Die herrschenden Meinungsmacher sind um Welten überlegen und obendrein skrupellos. Macht Aufklärung da überhaupt noch Sinn?

Albrecht Müller
Ein Artikel von:

Diese Frage muss man sich ehrlicherweise immer wieder stellen. Die NachDenkSeiten sind am 30. November 2003, also vor zwölf Jahren ins Netz gegangen. Sie haben viele und engagierte Leserrinnen und Leser. Und dennoch muss man fragen, ob der tägliche und anstrengende Kampf nicht sinn- und zwecklos ist. Weil die Propaganda der etablierten Medien zur Unterstützung der etablierten Politik massiv ist und skrupellos. Die Antwort darauf: wir müssen ihre massive Überlegenheit und ihre Skrupellosigkeit zum Thema machen. Dazu ein paar Beispiele: I. Zum medialen Umgang mit der Demonstration gegen TTIP; II. zum widerlichen Versuch des NDR, durch optische Verknüpfung meines Buches „Meinungsmache“ mit rechtsradikalen verbalen Umtrieben im Netz eine Verbindung herzustellen; III. zum Bild-Interview mit dem Kommandeur der US-Heerestruppen in Europa und mit einem Teil des „Weltspiegel“ vom vergangenen Sonntag über Putin. Alle Beispiele stammen aus den letzten Tagen. Die Liste ließe sich leicht verlängern. Bemerkenswert ist übrigens der Erfolg der Gegenseite mit dem Trick, aufklärende Kritik mit Rechtsradikalen zu verbinden, und für diesen Schmäh vermeintlich Linke einspannen zu können. Albrecht Müller.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

  1. Zum Umgang mit der Demonstration gegen TTIP und CETA

    250.000 Menschen, oder 150.000, jedenfalls sehr viele haben am Samstag in Berlin demonstriert. Am Sonntag früh schlug ich die beiden verfügbaren Zeitungen auf: In der Sonntagsausgabe meiner Regionalzeitung, der „Rheinpfalz“, nichts. In der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung (FAS) eine kurze Spalte (siehe unten rechts) und daneben – vierspaltig! – die aufregende Nachricht, jeder dritte ICE fahre mit Verspätung.

    So macht man bei uns Meinung. Wie Spiegel Online mit den Kritikern und Demonstranten gegen TTIP und CETA umgegangen ist, hat Patrick Schreiner auf den NachDenkSeiten gestern schon beschrieben.

    Typisch für den Umgang der Medien mit demonstrierenden Bürgerinnen und Bürger und beispielhaft für die ungezähmte Macht der Medien ist auch eine Reportage von WDR5, auf die wir in den heutigen Hinweisen schon verwiesen haben:

    Hier der Text auf der Internetseite des WDR, am Ende der Link:

    Reportage – Stop TTIP und CETA: Verlabelt

    Von Matthias Finger

    Hunderttausende Demonstranten haben am Wochenende gegen das transatlantische Freihandelsabkommen protestiert – unter dem knackigen Slogan “Stop TTIP”. Eine klare Handlungsanweisung, die jedem sofort einleuchtet. Allerdings greift das Motto zu kurz.

    Herangekarrte Massen aus ganz Deutschland marschieren zielstrebig durch die herbstliche Hauptstadt. Gegen Mittag. Die verdutzten Berliner reiben ihre noch verschlafenen Augen. Wo kommt die Wut der Demonstranten her?

    “TTIP” – das ist eine großformatige Projektionsfläche für diffuse Ängste und Kapitalismuskritik. Über das Stopp-Schild, das er in der Hand hält, denkt der “einfache Bürger” offenbar keinen Schritt hinaus. Die in der Flüchtlingskrise vielgepriesene Offenheit der Deutschen: Auf der TTIP-Demo marschiert sie nicht mit. Vom “Ausverkauf deutscher Interessen an die Amerikaner” ist da die Rede. Das hat schon was Pegidahaftes.

    Die Demo ist eine Loveparade der Wutbürgerchen. Demonstriert wird mit Vehemenz, als wäre das sogenannte Abendland in Gefahr. Die alte Mär: Amerikaner vergiften uns angeblich mit genmanipulierten Lebensmitteln. Dabei stopfen deutsche Bauern ihr Vieh bekanntermaßen mit gentechnisch verändertem Futter – ohne Kennzeichnung

    Politisch sinnvoller wäre es gewesen, nicht mitzulaufen. Und Werbeparolen zu ventilieren, die sich andere ausgedacht haben.

    Quelle: WDR5

  2. Die gleiche Masche beim Versuch des NDR, mich (Albrecht Müller) über die optische Wiedergabe des Buches „Meinungsmache“ in Kombination mit Hitlers „Mein Kampf“ mit rechtsradikaler Agitation gegen Flüchtlinge zu verbinden.

    Zur Beschreibung des Vorgangs hier die Mail eines NachDenkSeiten-Lesers:

    Ich möchte Sie hier aufmerksam machen, dass der NDR einen Beitrag im Internet über „ausländerfeindliche Darstellungen im Netz“ gedreht und veröffentlicht hatte und dabei Albrecht Müller mit seinem Buch „Meinungsmache“ zusammen mit dem Buch von Adolf Hitler „Mein Kampf“ bei einer Netz-Recherche eines NDR Reporters zum obigen Thema zeigt.

    Schauen Sie sich bitte diese Sendung des NDR an. Sie dauert nur 1 Minute und 25 Sekunden. Die Diffamierung hat keine reale Basis. Das Buch „Meinungsmache“ enthält keinen einzigen Satz, der eine derartige Verknüpfung erlauben könnte. Eine Unterstellung.

    Nachtrag am 22.10.2015:

    Das Landgericht Köln hat auf Antrag meines Rechtsanwaltes am 21.10.2015 eine einstweilige Verfügung gegen den Intendanten des NDR beschlossen und ihm damit „verboten, das Buch „Meinungsmache“ des Antragstellers mit dem Buch „Mein Kampf“ von Adolf Hitler … abzubilden.“

    Damit sich der NDR nicht darauf hinausreden kann, auf den NachDenkSeiten selbst sei diese Abbildung immer noch wiedergegeben, mussten wir diesen Link löschen.

    Fazit: Die etablierten Medien gehen skrupellos mit ihren Kritikern im Netz um. Offenbar hat man bei der Gegenseite beschlossen, die NachDenkSeiten und hilfsweise das 2009 erschienene Buch „Meinungsmache“ ins Visier zu nehmen. Letzteres ist schlüssig. Denn eine der wesentlichen Aussage meines Buches lautet, siehe dort Seite 11:

    „Wer über viel Geld und/oder publizistische Macht verfügt, kann die politischen Entscheidungen massiv beeinflussen. Die öffentliche Meinungsbildung ist zum Einfallstor für den politischen Einfluss der neoliberalen Ideologie und der damit verbundenen finanziellen und politischen Interessen geworden. In einer von Medien und Geld geprägten Gesellschaft ist das zum Problem der Mehrheit unseres Volkes geworden, zum Problem des sogenannten Mittelstands und vor allem der Arbeitnehmerschaft und der Gewerkschaften, denn diese Mehrheit und ihre Interessen werden zunehmend kaltgestellt.“

    Das den herrschenden Kreisen mein Buch auch sechs Jahre nach Erscheinen noch weh tut, freut mich natürlich und ich weise Sie deshalb gerne darauf hin: hier und hier.

  3. Die Bild-Zeitung öffnet ihre Spalten dem Kommandeur der US-Heerestruppen in Europa.

    Er mischt sich in einem Interview mit dem Titel „Putin ist in Syrien, um von der Ukraine abzulenken“ direkt in die Politik ein. „Ben Hodges, oberster US-General in Europa, analysiert in BILD Russlands Syrien-Strategie“, heißt es bei BILD.

    Einer unserer Leser schreibt dazu: „Dieses Interview der faktischen deutschen Propagandaabteilung des Pentagon ist sehr lesenswert, um zu wissen, was auf Europa zukommt.“ So ist es. Hier das Interview.

    Der US-General darf in diesem Interview Aussagen über die gewünschte Nicht-Beteiligung von Assad an einer Konfliktlösung in Syrien und über Putin machen, die ich so vom amerikanischen Präsidenten nicht kenne. Die Neokonservativen der USA umspielen den Präsidenten jetzt mithilfe ihrer Militärs und der Bild-Zeitung.
    Eine ähnliche Agitation wie in dem Interview mit der Bild-Zeitung findet sich zu Putin und Russland im Weltspiegel der ARD.

    Fazit: Wir haben es mit einem massiven Aufgebot der Agitation zu tun. Da wir wissen, wie Wiederholung wirkt, muss man diese Vorgänge ernst nehmen. Aufklärung wird immer schwieriger.

  4. Eine wichtige Rolle als Agitationsmuster spielt der Vorwurf, die Gegner von TTIP und andere Kritiker der neoliberalen Ideologie seien eine Querfront, also eine Verbindung von links und rechts eingegangen, die Fronten seien aufgelöst und die politischen Richtungen kombiniert.
    Hinzu kommt, dass vermeintlich progressive Kräfte in die Rolle der Angreifer geschlüpft sind.

    Ein Musterbeispiel für eine extreme Agitation in diesem Sinne liefert immer wieder Jutta Ditfurth. Sie war einmal eine anerkannte und durchaus kritische Politikerin. Inzwischen spielt sie die Rolle einer extrem agierenden Wadenbeißerin (auf bayerisch: Wadlbeißerin). Sie lässt mit ihren irren Parolen die zuvor zitierten Parolen zum Beispiel des WDR mittig erscheinen.

    Hier ein Auszug aus Facebook:

    Nazi-Anti-TTIP-Demo in Berlin – Heute feiern sich Nazis und Rechtsextreme für ihr so erfolgreiches Mitschwimmen in der Masse am 10.10.2015 in Berlin

    von Jutta Ditfurth

    Ich bin gegen TTIP und CETA und, seit ich politisch denken kann, eine undogmatisch, ökologische, antikapitalistische unabhängige Linke. Ich müsste mich also eigentlich freuen, dass am 10.10.2015 so viele Menschen in Berlin demonstriert haben. Aber das kann ich nicht.

    Erstens waren Parteien an vorderster Front mit dabei, die den Protest verraten (werden), wie immer darunter die Sozialdemokrat*innen. Aber wenn ihre Wähler*innen und Schäfchen das nicht anders wollen…

    Viel schlimmer jedoch: Nazis, völkische Nationalist*innen, Endgame, Pegida, NPD, AfD, Rassist*innen, Antisemit*innen, rechte Künstler*innen durften zur Demo-Teilnahme aufrufen. Niemand verwahrte sich dagegen. Nicht nur das: sie durften teilnehmen.

    Sie wurden nicht ausdrücklich ausgeladen.

    Man distanzierte sich erst auf der Demo ein bisschen von ihnen, als ein negativer Kommentar (ein schlechter Beitrag bei Spiegel online) erschienen, die Sache also öffentlich geworden war.

    Niemand warf die Rechten und Völkischen, soweit erkennbar, aus der Demo.

    Es zählte wohl nur die Zahl der Mitläufer*innen. Nur Quantität, nicht Qualität.

    Das bringt Nachrichten, das bringt nicht nur Campact Spenden.

    In diesen Zeiten der größten antisemitischen und rassistischen Aufmärsche seit 1945 gibt es in dieser TTIP-und CETA-Opposition offensichtlich keine Wachsamkeit, kein politisches Bewusstsein mehr gegen Rechts. Man ist so “stolz”, Flüchtlingen geholfen zu haben, will von anderen Konflikten nichts wissen, fühlt sich vielleicht wieder ganz als “ein Volk”?

    Und dann, genau dann, wird es in Deutschland oft gefährlich.“

    Soweit Jutta Ditfurth. Das ist die harte Tonlage mit der Funktion, die ebenso miesen Unterstellungen der vornehmen Damen und Herren von SPON, WDR, NDR und der Otto Brenner Stiftung-Studie trotz ihrer Unterstellungen und mangelnden Seriosität als halbwegs seriös erscheinen zu lassen. Mittig jedenfalls.

    Wiederholtes Fazit: Wenn wir aufklären wollen, dann müssen wir auch über diese Methoden aufklären.

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