Schon einmal ist der Aufbau einer Gegenöffentlichkeit gelungen. Warum sollte es nicht noch einmal klappen?

Albrecht Müller
Ein Artikel von:

Vor einigen Tagen gab es eine kritische Bilanz zum Aufbau einer Gegenöffentlichkeit im Netz. An der Kritik war einiges richtig. Aber der Autor war viel zu sehr fixiert auf das Internet und hat übersehen, dass auch heute Menschen jenseits des Netzes mobilisierbar sind. Die Demonstration gegen TTIP am 10. Oktober wie auch der Widerstand von vielen jungen Menschen gegen die Mobilisierung für einen Krieg und gegen die einseitige Betrachtung der Opferrolle des Westens zeigen das Potenzial. Heute vor 43 Jahren, am 19. November 1972, hat der damalige Bundeskanzler Willy Brandt bei der Bundestagswahl die Ostpolitik wie auch die Ansätze einer sozialen Reformpolitik nur deshalb gerettet, weil es im Bundestagswahlkampf gelungen war, eine kraftvolle Gegenöffentlichkeit zu schaffen: gegen die Einseitigkeit der Medien, und dabei insbesondere der Springer-Presse, und gegen den Versuch des „Großen Geldes“, die 1969 verlorene politische Macht mit viel Geld und Demagogie zurück zu erobern. Obwohl das lange her ist, gibt es viele Parallelen und damit viele Möglichkeiten. Das möchte ich mit diesem Beitrag zeigen. Albrecht Müller.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

Zur Ausgangslage damals

Frühjahr und Sommer 1972 waren turbulent: Parteiwechsel von Abgeordneten, Sieg Willy Brandts beim Misstrauensvotum, aber dann Verlust der Mehrheit für die sozialliberale Koalition, Rücktritt und Parteiaustritt des wichtigen Superministers Karl Schiller, Olympia Massaker im September. Rechtskonservative Kreise und andere mit CDU und CSU verbundene Wirtschaftsinteressen sammelten Millionen und starteten einen meist anonymen massiven Wahlkampf gegen Brandt und die SPD.

In diesem Buch mit dem Titel „Klassenkampf von oben“ sind die ca. 100 meist anonymen Anzeigen dokumentiert und kommentiert:

Acht Wochen vor der Wahl signalisierten Umfragen, dass die Union mit ca. 51 % die absolute Mehrheit erreichen könnte. Am Wahltag hatte die SPD dann mit 45,8 % die Nase vorn und war stärkste Partei im Bundestag geworden.

Dazwischen lag ein Wahlkampf, in dem wir – ich war damals verantwortlich für Konzeption und Umsetzung – gegen die Millionen Großen Geldes Millionen von Menschen ansprachen und überzeugten; wir haben sie gebeten aufzuklären, wir haben sie ermuntert, auf die anonymen Machenschaften des Großen Geldes hinzuweisen. In jeder Informationsschrift, in jedem Werbemittel wurde dafür geworben, die eigene Stimme zu erheben, mit anderen Menschen zu sprechen. Es wurde analysiert, mit welcher Massivität wichtige Medien wie die Bild-Zeitung und zum Beispiel das ZDF-Magazin mit Gerhard Löwenthal in den Wahlkampf eingriffen. Damit haben wir die Glaubwürdigkeit dieser Medien und die Glaubwürdigkeit der massiven Kampagne der anonymen Gruppen erschüttert, und ins Leere laufen lassen.

Dokumentation von Elementen des 72er Wahlkampfes, die für den Aufbau von Gegenöffentlichkeit auch heute noch Bedeutung haben könnten.

Es folgt gleich eine PDF Datei, in der Auszüge aus meinem Buch „Willy wählen ´72“ dokumentiert und kurz erläutert sind. Schauen Sie sich diese Dokumentation bitte an, vor allem das Kapitel über den Schlüssel zum Erfolg: der Aufbau einer Gegenöffentlichkeit.

Ich will die Bedeutung der damaligen Ereignisse für heute nicht übertreiben. Aber sie werden selbst Parallelen entdecken, aus denen man für heute lernen könnte. Die Parallelen zu heute sind offensichtlich.

Darüber werde ich – möglichst – morgen in einem zweiten Teil schreiben.

Eines sei vorsorglich angemerkt: es geht bei all diesen Erörterungen über den Aufbau einer Gegenöffentlichkeit zur in Politik und Medien herrschenden Meinungsmache trotz des Bezugs auf die beispielhafte Auseinandersetzung von 1972 nicht um die SPD.

Es geht einzig um die Frage, ob und wie es gelingen könnte, heute noch irgendwann so etwas zu schaffen wie ein Gegengewicht zur herrschenden Indoktrination. Diese Frage zu stellen ist sichtbar lebensnotwendig geworden. Denn es geht wieder einmal um Krieg und Frieden.

Hier nun finden Sie die Datei zum Blättern und Weiterlesen [PDF – 10.5 MB].

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