Die Finanzindustrie lässt sich seit 1998 die Pflege von Parteien etwas über 10 Millionen kosten.

Albrecht Müller
Ein Artikel von:

Bedacht wurden die CDU mit 5,2 Millionen €, die FDP mit gut 2 Mio., die SPD mit 1,4 Mio., die CSU mit knapp 1 Mio. und Die Grünen mit 0,6 Mio. Euro. Die Partei Die Linke ging leer aus. Das ergab eine gerade veröffentlichte Zusammenstellung der Bundestagsfraktion Die Linke auf der Basis der offiziellen Unterrichtung des Bundestagspräsidenten an den Bundestag. Siehe hier [PDF – 64 KB]. – In den untersuchten Zeitraum fällt die Entscheidung über die Riester- und Rürup-Rente. Sie wurde zum 1.1.2002 eingeführt; 2005 und auch in den folgenden Jahren wurden Korrekturen beschlossen, die die Nutzung der staatlichen Förderung erleichterten und erweiterten, was sich in der Zahl der Vertragsabschlüsse niederschlug. Und übrigens offensichtlich auch im Anstieg der Spenden in den relevanten Jahren.
Einige ergänzende Anmerkungen zu dieser bemerkenswerten Spendenliste sind noch zu machen: Albrecht Müller

Bemerkenswertes:

  1. Die erfassten Spender umfassen Versicherungen, Banken und Finanzdienstleister wie zum Beispiel die DVAG, zu deren Spitze der ehemalige Kanzleramtsminister Bohl (CDU) gehört.
  2. Schwarz-Gelb und Rot-Grün werden im Verhältnis 4:1 bedient. Das ist ein bisschen schofel, wenn man bedenkt, dass die für die Finanzindustrie ertragreiche staatliche Förderung der Privatvorsorge in der Zeit von Rot-Grün eingeführt wurde. Aber im Verhältnis 4:1 kommt offensichtlich die besondere Nähe von Schwarz-Gelb zur Finanzindustrie zum Ausdruck. Außerdem wussten die Banken und Versicherungen, dass die Beschlüsse pro Privatvorsorge Anfang des Jahrhunderts nicht zustande gekommen wären, wenn es eine Opposition – im konkreten Fall die Opposition von CDU/CSU und FDP neben der der Linken – gegen dieses Vorhaben gegeben hätte. Und immerhin, die Grünen werden inzwischen auch bedacht. Das ist mit Sicherheit ein durch die Privatvorsorge bedingter „Fortschritt“.
  3. Es geht bei diesem Geld um eine indirekte Parteienfinanzierung durch uns Steuerzahler. Wir zahlen Steuern zur Finanzierung der Zulagen und Steuervergünstigungen von Riester- und Rürup-Rente. Diese Förderung wird teilweise und je nach Vertragstyp von der Finanzindustrie komplett für Provisionen, Verwaltungskosten und Anlagekosten sowie für Gewinne vereinnahmt. Genau wissen wir nicht, wie hoch der Gesamtbetrag der Förderung dieser Privatvorsorgeprodukte durch uns Steuerzahler ist. Vermutlich schon über 10 Milliarden € und mit steigender Tendenz.
  4. Gemessen am Gewinn, der durch diese Förderung bei Versicherungen, Banken und Finanzdienstleistern anfällt, ist ein Betrag von knapp über 10 Millionen Spenden in 11 Jahren nicht sonderlich üppig. Die Finanzindustrie knausert. Oder, noch wahrscheinlicher, die Liste enthält noch lange nicht alles, was an Förderung von der Finanzindustrie an die genannten Parteien „zurückerstattet“ wird. Dafür spricht einiges:
  5. Die Spendenübersicht enthält bei weitem nicht alle Zahlungen und anderen Leistungen an die Parteien und die handelnden Politiker/innen:
    1. Spenden an Parteien, die den Betrag von 50.000 € überschreiten, müssen nach einer Neuregelung vom 1.7.2002 dem Bundestagspräsidenten direkt angezeigt und veröffentlicht werden. Spenden über 10.000 €, aber unter 50.000 €, müssen in den Rechenschaftsberichten der Parteien aufgelistet werden. Das kann dauern. Ob also die Zusammenstellung alle diese kleineren Spenden enthält, ist fraglich. Außerdem enthält die Spendenübersicht mit Sicherheit nicht Spenden unterhalb von 10.000 €. Wir können aber davon ausgehen, dass einzelne Unternehmen der Finanzwirtschaft wie örtliche Banken, kleinere Versicherungen, Finanzdienstleister und Versicherungsagenten zumindest viele der örtlichen Parteien und Abgeordneten unterstützen. Wenn nur die Hälfte der Bundestagsabgeordneten, also rund 300, in ihrem Wahlkreis mit nur der Hälfte der möglichen 9.999 Euro als Spende bedacht würden, kämen schon 1,5 Millionen € pro Jahr hinzu.
    2. Die Spendenliste enthält nicht, was einzelne Abgeordnete, Minister und andere im politischen Umfeld an besonders hohen Honoraren für Vorträge und Beratungen erhalten. Auf den Fall Riester haben wir schon mehrmals hingewiesen.
    3. Die Spendenliste enthält nicht indirekte Zahlungen wie zum Beispiel die Unterstützung des Chefs des Finanzdienstleister AWD, Maschmeyer, für den damaligen Ministerpräsidenten von Niedersachsen Gerhard Schröder in dessen Landtagswahlkampf 1998, dessen Sieg wiederum entscheidend war für die Kanzlerkandidatur von Schröder. Näheres dazu siehe zum Beispiel hier.
    4. Die Liste enthält vor allem nicht jene indirekten Zahlungen, die durch Kooperation der Parteien mit Public Relations-Agenturen laufen. Ich vermute an dieser Stelle ein großes schwarzes Loch.
      In Stichworten: Die Public Relations-Branche und Lobbyarbeit boomt, viele politische Entscheidungen werden über bezahlte Öffentlichkeitsarbeit vorbereitet. Es ist – nehmen wir das Beispiel Privatvorsorge für Alter und Krankheit – ziemlich unproblematisch, wenn eine von der Versicherungswirtschaft beauftragte Public Relations-Agentur gleichzeitig noch einen oder mehrere Politiker/innen – oder sogar ganze Parteien – fördert, also für gute Artikel in Zeitungen und für Fernsehauftritte sorgt.

Trotz dieser ergänzenden Anmerkungen und Einschränkungen ist die Zusammenstellung eine verdienstvolle Tat. Vielleicht reizt der Hinweis auf Lücken zu Ergänzung.

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