Die Große Koalition setzt die nächste große Privatisierungswelle um und die Medien schweigen

Jens Berger
Ein Artikel von:

Der Bundestag hat sich für morgen einiges vorgenommen. Laut Tagesordnung wird die Sitzung um 9.00 beginnen und bis übermorgen um 6.50 sollen in einem Schub fast nonstop ganze 32 Tagesordnungspunkte abgehandelt werden. Der weitreichendste Punkt steht dabei ganz am Anfang und hat den spröden Namen „Neuregelung des bundesstaatlichen Finanzausgleichs“. Wer kommt schon auf die Idee, dass mit der damit einhergehenden Änderung des Grundgesetzes die Grundlagen für weitgehende Privatisierungen der Autobahnen und in anderen bislang öffentlichen Bereichen, wie dem Bau von Schulen, geschaffen werden. Bereits im März beschwerten wir uns darüber, dass die Medien die geplante Autobahnprivatisierung weitestgehend verschweigen. Dass sich dies bis heute – einen Tag vor der Verabschiedung – nicht geändert hat, ist ein riesiger Medienskandal. Die Große Koalition nutzt das Wegschauen der Medien auch gleich aus und wird das gesamte Gesetzespaket nach der morgigen zweiten und dritten Lesung im Bundestag in einer eilends angesetzten Sitzung am Freitag im Schnelldurchlauf im Bundesrat abhaken Die Privatisierungen sind damit schon übermorgen beschlossen. So schnell und so klammheimlich wurde das Grundgesetz wohl noch nie ausgehebelt. Von Jens Berger.

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SPON berichtet über den Anschlag in Kabul und freut sich über die tolle Konjunktur und die angeblich sinkenden Arbeitslosenzahlen. Ähnlich sieht es bei anderen „Qualitätsmedien“ wie Tagesschau.de und Heute.de aus. WELT.de hat die Entlassung des BVB-Trainers Tuchel in den Top-Nachrichten-Bereich gehoben und ZEIT.de debattiert prominent über Sinn und Unsinn von E-Zigaretten. Von der morgen anstehenden Änderung des Grundgesetzes und deren Folgen liest, sieht und hört man in den Leitmedien hingegen überhaupt nichts … mit Ausnahme der taz, die immerhin ein empfehlenswertes Interview mit dem Privatisierungsgegner Carl Wassmuth prominent auf ihrer Startseite platziert hat; die berühmte Ausnahme, die die Regel bestätigt. Ein derartiges kollektives Medienversagen ist höchst bemerkenswert.

Verhindern können wir die Gesetzesänderung sicher auch nicht mehr, auch wenn es sicherlich hilfreich ist, wenn Sie noch schnell die dazugehörige „Petition“ auf change.org zu unterzeichnen – alleine schon, um ein Zeichen zu setzen. Was wir jedoch tun können, ist, diesen unglaublichen Vorgang nicht zu vergessen. Behalten Sie die morgen und übermorgen stattfindenden Gesetzesänderungen im Hinterkopf und teilen Sie ihre Gedanken mit Freunden, Verwandten und Kollegen; immer dann, wenn ein Politiker der Großen Koalition mal wieder behauptet, man hätte nicht die Absicht, dies und das zu privatisieren. Aber auch immer dann, wenn ein selbstzufriedener Großjournalist der klassischen Medien sich wieder einmal damit rühmt, dass man sein Publikum stets kritisch und umfassend informieren würde. Allerspätestens jetzt wissen Sie ja, dass dies so nicht stimmt.

Wenn Sie auch künftig über derlei Vorgänge informiert werden wollen, dann bleiben Sie uns bitte treu und schauen regelmäßig bei den NachDenkSeiten vorbei. Denn anders als die klassischen Medien haben wir schon früh und umfassend über die Gefahren der versteckten Grundgesetzänderungen informiert.

z.B. hier: Die Gefahr, dass Privatinvestoren Zugang zu öffentlicher Infrastruktur bekommen und von Nutzungsgebühren und Steuereinnahmen profitieren, ist gewachsen. Widerstand ist geboten.

Oder hier: Eine Bitte an die Sozialdemokratinnen/en unter NachDenkSeiten-Lesern: JETZT Bundesfernstraßengesellschaft und damit die Privatisierung der Autobahnen verhindern!

Oder auch hier: Die Bundesregierung gibt Gas bei der Autobahnprivatisierung und niemand schreibt darüber

Selbstverständlich haben auch andere kritische Formate das Thema aufgenommen. Z.B. die Anstalt in ihrer letzten Sendung. Schauen Sie sich hier das sechsminütige Video zum Thema an.

Die morgige Abstimmung im Bundestag ist übrigens namentlich. Wir werden Sie am Freitag über das Abstimmungsverhalten der Abgeordneten der Großen Koalition informieren.

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