Die Entspannungspolitiker sind nicht betrogen worden. Vom kommenden transatlantischen „Säbelrasseln“ hätte man wissen müssen.

Albrecht Müller
Ein Artikel von:

Das meint ein Leser der NachDenkSeiten mit Blick auf meine Ramstein-Rede. Seine Lesermail ist interessant. Deshalb geben wir sie wieder. Er bestätigt damit die Berichte von Willy Wimmer beim Pleisweiler Gespräch und auch bei anderen Gelegenheiten: Helmut Kohl, Bundeskanzler anfangs der Neunzigerjahre, sei voller Sorge von Reisen in die USA zurückgekommen, weil er den Eindruck gewinnen musste, dass die dortige Regierung sich nicht an die Abreden von 1989/1990 zum Ende des West-Ost-Konflikts hält. Albrecht Müller.

Es bleibt dann allerdings schon die Frage, warum der damalige Bundeskanzler Kohl und auch der spätere Bundeskanzler Schröder diese Abkehr vom Konzept der gemeinsamen Sicherheit und der Zusammenarbeit in Europa nicht öffentlich zur Sprache gebracht haben und sich offensichtlich in Washington auch nicht gegen die nicht abgesprochene Veränderung der uns alle betreffenden Politik gewehrt haben.

Der Vorgang ist deshalb von großer Bedeutung, weil er zeigt und belegt, dass wir auch in entscheidenden Fragen nicht eigenständig zu handeln fähig sind. Darauf wird auch im Zusammenhang mit der Unterstützung der Bundeskanzlerin für die Forcierung der Rüstung noch einmal einzugehen sein. Wir sind ein fremdbestimmtes Anhängsel – beim Forcieren des neuen Kalten Kriegs, bei der Behandlung der Freihandelsabkommen und vielen entscheidenden anderen Fragen auch.

Hier jetzt die Mail des NachDenkSeiten-Lesers zu meiner Ramstein-Rede und zum gestrigen Beitrag über die Erklärung des Willy-Brandt-Kreises:

Hallo Herr Müller,

Ihrer „Ramstein“-Rede stimme ich – selbstverständlich – zu. In einem Punkt möchte ich aber vorsichtig widersprechen: „wir“ sind nicht betrogen worden. Es handelt sich hier um einen Selbstbetrug (der deutschen Entspannungspolitiker). Wie sich jetzt herausstellt, stand die Nato und die (US-)Elite aus strategischer Sicht diesem ‘friedlichen’ Ausrutscher feindselig gegenüber. Seitdem die deutschen Entspannungspolitiker, die die Phase eines etwas faireren (auf Amerikanisch „schwachen“) US-Präsidenten ausnutzten, von der politischen Bühne verschwunden sind, ist das Einstimmen deutscher Politiker und Medien in das transatlantische ‘Säbelrasseln’ wieder in vollem Gange. (Vom “Westen” angezettelte Kriege und Umstürze in und um Russland herum gab es auch zu Zeiten, als in Deutschland Entspannungspolitik angesagt war. Die US-Elitenpolitik ließ sich durch “uns” nicht aufhalten. “Wir” dachten, dass die Vernunft siegt – und das ist Selbstbetrug. “Wir” haben die Gefährlichkeit des angelsächsischen Denkens (siehe Max Weber, Deschner und andere) total unterschätzt.)

Von den Mitgliedern des Willy-Brandt-Kreises erwarten Sie zu viel. Diese Handverlesenen (von wem denn wohl?) haben einfach Angst um ihre Reputation. Die Mitglieder wissen, dass man auf medialer Ebene schnell ausgesperrt werden kann, wenn man nicht in der Spur bleibt.

Unter diesem Aspekt ist – aus Sicht der Mitglieder – die Erklärung des Willy-Brandt-Kreises durchaus als Kritik an der Nato aufzufassen, da man keinen Allein-Schuldigen (Russland, Putin) präsentiert. Aus Sicht der Nato-Strategen, für die der Text eigentlich verfasst wurde, ist er aber eine Zumutung und ein Weckruf an die CIA und US-Politiklobbyisten, den Einfluss bei der Auswahl der nächsten Mitglieder zu erhöhen. Ich gehe davon aus, dass man in 10 bis 20 Jahren die Äußerungen aus dem Willy-Brandt-Kreis nicht wiedererkennt.

„Wir“ sind gescheitert – da stimme ich Ihnen ohne Widerspruch zu. Den Deutschen muss man klar machen, dass Vietnamesen, Serben und Syrer für die Eliten gleich viel wert sind wie später einmal Ukrainer, Polen oder Deutsche … oder Russen.

Fakt ist, dass die Deutschen zurzeit durch russische Langstreckenraketen beschützt werden. Unser Feind ist das transatlantische Militär, das dann losschlägt, sobald sich abzeichnet, dass keine oder nur wenige russische Raketen das US-Festland treffen.

Das sollten Sie über die Nachdenkseiten publik machen.

Viele Grüße

E. H.

Es folgt noch eine Mail, die auch deshalb angehängt wird, weil dieser NachDenkSeiten-Leser dazu ermuntert, den Artikel zur Erklärung des Willy-Brandt-Kreises über den eigenen E-Mail Verteiler weiterzuleiten bzw. zu verlinken.

Bitte greifen Sie diese Anregung auf. Es ist wichtig, dass viele Menschen von der Brisanz der jetzigen Situation erfahren. Ich nenne hier noch einmal die Links auf beide Artikel und füge dann die Mail des NachDenkSeiten Lesers an:

  1. Ramstein-Rede und
  2. Ist der neue Kalte Krieg vom Himmel gefallen? Nein.

Lieber Herr Müller,

ich habe leider jetzt erst Ihren fulminanten Artikel von gestern “Ist der neue Kalte Krieg vom Himmel gefallen? Nein.” gelesen. Ich habe geradezu jede Zeile davon aufgesogen wie ein Verdurstender und ich stimme Ihnen in jedem Detail zu! Das ebenso Bemerkenswerte ist für mich dabei auch Ihre Leistung, das Wesentliche, das es zu dieser sehr ärgerlichen Erklärung gibt, in dieser komprimierten Form und Stringenz auszuführen. Doch weit mehr: Dieser Artikel taugt gleichzeitig spielend dazu, “die Sache mit Russland und darüber hinaus” in einem einzigen, überschaubaren Artikel komprimiert geliefert zu bekommen. Ich werde ihn verlinken, wo ich nur kann!

Vielen, herzlichen Dank Ihnen für diese Labsal!

Freundliche Grüße, 

T. H.

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