Über den feindseligen Umgang von Medien mit Politikern, die nicht in die Linie passen, konkret betreffend Jeremy Corbyn und Sahra Wagenknecht

Albrecht Müller
Ein Artikel von:

Der Vorsitzende der Labour Party und die Fraktionsvorsitzende der Linkspartei teilen wie alle Politikerinnen und Politiker, die etwas zu sagen haben und nicht ins Weltbild der neoliberal geprägten Medienwelt passen, das gleiche Schicksal: Sie werden aggressiv verfolgt. So Sahra Wagenknecht vom ZDF-Hauptstadt-Studio-Vertreter Thomas Walde im gestrigen Sommer Interview, und so auch Corbyn von der britischen Presse. Albrecht Müller.

  1. Zum Umgang mit Jeremy Corbin

    London School of Economics belegt massiv unfaire Berichterstattung zu Ungunsten von Jeremy Corbyn

    In einer Studie, auf die wir bereits vorige Woche hingewiesen hatten, hat die international renommierte London School of Economics die Berichterstattung britischer Zeitungen zu Jeremy Corbyn im vergangenen Herbst untersucht, als dieser Parteivorsitzender der Labour-Partei wurde und damit die nationale Bühne der Politik betrat. Die Medienwissenschaftler stellen darin eine sehr unausgewogene, regelmäßig offen aggressive und häufig persönlich verunglimpfende Darstellung Corbyns fest. Der britische Journalismus habe grundlegende Standards der Fairness nicht eingehalten und eher die Rolle eines Kampfhundes denn die eines Wachhunds eingenommen. Im Ergebnis sei der zeitunglesenden Öffentlichkeit dadurch keine eigene Urteilsbildung über den neuen Parteivorsitzenden möglich geworden, was die Autoren der Studie im Hinblick auf das Funktionieren des politischen Prozesses in der Demokratie als besorgniserregend beurteilen. Ein Freund der NachDenkSeiten hat das Vorwort der Studie ins Deutsche übersetzt, dafür vielen Dank. Wir empfehlen aber durchaus auch einen Blick in das englische Original, dem es mit einigen guten Schaubildern und Diagrammen gelingt, den Sachverhalt verständlich zu machen, ohne dafür fortgeschrittene Englischkenntnisse vorauszusetzen.

  2. Zum Sommerinterview des ZDF mit der Fraktionsvorsitzenden der Linkspartei, Sahra Wagenknecht

    Dieses Interview des ZDF habe ich mit der Hoffnung angesehen, ein solcher Journalist wie Walde könnte ja auch mal interessante Fragen stellen und interessante Antworten heraus locken. Weit gefehlt. Die Fragen sollten der Fertigmache dienen. Sie lagen auf der Linie dessen, was sich deutsche Medienmacher ausgedacht haben, um die Beteiligung der Linkspartei und insbesondere jene aus dem Umfeld der Fraktionsvorsitzenden Wagenknecht von der Macht fernzuhalten. Hier ist das Interview und der Begleittext, den das ZDF dazu veröffentlicht hat.

    Der Interviewer Walde macht den Versuch, Sahra Wagenknecht wegen ihrer Kritik an der Türkei dafür verantwortlich zu machen, dass demnächst wieder mehr Flüchtlinge bei uns ankommen könnten. Er wollte so das Scheitern von Merkels Pakt mit Erdogan der Linkspartei und Sahra Wagenknecht anhängen. Das ist beachtlich dreist.

    Erkennbar auf der Linie der Strategie von SPD und Grünen beim Versuch, eine Zusammenarbeit mit der Linkspartei zu verweigern, versuchte der Interviewer Walde der linken Fraktionsvorsitzenden das Etikett anzuhängen, sie sei nicht kompromissbereit. Achten Sie mal darauf, wie oft Sie dieses Argument vernehmen. Die Linkspartei ist nicht koalitionsfähig, weil sie Kompromisse ablehnt, so die angelegte Linie.

Eine NachDenkSeiten-Leserin hat in einer Mail an das ZDF eine treffende Frage gestellt: Will der Interviewer auch andere Antworten als seine eigenen haben?

Wir geben diese Mail im Wortlaut wieder:

Betrifft: Berlin Direkt Sommerinterview mit Sarah Wagenknecht – Will der Interviewer auch andere Antworten als seine eigenen haben?
An: [email protected], [email protected]

Sehr geehrter Herr Walde,

bei aller persönlich-politischer Differenz, die Sie unentwegt in diesem Sommerinterview mit Sarah Wagenknecht zur Schau gestellt haben: ich hätte eigentlich gern mal die Chance gehabt, Antworten von Frau Wagenknecht ohne Ihr – sorry – äußerst unangenehmes Hineinreden verstehen zu können.

Wie kann es denn in diesem demokratischen System möglich sein, dass Fernsehinterviewer verhindern, dass der Zuschauer auch Antworten hören kann – und zwar ganz offensichtlich, weil die Befragte genötigt werden soll, die bereits meist stark mit Unterstellungen arbeitenden Fragen auch in einer vorurteilsbestätigenden Weise beantworten? Wir reden hier nicht über ein Interview mit fremdenfeindlichen PEGIDA-Aktivisten, sondern mit einem Mitglied des deutschen Bundestages!

Haben Sie nicht die Befürchtung, dass Sie mit solchen – wieder sorry – distanzlosen und das Gegenüber unnachgiebig mit der eigenen Weltsicht traktierenden Wortabschneiderei diese rechte Hetze gegen den Journalismus im Land ungemein anheizen?

Selten habe ich es als derartig unangenehm empfunden, dass eine befragte Politikerin in dieser übergriffigen Weise, bei der “Obergrenzenfrage” sogar penetrante 7 mal bedrängt wurde, den politischen Wünschen des Interviewers gemäß zu antworten. Ich konnte und wollte nicht mitzählen wie gefühlte unendlich viele Male Sie in die Antworten reingegrätscht sind. Oder haben Sie ein persönliches Problem mit Frau Wagenknecht, bzw. der LINKEN-Partei generell? Diese Frage drängt sich mir jedenfalls auf. Und ganz ehrlich: ich erwarte, dass Journalisten ihre persönlichen Ansichten und Vorurteile aus einem Interview heraushalten – sonst können Sie sich gleich selbst interviewen, dann bitte ich das aber auch so anzukündigen.

Wo ist denn da der journalistische Spirit, der zwar gern provokante Fragen stellen darf, dann aber die Antwort aushalten muss, allein um der Meinungsfreiheit Genüge zu tun und dem Informationsauftrag für den Zuschauer des öffentlich rechtlichen Fernsehens Rechnung zu tragen.

Ich habe jedenfalls keine Lust mehr, mir nochmals solche versuchten Desavouierungen anzutun.

Und Sie haben mich jetzt erst Recht auf die Positionen von Sarah Wagenknecht neugiering gemacht, über die ich mich jetzt erstmal schlau machen möchte – denn das haben Sie ja durch Ihre Störmanöver weitgehend erfolgreich zu verhindern gewußt!

Verärgert und deshalb mit nicht ganz so freundlichen Grüßen

Kathrin Otte

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