Wie „deutsch“ ist die Deutsche Bank eigentlich? Zeit für eine Bestandsaufnahme!

Jens Berger
Ein Artikel von:

Der Deutschen Bank geht es bekanntlich schlecht. Ökonomen, Finanzmarktexperten und sogar die Politik diskutieren bereits öffentlich über die Sinnhaftigkeit einer „Rettung“ oder gar Verstaatlichung. Erst gestern veröffentlichte der SPIEGEL ein Interview, in dem der kritische Finanzexperte Michael Hudson in einem Nebensatz wie selbstverständlich sagt, „Angela Merkel sollte die Deutsche Bank schließen“. Weniger kritische Experte mit guten Verbindungen zur Finanzwirtschaft plädieren indes dafür, der deutsche Staat solle die letzte verbliebene deutsche Großbank retten – koste es, was es wolle. Doch warum Merkel? Warum Deutschland? So deutsch wie der Name es vermuten lässt, ist die Deutsche Bank gar nicht. Bevor wir überhaupt über Staatshilfen und –garantien debattieren, müssen wir erst einmal eine Bestandsaufnahme machen, welche Staaten sich daran beteiligen sollten. Von Jens Berger.

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Wenn es um die Deutsche Bank geht, werden die meisten von Ihnen sicher zuerst an einen dieser rundum verglasten Wolkenkratzer in der Bankenmetropole Frankfurt denken. Als Zweites kommt dann vielleicht noch die Filiale der Deutschen Bank, die unter Umständen bereits dem Sparzwang zum Opfer gefallen ist. Frankfurt, Wanne-Eickel, Buxtehude? So einfach ist es nicht.

Zum Thema: Jens Berger – Die Deutsche Bank ist die gefährlichste Bank der Welt – warum wird dies von der Politik ignoriert?, Jens Berger – Good bye, Deutsche Bank!

Zum großen Reich der Deutschen Bank AG gehören auch tausende Firmen wie die Azurix Corp., die Kingfisher Holdings LLC oder die China Recovery Fund LLC mit Sitz in Wilmington Delaware – einer Steueroase auf amerikanischem Boden, die vor allem für ihre Briefkastenfirmen bekannt ist. Rund jedes zweite Unternehmen, dessen Bilanz in die konsolidierte Konzernbilanz der Deutsche Bank AG eingeht, hat seinen Sitz in Wilmington. Zum Reich der Deutschbanker gehören auch hunderte Firmen wie die Rheingold Securitisation Limited in Saint Helier auf der kleinen Kanalinsel Jersey, die TRS Oak II Ltd. und die DB Alternative Strategies Limited, deren Sitz laut Konzernabschluss in „Georgetown“ liegt … nein, nicht Georgetown in Washington D.C., sondern George Town auf Grand Cayman in der Karibik. Die Deutschbanker tun ihr Bestes, um die zahlreichen Konzerntöchter in den verrufenen Steuerhinterzieherparadiesen möglichst tief zu hängen – dazu zählt es auch, den offiziellen Firmensitz falsch zu schreiben.

Hier soll es aber nicht nur die semilegalen Steuerhinterziehungs- und Geldwäschedienstleistungen der Deutschen Bank, sondern um deren Kerngeschäft gehen. Zu Alfred Herrhausens Zeit war die Deutsche Bank noch der „primus inter pares“ unter den deutschen Großbanken, der als Kopf die sogenannte „Deutschland AG“ gesteuert hat – das längst vergangene Besitz- und Beziehungsgeflecht der Großbanken und Industriekonzerne der alten BRD. Mit dieser Deutschen Bank AG hat die globalisierte Großbank, die international schlicht mit amerikanisch-englischer Aussprache „Deutsche“ genannt wird, jedoch nur noch wenig gemein. Der Geschäftskern, das Investmentbanking, sitzt in London. Ein Großteil der Aktiva wird nicht in Frankfurt, sondern von der Deutsche Bank Trust Co. in New York verwaltet. Die Deutsche Bank ist an der New York Stock Exchange gelistet und erstellt ihre Konzernbilanz auch nach US-Recht. Frankfurt ist zwar der offizielle Hauptsitz der Deutschen Bank – von dort aus wird jedoch vor allem das unbeliebte Filial- und Firmenkundengeschäft verwaltet. Das Herz der Deutschen Bank schlägt längst in den Finanzzentren der City of London und der Wall Street.

In Deutschland sitzt weniger als die Hälfte der Mitarbeiter der Deutschen Bank – und dies trotz des personalintensiven Filialgeschäfts, der konsolidierten Tochter Postbank und des nahezu kompletten Wasserkopfs, der von Frankfurt aus den Moloch verwaltet. Bei den regulären Privat- und Firmenkrediten steht Deutschland immerhin noch für fast die Hälfte des Gesamtportfolios innerhalb der Bilanz. Bei „modernen“ Produkten, wie den umsatzstarken und riskanten Derivaten und dem gigantischen Markt für Verbriefungen von Krediten und Anleihen nimmt Deutschland in der Bilanz der Deutschen Bank jedoch nur zwischen 3% und 10% ein, während der britische und der amerikanische Markt hier dominant sind. So hat die Deutsche Bank auf ihrem vermeintlichen Heimatmarkt bei den gehandelten und verbrieften festverzinslichen Wertpapieren ein Marktvolumen von fünf Milliarden Euro, während alleine bei den US-Töchtern der Deutschen Bank das zehnfache Volumen in den Büchern steht. Schaut man sich die Bilanzstruktur der Deutschen Bank näher an, entdeckt man vor allem schnell, dass in Deutschland vor allem das „langweilige“ und renditeschwache Filial-, Kredit- und Anlagegeschäft dominiert. Die Hochrisikogeschäfte mit Verbriefungen, Derivaten und Wetten jeder Art werden indes über die Töchter der Deutschen Bank in den USA und in Großbritannien vollzogen.

Die Deutsche Bank hat übrigens 3.005 Mitarbeiter, die der Konzern selbst absurderweise als „Material Risk Taker“ bezeichnet – dies sind Mitarbeiter, deren Gehalt sich auch und vor allem aus Boni zusammensetzt. Diese 3.005 Risikomitarbeiter kamen übrigens im Jahr 2015 auf Gesamtbezüge von 2.670 Millionen Euro – fast eine Million Euro pro Nase. Der Arbeitsplatz der allermeisten Topverdiener der Deutschen Bank (wenn man den Vorstand einmal herauslässt) ist übrigens London oder New York. Während diese Mitarbeiter sich Sorgen darüber machen, ob Ferrari seine Sportwagen auch mit handgenähtem Kalbsleder in Wunschfarbe und mit Monogramm ausliefert, schwebt über den deutschen Mitarbeitern das Damoklesschwert der betriebsbedingten Kündigung.

Und wie war das noch mal mit der Deutschland AG? Die Deutsche Bank gehört zwar zu den größten Banken der Welt, ist in Deutschland aber lediglich an drei Dax-Konzernen beteiligt, wobei die Beteiligung an der Daimler-Benz AG mit 2,7 Prozent die mit Abstand größte Beteiligung ist. Zusammen haben diese Beteiligungen einen Marktwert von 1,9 Milliarden Euro – und dies bei einer Bilanzsumme in Höhe von 1,6 Billionen Euro. Das Geld, das die Deutsche Bank verwaltet, steckt mehrheitlich weder in Oma ihr klein Häuschen, noch im mittelständischen Betrieb im lokalen Gewerbegebiet oder der deutschen Großindustrie – dafür ist die Deutsche Bank international aufgestellt, wenn es um Derivate, Investmentbanking-Innovationen und Finanzkasinoprodukte jeder Art geht.

Aber wem gehört denn nun die Deutsche Bank? Diese Frage ist – so klar und logisch sie ist – nicht so einfach zu beantworten. 56% des Aktienkapitals sind nach Angaben der Deutschen Bank in der Hand deutscher Aktionäre. Da jedoch gleichzeitig 80% der Aktien in der Hand sogenannter „institutioneller Anleger“, also Fonds, Versicherungsgesellschaften und anderer Banken, liegen, ist es unklar, wo die Privatpersonen am Ende dieser Kette wirklich leben. Ebenso verhält es sich mit den Kundeneinlagen und anderen Finanzmitteln, die im Falle eines möglichen Zusammenbruchs nicht von staatlichen Garantien gedeckt sind. Und da nähern wir uns schon dem Kern des Themas: Welcher Staat ist eigentlich in der Pflicht, wenn es um die Rettung der Ersparnisse der Deutsche-Bank-Kunden geht?

Die Deutsche Bank Trust Co., über die der Großteil des internationalen Geschäfts des Konzerns vollzogen wird, ist eine 1903 (als Bankers Trust) in New York gegründete Bank, deren Mitarbeiter in New York sitzen, die in den USA zugelassen ist und von der FED überwacht wird. Warum sollte der deutsche Steuerzahler Garantien für eine US-Bank übernehmen oder gar für deren Verluste geradestehen? Die Deutsche Bank Global Markets und die meisten der Töchter aus dem Firmenbereich Deutsche Asset Management haben ihren Sitz in London, sind Finanzunternehmen, die nach britischem Recht zugelassen sind und von der Bank of England kontrolliert werden. Natürlich sind diese Unternehmen nicht wegen des schönen Wetters in London. Aber warum soll der deutsche Staat die Haftung für Unternehmen übernehmen, die überhaupt nicht seiner Zuständigkeit unterliegen?

Man kann vortrefflich darüber debattieren, ob und in welcher Form die Deutsche Bank gerettet, zerschlagen oder verstaatlicht wird. Doch zunächst sollte man die Frage stellen, welcher Staat oder welche Staaten hier überhaupt mit in die Haftung genommen werden. Es ist falsch, von Angela Merkel eine Rettung oder Schließung der Deutschen Bank zu fordern. Mit gleichem Recht könnte man dies auch von Theresa May oder in wenigen Wochen von Hillary Clinton fordern. Leider hat vor allem die deutsche Regierung sich bei den seit Jahren schwelenden Problemen mit der Deutschen Bank einen schlanken Fuß gemacht und ganz doll gehofft, dass die Probleme schon verschwinden, wenn man nur ganz fest die Augen zumacht. Dass dies nicht geschehen wird, war abzusehen. Zum xten Male verweise ich an dieser Stelle auf einen wegweisenden Artikel des ehemaligen IWF-Chefökonomen Simon Johnson aus dem Jahre 2011(!), der vor nunmehr fünf Jahren genau die Fragen stellt, die bis heute immer noch nicht beantwortet, ja, die bis heute immer noch nicht öffentlich gestellt wurden. Im Englischen bezeichnet man ein solches Phänomen als „Elephant in the room“ – so gesehen ist die Deutsche Bank der wohl größte Elefant, der je in einem Wohnzimmer gesichtet wurde.

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