das US Army Command, es sollten 300 Soldaten der 173. Luftlandebrigade aus Italien in die Westukraine verlegt werden – Operation “Furchtloser Hüter”. Sie sollen dort der ukrainischen Nationalgarde taktischen Nachhilfeunterricht geben, Anfang einer auf je sechs Monate angelegten Rotation. […]
      Was aus Sicht amerikanischer Militärstäbe aussehen mag wie maßgenaue Stabilisierung der Lage Richtung Ostukraine und die von Moskau alimentierten Separatisten, nimmt sich in Sicht des Kreml aus wie die Bestätigung wildester Einkreisungsängste und Unterstellungen, was amerikanische Strategie betrifft. Der Weg in eine Vorkriegszeit war noch immer, und so auch jetzt, mit Missverständnissen gepflastert.
      Quelle: WELT

  17. Michael Lüders zur “Ursünde” und den Chaosstiftern im Nahen und Mittleren Osten
    Der Politik- und Islamwissenschaftler, Publizist und ehem. Zeit-Redakteur Michael Lüders hat in einem Vortrag bei der Tele-Akademie Inhalte seines neuen Buchs „Wer den Wind sät: Was westliche Politik im Orient anrichtet“ vorgestellt. Es ist erfreulich, zu welch klargeistigen und unverblümten Analysen auch prominente Personen aus dem Medienbereich in der Lage sind, wenn Sie bereit sind, die fragmentierte Standarderzählung umfassend zu verwerfen. Herr Lüders zeigt in dem Vortrag die Täterschaft westlicher Staaten in Bezug auf die tiefgreifenden und verheerenden Entwicklungen im Nahen und Mittleren Osten auf und geht dabei in prägnanter Weise auf die ursächlichen Verbindungen zwischen den Ereignissen ein. Er startet mit dem Putsch gegen Mossadegh 1953, den er als „Ursünde“ bezeichnet. Er berichtet von der westlichen Aufbauhilfe des Dschihadismus 1979 in Afghanistan, mit der die damalige Sowjetunion in den Krieg gezogen werden sollte, und zeigt auf, wie hieraus die Strukturen für al-Qaida erwachsen sind. Er kommt auf die Rolle und die Ideologie Saudi-Arabiens zu sprechen, erläutert die Hintergründe des Iran-Irak-Krieges, sowie der beiden Irak-Kriege 1991 und 2003 und zeigt auf, wie hieraus die Strukturen des „Islamischen Staates im Irak“ entstanden sind, die sich im Verbund mit dem westlich unterstützen Versuch des Sturzes von Syriens Präsident Assad zum heutigen IS entwickelten (dessen Entstehen ja durch eine weitgehend dekontextualisierte Darstellungsweise und seine Reduktion auf die Kategorie „des Bösen“ gegenüber ernsthaften Erklärungsversuchen abgeschirmt wird). Zudem kommt er auf das Verhältnis zwischen Sunniten und Schiiten, die Auswirkungen der Beseitigung Gaddafis in Libyen und den Israel-Palästina-Konflikt in einer Art und Weise zu sprechen, die aufzeigt, wie Analysen aussehen können, die sich von Konformitätsdruck befreit haben. Er erläutert dabei auch das Projekt der „neuen Verantwortung“, durch das die Bevölkerung hierzulande ja von der Notwendigkeit kriegerischer Aktivitäten Deutschlands im weltweiten Maßstab überzeugt werden soll.
    Quelle: Maskenfall

    Anmerkung unserer Leserin S.H.: Ich habe mir die vollständige Version angehört. Ein sehr empfehlenswerter, weil erhellender Vortrag, finde ich. Und ganz wichtig: Michael Lüders weist darauf hin, dass die 2013 von der George Washington Universität veröffentlichten Dokumente bzgl. des Putsches gegen Mossadegh offenbarten, wie die Vorgehensweise des britischen und US-amerikanischen Geheimdienstes zur Vorbereitung des Sturzes Mossadeghs die Blaupause lieferten für alle folgenden westlichen Diffamierungskampagnen gegen Politiker, die in Ungnade gefallen sind und beseitigt werden sollen. Alle Zielpersonen würden seitdem in fast der gleichen Terminologie gezielt dämonisiert und mit Hitler gleichgestellt (ab 06:00:00 bzw. 07:00:00), wie das z.Zt. am Beispiel Wladimir Putins beobachtet werden könne. Lüders geht auch kurz auf die Ukraine-Krise ein.

  18. Das PEGIDA-Gesetz
    Die Bundesregierung plant eine erneute Verschärfung des Aufenthaltsrechts. Ein breites Bündnis zivilgesellschaftlicher Gruppen macht dagegen mobil –
    Viel an öffentlicher Debatte gibt es darüber zwar nicht, aber die Regierung plant eine Gesetzesänderung, die massive Auswirkungen auf Flüchtlinge in Deutschland haben könnte. Unter dem Titel “Gesetzentwurf zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung“ gehe man, so heißt es aus dem Innenministerium, „einen wichtigen Schritt, um die aktuellen migrationspolitischen Herausforderungen zu meistern“. Bundesinnenminister Thomas de Maizière: „Das Gesetz hat eine einladende und eine abweisende Botschaft. Beide sind Teil einer Gesamtstrategie.“ In der Darstellung der deutschen Behörden liest sich das Vorhaben so: Auf der einen Seite sei man bestrebt, denjenigen, den Aufenthalt derjenigen zu erleichtern, die „anerkennenswerte Integrationsleistungen erbracht haben oder die schutzbedürftig sind“. Zum anderen wolle man aber „bestehende Ausreisepflichten von Personen, denen unter keinem Gesichtspunkt – auch nicht humanitär – ein Aufenthaltsrecht in Deutschland zusteht, konsequent durchzusetzen“.
    Die euphemistischen Formulierungen konnten offenbar nicht darüber hinwegtäuschen, was der Entwurf tatsächlich bedeutet. Schon bei der ersten Vorlage des Entwurfs im Bundesrat äußerte sich der thüringische Ministerpräsident Bodo Ramelow (Die Linke) skeptisch. Zwar könne er einigen Bestimmungen der Reform etwas abgewinnen, etwa der Reduzierung des Arbeitsverbots für Flüchtlinge auf drei Monate, fügte aber hinzu, dass er „zahlreiche andere Regelungen im Gesetzestext vor dem Hintergrund europa- und völkerrechtlicher Erfordernisse kritisch” sehe: “Dazu gehören insbesondere die Regelungen zur Haft im Kontext des Dublin-Verfahrens, die grundsätzliche Abschaffung paralleler Titelerteilung, die gesteigerte Bedeutung des Einreise- und Aufenthaltsverbots sowie die Neukonzeption des Ausweisungsrechts.”
    Quelle: Hintergrund

    Anmerkung C.R.: Angesichts solch eines Regierungsvorhabens fällt es kaum schwer, dem Sarkasmus bzw. Zynismus zu verfallen: Willkommen auf deutsch (so auch der Titel eines Dokumentarfilms über den Umgang mit Flüchtlingen hierzulande).

  19. Mauern gegen Ausländer? – Gebühren für internationale Studierende
    Und es gibt sie doch noch: Studiengebühren mögen für die Allgemeinheit (vorerst) abgeschafft sein. Für Nicht-EU-Ausländer an der Musikhochschule Leipzig gilt das nicht. Sie zahlen jährlich 3600 Euro. Manch ein Rektor oder Politiker wünscht sich, dass die Ausnahme zur Regel wird. Eine Klage könnte das verhindern.
    Bezahlstudium? Das war einmal. Aber jetzt doch nicht mehr. Mit Niedersachsen hat schließlich im Vorjahr das letzte von zwischenzeitlich sieben Gebührenländern das Inkassostudium wieder eingemottet. Wozu sich also noch Sorgen machen? Von wegen: Die schöne neue Welt gibt es nicht für jeden in Deutschland. An der Leipziger Hochschule für Musik und Theater Felix Mendelssohn Bartholdy (HMT) müssen Studierende, die von außerhalb der Europäischen Union (EU) kommen, seit dem Wintersemester 2013/14 pro Semester 1800 Euro für ihre Ausbildung hinblättern.
    Klage gegen Diskriminierung
    Von den über 100 Leidtragenden stammen viele aus Asien, und eine davon lässt sich die Sache nicht bieten. Sie ist die hierzulande erste und bislang einzige Betroffene, die sich vor Gericht gegen die Zustände zur Wehr setzt. Die Frau eines deutschen Mannes und Mutter eines Kindes hat im Mai 2014 vor dem Verwaltungsgericht Leipzig Klage gegen ihre Ungleichbehandlung und, wie sie meint, „Diskriminierung“ eingelegt (siehe Interview unten). Wie und wann ihr Fall entschieden wird, lässt sich nicht absehen. Bisher wurde nicht einmal ein Verhandlungstermin festgesetzt.
    Die Hängepartie hat dabei sogar etwas Gutes. Solange die Angelegenheit nicht geklärt ist, müssen Planspiele nach dem Muster der Leipziger Musikhochschule andernorts erst einmal in der Schublade verbleiben. Das gilt auch und vor allem für Baden-Württemberg, dessen grün-rote Landesregierung schon länger mit einem Sonderopfer für ausländische Studierende liebäugelt. Der entsprechende Vorstoß durch die Fraktionsvorsitzende der Grünen im Landtag, Edith Sitzmann, liegt bereits mehr als eineinhalb Jahre zurück und sorgte seinerzeit für allerhand Aufregung.
    Quelle: Studis Online

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