OXI, Storz und die böse Querfront, Teil 2: unsaubere Methoden

Norbert Häring
Ein Artikel von Norbert Häring

Mit unsauberen Methoden hat der Herausgeber des neuen vorgeblich kritischen Blogs OXI, Wolfgang Storz, in seiner Querfront-„Studie“ seine Zielpersonen zu einem Netzwerk zusammenfügt, obwohl es dieses, wie er selber wusste gar nicht gibt. Seine Querfront Erkenntnisse entstammen einem unappetitlichen Milieu und erste Erfahrungen legen den Schluss nahe, dass er mit OXI in dieser Richtung Kontinuität wahren will. Von Norbert Häring [*]

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

In Teil 1 hatten wir gesehen, dass Wolfgang Storz schon bei punktueller Zusammenarbeit von Leuten ohne gemeinsame Ziele und Strategie von einer Querfront-Strategie spricht. In Sachen Netzwerk wird der Autor ein bisschen anspruchsvoller. Er definiert vorneweg, was er damit meint. Damit handelt er sich aber das Problem ein, dass er Fakten unterdrücken und Sachverhalte falsch darstellen muss, um die eigene, wenig ambitionierte Definition eines Netzwerks halbwegs zu erfüllen. Außerdem unterlässt er es wohlweislich, einzeln abzuprüfen, ob die einzelnen angeblichen Knoten des Netzwerks die Definition erfüllen. Die Definition lautet:

„Der Begriff des politisch-medialen Netzwerks unterstellt hier freiwillige, lockere, aber stabile Kontakte, eine wiederkehrende punktuelle Zusammenarbeit von privaten Akteuren, die selbstständig und voneinander unabhängig sind… Der Begriff unterstellt weiter: Es gibt kein Zentrum, das steuert, keine gemeinsame Organisationsform; es kann jedoch Verabredungen über Inhalte und Ziele geben. Angenommen wird, dass zwischen den Akteuren so viel Vertrauen und gemeinsame Interessen bestehen, dass zum gegenseitigen Vorteil und nie zum Nachteil gearbeitet wird und aufgrund der Beziehungen eine gewisse wechselseitige Beeinflussung in Haltung und Handeln gegeben ist.“ (Hervorhebungen in allen Zitaten von mir.)

Ohne den letzten Satz sind die Anforderungen an die Diagnose eines Netzwerks extrem niedrig. Man muss sich eigentlich nur kennen und gelegentlich auf Veranstaltungen treffen oder Ähnliches. Man braucht keine gemeinsame Strategie und keine gemeinsamen Ziele (an anderer Stelle wird ausdrücklich festgestellt, die untersuchten Akteure hätten diese nicht).
Der letzte Satz ist anspruchsvoller. Man muss sich gegenseitig helfen und stützen und auf keinen Fall darf man gegeneinander arbeiten. Sonst ist man nicht Teil des gleichen Netzwerks. Tun wir, was Storz vermied und prüfen bei den Hauptpersonen einzeln ab. Laut erstem Absatz von Storz’ Papier sind es vor allem die Montagsmahnwachen für den Frieden, die den Anstoß für die Untersuchung gaben. Sonderbarer Weise interessiert jedoch deren Organisator Lars Mährholz den Studienautoren Storz so wenig, dass sein Portrait mit fünf Zeilen auskommt, die in indirekter Rede aus einem Zeitungsartikel abgeschrieben sind.  
Um wen es stattdessen geht, wird daran deutlich, dass Jürgen Elsässer eineinhalb Seiten Portrait bekommt, Ken Jebsen sogar zweieinhalb Seiten. Beide traten bei den Mahnwachen als Redner auf.

Elsässer ist der ideale Kronzeuge für die Querfrontthese. Er ist so etwas wie eine Ein-Mann-Querfront. Von ganz links wo er in herausgehobener Position für linke Publikationen wie Kontext und Junge Welt arbeitete, bewegte er sich über die von ihm als Abspaltung der Jungen Welt gegründete, antideutsche Publikation Jungle World nach ziemlich weit rechts. Er gibt jetzt die rechtslastige Zeitschrift Compact heraus, nennt sich selbst aber offenbar immer noch links. Ich kenne ihn nicht persönlich und habe mir seine Reden nicht angehört und seine Schriften nicht gelesen. Ich habe nur Hörensagen von Leuten, denen ich vertraue und die um seines wenig vertrauenserweckenden Lebenslaufs keine gute Meinung von ihm haben. Er ruft offenbar, wenn Storz ihn richtig zitiert, tatsächlich zur Bildung einer Querfront von ganz links bis ganz rechts auf. Die Frage ist nur, ob ihm jemand dabei folgt, insbesondere auch von den Leuten, die Storz in seinem Umfeld zu verorten und so zu diskreditieren sucht.

Die zweite Hauptperson ist Ken Jebsen, der frühere Radiomoderator, der im Internet einen sehr erfolgreichen Video-Kanal namens KenFM betreibt. Die wichtigsten Formate sind Interviews, Podiumsdiskussionen mit Gästen und eigene Stellungnahmen zu Medienthemen. Sie sind lang und nicht einfach zu konsumieren, haben aber dennoch sehr hohe Abrufzahlen bis in den sechsstelligen Bereich.

Auch ausführlich, aber deutlich weniger liebevoll, wird als Institution noch der Kopp-Verlag begutachtet. Das hat erkennbar im Wesentlichen nur die Funktion, bei der Plausibilisierung eines Netzwerks zu helfen, indem Leute aufgezählt werden, die dort schon veröffentlicht haben und die auch schon mit Elsässer auf der gleichen Veranstaltung gesprochen haben, oder in Elsässers Publikation Compact etwas publiziert haben, oder von Ken Jebsen interviewt wurden.

Doch schon bei den beiden Hauptpersonen, Elsässer und Jebsen, wäre die Netzwerkthese vor Studienbeginn in sich zusammengefallen, wenn Storz sich an die Fakten gehalten hätte – was er deshalb von Anfang an vermieden hat.

Ein Netzwerk von Feinden

Schon im Mai 2014, 15 Monate bevor Storz sein kleines Arbeitspapier veröffentlichte, und bald nach Beginn der Mahnwachen, hatte Jebsen folgenden, hier gekürzt wiedergegebenen offenen Brief unterzeichnet, der sich frontal gegen Elsässer wendet:

„Liebe Organisatoren und Teilnehmer der Erfurter Mahnwache,

Die Montagsmahnwachen bringen seit Wochen Menschen aus den  unterschiedlichsten Bereichen zusammen. (…) Organisierte Neonazis, braune Kameradschaften und faschistoide Praktiken haben auf unseren Mahnwachen nichts verloren. (…) Es dürfte keinem Beobachter der Montagsmahnwachen entgangen sein, dass insbesondere die Personalie Jürgen Elsässer immer wieder zu Zwist führt. Seit einigen Jahren tritt Jürgen Elsässer in seiner Publikation immer wieder mit schlimmen Ausfällen gegen konkrete Personen und Personengruppen in Erscheinung, die Raum neben seinen geopolitischen Analysen finden. (…) Dennoch wurde Herrn Elsässer vor gut einem Monat in Berlin eine faire Chance für einen Neuanfang gegeben. Es schien zunächst so, als wollte er diese Chance nutzen. Viele Teilnehmer der Montagsmahnwachen waren umso mehr zurecht darüber empört und enttäuscht, dass Herr Elsässer bereits kurz danach einen Artikel veröffentlichte, in dem wieder einmal konkreten personenbezogenen Herabwürdigungen Raum gegeben wurde. In der aktuellen Ausgabe seines Magazins kommt zudem nun ein Autor zu Wort, der in unsäglicher Weise gegen Migranten, Homosexuelle und Frauen vom Leder zieht.“

Elsässer revanchierte sich, indem er Jebsen später einen Linksglobalisten nannte und ihn für den Niedergang der Mahnwachen verantwortlich machte.

Schon 15 Monate vor Veröffentlichung des Querfront-Pamphlets war also eine zentrale Voraussetzung, um von einem Netzwerk zu sprechen, dem Elsässer und Jebsen angehören, nicht mehr gegeben, dass nämlich die daran Beteiligten nicht gegeneinander arbeiten und sich nicht gegenseitig öffentlich zu schaden versuchen. Ein integrer Wissenschaftler hätte seine Studie mit diesem Wissen so nicht angelegt und strukturiert, wie Storz das tat.
Storz schreibt bei der Vorstellung von Ken Jebsen: „Ken Jebsen trat bis vor einigen Monaten regelmäßig als Redner auf Veranstaltungen des Compact-Magazins auf.“ Im ganzen langen Portrait sagt er den Lesern nichts von der harten öffentlichen Distanzierung Jebsens von Elsässer. Es wirkt unwahrscheinlich, dass Jebsen noch im Frühjahr oder Sommer 2015 bei Elsässers Veranstaltungen aufgetreten sein soll, nach dem, was schon ein Jahr vorher zwischen den beiden vorgefallen ist. Storz nennt keine Termine oder Namen der Veranstaltungen. Auf Anfrage schreibt Jebsen im Juni 2016: “Seit 2 Jahren haben wir null Kontakt zu Elsässer und Compact.”

Weiter hinten, in den „analytischen Schlussfolgerungen“ schreibt Storz im Präsens:

„Nach den mit diesem Arbeitspapier zusammengetragenen Befunden kann begründet behauptet und belegt werden, dass der Kopp-Verlag und wichtige seiner politischen Autoren, der Publizist und Aktivist Ken Jebsen mit seinen publizistischen Arbeiten, die Organisatoren der „Montagsmahnwachen“ und die Verantwortlichen des Homilius-Verlages sowie des Monatsmagazins “Compact“ als leistungsfähiger Kern eines publizistisch-politischen Netzwerks angesehen werden können.“

Durch die Gegenwartsform und Storz‘ eigene Kriterien für ein Netzwerk wird das mindestens in Bezug auf Jebsen und Elsässer zu einer Falschaussage. Storz verschleiert diese, indem er Elsässer nicht beim Namen nennt, sondern umschreibt. Denn als Storz dies schrieb, arbeiteten Jebsen und Elsässer, der Verantwortliche des Magazins Compact, schon lange gegeneinander und das konnte Storz nicht entgangen sein.

Er verstärkt die Irreführung noch, indem er direkt im Anschluss schreibt: “Von Ken Jebsen und Jürgen Elsässer gibt es zahlreiche Videos mit gemeinsamen Auftritten”, wieder ohne zu erwähnen, dass das allein historische Aufnahmen sind.

Dass der Bruch von Jebsen und Elsässer Storz bekannt war, zeigt eine später folgende Passage, in der er diesen in einem Nebensatz andeutet. Der Nebensatz dient dazu, eine weitere bewusste Irreführung der Leser zu rechtfertigen. Storz schreibt:

„Die hier porträtierten Netzwerk-Akteure beschäftigen sich im Wesentlichen mit den folgenden Fragen und Themen: die Ablehnung von Euro und EU-Bürokratie; Sorge um die Stabilität des Geldsystems; Souveränität Deutschlands (vor allem gegenüber den USA) erkämpfen; ein gutes Verhältnis zu Russland schaffen; den Nationalstaat stärken; sich auf das ‚christliche Abendland‘ besinnen; die Familie stärken; eine als ‚zu groß‘ empfundene Liberalität und Pluralität (Gender-Mainstreaming, Gleichstellung von Minderheiten, Sexualität) eingrenzen;  sich gegenüber fremden Religionen abgrenzen; sich für ein Europa der Vaterländer einsetzen; die Schweiz als Vorbild (Währung, direkte Demokratie, Miliz-Militär, Neutralität); mehr direkte ,Volks-Demokratie‘; Souveränität gegenüber Israel herstellen; Misstrauen gegenüber oder gar Ablehnung von politischen und medialen Eliten; Einschränkungen der Meinungsfreiheit; Polarisierung zwischen Volk und Eliten.”

Tatsächlich sind das keine „Themen“, sondern zumeist Haltungen, die hier als gemeinsam unterstellt werden, und zwar zu einem guten Teil anti-plurale, fremden- und minderheitenfeindliche Haltungen. Nach meiner Einschätzung treffen Letztere auf Ken Jebsen nicht zu. Ich habe ihn dazu per Mail befragt, und er antwortete zu den einzelnen Punkten:

  • Die Ablehnung von Euro und EU-Bürokratie: “Wir lehnen weder den Euro, noch die EU-Bürokratie ab, halten aber den Euro für wenig stabil und die EU-Bürokratie für wenig transparent.” Klingt nach Jein.
  • Sorge um die Stabilität des Geldsystems: “Wäre das Geldsystem in Europa stabil, gäbe es keinen Bail-In, keine Bankenrettung und keine Diskussionen um einen Schuldenschnitt.” Aussage ist korrekt.
  • Ein gutes Verhältnis zu Russland schaffen: “Selbstverständlich. Was würde uns ein schlechtes Verhältnis bringen?!” Aussage ist korrekt.
  • Den Nationalstaat stärken: “Üble Unterstellung.” Nein!
  • Sich auf das christliche Abendland besinnen: “Wir leben in einer globalisierten Welt mit Pluralismus. Und das ist auch gut so.” Ein klares Nein.
  • Die Familie stärken: “Wenn das eine konkrete Form von Humanismus ist – ja.” Klingt wie Jein.
  • Eine als zu groß empfundene Liberalität und Pluralität eingrenzen: “Wir haben uns derart noch nie geäußert.” Ein klares Nein.
  • Sich gegenüber fremden Religionen abgrenzen: “Religion ist Privatsache.” Ein klares Nein.
  • Sich für ein Europa der Vaterländer einsetzen: “Die Zeit der Vaterländer ist vorbei. Lokale Färbungen in Europa sollten erhalten bleiben.” Ein klares Nein.
  • Die Schweiz als Vorbild: “Die Schweiz ist demokratischer und im Hinblick auf Auslandseinsätze friedlicher als Deutschland und hat einen Demokratie-Vorsprung.” Also ein Ja, wenn man auch von sehr vielen Ländern nachahmenswerte Aspekte finden kann.
  • Souveränität gegenüber Israel herstellen: “Deutschland sollte nicht nur seine Verantwortung gegenüber Israel wahrnehmen, sondern auch die gegenüber den Palästinensern.” Kann man wohl als ein Ja deuten.
  • Misstrauen gegenüber oder gar Ablehnung von politischen und medialen Eliten: “Transparenz ist das A und O.” Mit gutem Willen ein Ja.
  • Einschränkung der Meinungsfreiheit: “Geschlossene Pressezirkel und der Vertreter sollten benannt werden, dies ist die Schaffung von mehr Transparenz.” Haltung durch Storz unklar beschrieben.
  • Polarisierung zwischen Volk und Eliten: “Im Gegenteil. Annäherung durch Augenhöhe.“ Bestenfalls Jein.

Fazit: Ken Jebsen distanziert sich von mindestens fünf der ihm unterstellten Haltungen, insbesondere von den rechtslastigen, antipluralen, gegenüber fünf korrekt beschriebenen, harmlosen Haltungen und drei die nur teilweise korrekt sind. Storz ist das bewusst, denn er schreibt weiter:

„Dies unterstellt nicht, dass die Akteure bei allen Themen einer Meinung sind. Bei wenigen, wie Fragen von Religion, Familie und nationaler Homogenität, gibt es sehr wohl gravierende Unterschiede, mit denen beispielsweise Ken Jebsen – nach eigener Darstellung – nach einer langen Zusammenarbeit seinen ‚Bruch‘, mit Jürgen Elsässer begründet.“

Auch wenn Storz den hier erstmals erwähnten „Bruch“ in einen Nebensatz packt, mit Anführungszeichen und dem Zusatz „nach eigener Darstellung“ relativiert und so den Eindruck erweckt, dass er vielleicht nicht ernst gemeint oder nur vorgeschoben oder halbherzig sei, und verschweigt, wie lange dieser Bruch schon her ist und mit welchem Grad an Öffentlichkeit er stattfand, räumt er hier ein, dass er von der gegenseitigen Distanzierung weiß. Das macht das, was er vorher geschrieben hat, zur wissentlichen Falschbehauptungen.
Folgendes steht in Wikipedia über Betrug und Fälschung in der Wissenschaft:

„Betrug und Fälschung in der Wissenschaft sind unwahre Behauptungen, erfundene oder gefälschte Forschungsergebnisse, die vorsätzlich, also in betrügerischer Absicht von Wissenschaftlern publiziert werden.“

Nachdem der Wissenschaftler (Soziologe) verschämt eingeräumt hat, dass Ken Jebsen, der neben Elsässer erkennbar die Hauptfigur dieser Untersuchung darstellt, die problematischen Haltungen nicht teilt, die Storz den Netzwerkmitgliedern zuschreibt, macht er dennoch unbeirrt weiter mit der Feststellung:

“Die vertretenen Positionen münden in eine politisch-kulturelle Einstellung, die sich so fassen lässt: ein möglichst souveräner Nationalstaat, eine rigide Abwendung von heutigen wirtschaftspolitischen, repräsentativ-parlamentarischen und liberalen Gesellschaftsentwürfen in westeuropäischen Demokratien und deren Werten (…). Liberale Prinzipien wie Pluralismus und Minderheitenrechte werden gering geschätzt.“

Das trifft erkennbar fast alles auf Jebsen nicht zu. Das wäre vielleicht gerade noch akzeptabel, wenn Jebsen eine Randfigur in diesem unterstellten Netzwerk wäre, bei der eine abweichende Haltung nichts ausmachte. Aber es ist angeblich zentral darin. Dann ist diese Charakterisierung eine weitere wissentliche und verunglimpfende Falschbehauptung.

Assoziation durch räumliche Nähe und falsche Sortierung

Storz hat noch mehr Tricks auf Lager. In seinem Bemühen, Jebsen mit Elsässer zu verknüpfen, sortiert er Jebsens Videoportal unter einer Überschrift ein, die lautet: „Video-Angebote, Compact-TV“ Durch die falsche Einsortierung der Angaben über Jebsens Video-Tätigkeit, die seine Haupttätigkeit darstellt, wird provoziert, dass der nicht ganz aufmerksame Leser den Eindruck gewinnt, Jebsen mache Videos für Compact TV oder die beiden kooperierten auf andere Weise auf diesem Gebiet, was in keiner Weise der Fall ist.

Nur Fakten, die zur These passen, sind interessant

Auch die Besucher der Montagsmahnwachen verunglimpft Storz. Durch selektive und tendenziöse Wiedergabe der Ergebnisse einer Umfrage unter Teilnehmern einer einzigen Berliner Mahnwache erweckt er den Anschein eines hohen Anteils Rechter. „Von den 306 Befragten haben zwei, so der Befund der Forscher, ein geschlossenes rechtsextremes Weltbild“, räumt er immerhin noch ein, um dann aber einschränkend zu zitieren: Aber: „Eine Ausnahme von dieser Regel wird allerdings auch sichtbar: Die Befürwortung einer rechtsautoritären Diktatur übersteigt die in der Gesamtbevölkerung.“ Das ist von den zitierten Studienautoren, die erkennbar erpicht auf das Finden der Anzeichen für rechtes Gedankengut waren, tendenziös formuliert. Aber diese bringen dann gleich die Zahlen, die Storz unterschlägt. Hier sind sie:

Chauvinismus ist in der Gesamtbevölkerung 12 mal so ausgeprägt wie unter den befragten Mahnwachen-Teilnehmern. Antisemitismus ist in der Bevölkerung mehr als drei mal so häufig, ein rechtsextremes Weltbild hat ein sieben Mal so hoher Anteil der Gesamtbevölkerung als der Mahnwachenteilnehmer.

Dagegen spielt sich die höhere Befürwortung einer Diktatur tief im statistischen Unschärfebereich ab. Bei den teilnehmenden Demonstranten sind es mit 3,9% ganze 0,3 Prozentpunkte mehr als in der Gesamtbevölkerung. Es ist hochgradig unseriös, aus dieser minimalen Abweichung irgendeinen Schluss zu ziehen und diesen so prominent herauszustellen, wie Storz das tut.

Überhaupt besteht der Abschnitt über die Mahnwachen nahezu ausschließlich aus den selektiv wiedergegebenen Ergebnissen der fremden Befragung von nur 300 Teilnehmern einer einzigen Mahnwache in Berlin, und den (tendenziösen) Schlüssen, die die Organisatoren der Befragung daraus ziehen. Storz gibt keinen Hinweis auf die schwache Aussagekraft einer derart kleinen Befragung bei einer einzigen Veranstaltung.

Die immer gleichen Quellen der Anwürfe werden versteckt

Die Art, wie Storz die Diskussion um den Charakter der Mahnwachen einführt, ist zirkulär und tendenziös. Die ersten beiden Sätze der „Studie“ heißen ominös:

„Seit dem Frühjahr 2014 gibt es zunehmend Debatten über die sich damals häufenden „Montagsmahnwachen“. Ihr Charakter wurde sehr unterschiedlich bewertet: von einer neuen Friedensbewegung über ein „Querfront“-Projekt (…) bis hin zu einer Initiative von Rechtspopulisten oder gar Rechtsradikalen.“

Ihm reicht die Verunglimpfung  auf Basis der angeblichen Aussagen ungenannter Dritter. Dabei hätte es viel mehr zu erzählen gegeben. Etwa woher die „zunehmenden Debatten“ und die Vorwürfe kamen. Auslöser war die Ex-Grüne Politikerin Jutta Ditfurth, die inzwischen einen eigenen Ditfurth-Wahlverein namens ÖkoLinX ihr Eigen nennt, auch Antirassistische Linke genannt. Jutta Ditfurth ist ins antideutsche Milieu eingetaucht und betätigt sich als Spürhund für antisemitische oder rassistische Aussagen oder Codewörter, bevorzugt bei Linken und Pazifisten. Sie ist nicht wählerisch. Vor kurzem hat sie auf Twitter den Dalai Lama als Rassisten klassifiziert.

Ditfurth hat zusammen mit anderen Spürhunden aus der antideutschen Szene für Storz viel an Vorarbeit zur Aufdeckung des vermeintlichen Querfront-Sumpfes geleistet. Zum Beispiel mit einem Herrn André Hüssy, der eine Adresse in der Schweiz angibt, wirft sie sich gegenseitig die Bälle zu. Dieser betreibt von dort einen „Querfrontseiten“ genannten Blog. Der Blog ist relativ neu. Vorher trieb er vor allem auf Facebook unter Pseudonym sein Unwesen. Fester Stargast auf dem Blog ist Wolfgang Lieb, der auf der Startseite mit Foto und Zitat gefeatured wird (nach Angaben von Dr. Lieb ohne sein Wissen). Der ehemalige Mitherausgeber der Nachdenkseiten hat sich im letzten Jahr nach Storz‘ Querfront-Veröffentlichung öffentlichkeitswirksam von Albrecht Müller distanziert. Hüssy twittert auch eifrig. Seine Art der Netzwerkanalyse ist der von Storz nicht unähnlich, nur etwas weniger mit Soziologendeutsch verschönert. Ein typisches, aktuelles Beispiel vom 7. Juni:

„UpDate: Der mit Albrecht Müller verbandelte (Allianz-Partner) Ken Jebsen interviewt den mit dem Holocaustleugner David Irving befreundeten Rolf Hochhuth. Zu Beginn des Interviews lobt Rolf Hochhuth Willy Wimmer über alle Massen.“

Die Liste der Twitter-Follower der beiden und die Adressaten vieler ihrer  Tweets, deuten darauf hin, dass sie ihre Informationen darüber, wer als Antisemit oder Verschwörungstheoretiker zu ächten ist, in viele Redaktionsstuben und hoch in die Führungsriege insbesondere der Linken transportiert bekommen (Achtung: Follower können auch Kritiker sein, aber ich vermute, das ist eher die Ausnahme, zumal mindestens Ditfurth die Angewohnheit hat, Follower, die sie als Rassisten oder Antisemiten verunglimpfen will, vorher zu blocken). Mit einem David Vickrey in den USA gibt es auch dort einen Verbreiter, der sich nicht scheut, wichtige Persönlichkeiten per direkter Ansprache vor Kontakten mit vermeintlichen Querfrontlern zu warnen.

Ditfurths zentrale Rolle beim Lostreten der Debatte über die Mahnwachenteilnehmer, konnte Storz, falls er es nicht wusste, in der von ihm so ausführlich zitierten Befragungsstudie nachlesen:

„Diese Deutung des Ukraine-Konfliktes auf den Montagsmahnwachen wurde zum Gegenstand einer medialen Debatte, angestoßen durch ein Interview mit der Publizistin Jutta Ditfurth in der 3sat-Sendung Kulturzeit. Ditfurth erklärte, die Demonstrierenden bedienten sich rechtslastiger Argumentationsmuster und gingen auf ein loses Netzwerk von Personen mit antizionistischer und antiamerikanischer Agenda zurück. Andere Medien machten sich diese Kritik im Wesentlichen zu eigen.“

Storz entscheidet sich, die Leser seiner „Studie“ nicht mit solchen Details zu behelligen. Vielleicht liegt das ja daran, dass er Ditfurth weiter vorne schon als Kronzeugin gegen Elsässer angeführt hat. Eine neuerliche Nennung als Haupt-Kronzeugin gegen die Mahnwachen könnte beim Leser doch gewisse Zweifel an ihrer und auch seiner Objektivität aufkommen lassen. Storz schrieb in Elsässers Portrait: “Die Publizistin Jutta Ditfurth urteilt: ‚Elsässer gehört einem völkischen, antisemitischen, rassistischen, homophoben und antifeministischen Netzwerk an‘.“  Er erwähnt zwar auch, dass sie einen Prozess, den Elsässer deswegen anstrengte „in erster Instanz“ verlor. Aber es bleibt ja immer etwas hängen.

Wenn man schaut, welche Personen besonders im Fokus von Leuten wie André Hüssy und Jutta Ditfurth stehen, so findet man sie in Storzens „Studie“ fast alle in unvorteilhafter Weise wieder. Ken Jebsen natürlich, und Elsässer, außerdem den Herausgeber der Nachdenkseiten, Alberecht Müller, der Jebsen ein langes(!) Interview gab, den friedensbewegten, früheren verteidigungspolitischen Sprecher und Verteidigungsstaatssekretär der CDU Willy Wimmer, sowie Sahra Wagenknecht und Dieter Dehm von den Linken. Das von Dehm gegründete linke Videoportal Weltnetz TV musste Storz allerdings zwischenzeitlich aus der Studie streichen Er hatte ihm eine nicht-existente Allianz mit rechten Kanälen angedichtet.

Wo kein Antisemitismus ist, muss man tiefer bohren

Eine beliebte Technik der Antideutschen hat Storz offenkundig ebenfalls drauf, die oberflächliche Textexegese, um nach versteckten Hinweisen auf rechtsradikale und antisemitische Gesinnung zu suchen und „strukturellen“ Antisemitismus aufzufinden. Letzteres ist alles, was Antisemitismus in Begrifflichkeit und Argumentationsstruktur ähnelt. Sobald man etwas Kritisches über die Finanzbranche sagt, oder über Eliten, ist man für diese Hobby-Antisemitismusexperten schon ganz nah am strukturellen Antisemitismus.
Bei Storz klingt das so:

„Analysen, die die hier porträtierten Akteure anstellen (…) verwirren (…). Die Kritik an den Finanzmärkten klingt wie auf einem „Attac“-Kongress, bis eine Andeutung über den besonderen Einfluss jüdischer Familien auf die Wall Street der Einlassung eine rechtspopulistische bis rechtsradikale Färbung gibt. Die Kritik an den Medien ist heute weit verbreitet und hart, bis sie mit dem Urteil ‚System-Medien‘ und Hinweisen, es handle sich um eine ‚Gleichschaltung‘, die Frage aufwirft, von welchen Werten und welchem Gesellschaftsbild der Kritiker ausgeht. Die Kritik an Parteien – wird sie mit dem Begriff der Berliner ‚Blockparteien‘ demokratieunverträglich?“

Und wo er schon bei den Böses insinuierenden, rhetorischen Fragen ist, macht er zum Abschluss, in Wiederaufnahme seiner Einleitungssätze, in denen er gleichlautende Kritik ungenannter Dritter referierte, weiter mit:

„Womit haben wir es in diesen Fällen zu tun: mit aufklärerischer, linker, linksautoritärer, neurechter, rechtspopulistischer, antisemitischer oder rechtsextremer Kritik? Nationalistische Linke und antikapitalistische Rechte, rechte Muslimfreunde und linke Antizionisten – die Vielfalt verwirrt. Vor allem wenn Befunde und Argumente, die aus einer Haltung des Aufklärerischen vertreten werden, sehr nahe an Momente des Ressentiments, des Nationalen oder des potenziell Antisemitischen ‚herangeführt‘ werden. Zeigt dies nun, wie nahe sich „Attac“-Vertreter und Rechtsradikale, Jürgen Elsässer und Links-Politiker Wolfgang Gehrcke sind?

Wenn der Autor eines solchen Werkes zum Herausgeber eines linken Blogs wird, ist es nur folgerichtig, dass auf diesem ein Beitrag erscheint, der mich des Antisemitismus bezichtigt, weil ich in meinem Buch gegen „Die Abschaffung des Bargelds“ an einer Stelle das Wort „Ostküste“ verwendet habe. Darüber hinaus habe ich noch die Finanzbranche kritisiert und unterstellt, sie beeinflusse die Politik. Drei solcher Indizien reichen ambitionierten Antisemitistenjägern locker, um strukturellen Antisemitismus festzustellen. Vorher, am Tag des Erscheinens meines Buches, hatte Herr Hüssy in der Schweiz auf seinem Querfrontseiten-Blog und per Twitter darauf aufmerksam gemacht, dass ich jetzt auch zu den zu Bekämpfenden zu zählen sei, weil ich den NachDenkSeiten ein Interview zu meinem Buch gab, nachdem ich diese zuvor sogar noch gegen die Anwürfe von Storz und der Frankfurter Rundschau verteidigt hatte.

Sind wir mal gespannt, welche in der Storz-Studie ausgelassenen Pseudo-Neurechten auf OXI Blog noch enttarnt werden. Da ich selbst bereits enttarnt bin, kann ich es zugeben: Ich habe Ken Jebsen (aus Prinzip) ein Interview zum Thema Bargeld gegeben (noch nicht erschienen), obwohl mir ausnahmslos alle davon abrieten, weil so viel über ihn geraunt werde. Es tue meiner Positionierung als Autor nicht gut, mit ihm in Verbindung gebracht zu werden, sagten alle, die etwas davon verstehen. Und sie haben sicher Recht. Dafür ist es ja da, das Geraune.


Ergänzung 22.6.2015: Stellungnahme von Dr. Wolfgang Lieb, Staatssekretär a.D.

Dr. Wolfgang Lieb hat mir am 21. Juni folgende „Gegendarstellung“ zugeschickt. Auch wenn es sich bei den Passagen, zu denen er Stellung nimmt, kaum um gegendarstellungsfähige Tatsachenbehauptungen nach Presserecht handelt, will ich seine Anmerkungen, soweit hier relevant, gern veröffentlichen.

„In dem Beitrag „OXI, Storz und die böse Querfront, Teil 2: unsaubere Methoden“ von Norbert Häring, veröffentlicht am 9.6.2014 auf dem Blog norberthaering.de und am 10. 6. 2016 gleichlautend auf den www.nachdenkseiten.de wird behauptet ich sei „fester Stargast“ auf dem von Herrn André Hüssy veröffentlichten Blog „Querfrontseiten“. Dazu stelle ich fest, dass ich diesen Blog bis zur Veröffentlichung des o.g. Beitrages nicht kannte und dass ich nie einen eigenen Beitrag dafür geschrieben oder ein Text von mir mit meinem Wissen veröffentlicht wurde.

In dem Beitrag wird ferner behauptet, dass ich mich als ‘ehemaliger Mitherausgeber der Nachdenkseiten … im letzten Jahr nach Storz’ Querfront-Veröffentlichung öffentlichkeitswirksam von Albrecht Müller distanziert’ hätte. Dazu stelle ich fest, dass meine Distanzierung von meinem damaligen Mitherausgeber in keinerlei Zusammenhang mit der Veröffentlichung des „Arbeitspapiers Nr. 18: Querfront – Karriere eines politisch-publiszistischen Netzwerks“ von Wolfgang Storz stand.“

Hierzu möchte ich anmerken:

In der Dr. Lieb bekannten Textfassung vom 12.6.2016 heißt es vollständig: „Fester Stargast auf dem Blog ist Wolfgang Lieb, der auf der Startseite mit Foto und Zitat gefeatured wird (nach Angaben von Dr. Lieb ohne sein Wissen).“ Dass Dr. Lieb Texte für den Blog „Querfrontseiten“ verfasst habe, habe ich in dem Beitrag an keiner Stelle behauptet. Dass das Foto und das Zitat von Dr. Lieb zwischenzeitlich von der Startseite von „Querfrontseiten“ entfernt wurden, habe ich in einem Nachtrag vom 13.6.2016 auf norberthaering.de ergänzend mitgeteilt.

Ich habe nicht behauptet, dass die Distanzierung Dr. Liebs von Albrecht Müller und den Nachdenkseiten in einem ursächlichen Zusammenhang mit der Veröffentlichung der Querfront-Studie von Professor Storz stand. Dass diese im Jahr 2015 und zeitlich nach jener Veröffentlichung stattfand, ist korrekt und relevant. Der zeitliche Ablauf war folgendermaßen. Am 21. August 2015 veröffentliche die Otto Brenner Stiftung die Querfront-Studie von Professor Storz. Anfang September nahm sie diese wegen juristischer Probleme wieder vom Netz. Vier Tage bevor Dr. Lieb sich am 23. Oktober öffentlich von den Nachdenkseiten trennte, stellte die Otto-Brenner-Stiftung die Studie wieder auf ihre Website. Der von mir im Beitrag nur kurz angedeutete zeitliche Ablauf ist von Relevanz, u.a. weil in Pressebeiträgen zu Dr. Liebs Trennung von den Nachdenkseiten, welche die Otto-Brenner-Stiftung auf der Webseite zur Querfront-Studie auflistet, die Querfront-Studie von Wolfgang Storz in engen sachlichen Zusammenhang mit Dr. Liebs Trennung von den Nachdenkseiten gestellt wird, etwa hier und hier.


[«*] Dr. Norbert Häring ist Ökonom und Wirtschaftsjournalist. Er betreibt das Blog „Geld und mehr“.