Die Angst vor Islamfeinden ist berechtigt

Emran Feroz
Ein Artikel von Emran Feroz

In „Angst ums Abendland“ erläutert der Journalist Daniel Bax ausführlich, warum man sich nicht vor Muslimen, sondern vor den Islamfeinden fürchten sollte. Das Ergebnis ist ein Einblick in die islamfeindliche Szene, die weit über die Grenzen Deutschlands hinausgeht und oftmals ignoriert wird. Von Emran Feroz

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Der niederländische Rechtspopulist Geert Wilders trat einmal dafür ein, den Koran, den er mit Adolf Hitlers „Mein Kampf“ verglich, zu verbieten. Heinz Christian-Strache, Vorsitzender der österreichischen FPÖ, die teils immer noch als „rechtspopulistisch“ relativiert wird, fuchtelt gerne mit einem Kreuz in der Hand herum und warnt vor einer „schleichenden Islamisierung des Abendlandes“. Währenddessen gibt Marine Le Pen, Führerin des französischen Front National vor, für Freiheit und Demokratie einzutreten, während sie und ihre Parteigenossen fortwährend gegen die muslimische Minderheit im Land hetzen und unter anderem fordern, in allen Schulkantinen Schweinefleisch zu servieren. Es sind diese Persönlichkeiten, um die es in Daniel Bax’ erstem Buch „Angst ums Abendland“, das den Untertitel „Warum wir uns nicht vor Muslimen, sondern vor den Islamfeinden fürchten sollten“ trägt, geht. Der Frage nach diesem Warum geht der taz-journalist auf 262 Seiten ausführlich nach. Dabei widmet er sich nicht nur den Galionsfiguren der europäischen Rechten, sondern auch ihren deutschen Anhängern, Stichwortgebern und Kronzeugen.

Konkret handelt es sich hierbei hauptsächlich um Thilo Sarrazin, der sich selbst in jüngsten Interviews immer noch als vermeintlicher Gen-Forscher, der seriös argumentiert, präsentieren will, um Heinz Buschkowsky, dessen permanente Panikmache um das „Problemviertel“ Neukölln schnell in sich zusammenbricht, wenn man die zahlreichen Erfahrungen von muslimischen und jüdischen Neuköllnern liest, oder um Alice Schwarzer, der bekanntesten Kopftuchfeindin der Bundesrepublik, die sich im „Kampf gegen die Islamisierung“ nicht selten an Menschen anbiedert, die alles andere als feministisch sind, etwa an evangelikale Fanatiker. Erwähnenswert ist hierbei die Tatsache, dass der Autor mit den genannten Personen nicht auf irgendeine Art und Weise „abrechnet“, sondern all ihre populistischen Argumente nüchtern ad absurdum führt.

Selbiges betrifft auch die Kronzeugen der islamfeindlichen Szene, auf die sich nur nur Sarrazin und Co. beziehen, sondern auch die Hetzer des Hassblogs „Politically Incorrect“ sowie weitere rechte Hassprediger. Bax lässt hier niemanden aus – vom Deutsch-Ägypter Hamed Abdel-Samad, der in alles und jedem die islamistische Gefahr sieht und in letzter Zeit – so scheint es zumindest – als inoffizieller Sprecher des ägyptischen Diktators Abdel Fattah al-Sisi fungiert, dessen zahlreiche Verbrechen, etwa das Massaker auf dem Raba-El-Adwyia-Platz in Kairo im Jahr 2013, verharmlost und ihn sogar, man will es kaum glauben, als Reformer des Islams betrachtet, bis hin zu Necla Kelek, die einst neben Sarrazin auf dessen Buchvorstellung saß und sich ansonsten in den Feuilletons diesen Landes, allen voran in jenem der F.A.Z., über jedes Tüchlein und Türmchen, aufregt. Die Kopftuchfrauen werden unterdrückt und die Minarette sind Symbole der Eroberung und Unterwerfung, so ihr Tenor.

Auch auf internationaler Ebene nimmt Bax die Islamhasser-Szene kritisch unter die Lupe. Eine besondere Rolle spielen hierbei die ursprünglich aus Somalia stammende Ayaan Hirsi-Ali, die seit einiger Zeit in den USA lebt und dort neokonservative Kriegstreiber um sich geschart hat, sowie die sogenannten „Neuen Atheisten“ um den Neurowissenschaftler und Philosophen Sam Harris, der zwar irgendwie in allen Religionen eine Gefahr sieht, den Islam allerdings als besonders bedrohlich betrachtet und deshalb ähnlich wie Ali für eine aggressive Nahost-Politik eintritt – Guatanamo-Folter, Drohnen-Angriffe und der politische Rückhalt von brutalen Diktatoren à la Ägyptens al-Sisi inklusive. Eine ähnliche Haltung vertreten Harris und Ali auch zu Israel. So schlug Ali nach dem letzten Massaker im Gaza-Streifen im Sommer 2014 den israelischen Premierminister Benjamin Netanjahu für den Friedensnobelpreis vor. Während des 51-tägigen Angriffs wurden über 2.100 Palästinenser, hauptsächlich Zivilisten, getötet. Währenddessen meint Harris, dass Israel ohnehin im Recht sei, egal, was es mache. Bezüglich der Rolle der Palästinenser kreiert der Philosoph immer wieder das Bild der „rückständigen Barbaren“, denen der Westen moralisch überlegen sei und die man bekämpfen müsse.

Ein weiterer Akteur, der den Islamhass in Deutschland schürt und das Bild des „Abendlandes“, dieses ideologisch aufgeladenen und kulturkämpferischen Begriffs, konstruiert, sind führende Medien. Jahrelang übernahmen diese die Rolle des Scharfmachers. Dies betrifft nicht nur Boulevard-Blätter wie die BILD, sondern auch das Springer-Flaggschiff WELT oder andere namhafte Medien wie die F. A. Z. oder den Spiegel. Selbiges betrifft zahlreiche Talkshows auf öffentlich-rechtlichen Fernsehsendern. Die Kritik ist mehr als berechtigt, denn wenn das neueste Buch des Islamhassers Udo Ulfkotte den gleichen Titel trägt wie eine Spiegel-Ausgabe vor wenigen Jahren – nämlich „Mekka Deutschland – Die stille Islamisierung“ – dann läuft, gelinde gesagt, irgendetwas falsch. Bax stellt richtigerweise fest, dass viele Medien in erster Linie an ihre Verkaufszahlen und Einschaltquoten denken. Was sie damit in der Gesellschaft anrichten, gerät in den Hintergrund.

Die Sache mit der Meinungsfreiheit, vor allem seit dem Anschlag auf die Redaktion von „Charlie Hebdo“, ist ein zentrales Thema des Buches. Dabei wird erläutert, warum man nicht unbedingt Charlie sein muss, um für dieses fundamentale Recht einzutreten. Denn auch nach Charlie Hebdo wurde die Heuchelei sowie das Messen mit zweierlei Maß ein weiteres Mal deutlich. Das begann schon mit dem medial inszenierten Protestmarsch einer Polit-Elite, die großteils selbst keinen Wert auf Meinungsfreiheit legt und gelang bis in die Redaktionsräume von Charlie Hebdo, wo eindeutig antisemitische Karikaturen nicht geduldet wurden, während bei islamfeindlichen und rassistischen Zeichnungen das Gegenteil der Fall war. Auch gegenwärtig, nachdem Charlie Hebdo eine Karikatur des ertrunkenen Flüchtlingskindes Alan Kurdi veröffentlicht hat, steht das Magazin in der Kritik.

Wie die Zukunft des „Abendlandes“ aussehen wird, lässt sich gegenwärtig schwer abschätzen. Die mediale Panikmache sowie die Dominanz der europäischen Rechten hat Feindbilder geschürt, die sich nicht schnell auflösen lassen. Pegida-konforme Ansichten sind nicht nur am rechten Rand präsent, sondern auch in der gutbürgerlichen Mitte der Gesellschaft. Islamophobie, Islamfeindlichkeit oder antimuslimischer Rassismus – Begriffe, die im Grunde genommen allesamt dasselbe Phänomen beschrieben – lassen sich mittlerweile nicht nur auf der Straße finden, sondern auch in politischen Institutionen. Dies wurde zum Beispiel vor wenigen Monaten in Österreich deutlich, wo ein neues, sehr umstrittenes Islamgesetz erlassen wurde, welches eine Ungleichbehandlung der Religionen im Land deutlich macht – und mit dem schon führende deutsche Politiker liebäugeln.

Nichtsdestotrotz wird nicht die schwache Rolle der muslimischen Minderheit wahrgenommen, sondern permanent der vermeintliche „Untergang des Abendlandes“ herbeigeredet. Auch wenn die Zahlen und Fakten eine völlig andere Sprache sprechen – Muslime werden auch in den nächsten Jahrzehnten eine eindeutige Minderheit bleiben – stellt man sich manchmal die Frage, ob in einem Europa, in dem immer mehr Moscheen brennen, der Zerfall dieses ominösen Abendlandes nicht besser wäre.

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