Die Strategie der Konservativen, der Neoliberalen und der Militärs: Linke dürfen nirgendwo regieren, und wenn unvermeidbar, dann müssen sie von innen so angepasst werden, dass sie nicht mehr wehtun.

Albrecht Müller
Ein Artikel von:

Wie das läuft, ist an vielerlei zu erkennen: in Griechenland wurde ein Wahlerfolg „umerpresst“, in Frankreich wurde der linke Mélenchon verfolgt und der eigene Mann Macron zum Linksliberalen umgefummelt und hochstilisiert, in Deutschland sind SPD und Grüne bis zum Nicht-mehr-Wiedererkennen auf neoliberal und Militäreinsatz getrimmt worden, Andrea Ypsilanti und ihr mögliches Rot-rot-grünes Bündnis sind von innen heraus kaltgestellt worden, die Rote-Socken-Kampagne wird wieder belebt, um die Linkspartei bei den Wahlen wie in Nordrhein-Westfalen zu dämpfen, und, damit ja nichts passiert, werden die innerparteilichen Gegner der unbeugsamen Linken in der Linkspartei mobilisiert. So wird jetzt wieder einmal gegen Sahra Wagenknecht vorgegangen. Albrecht Müller.

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Man muss diese Doppelstrategie, wie sie bei SPD und Grünen angewandt wurde und seit einiger Zeit auch bei der Linkspartei üblich geworden ist, kennen und sich merken, um noch zu durchschauen, was um uns herum vorgeht.

Wie in allen Parteien gibt es auch bei der Partei DIE LINKE personelle Auseinandersetzungen und Grabenkämpfe. Die Entscheidung, Sahra Wagenknecht und Dietmar Bartsch zu Spitzenkandidaten für die Bundestagswahl auszurufen, war richtig. Eine von den beiden Parteivorsitzenden Katja Kipping und Bernd Riexinger bei Emnid in Auftrag gegebene Umfrage bestätigte die Aufstellung Wagenknechts und Bartschs. Das Ergebnis: Wagenknecht und Bartsch sind beliebt, Kipping und Riexinger leider nicht. Siehe hier.

  • Bekanntheit: 79 Prozent der Befragten kennen Sahra Wagenknecht, 50 % Dietmar Bartsch, 40 % Katja Kipping, nur 25 % kennen Parteichef Bernd Riexinger.
  • Politische Arbeit: Auf einer Skala von – 5 bis + 5 wird nur die Arbeit von Wagenknecht und Bartsch (beide + 0,3) positiv bewertet. Die Arbeit von Kipping (– 0,3) und Riexinger (– 1,0) wird hingegen negativ beurteilt.

Wird DIE LINKE bei der Bundestagswahl wieder zweistellig?

Welche Anziehung auf die Wählerinnen und Wähler gerade Sahra Wagenknecht hat, bestätigte jetzt eine Umfrage der Zeitschrift „Super-Illu“, die das Meinungsforschungsinstitut Insa durchgeführt hat. „Wagenknecht im Osten beliebter als Schulz“, so die Überschrift des Artikels. Auf die Frage, welchen Politikern die Wahlberechtigen Ostdeutschlands am meisten vertrauen, landeten Kanzlerin Angela Merkel und Bundespräsident Frank Walter Steinmeier auf den beiden ersten Plätzen; auf Platz drei, noch vor SPD-Chef Martin Schulz, kam die Fraktionsvorsitzende der LINKEN Sahra Wagenknecht. Und für DIE LINKE ebenfalls erfreulich: Die Partei kam bei dieser Umfrage auf zehn Prozent, 19 Prozent im Osten und 8 Prozent im Westen.

DIE LINKE könnte also der Bundestagswahl zuversichtlich entgegensehen, wäre da nicht das Kipping-Lager, das mit allerlei Intrigen versucht, der populären Fraktionsvorsitzenden Knüppel zwischen die Beine zu werfen. Obwohl Wagenknecht die einzige Spitzenpolitikerin war, die in Nordrhein-Westfalen Säle und Plätze füllte ( Gysi tauchte gar nicht erst auf und Kipping und Riexinger können allenfalls an einem Stand der LINKEN eine Handvoll Zuhörer finden) lesen wir beispielsweise in der „Zeit“, was den Journalisten am Wahlabend ins Ohr geflüstert wurde:

„Ein weiterer hausgemachter Grund (für das knappe Scheitern an der Fünf-Prozent-Hürde bei der Wahl in NRW) könnte Sahra Wagenknecht sein. Die Spitzenkandidatin für die Bundestagswahl war im NRW-Wahlkampf omnipräsent. In der Flüchtlingskrise hatte sie versucht, sich mit umstrittenen Äußerungen über die Kriminalität von Migranten gegen die AfD zu profilieren. Öffentlich will das in der Partei derzeit keiner sagen, aber Wagenknechts Position steht im Widerspruch zu Demirels (eine der beiden Spitzenkandidatin in Nordrhein-Westfalen) Haltung zum Bleiberecht. An Wagenknecht klebt auch der Makel, dass DIE LINKE zur Wahl im Saarland, dem Stammland von Wagenknechts Ehemann Oskar Lafontaine, drei Prozent Verlust eingefahren hatte.“

Nordrhein-Westfalen ist der Landesverband der Linkspartei, für den Sahra Wagenknecht in den Bundestag eingezogen ist. Deshalb muss das Ergebnis der Linkspartei dort schlechter gemacht werden, als es war. Sie hatte ihren Stimmenanteil nahezu verdoppelt, es hat aber nicht gereicht, um die Fünf-Prozent-Hürde zu überspringen. Beim ZDF beendete Marietta Slomka am Montag nach der Wahl die Berichterstattung zur NRW-Wahl mit dem Satzende “… und die Linke ist aus dem Landtag geflogen.” Das reicht für die Stimmungsmache. Die Tatsache, dass die Linke gar nicht im Landtag war und deshalb auch nicht aus dem Landtag fliegen konnte, spielte keine Rolle. Wie bei den neoliberalen Ideologen gibt es auch bei Medien eine große Gemeinschaft, die jederzeit für eine Anti-Linken- und speziell für ein Anti-Wagenknecht-Meinungsmache zu haben ist.

Man sieht am oben zitierten Zeit-Artikel, mit welchen unfairen Mitteln vor allem Kipping, aber auch Riexinger arbeiten. Riexinger und Kipping (man muss wissen: Riexinger hat als Spitzenkandidat in Baden-Württemberg gerade einmal 2,9 Prozent erreicht) meinen offensichtlich, sie könnten das Ergebnis bei der saarländischen Landtagswahl von 12,8 Prozent schlecht reden. Ein Ergebnis, das bei den Grünen und der FDP in Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein zu Jubelstürmen geführt hat. Lafontaine hatte sich im Interesse der Gesamtpartei noch einmal breitschlagen lassen, als Spitzenkandidat anzutreten, vor allem auch, weil ein Absturz im Saarland und ein Nicht-Einzug der LINKEN in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen ein denkbar schlechter Auftakt für die Bundestagswahl gewesen wäre. Die unter Bezugnahme auf Özlem Demirel vorgebrachte Kritik an Wagenknechts differenzierter Auffassung zur Flüchtlingsaufnahme wird durch die Wahlergebnisse in den sozialen Brennpunkten des Ruhrgebietes widerlegt. In Gelsenkirchen mit vielen sozialen Brennpunkten beispielsweise, erreichte die AfD 14,59 Prozent und DIE LINKE nur 5,01. Und das häufigste Argument, warum Leute mit unsicheren Arbeitsplätzen und geringen Einkommen DIE LINKE nicht wählen, war der Verweis auf die Haltung der Parteivorsitzenden Kipping zur Flüchtlingspolitik: Alle, die nach Deutschland kommen, sollen aufgenommen werden und 1050 Euro im Monat erhalten.

Eine solch absurde Position vertreibt die Wähler in Scharen. Die zur Kipping-Gruppe gehörende 33-jährige Spitzenkandidatin Özlem Demirel hatte diese Auffassung im Wahlkampf vertreten und zu den Ereignissen auf der Domplatte in Köln eine ähnliche Stellungnahme abgegeben wie die Grünen-Vorsitzende Simone Peter. Während die Grünen-Politikerin mit einem Shit-Storm überzogen wurde und die Umfrageergebnisse der Grünen ins Rutschen kamen, blieb DIE LINKE aufgrund der mangelnden Bekanntheit Demirels relativ ungeschoren.

Nicht alle Wähler verstanden auch, dass Demirel noch ein paar Tage vor der Wahl in Nordrhein-Westfalen wieder eine Tolerierung von Rot-Grün durch DIE LINKE ins Gespräch gebracht hatte, obwohl Hannelore Kraft DIE LINKE, die sie 2010 durch ihre Tolerierung ins Amt brachte, regelrecht vorgeführt hatte, weil sie Neuwahlen zu einem Zeitpunkt ansetzte, als DIE LINKE in Schwierigkeiten war und so DIE LINKE aus dem Parlament hinaus katapultierte.

Während die CDU ohnehin, die SPD noch und die FDP hinter ihren Spitzenkandidaten stehen, kann man dies von Grünen und LINKEN nicht sagen. Nach dem Erfolg von Habeck in Schleswig-Holstein stellen viele Grüne das Spitzenduo Göring-Eckhardt und Özdemir in Frage und machen teilweise auch dieses Duo für den Abstieg verantwortlich. Und bei den LINKEN, die mit Sahra Wagenknecht, wie die Umfragen zeigen, über eine Spitzenkandidatin verfügen, die Säle füllt und Wähler gewinnt, unternehmen vor allem Kipping, aber auch Riexinger alle Anstrengungen, um die Spitzenkandidaten – vor allem Sahra Wagenknecht – vor der Bundestagswahl zu demontieren. Wenn das so weitergeht, verspielt DIE LINKE ein zweistelliges Ergebnis, das dieses Mal nach 2009 (11,9 Prozent) und dem Absturz 2013 (8,6 Prozent) durchaus wieder erreichbar wäre.

Das Verhalten von Kipping und Riexinger passt in beide Elemente der Strategie der konservativen und neoliberalen Kräfte: damit wird die Wahlchance der Linkspartei reduziert und zweitens innerparteilich die Partei nach rechts bzw. in eine Ecke der Unvernunft geschoben. Personen, die dem rechten Lager gefährlich werden könnten, werden demontiert. Das ist das alltägliche Schicksal von Sahra Wagenknecht. Und diese erkennbare Strategie ist einer der Gründe dafür, dass wir auf den NachDenkSeiten für sie und ihre politischen Vorstellungen eintreten. Deshalb verlinken wir auf ihre öffentlichen Äußerungen und haben selbst schon zwei Interviews gebracht. Hier zum Beispiel ein Gespräch über ihre programmatischen Vorstellungen. Die Sympathie für Sahra Wagenknecht hat eindeutig rationale Hintergründe. Und wenn wir Kipping oder Riexinger kritisieren, dann nicht aus Feindseligkeit. Bei ihnen irritiert, dass sie sich vom rechtskonservativen neoliberalen Lager im Kampf um Macht und Einfluss einsetzen lassen.