Hinweise des Tages

Ein Artikel von:

(KR/WL)
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  1. Der 3. Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung
    Der Bericht vom 19. Mai 2008 ist hier im Ticker abrufbar
    Quelle: Arbeitnehmerkammer

    Dazu:

    a) Armutszeugnis für die Regierung
    Der jüngste Armutsbericht von Sozialminister Scholz zeigt, dass das Armutsrisiko hoch geblieben ist. Er sieht 13 Prozent der Deutschen in Armut – die Statistik zeigt 18 Prozent. Die Opposition wirft Scholz Täuschung mit untauglichen Daten vor. “Das wahre Ausmaß der Armut ist weitaus größer und dramatischer als von Scholz angegeben”, wetterte etwa der grüne Sozialexperte Markus Kurth.

    Sogar unter den beteiligten Gutachtern herrscht Unmut. Der Vorwurf: Scholz gehe mit einzelnen Zahlen hausieren, ohne offenzulegen, dass bei anderen Indikatoren das Ergebnis drastischer ausfällt. Als arm gilt, wer als Single weniger als 781 Euro netto im Monat zur Verfügung hat.
    Scholz beruft sich auf die Statistik des sogenannten EU-Silc aus dem Jahr 2006, eine europaweit standardisierte Erhebung zu Einkommen. Andere renommierte Erhebungen wie das sozioökonomische Panel des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) verzeichnen einen deutlich höheren Anstieg der Armutsquote – nämlich eine Steigerung von 12 Prozent im Jahr 2000 auf 18 Prozent im Jahr 2006.
    Quelle: taz

    b) Attac: Solidarische Umverteilung statt Steuersenkung für alle
    Die wachsende Schere zwischen Arm und Reich sei das Ergebnis einer gezielten Umverteilungspolitik von unten nach oben, die den Globalisierungsverlierern Lohnverzicht, Sozialkürzungen und eine höhere Mehrwertsteuer zumutet, während sie die Gewinner durch Steuersenkungen und Steuerschlupflöcher für Unternehmen und Erben systematisch aus der Verantwortung entlässt.

    Attac fordert, endlich mit einer Politik der solidarischen Umverteilung von oben nach unten zu beginnen. Zentral hierfür sei ein gerechtes Steuersystem. Generelle Steuersenkungen, wie sie derzeit diskutiert werden, lehnt Attac dagegen ab. “Die Antwort auf die zunehmende Ungleichheit kann nicht sein, den Staat noch weiter zu beschneiden”, betonte Chris Methmann. Notwendig sei im Gegenteil ein Ausbau der öffentlichen Infrastruktur, um allen Menschen den Zugang zum öffentlichen Leben – und damit etwa zu Bildung und guter medizinischer Versorgung – zu ermöglichen.
    Quelle: attac

    c) Mehr Arme – mehr Millionäre
    2,5 Millionen Kinder sind arm. Doppelt so viele wie 2004. Gleichzeitig gibt es immer mehr Millionäre – schon 800.000 waren es letzten Sommer. Die Statistik beschönigt noch die Lage. Als arm gelten Menschen mit weniger als 781 Euro netto im Monat. Vor drei Jahren lag die Schwelle noch bei 938 Euro. Die Agenda 2010 ist die zentrale Ursache für mehr Armut. Die Durchsetzungsmöglichkeiten in der Tarifpolitik sind mit Befristungen und Leiharbeit massiv behindert worden. Hinzu kommen Minijobs und vor allem Hartz IV. Ohne Zumutbarkeitsschutz rauschen die Löhne in den Keller.
    Quell: ver.di Wirtschaftspolitik aktuell [PDF – 112 KB]

    d) Interview zum Armutsbericht: Die Superreichen werden immer reicher
    Heißt dass, an der Spitze in Deutschland und Europa entscheiden Mächte, die von demokratischen Regeln unbeeinflusst sind?
    Hans Jürgen Krysmanski: Ich bin in der Tat der Auffassung, dass sich um die Geldmächtigen so etwas wie eine „höfische Gesellschaft“ herausbildet. Die Geldelite tritt hinter den Kulissen auf als ein neuer Souverän. Es gibt genug Höflinge, die den neuen Herren zu Diensten sind oder zumindest beiden Seiten, dem Geldreichtum und dem Volk, dienen wollen, wie zum Beispiel die unglückliche Figur des französischen Präsidenten Sarkozy. Alle empirischen Untersuchungen zeigen, dass Superreichtum, auch wenn es sich um neuen Reichtum handelt, die Tendenz hat, sich abzuschotten, Dynastien zu bilden.
    Quelle: WAZ online

    e) Armutsbericht: “Wir haben das falsche Steuersystem”
    Die Ursache der wachsenden Armut in Deutschland liegt auch in einer verfehlten Wirtschafts- und Sozialpolitk. Das meint zumindest der Soziologe Sighard Neckel. Im stern.de-Interview spricht er für höhere Steuern auf Kapital aus und warnt vor Parallelgesellschaften der Armut.
    Quelle: stern

    Anmerkung WL: Neckel plädiert offenbar für eine stärkere Steuerfinanzierung zur Armutsbekämpfung und für eine Senkung der Sozialabgaben bei den Löhnen. Das soll durch eine stärkere Besteuerung des Kapitals geschehen. Was macht es aber für einen Sinn, die Unternehmen bei Sozialabgaben zu entlasten und bei Steuern stärker zu belasten? Warum sollte es nach den massiven Steuersenkungen für die Unternehmen der letzten Jahre in Zukunft eher gelingen, solche Steuererhöhungen durchzusetzen? Die bessere Form der Armutsbekämpfung wären immer noch ordentlich Löhne und eine Beteiligung des Kapitals an den Kosten für die sozialen Sicherungssysteme. Steuerabhängige Sozialversicherungen sind in Deutschland jedenfalls immer soziale Absicherung nach Kassenlage.

  2. Kampf um den Regionalverkehr
    In Bremen tobt ein harter Kampf um den größten Nahverkehrsauftrag, der bisher in Deutschland vergeben wurde. Die private Nordwestbahn (NWB) hat die Ausschreibung von drei S-Bahn-Linien ins niedersächsische Umland Anfang März souverän gewonnen. Doch mit juristischen Tricks hat die klar unterlegene Deutsche Bahn (DB) den Zuschlag an den Konkurrenten nun gekippt. Bei einer Neuausschreibung will der Konzern mit einer tariflosen Billigtochter aus dem Osten das 500-Millionen-Euro-Projekt doch noch an Land ziehen.
    Quelle: FR
  3. Dieter Wermuth: Geschockte Verbraucher
    Es fehlen nach wie vor die Anzeichen, dass wir es inzwischen mit einem sich selbst tragenden Aufschwung zu tun haben, einem, der unabhängig von den Exporterfolgen der Unternehmen wäre. Seit Jahren nehmen die Ausgaben der Haushalte deutlich langsamer zu als das BIP insgesamt. Es hat bislang auch nicht viel geholfen, dass die Anzahl der neuen Jobs seit einiger Zeit mit Jahresraten von 1 _ Prozent bis 2 Prozent zugenommen hat; da es sich bislang zumeist um einfache und relativ schlecht bezahlte Jobs handelte, ist die Lohnsumme insgesamt nur langsam gestiegen, so dass die normalen Leute kaum ausgabefreudiger geworden sind. Dabei schlägt die Hausse der Energiepreise immer stärker zu Buche. Ohne optimistische Verbraucher kein Gewinnwachstum – und kein Wachstum insgesamt. Das ist die Lage. Es sieht ganz so aus, als hätten sich die Analysten im Vorzeichen geirrt.
    Quelle: Zeit Herdentrieb
  4. Konjunktur: “Hans-Werner Sinn hat recht”
    Von Robert von Heusinger. Eine frische Studie der französischen Bank Natixis offenbart ein brisantes Phänomen: Die deutschen Wachstumszahlen sagen immer weniger über den tatsächlichen Zustand der Volkswirtschaft aus. Der Grund: Die Lagerhaltung in der deutschen Volkswirtschaft schwankt immer stärker und verzerrt damit das eigentliche Wachstum im Quartal. Ein Lageraufbau, eine Überproduktion, wirkt sich wachstumserhöhend aus, ein Lagerabbau drückt das Wachstum.
    Quelle: FR

    Kommentar AM:

    Der Hinweis auf die Lagerhaltungsschwankungen und damit verbundene Aufs und Abs des BIP kann ja stimmen. Aber dass damit auch die These von der Basarökonomie stimmen soll, ist ein Fehlschluss. Wenn es nämlich keine große, über eine Basartätigkeit hinausgehende – in unserem Falle industrielle – Wertschöpfung in Deutschland gäbe, dann gäbe es auch keine hohen Exporterlöse. Sie übersteigen die Einfuhren, wie wir alle wissen, gewaltig. Mit Lagerhaltung und Zusammenstecken ist das nicht möglich. Dafür unseren Exportüberschüssen entsprechende Preise zu bezahlen würde schon sehr dumme ausländische Importeure voraussetzen.

  5. Handwerk fordert Ende für Ein-Euro-Jobs
    Zum überraschend hohen Wachstum von 1,5 Prozent im ersten Quartal in Deutschland sagte er, das sei “kein Grund zu Jubelstürmen”. Im Handwerk gebe es keine Hinweise auf eine Belebung des Konsums. “Die vom privaten Konsum abhängigen Handwerke melden auch im ersten Quartal 2008 ein reales Minus bei den Umsätzen”, erklärte Schleyer.
    Quelle: Berliner Zeitung

    Anmerkung: Diese Meldung ist eigentlich nur deshalb interessant, weil selbst das Handwerk das Ende der 1-Euro-Jobs verlangt und der erhoffte Wachstumsträger privater Konsum nicht beim Handwerk ankommt. Ansonsten die übliche Leier bei der Senkung von Steuern und Abgaben, um ein Mehr beim Brutto abzuwehren.

  6. Krankenversicherung: Zehn Irrtümer über die Privaten
    Der Mythos vom privilegierten Privatpatienten hält sich hartnäckig. Doch die Diskrepanz zwischen Wunsch und Wirklichkeit in der privaten Krankenversicherung könnte kaum größer sein.
    Quelle: FOCUS

    Anmerkung: Gesetzlich Versicherte müssen sich beim Versuch, einen Termin beim Facharzt zu erhalten, ganz hinten anstellen, und haben eine eingeschränkte Auswahl an Behandlungsmöglichkeiten (was in manchen Fällen einen erheblich früheren Tod zur Folge haben kann, siehe z.B. hier). Die Privilegien des Privatpatienten sind also alles andere als ein Mythos. Diese kompakte Auflistung der potentiellen Nachteile einer PKV mag dennoch für den einen oder anderen Leser von Interesse sein.

  7. 8.500 Unterschriften gegen die E-Card
    Die IPPNW und das Komitee für Grundrechte und Demokratie übergeben einem Vertreter aus dem Bundesministerium für Gesundheit heute mittag 8.500 Protestunterschriften. Die Einführung der Chipkarte verletze das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung der Patienten und Patientinnen und werde einen weiteren Baustein im Übergang vom Sozialstaat zum Kontrollstaat bilden. Das Arzt-Patienten-Verhältnis werde durch den Aufbau einer zentralen Gesundheitstelematikinfrastruktur schwer beschädigt, denn die ärztliche Schweigepflicht sei in gravierender Weise bedroht. Mit der Ausgabe der neuen eGK würden zunächst die KassenpatientInnen schleichend auf die “schöne neue Welt” der zentralen Datenspeicherung eingestimmt. Allmählich würde auf diesem Weg die Überwachung sowohl der Behandlungsmethoden der Ärzte als auch der Lebensführung der Patienten ermöglicht.
    Quelle: IPPNW
  8. Die gewöhnliche Ausnahme
    Die Empörung über die »Sicherheitsstrategie für Deutschland«, die CDU und CSU vorgestellt haben, ist groß. Doch die Vorarbeit für den permanenten Ausnahmezustand haben bereits die rot-grüne und die schwarz-rote Regierung geleistet. Schon im regierungsamtlichen »Weißbuch zur Sicherheitspolitik Deutschlands und zur Zukunft der Bundeswehr« von 2006 sowie in den »Verteidigungspolitischen Richtlinien« der rot-grünen Bundesregierung von 2003 ist manches nachzulesen, was nun für Empörung sorgt: etwa die geplante »Vorverlegung« des Verteidigungsfalls, um ihn auch im Fall drohender Terroranschläge ausrufen zu können, die damit kriegerischen Angriffen feindlicher Armeen gleichgesetzt würden. Oder die neue geostrategische Rolle der Bundeswehr und die Sicherung der Energie- und Rohstoffversorgung auch mit militärischen Mitteln.
    Quelle: Jungle World
  9. Mehr Zuwanderer
    2007 sind mehr Personen nach Deutschland zugezogen als ausgewandert. Damit hat sich der Einwanderungsüberschuss gegenüber dem Vorjahr verdoppelt.
    Quelle: ZEIT online
  10. Harter Kampf um Provisionen
    Die Spannung unter den Banken steigt. Am kommenden Mittwoch und Donnerstag entscheidet die Bahn zusammen mit dem Bund und dem Berater Rothschild in Frankfurt, wer die beiden entscheidenden Institute beim milliardenschweren Börsengang der Deutschen Bahn werden.Wie das Handelsblatt aus Finanzkreisen erfuhr, präsentieren sich rund zehn Banken, die in die engere Auswahl für ein Mandat als Prozessbank kommen. Sie müssen überzeugen, denn es geht um etwa 20 Mill. Euro an Gebühren für jede Bank. Beste Chancen haben Morgan Stanley und die Deutsche Bank.
    Quelle: Handelsblatt

    Anmerkung: 20 Millionen für die Begleitung an die Börse, da lohnte es sich doch, dass die „Finanzkreise“ massiv für die Privatisierung der Bahn eingetreten sind. Wie gesagt: Bei Privatisierungen muss man zunächst immer danach fragen, wer verdient daran?

  11. Die SPD kokettiert mit dem Bankrott
    Die SPD zögert, einen eigenen Kandidaten für das Amt des Bundespräsidenten zu stellen. Würde sie darauf verzichten, käme dies einer politischen Bankrotterklärung gleich. Deshalb müssen die Sozialdemokraten jetzt Gesine Schwan nominieren. Alles andere wäre absurd.
    Quelle: stern

    Anmerkung WL: So ist es. Mit ihrer Kampagne für Köhler und mit ihren Warnungen davor, eine mögliche Mehrheit in der Bundesversammlung zur Wahl eines Kandidaten oder einer Kandidatin der SPD zu nutzen, führen die Konservativen und ihre Presse die Sozialdemokraten am Nasenring durch die politische Arena.

  12. Kein Schulterschluss in Lima
    Die EU und Lateinamerika haben auf ihrem Regionaltreffen in Lima im Streit um Handelsabkommen und Klimaschutz keinen Konsens gefunden. Die 60 teilnehmenden Staaten konnten sich auf dem am Wochenende zu Ende gegangenen Gipfel lediglich bei der Armutsbekämpfung auf konkrete gemeinsame Ziele verständigen.

    Wenn sich die EU und sein lateinamerikanisches Gegenstück, der Mercosur, auf einen gemeinsamen Nenner einigen konnten, dann auf den, dass sie ihre Differenzen nicht überwinden können. Hauptstreitpunkt sind aus Sicht des Mercosur die Subventionen und Importquoten, mit denen Europa seine Märkte schützt. Von den Freihandelsgesprächen mit der Andengemeinschaft verabschiedete sich Brüssel ganz offiziell. Stattdessen sollen nun bilaterale Verhandlungen mit den Teilnehmerstaaten aufgenommen werden.
    Quelle: FR

  13. Skandalöser Rechtsmissbrauch durch die Bank Oppenheim
    Das Buch „Der Bankier. Ungebetener Nachruf auf Alfred von Oppenheim“ (Nomen Verlag) kann seit zwei Jahren nur in 3. geschwärzter Auflage erscheinen. Zu den sieben Einstweiligen Verfügungen, die den Text betreffen, kommt ein Dutzend weiterer Verfahren. Die meisten befinden sich inzwischen in 2. Instanz (Kammergericht Berlin).
    Quelle: [PDF – 44 KB]
  14. Streubomben-Ächtung: Heimtückische Blindgänger
    Dublin ist Teil des “Oslo-Prozesses”. Den initiierte die norwegische Regierung Anfang vergangenen Jahres. Hintergrund ist, dass die drei ständigen Mitglieder des UN-Sicherheitsrates USA, Russland und China seit Jahren die Verhandlungen über ein Streumunitionsverbot im Rahmen der Genfer Abrüstungskonferenz der Vereinten Nationen (UN) blockierten. Verboten werden soll Streumunition vor allem wegen ihrer Auswirkungen auf die Zivilbevölkerung. Nach einer Studie von Handicap International sind 98 Prozent der Opfer Zivilisten. Die Bomben öffnen sich nach dem Abwurf und setzen unzählige “Bomblets” frei. Viele davon explodieren nicht, bleiben aber scharf. Wer einen solchen Sprengkörper berührt, wird verstümmelt oder stirbt. Bauern in betroffenen Ländern wie im Irak, Libanon und in Afghanistan können zudem wegen der Streumunition ihre Felder nicht bestellen, so dass die Ernährungslage leidet.
    Quelle: FR
  15. Tipp: Heiner Flassbeck – Das Ende der Massenarbeitslosigkeit
    Eine Rezension des Buches von Flassbeck und Spiecker.
    Quelle: Spiegelfechter

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