Weltbank und Internationaler Währungsfond wollen Probleme lösen, die ohne ihre Politik überhaupt nicht entstanden wären

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Meldungen und Fotos von Unruhen aus Ländern, deren Bürger sich gegen die gestiegenen Grundnahrungsmittelpreise wehren, gehen um die Welt. Die Weltbank hat ein schnelles und entschlossenes Vorgehen gefordert. Jean Ziegler, UN-Sonderberichterstatter für das Recht auf Nahrung, die Welthungerhilfe und die Organisation Foodwatch verurteilten die Verwendung von Nahrungsmitteln für die Herstellung von Biosprit und die Agrarsubventionen in den USA und der Europäischen Union. Die Welthungerhilfe beziffert die Zahl der Menschen, die Hunger leiden, auf über 850 Millionen. Nach Angaben der Weltbank sind die Preise für Lebensmittel in den vergangenen drei Jahren weltweit um 83 Prozent gestiegen. Als wichtigste Gründe wurden die verstärkte Produktion von Biokraftstoffen, Dürren und veränderte Ernährungsgewohnheiten in aufstrebenden Ländern wie China genannt. Eine der Hauptursachen, die vom Internationalen Währungsfond (IWF) verordneten Strukturanpassungsprogramme (SAP), wurden jedoch verschwiegen. Von Christine Wicht

Dominik Strauss-Kahn sagte.: „Hunderttausende Menschen werden hungern müssen, Kinder an Mangelernährung leiden, die Wirtschaft von Staaten kann zerstört werden. Es ist nicht nur eine humanitäre und wirtschaftliche Frage, sondern auch eine, die die Demokratie betrifft“. Diese Aussage des IWF-Direktors ist an Zynismus nicht zu überbieten, da der IWF maßgeblich für die Ursachen dieser Katastrophe verantwortlich ist.

Als der IWF unter dem Einfluss des Keynesianismus 1944 als Reflex auf die Weltwirtschaftskrise gegründet wurde, sollte er folgende Ziele verfolgen:

  • Verbesserung der finanziellen Kooperation zwischen den Staaten
  • Stärkung des internationalen Handels
  • Stabilisierung der Währungsbeziehungen und der Währungen
  • Internationale Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Währungspolitik
  • Aufbau eines internationalen Zahlungssystems
  • Finanzielle Hilfe zur Überwindung von Zahlungsschwierigkeiten von Staaten
  • Verhinderung von Unausgewogenheiten in den Zahlungsbilanzen der Mitglieder
  • Ausgewogenes Wirtschaftswachstum

Zu Beginn der 1980er Jahre, mit dem Aufkommen des Monetarismus als vorherrschender ökonomischer Schule und beeinflusst von den so genannten Chicago Boys um Milton Friedman, änderte der IWF seine wirtschaftspolitische Ausrichtung und schlug einen marktradikalen neoliberalen Wirtschaftskurs ein. Mit diesem Richtungswechsel verabschiedete sich der IWF von seinen ursprünglichen Zielen.

Strukturanpassungsprogramme
Kredite wurden von nun an nur noch in Verbindung mit massiven Auflagen, den so genannten Strukturanpassungsprogrammen (SAPs), erteilt. In den letzten 20 Jahren hat der IWF in über 150 Ländern seine Politik der wirtschaftsliberalen SAPs durchgesetzt. Mit der Durchsetzung der Prinzipien des freien Waren- und Dienstleistungsverkehrs, der Wettbewerbsorientierung, vor allem aber auch der Deregulierung und Privatisierung öffentlicher Aufgaben hat der IWF den Konzernen der reichen Mitgliedsländer Zugang zu neuen Märkten und wirtschaftliche Macht verschafft. Diese Politik wirkte sich vielfach fatal auf die Lebensbedingungen der jeweiligen Bevölkerung der vom IWF “geförderten” Staaten aus, insbesondere in Südamerika und Afrika. Oft ist auch ein damit einhergehender Raubbau an der Umwelt zu beobachten. Die SAPs sehen nahezu durchgängig ein Zurückdrängen des Staates und die Privatisierung öffentlicher Unternehmen vor. Auf diese Weise werden Aufträge für Unternehmen und Investitionen aus den reichen Industrieländern ermöglicht. International operierende Unternehmen beherrschen wichtige Märkte, und die einheimischen Volkswirtschaften werden bewusst und gezielt in ein dauerhaftes ökonomisches Abhängigkeitsverhältnis gedrängt. Michel Choussudovsky hat die Arbeitsteilung zwischen den Schwesterorganisationen IWF und Weltbank in seinem Buch „Global Brutal“ folgendermaßen beschrieben: In den Zuständigkeitsbereich des IWF fallen die politischen Verhandlungen bezüglich der Wechselskurse und des Budgetdefizits. Die Weltbank kümmert sich über ihre Vertretung und die Expertendelegationen in den „geförderten“ Ländern darum, dass die Reformprozesse vorangehen, und ist zudem in vielen Ministerien der kreditnehmenden Länder vertreten oder nimmt auf sie Einfluss. Die durchzuführenden Reformen bezüglich Industrie, Landwirtschaft, Gesundheit, Bildung etc. fallen in ihren Zuständigkeitsbereich.

Das Diktat des IWF
Wer sich den “Auflagen” des IWF nicht beugt, erhält nicht nur vom Fond keine Kredite mehr. Da andere Geldgeber ihre Entscheidungen in aller Regel davon abhängig machen, wie ein Land vom IWF eingeschätzt wird, wirkt eine negative Bewertung durch den IWF darüber hinaus, als würde das Land auf eine schwarze Liste gesetzt.

Der IWF treibt mit seiner an die SAP gebundenen Wirtschaftspolitik ganze Industriezweige in den Bankrott, was für manche Entwicklungsländer gleichzeitig den Staatsbankrott oder zumindest weitere Verschuldung bedeutet. Dadurch werden die Schuldnerländer in ein dauerhaftes Abhängigkeitsverhältnis gebracht. Die erzwungene, so genannte Liberalisierung der Märkte ist meist ein weiterer Schritt in die Unselbständigkeit der Schuldnerländer, da die Geberländer mit ihren – oft sogar noch hoch subventionierten – Waren den Markt überschwemmen. Das hat in vielen Fällen zur Folge, dass einheimische Waren, gemessen an den Billigimporten, zu teuer sind, nicht mehr abgesetzt werden können und alteingesessene Industrie- oder Handwerkszweige verkümmern. Die Konsequenzen sind Arbeitsplatzverlust und Armut. Um die Exporte aus dem eigenen Land zu fördern und die Importe zu verteuern und damit zu verringern, bleibt häufig nur die Abwertung der nationalen Währungen. Diese Abwertungen haben wiederum zur Folge, dass die Kosten für Grundnahrungsmittel, Arzneien oder Kraftstoff, von deren Import diese Länder abhängig sind, so stark ansteigen, dass immer mehr Bürger immer weniger in der Lage sind, ihre Grundbedürfnisse zu befriedigen. Des Weiteren hat der Ausbau industrieller Großprojekte in Kombination mit den SAPs häufig dazu geführt, dass Landwirte aus ihren kleinbäuerlichen Strukturen verdrängt und ihrer Lebensgrundlage beraubt wurden. Sie sind nicht mehr in der Lage, sich selbst zu ernähren.

Die Abhängigkeit der Bauern von der Saatgutindustrie
Seit Menschheit Gedenken lag z.B. die Gewinnung und der Austausch von Saatgut vor allem in den Händen der Bauern. Transnationale Konzerne, immer auf der Suche nach neuen Märkten, haben diese Tradition unterwandert und mit dem TRIPS-Abkommen einen Meilenstein auf dem Weg zur internationalen Kommerzialisierung des Saatgutes platziert. Entstehung und Inhalt des TRIPS-Abkommens zeigen, dass es dabei hauptsächlich um den Schutz derjenigen geht, die bereits “geistiges Eigentum” etwa an bestimmtem Saatgut besitzen. Die einzelnen Regeln des Abkommens weisen eine deutliche Schlagseite zugunsten der Verwertungsinteressen der Konzerne in den Industrieländern auf. Transnational agierende Konzernvertreter brüsten sich damit, dass das TRIPS wesentlich auf ihre Initiative zurückgeht. Beteiligt waren 13 US-Konzerne, darunter bekannte Unternehmen wie Bristol Myers Squibb, DuPont und Monsanto. In vielen Entwicklungsländern wurde so die agrarische Basis zerstört und es breiteten sich Hunger und Armut noch weiter aus (mehr zu diesem Thema:).

Untrennbar ist die Patentierung des Saatsgutes mit der Gentechnik verbunden, durch welche die Bauern noch stärker in Abhängigkeit von den Agrarkonzernen getrieben werden.

Gentechnik – die Büchse der Pandora
Der Einfluss dieser Konzerne hat in vielen Teilen der Welt gezeigt, beispielsweise in Argentinien, Brasilien, Irak, dass die Saatgutindustrie ihren Nutzen gerade aus Krisen zieht und weite Teile der Bevölkerung an ihre Produkte bindet. Ausführlich beschreibt dies Naomi Klein in ihrem Buch „Schockstrategie“. Die viel gelobte Gentechnik, die mit dem Argument, das Hungerproblem in der Welt lösen zu können, in nahezu allen Teilen der Welt propagiert wird, erweist sich zunehmend als Büchse der Pandora. Die Umweltorganisation GLOBAL 2000 zieht in einer neuen Studie eine vernichtende Bilanz, so haben sich die viel gepriesenen Vorteile der Genpflanzen nicht bewahrheitet. Es wurde ein signifikanter Anstieg von Pestiziden in der Landwirtschaft beobachtet. Auch Slow-Food berichtet über Erfahrungen mit der so genannten „grünen Gentechnik“: So bestätigen amerikanische und kanadische Bauern, die über eine 10jährige Erfahrung mit genveränderten Pflanzen verfügen, dass – entgegen ursprünglichen Versprechen – die Ernteausbeute gesunken, der Pestizidbedarf dagegen eher gestiegen und die Nährstoffdichte der Produkte geringer geworden sei. Des Weiteren zeigten mehrere Befunde der letzten Jahre, dass bei gentechnisch verändertem Mais, Reis oder Erbsen gesundheitliche Risiken nach wie vor nicht ausgeschlossen werden könnten. Darüber hinaus habe die Welternährungsorganisation (FAO) die Legende zerstört, dass mit genmanipulierten Organismen (GMO) die Welternährungsproblematik gelöst werden könne. Es wird immer augenfälliger, dass mit der Gentechnik ein unkalkulierbarer, risikobehafteter und irreversibler Eingriff in die Genstrukturen der Pflanzen stattfindet, und dies mit der Begründung, die Ernährung der Menschheit sicher stellen zu wollen. Es wird ebenfalls mehr und mehr deutlich, dass gerade die armen Länder überhaupt keinen Nutzen von der Gentechnik haben. Offenkundig ist, dass mit der Zulassung der Gentechnik vor allem die Interessen der Saatgutindustrie bedient werden.

Das Geschäft mit dem Wasser
Kleinbauern sind für ihre Ernährungssicherung auf intakte Böden und auf Wasser zur Bewässerung angewiesen. Die steigenden Wasserpreise in den armen Ländern können vielerorts von den Kleinbauern, die in erster Linie von dem leben, was sie anpflanzen, nicht mehr bezahlt werden. 1,2 Milliarden Menschen, das sind ein Sechstel der Weltbevölkerung, haben keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser. Mit zunehmender Industrialisierung, aber auch durch intensive Landwirtschaft, stieg der Wasserverbrauch. Rund 70 % des Wasserverbrauchs weltweit gehen auf die Landwirtschaft zurück. 40% der Lebensmittel werden nach Angaben der Ernährungsorganisation der Vereinten Nationen auf künstlich bewässerten Feldern hergestellt. Zudem gelangen durch Intensivlandwirtschaft große Mengen an Dünger und Pestiziden in die Böden und somit ins Grundwasser. Weil die Versorgung mit Wasser ein Grundbedürfnis aller Menschen und eine treibende Kraft der wirtschaftlichen Entwicklung ist, ist es auch ein lukratives Geschäft. Mit der Knappheit der wichtigsten Ressource der Menschen steigen die Preise und zugleich Gewinne der Konzerne, die über das “blaue Gold” verfügen. Lebensmittelkonzerne wie Nestlè (mit den Marken Perrier, Contrex, Vittel), Danone (Evian) und Hindustan Lever (eine Tochter von Unilever auf dem indischen Markt) kontrollieren seit Jahren einen großen Teil des globalen Marktes für in Flaschen und Kanister abgefülltes Wasser. In der dritten Welt profitieren global agierende Unternehmen davon, dass es in vielen Staaten keine funktionierende öffentliche Wasserversorgung für Bürger gibt. Die Entwicklungspolitik dient vielfach als Einfallstor, um international die Privatisierung und Liberalisierung der Wasserversorgung durchzusetzen. Internationaler Währungsfond und Weltbank fordern seit Jahren als wichtige Kreditgeber die Deregulierung und Privatisierung öffentlicher Aufgaben. Als Vorwand dient dabei die Schuldenreduzierung mit Hilfe von SAPs. Weltbank und IWF spielen eine wichtige Rolle in der Wasserprivatisierung der armen Länder. Kreditunterlagen des IWF zufolge hat der IWF im Jahr 2000 zwölf Ländern die Privatisierung und eine kostendeckende Preisgestaltung der Wasserversorgung zur Auflage gemacht. Acht der Länder liegen in der Region südlich der Sahara, sie sind klein, arm und hoch verschuldet. Im Rahmen des IWF-Programms zur „Armutsbekämpfung und Wachstumsförderung“ gewährte der Fond dem Land Tansania einen Schuldenerlass; dieser war aber an die Bedingung gebunden, dass die Vermögenswerte der Wasserwerke von Daressalam privaten Betreibern übertragen werden. Niger musste sich der Weltbank gegenüber verpflichten, seine vier größten staatlichen Sektoren Wasser, Telekommunikation, Strom und Erdöl zu privatisieren. Ähnlich war es in Ruanda oder auch im mittelamerikanischen Honduras. Nicaragua musste die Wasser- /Abwasserpreise erhöhen und in vier Regionen des Landes Wasserkonzessionen an private Betreiber vergeben. Problematisch ist auch die Zunahme von Staudämmen, für deren Bau Kleinbauern ihr Land verlassen müssen. Des Weiteren werden viele ansässige Menschen durch Staudämme von der Wasserversorgung abgeschnitten, so geschehen etwa durch einen von der Weltbank finanzierten Staudamm in Südafrika (Lesotho Highlands Water Projekt mit den Großstaudämmen Katse und Mohale). Da die Kosten für den Staudamm unterschätzt worden waren, erarbeitete die Weltbank ein Rahmenprogramm für Investitionen in die städtische Infrastruktur, dies untersagte in einer Nebenabrede der Regierung, die Wasserversorgung armer Gemeinden zu subventionieren (Quelle: Blaues Gold, Maude Barlow S. 205/206f).

Es ist nicht Bio drin, auch wenn Bio drauf steht
Die Klimaveränderungen, unter anderem verursacht durch den Einsatz der fossilen Energieträger Öl, Kohle und Kohlendioxid und die ständig steigenden Preise für Erdöl, werfen die Frage nach Alternativen Auf. In den letzten Jahren war es modisch geworden, die Energiegewinnung aus Pflanzen zu propagieren. Die Energiepflanzen werden zum größten Teil auf konventionelle Weise angebaut, gespritzt und gedüngt. Dadurch gelangen noch mehr chemische Mittel in das Grundwasser und verseuchen das daraus gewonnene Trinkwasser. Mit dem Verweis auf eine angeblich umweltfreundliche Energiegewinnung wird auch ein verstärkter Einsatz der umstrittenen Gentechnik in der Landwirtschaft verlangt. Neben den ökologischen Schäden durch großflächigen Anbau (Monokulturen) von Energiepflanzen stößt aber noch ein weiterer Aspekt dieser Form von Energiegewinnung auf Kritik. Während Menschen verhungern, werden Anbauflächen zur Produktion zur Energiegewinnung genutzt und gehen so für die Produktion von Nahrungsmitteln verloren. Die Vorsilbe “Bio” ist somit eher ein Verpackungsschwindel als eine umweltfreundliche Alternative zu den fossilen Energieträgern. Durch den großflächigen Anbau von Energiepflanzen entstehen Schäden an Boden und Umwelt, die unter ökologischen Gesichtspunkten nicht vertretbar sind, weil das Prinzip der Nachhaltigkeit verletzt wird. Kleinbauern müssen dem industriellen Anbau von Energiepflanzen weichen. Obwohl der Anbau von Energiepflanzen für den Energiebedarf der reichen Länder zumindest mitverantwortlich ist für die Armut und den Hunger in einigen armen Ländern, hält die EU an dem Ziel fest, mehr Kraftstoff aus Nutzpflanzen zu gewinnen.

Ein Stück Urwald um die Bedürfnisse der reichen Länder zu befriedigen
Gravierend sind die Auswirkungen des Anbaus von Energiepflanzen beispielsweise auch in Brasilien. Zur Ethanolgewinnung wird in Brasilien in großem Stil Zuckerrohr angebaut. Das ökologische Gleichgewicht in Brasilien wird dadurch nachhaltig gestört, dass für den Zuckerrohranbau weite Teile des Urwaldes abgeholzt werden. Der Regenwald als wichtiger Faktor des Klimaschutzes wird so im Namen einer vermeintlich ökologischen Energiepolitik zerstört. Auch in Indonesien werden Urwälder abgeholzt, dort für den Anbau von Palmölpflanzen. Die Frucht der Ölpalme ist sehr effektiv, keine andere Wirtschaftspflanze produziert in dem Maße Pflanzenöl, da Fruchtfleisch und Samen genutzt werden können. Über 80% der Weltproduktion an Pflanzenöl stammen aus Malaysia und Indonesien, jährlich verschwinden dafür allein in Indonesien rund 2 Millionen Hektar Urwaldfläche, das entspricht etwa der Hälfte der Fläche der Niederlande. Auf Borneo existieren kaum noch Regenwälder, ein Großteil wurde in Plantagen umgewandelt. Zur Fütterung von Rindern, Schweinen und Hühnern in China und Europa, zur Gewinnung von Biokraftstoff und als Grundstoff für Lacke, Farben und Waschmittel wird Soja im großen Stil in Südamerika angebaut. Laut WWF-Studie hat sich der Soja-Anbau in Argentinien, Bolivien, Brasilien und Paraguay in den letzten zehn Jahren mehr als verdoppelt. Die Schaffung von Sojafeldern hat zu Landenteignungen in großem Umfang geführt und zahllose Kleinbauern ihrer Lebensgrundlage beraubt.

Alternative marktgestütztes Landreformmodell
Die Weltbank bietet seit Mitte der 1990er Jahre Landlosen die Möglichkeit, mit Hilfe von Subventionen und Krediten Großgrundbesitzern Land abzukaufen und das Land zu bestellen. Die Crux an der Sache ist, dass ein Bauer nur dann das Land sein eigen nennen darf, wenn er in einer gewissen Frist den Kredit zuzüglich Zinsen zurückzahlen kann. Erfahrungen aus Brasilien, Kolumbien, Südafrika haben gezeigt, dass viele Bauern dadurch in eine Verschuldungsfalle geraten, die sie in noch größere Armut stürzt. (Mehr zum Thema: ATTAC [PDF – 166 KB])

Die Auswirkungen des sogenannten Freihandels
Seit geraumer Zeit laufen Verhandlungen zwischen der Europäischen Union und den Afrika-Karibik-Pazifik-Staaten (AKP-Staaten) zu den “Economic Partnership Agreements” (EPAs) (siehe dazu). Die wirtschaftliche Zusammenarbeit wird mit wohlklingenden Begründungen wie etwa der “Beseitigung der Armut”, der „Förderung nachhaltiger Entwicklung“, der „Förderung der Menschenrechte“ und der „Förderung der Demokratie” propagiert. Die AKP-Staaten sollen ihre Märkte stärker für die Wirtschaft der EU öffnen und im Gegenzug mit Hilfe von „Zollpräferenzen“ Zugang zu europäischen Märkten erhalten. Afrikanische Kleinbauern und lokale Produzenten befürchten dabei jedoch den Zusammenbruch lokaler Produktionszweige, ein Sinken der Ernährungssouveränität und eine zunehmende Abhängigkeit von Europa. Aufgrund der ausgeprägten Subventionspolitik sind viele und wichtige aus der Europäischen Union exportierte Produkte weitaus günstiger als beispielsweise nicht subventioniertes Fleisch aus den AKP-Staaten. Die Lieferung hoch subventionierter gefrorener Geflügelteile aus der EU hatte schon verheerende Folgen für den Geflügelmarkt von Ghana und Kamerun und bedrohte die Existenz der afrikanischen Geflügelproduzenten. Der Kilopreis für importiertes Huhn lag um bis zu 50 Prozent unter dem Preis des einheimischen Geflügelfleisches. Der Evangelische Entwicklungsdienst (EED) hat eine Broschüre unter dem Titel „Keine chicken schicken“ – „Wie Hühnerfleisch aus Europa Kleinbauern in Westafrika ruiniert und eine starke Bürgerbewegung in Kamerun sich erfolgreich wehrt“ herausgegeben [PDF – 2,9 MB]

Subventionierte EU-Agrarprodukte dominieren vielfach die Märkte von Entwicklungsländern und zerstören zugleich die ökonomische Basis und Existenzgrundlage der dortigen Kleinbauern. So werden beispielsweise subventionierte Milch, Zwiebeln, Tomaten, Mais, Reis und Tomatenmark importiert. Die Senegalesen protestieren gegen die Auswirkungen des Fischereiabkommens, das die EU mit 16 AKP-Staaten abgeschlossen hat. Eine Studie des UN-Umweltprogramms kommt zu dem Schluss, dass die Einnahmen, die Senegal aus dem EU-Abkommen erhält, die entstandenen Einkommensverluste und Schäden an den Fischressourcen keineswegs decken können.

Das Milleniumsziel der Vereinten Nationen
Die Vereinten Nationen haben sich zum Ziel gesetzt, die Zahl der Hungernden bis zum Jahr 2015 zu halbieren. Aufgrund der gerade in diesen Tagen sich abzeichnenden Entwicklungen auf dem Nahrungsmittelmarkt scheint dieses Ziel jedoch in weite Ferne gerückt zu sein. Der aktuelle Bericht der FAO (Welternährungsorganisation) rechnet zwar mit einer neuen Rekordernte, diese wird jedoch den Bewohnern Afrikas aufgrund der steigenden Preise nichts nutzen. Das bäuerliche Netzwerk Via Campesina warnt vor einem ernährungspolitischen Richtungswechsel. Nach Auffassung dieses Netzwerks sind Landlose und Landarbeiter von den gestiegenen Weltmarktpreisen für Nahrung besonders betroffen. Hinzu kämen die gestiegenen Preise für Futter- und Düngemittel, die die Bauern unter Druck setzen.Vor allem die Liberalisierung des Agrarhandels wird als Grund für zunehmende Armut und Hunger angeführt. Einen Ausweg aus dem Dilemma sieht die Organisation nur in einem Weg zurück zu nachhaltiger Familienwirtschaft. (Quelle: Brot für die Welt [PDF – 156 KB])

Lösen lässt sich diese Not nicht durch eine Hilfszahlung der Bundesregierung und anderer Länder mit Summen, die nicht ins Gewicht fallen im Vergleich zu den Profiten, die in den letzten 20 Jahren mit Hilfe der SAPs erwirtschaftet wurden.

Der Hunger in der Welt kann nicht mit dem kurzfristigen Horizont der Wallstreet und den Investitions- und Profitinteressen der global agierenden Konzerne und Investoren, sondern nur mit langfristigen und nachhaltigen Strategien und Planungen überwunden werden. Dazu gehörten etwa die Rückkehr zur Selbständigkeit der Bauern in kleinbäuerlichen Strukturen mit genossenschaftlichen Organisationen, die nicht auf Gewinnmaximierung ausgerichtet sind, flankiert von einer fairen Landreform. Dazu gehörte auch die Unabhängigkeit von der weltweit agierenden Saatgutindustrie und deren Patentrechten. Diese Unabhängigkeit ist eine der wichtigsten Voraussetzungen für eine souveräne Nachrungsmittelproduktion. Die Grundlage für eine Besserung ist, dass eine Welthandelsordnung geschaffen wird, die nicht länger den ärmsten Ländern der Welt schadet und nicht weiter den Sonderinteressen der Konzerne und Finaninstitute der Industrieländer Vorschub leistet.

Statt der bisherigen “Einheitslösungen” (Joseph Stiglitz) von IWF und Weltbank müssten Entwicklungsstrategien eingeführt werden, die den Unterschiedlichkeiten und den Komplexitäten der zu entwickelnden Länder angemessen sind. Dazu müssten vor allem die von Weltbank und IWF propagierte neoliberale Wirtschaftspolitik, also deren “Marktfundamentalismus”, aufgegeben werden, dessen Scheitern sich in der derzeitigen Nahrungsmittelkrise einmal mehr erweist.

Solange jedoch die Weltbank und der IWF vor allem von den USA und Europa beherrscht werden, können die Entwicklungsländer ihre Stimme kaum zur Geltung bringen. Deshalb müsste vor allem die Rolle der Vereinten Nationen, etwa des Wirtschafts- und Sozialrats der UN, bei der Ausarbeitung von Entwicklungsstrategien gestärkt werden.
Bestandteile solcher Strategien sind etwa faire Handelsverträge, die die Entwicklung in den ärmeren Ländern wirklich fördern. Die Industrieländer dürften nicht länger mit ihren subventionierten Agrarprodukten die lokale Agrarproduktion verdrängen, und sie müssten angemessene Preise für natürliche Ressourcen bezahlen.Statt durch Waffenlieferungen korrupte Diktatoren zu stabilisieren, sollte in die Infrastrukturen für die Grundversorgung der armen Länder investiert werden. Statt Billionen in nicht gewinnbare Kriege wie im Irak oder in Afghanistan zu verschwenden, könnte mit einem Bruchteil des Geldes der Krieg gegen die Armut gewonnen werden.

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