Das Weltwasserforum – Konferenz der Konzerne

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Vom 16. bis 22. März fand in Istanbul das 5. Weltwasserforum statt (siehe auch “Das Weltwasserforum – keine Einigung auf ein Menschenrecht auf Wasser“). Die vom Weltwasserrat (Word Water Council, WWC) veranstalteten und seit 1997 alle drei Jahre, in wechselnden Ländern, stattfindenden Weltwasserforen sind die wichtigsten globalen Zusammenkünfte der weltweiten Wasserlobby. Auf früheren Foren wurde Wasser von den Teilnehmern zwar als „öffentliches Gut“, aber der Zugang zu Wasser nicht als grundlegendes und unantastbares Menschenrecht gesehen. In den letzten Jahren hat sich jedoch in der Wasserpolitik ein Paradigmenwechsel vollzogen. Durch die Lobbyarbeit der globalen Handelsinstitutionen wurde Wasser mehr und mehr zur Handelsware degradiert. Mit Unterstützung von Weltbank und Internationalem Währungsfond (IWF) versuchen eine Handvoll internationaler Konzerne die Kontrolle über die öffentliche Wasserversorgung an sich zur reißen und treiben die Wasserpreise drastisch in die Höhe. Die Politik der Privatisierung, Liberalisierung und Deregulierung zugunsten internationaler Wasserkonzerne wird auf verschiedenen politischen Ebenen vorangetrieben. Von Christine Wicht

Wasser – von der Quelle des Lebens zur Quelle von Profiten
Zurückzuführen ist diese Politik auf den Washington Consensus (1990), der eine Reihe wirtschaftspolitischer Maßnahmen zur weltweiten Förderung von wirtschaftlicher Stabilität und Wachstum beinhaltet, in welchem Wirtschaftsprozesse liberalisiert und die Wirtschaftstätigkeit weitgehend privatisiert werden sollten. Dadurch, so der wirtschaftsliberale Gedanke, werde die Grundlage dafür geschaffen, dass Ressourcen besser alloziiert und effizienter verwendet werden. Das Konzept des Washington Consensus wird von IWF und Weltbank vorangetrieben. Dazu gehören unter anderem die Liberalisierung der Handelspolitik und die Privatisierung öffentlicher Einrichtungen. Der IWF fungiert als Kreditgeber für die Zentralbanken, die Weltbank übernimmt diese Funktion für Privatbanken. Darüber hinaus ist ein internationales Netzwerk regionaler Entwicklungsbanken mit IWF, Weltbank und WTO verbunden, wie die European Investmentbank, Inter-American Development Bank, Asian Bank, Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung und die Islamic-Development Bank.

Global agierende Wasserkonzerne, der Weltwasserrat und Global Water Partnership arbeiten eng mit WTO, Weltbank und IWF zusammen. Sie verbindet das Ziel Wasser als Wirtschaftsgut einzustufen, damit es dementsprechend frei vermarktet werden kann. Offiziell wird die Politik der Wasserprivatisierung und – damit verbunden – der Bau von Staudämmen mit der Armutsbeseitigung begründet. Dass diese Argumentation nur vorgeschoben ist, zeigt sich etwa daran, dass sich die involvierten Organisationen und Konzerne nicht für dezentrale Lösungen, wie beispielsweise die Nutzung von Regenwasser einsetzen. Vielmehr werden Großstaudämme und kapitalintensive Infrastrukturprojekte propagiert, zu deren Realisierung oft sogar Entwicklungshilfeorganisationen als Geldgeber eingespannt werden. Ein Hand in Hand arbeitendes Netzwerk aus Lobbyisten und Branchenverbänden steht hinter dieser Ausrichtung der weltweiten Wasserpolitik.

Der Weltwasserrat (WWC) hat seinen Sitz in Marseille und finanziert sich über die Beiträge seiner ca. 300 Mitglieder, zu denen unter anderem Unternehmen der Wasserwirtschaft, internationale Organisationen und nationale Ministerien gehören. Eine weitere Finanzquelle sind projektbezogene Zuwendungen von Regierungen und internationalen Organisationen. Mitglieder sind beispielsweise Suez/Ondeo/Lyonnaise des Eaux, Vivendi/Veolia/Générale des Eaux, Biwater (GB) und United Water (USA), PricewaterhouseCoopers. Zu den Gründern des WWC zählen die Vorstände internationaler Unternehmen, wie etwa des multinationalen Konzerns Suez. Die Teilnehmer des Weltwasserforums 1997 beauftragten den Weltwasserrat damit, eine “Vision für Wasser, Leben und Umwelt für das 21. Jahrhundert” zu entwickeln (siehe unten World Commission on Water for the 21th Century). Ein Großteil der an der Ausarbeitung des Berichts World Water Vision, beteiligten „Visionäre“ standen in den Diensten der internationalen Wasserkonzerne. (Blaues Gold, Seite 198).

Global Water Partnership (GWP)
Die GWP wurde von der Weltbank, der UNDP (dem Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen) und der schwedischen staatlichen Entwicklungsorganisation SIDA mit dem Anspruch „Länder bei der nachhaltigen Nutzung ihrer Wasservorkommen zu unterstützen“ im Jahr 1996 gegründet. GWP hat ihren Sitz in Stockholm, gemeinsam mit dem Stockholm Water Institute, das die zweite wichtige Konferenz auf dem Wassersektor ausrichtet, die jährlich stattfindende World Water Week. Für die deutsche KfW-Bank ist die World Water Week, neben der unregelmäßig stattfindenden Weltbank-Wasserwoche, das wichtigste internationale Forum für einen fachlich fundierten Dialog zu Fragen des Wassersektors, für die Aufnahme und Vertiefung von Kontakten sowie zum Verfolgen aktueller und strategisch wichtiger Entwicklungen.(Quelle: Kfk-Entwicklungsbank) . Die GWP vertritt die Auffassung, dass Wasser ein Wirtschaftsgut ist und einen wirtschaftlichen Wert habe. Diese Einstellung zieht sich wie ein roter Faden durch die Programme zur „Reformierung“ der Wasserversorgung und Wasserwirtschaft. Die GWP wird von der Europäischen Kommission, den Regierungen der Länder Kanada, Dänemark, Finnland, Deutschland, Japan, den Niederlanden, Norwegen, Großbritannien, USA, Spanien, Schweden und der Schweiz finanziert und erhält darüber hinaus Zuwendungen von der Weltbank, dem UN-Entwicklungsprogramm und der Ford Foundation (GWP-Forum). Chef des Lenkungsausschusses war von 1996-2000 der ägyptische Wissenschaftler, Ishmail Serageldin, ein überzeugter Anhänger neoliberaler Wirtschaftslehren. Serageldin war von 1972-2000 in verschiedenen Positionen bei der Weltbank tätig, unter anderem als deren Vizepräsident. (Quelle Das Blaue Gold: Seite 197/198).

Vernetzung der Wasserforen
Vertreter global agierender Wasserkonzerne nehmen strategisch wichtige Stellungen in den genannten Organisationen ein. 1999 war René Coulomb, der ehemalige Vorstandschef von Suez, Vizepräsident des Weltwasserrats und Mitglied des Lenkungsausschusses der Global Water Partnership. Zur gleichen Zeit war William Cosgrove, der ehemalige Vizepräsident der Weltbank, bis 2004 Vizepräsident des WWC. Sein Nachfolger war Loic Fauchon, Präsident von Eaux de Marseille, die von den Veolia und Suez/Ondeo zu gleichen Teilen gehalten wird. Der zweite amtierende Vizepräsident des WWC, Benedito Braga, er ist Direktor der brasilianischen Wasseragentur ANA, war zwischen 1998 und 2000 Präsident der International Water Ressources Association, IWRA, einer weiteren Lobby-Organisation, die maßgeblich an der Gründung des WWC beteiligt war. Jérome Monod, Aufsichtsratsvorsitzender von Suez, war Mitglied der World Commission on Water;

Margaret Catley-Carlson, die ehemalige Präsidentin der kanadischen Entwicklungshilfebehörde (Canadian International Development Agency, CIDA) war die Vorsitzende des von Suez-Lyonnaise des Eaux gesponserten Water Resources Advisory Committee (WRAC, Beratungsausschuss für Wasserressourcen) und Präsidentin des GWP (Quelle: Blaues Gold, Seite 199). Neben der GWP spielte der WWC eine Schlüsselrolle bei der Organisation des zweiten Weltwasserforums 2000 in Den Haag, auf welchem PPP-Modelle als die vorzugswürdige Lösung für die weltweite Wasserkrise proklamiert wurden.

International Water Association (IWA)
Die IWA ist Gründungsmitglied des WWC und an der GWP und dem Collaborative Council on Water Supply and Sanisation (CCWSS) beteiligt. Die 1996 gegründete IWA ging aus dem Zusammenschluss der International Association of Water Quality (IAWQ) und der International Water Supply Association (IWSA) hervor und ist eine weltweite Vereinigung von Wasserfachleuten, dazu gehören beispielsweise die GTZ, die KfW-Bank und Vertreter des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit (BMZ).

Die World Commission on Water for the 21th Century wurde 1998 vom Weltwasserrat gegründet mit dem Auftrag eine Vision für Wasser, Leben und die Umwelt des 21. Jahrhunderts zu erarbeiten. Die World Commission on Water stand zwischen 1998-2000 unter der Führung von Ishmail Serageldin. Der WWC gehören 21 Persönlichkeiten aus aller Welt an und wird von folgenden UN-Gremien unterstützt:

  • die UNESCO
  • das UN-Entwicklungsprogramm (UNDP)
  • die UN-Organisation für Ernährung und Landwirtschaft (FAO)
  • das UN-Umweltprogramm (UNEP)
  • die Weltgesundheitsorganisation (WHO)
  • und die UNICEF

Die Forderung einiger Nichtregierungsorganisationen das Weltwasserforum künftig unter die Schirmherrschaft der Vereinten Nationen zu stellen, lässt in Anbetracht der Tatsache, dass mit dem Global Compact transnationale Konzerne mehr Einfluss auf die Politik der UN gewonnen haben, die Hoffnung auf eine nicht profitorientierte Wassertagung erheblich schwinden. Mit dem Global Compact werden die VN von ihrer weltweiten Kontroll- und Überwachungsfunktion in eine Mitspielerrolle abgedrängt. Im Juli 2007, haben die VN im Rahmen des Global Compact, die Plattform UN CEO Water Mandate für Unternehmen eingerichtet. Gründungsmitglied war Nestlé, die Unterzeichner (darunter Coca Cola, H&M, Dow Chemical, Unilever, Levi-Strauss, GlaxoSmithKline, Danone, Heineken, SUEZ,PricewaterhouseCoopers) erhielten das Mandat ein Projekt zu einem „Weltwasserplan“ auszuarbeiten, beispielsweise Arbeitsprozesse wassereffizienter zu gestalten und auf Lieferanten einzuwirken, damit diese ihrerseits die Wassereffizienz und die Qualität geklärter Abwässer verbessern. Das Mandat ist, wie der Global Compact, eine freiwillige Maßnahme der Unternehmen. Laut CEO Water Mandate sollen diese Schritte „wenn angebracht“ und „im Laufe der Zeit“ durchgeführt werden. Letztendlich dient das Dokument aber eher dazu, den Konzernen mit dem Logo der Vereinten Nationen eine „blaue Weste“ zu verschaffen. Richard Girard (2007), vom kanadischen Polaris Institute, veröffentlichte eine detaillierte Untersuchung der CEO-Water-Mandate-Initiative. Seiner Meinung nach handele es sich um eine „doppelzüngige Initiative einiger globaler Wassergiganten, die sich als Umweltschützer darstellen wollen“. Die Unternehmen, die auf Wasser als wichtigste Ressource ihrer Produktion angewiesen sind, hätten begriffen, dass lokale Gemeinschaften verstärkt für Wassergerechtigkeit kämpfen: „Das Water Mandate lege dar, wie Unternehmen dieses Engagement so weit ausbauen können, bis sie selbst die neuen Wassermanager sind und wasserpolitische Entscheidungen treffen können.“ (Quelle: inwent.org). Attac hat im Februar 2009 in einem Brief UN-Generalsekretär Ban Ki-Moon dazu aufgerufen, seine offizielle Unterstützung der UN für das CEO-Wasser-Mandat zurückzuziehen und stattdessen Ressourcen für die Entwicklung alternativer Programme und Strategien zur globalen Wasserkrise, die transparent und verantwortlich sind, bereitzustellen. Statt dessen sollen zivilgesellschaftliche und in den regionalen Gemeinschaften verwurzelte Gruppen, die sich heute auf der ganzen Welt für Wassergerechtigkeit einsetzen, einen Beitrag zur Entwicklung eines alternativen Wasserprogramms und eines Aktionsplans bei den Vereinten Nationen leisten (Offener Brief an den UNO Generalsekretär Ban Ki Moon zum Welwasserforum).

Großdammlobby – Die Internationale Vereinigung für Wasserkraft
Der Verband der Wasserkraftindustrie ist Mitglied des WWC und arbeitet eng mit der Wasserlobby zusammen. Die Internationale Vereinigung für Wasserkraft (International Hydropower Association, IHA) nennt ihren Ausschuss „Ersten internationalen Gipfel zur nachhaltigen Nutzung von Wasser zur Energiegewinnung“. Dem Beratergremium gehören unter anderem führende Mitglieder des WWC wie Abu-Zeid, Shady, Braga und Szöllösi-Nagy und der Damm-Spezialist der Weltbank, Alessandro Palmieri, an. Nach dem früheren Präsidenten der International Hydropower Association, Raymond Lafitte, ist der 2004 gewählte IHA-Präsident, Dogan Altinbilek, Mitglied im Direktorium des WWC geworden. (Quelle: mensch-recht-wasser.de [PDF – 50 KB] ).

World Commission on Dams (Weltkommission für Staudämme)
Die World Commission on Dams (WCD) hat ihre Arbeit 1998 begonnen, sieht sich als unabhängige Einrichtung und konnte sich bislang dem Einfluss der Lobbyisten weitgehend entziehen. Die WCD veröffentlicht regelmäßig Berichte, in welchen festgestellt wird, dass Staudämme “Millionen Menschen Armut und Leid” gebracht haben, dass Menschen durch den Bau von Stauseen vertrieben oder umgesiedelt werden und Bauern und Fischer ihrer Existenzgrundlage, ohne Entschädigung, beraubt werden. Im November 2000 hat die WCD einen Rahmen zur Entscheidungsfindung veröffentlicht. Mit der globalen Studie über die Leistungen von Staudämmen legte die Kommission eine Analyse vor, wann, wie und warum Staudämme Entwicklungsziele erfüllt haben oder nicht. Der Entscheidungsrahmen der Kommission wurde durch fünf Grundwerte bestimmt: Gerechtigkeit, Nachhaltigkeit, Effizienz, partizipative Entscheidungsfindung und Rechenschaftspflicht. Die WCD spricht allerdings nur Empfehlungen aus.

Camdessus Report
Der Camdessus-Ausschuss hat im auf dem Weltwasserforum in Kyoto 2003 Vorschläge zur Finanzierung der weltweiten Wasserversorgung unterbreitet. Der Bericht „Financing Water for All“ wurde von einem Gremium, das aus führenden Vertretern der weltweit größten Entwicklungsbanken, privaten Geldgebern und Wasserkonzernen bestand, unter dem Vorsitz des ehemaligen geschäftsführenden Direktors des IWF, Michel Camdessus, weitgehend hinter verschlossenen Türen erarbeitet. Der Ausschuss wurde gemeinsam von GWP und WWC finanziert und beeinflusst. WWC-Präsident Cosgrove und GWP-Präsidentin Catley-Carlson nahmen als „Sponsorenvertreter“ an den Sitzungen teil. Die Europäische Union hat mit dem 2003
vorgestellten EU-Water Fund mehrere Vorschläge des Camdessus-Berichts umgesetzt. Das europäische Finanzierungsmodell, das auf dem G8 Gipfel 2003 in Evian präsentiert wurde, beinhaltete den Vorschlag von Camdessus, die Ausgaben für Wasser zu verdoppeln. Die EU folgte dem Konzept, mit Entwicklungshilfegeldern vornehmlich PPP-Modelle zu finanzieren und die Risiken privater Investoren abzufedern, wodurch öffentliche Entwicklungsgelder zur Unterstützung von Projekten multinationaler Konzerne ausgegeben wurden.

Die Bundesrepublik engagiert sich in der Wasserinitiative der Europäischen Union (EUWI), einem Politikforum, in dem die Geberaktivitäten abgestimmt werden. Deutschland ist Mitglied der Steuerungsgruppe und hat 2006 den Vorsitz der Afrika-Arbeitsgruppe der EUWI-Gruppe übernommen. (Quelle: BMZ). Ein Finanzierungsinstrument, mit dem zusätzliche Ressourcen für den Wasserbereich mobilisiert werden sollen, ist die Wasserfazilität zugunsten der Länder Afrikas, des karibischen Raums und des Pazifischen Ozeans (AKP-Staaten). Sie fördert neue Projekte durch Zuschüsse und unterstützt den Aufbau von Partnerschaften zwischen dem öffentlichen Sektor und Privatinitiativen (siehe auch “Nach dem Stocken der Doha-Runde ist der Hydra der neoliberalen Globalisierung ein neuer Kopf gewachsen – die „Global Europe Strategie“ der EU-Kommission steht für den Ausbau der Macht europäischer Konzerne” ). In der 1. Phase 2005–2007 wurden insgesamt 500 Millionen Euro über die EU-AKP-Wasserfazilität in Wasservorhaben investiert. Deutschland trug 117 Millionen Euro dazu bei. Die Bewirtschaftung und Kontrolle des Wassersektors in den AKP-Ländern enthält unter anderem Programme zur Bildung von öffentlich-privaten Partnerschaften.

Die britische Organisation Water Aid hat in einer Bestandsaufnahme festgestellt, dass die Initiativen bislang ineffektiv und ergebnislos waren und zeigt in ihrem Bericht Wege auf, wie die EU die Wasserinitiative effektiver gestalten kann.

EU-Kommission – verlängerter Arm der Industrie
Außer einzelnen Staaten setzen sich auch transnationale Organisationen für die Wasserprivatisierung ein. So unternimmt etwa die EU immer wieder Versuche, den Wassermarkt innerhalb Europas zu liberalisieren. Öffentliche Beihilfen für kommunale Wasserversorger stehen bei der Europäischen Kommission unter dem Generalverdacht unerlaubter Subventionen, die Märkte zu verzerrten. Die Kommission strebt die weitgehende Abschaffung von öffentlichen Beihilfen an und gefährdet so die öffentliche Gewährleistung einer qualitativ hochwertigen Versorgung für alle. Darüber hinaus gibt es in der EU vielfache Bestrebungen, die Kommunen zur öffentlichen Ausschreibung von Aufträgen für die Bereitstellung von Trinkwasser zu zwingen, um damit den Markt für private Anbieter zu öffnen.

Auch wenn im Hinblick auf die Wasserversorgung bisher diese Versuche erfolgreicher abgewehrt werden konnten als in anderen Bereichen der Daseinsvorsorge, ist die Europäischen Union weiterhin ein wichtige Triebkraft für eine weitere Liberalisierung der Wassermärkte. Die Europäische Kommission führt im Auftrag der EU-Mitgliedstaaten die Verhandlungen für das Allgemeines Abkommen über den Handel mit Dienstleistungen (General Agreement on Trade in Services, kurz GATS). Bei dem es sich um einen der wichtigsten internationalen Handelsverträge im Rahmen der Welthandelsorganisation (WTO) handelt. GATS bildet ein Rahmenwerk zur Liberalisierung des internationalen Handels und sieht die Öffnung von über 50 Sektoren des Dienstleistungsbereichs für den Weltmarkt vor, darunter auch die Wasserversorgung. Sobald in einem bestimmten Bereich die öffentliche Hand in Konkurrenz zu einem privaten Anbieter auftritt, soll das GATS Anwendung finden. Damit sollen staatliche Beihilfen profitorientierten Anbietern in gleichem Maße gewährt werden wie den Unternehmen der öffentlichen Hand. Die öffentlichen Dienste werden damit unter scharfen Wettbewerbsdruck gesetzt. Darüber hinaus verbieten die GATS-Bestimmungen des „unbeschränkten Marktzugangs“ beispielsweise einer Kommune, die Höhe privater Beteiligungen an den Stadtwerken auf unter 50% zu begrenzen, um damit die Kontrolle über das Wasser zu behalten.

Anlässlich der WTO-Konferenz im Dezember 2005 wurde in Hongkong die Kampagne „water out of the WTO“ gestartet. VertreterInnen aus aller Welt wollen mit der Kampagne erreichen, dass das lebensnotwendige Gut Wasser aus den GATS-Verhandlungen der Welthandelsorganisation herausgenommen wird. Darüber hinaus soll die Wasserversorgung auch kein Gegenstand regionaler Handelsverträge sein.

Die EU setzt sich in den internationalen Verhandlungen zur Weiterentwicklung des GATS insbesondere dafür ein, dass Entwicklungsländer ihre Märkte für die europäischen Wasserkonzerne öffnen. Auch die Entwicklungspolitik wird als Hebel benutzt, um international die Privatisierung und Liberalisierung der Wasserversorgung durchzusetzen. Auch der Internationale Währungsfonds und die Weltbank fordern als wichtige Kreditgeber den freien Waren- und Dienstleistungsverkehr, Wettbewerbsorientierung und vor allem auch die Deregulierung und Privatisierung öffentlicher Aufgaben. Als Hebel dient dabei die Schuldenreduzierung mit Hilfe von Strukturanpassungsprogrammen. Kredite werden nur unter der Bedingung vergeben, dass sich die Staaten vorher einer eingehenden Prüfung durch den IWF unterziehen und die Umsetzung eines Strukturanpassungsprogramms (SAP) zusagen (siehe NachDenkSeiten “Waehrungsfond-Chef Horst Koehler wechselt ins Amt des Bundespraesidenten und will Deutschland ein IWF-Strukturanpassungsprogramm verpassen“). Dieses sieht beinahe durchgängig ein Zurückdrängen des Staates und die Privatisierung öffentlicher Unternehmen vor. Auf diese Weise werden Aufträge für Unternehmen und Investitionen aus den reichen Industrieländern ermöglicht und international operierende Unternehmen übernehmen den Markt. Die betroffenen Menschen in den Empfängerländern haben keinen Einfluss auf die beschlossenen Maßnahmen und ihre Bedürfnisse bleiben dabei auf der Strecke. Eine Studie des International Consortium of Investigative Jounalists (ICIJ) machte bekannt, dass die Weltbank bei rund 30 Prozent der Kredite für Wasserversorgungsprojekte eine Privatisierung als Vorbedingung verlangte. Über die Vorgaben der SAP des IWF erlangen transnationale Konzerne ungehinderten Marktzugang und verhindern eine an sozialen Gesichtspunkten orientierte Daseinsvorsorge, so wie das unter staatlicher Regie möglich war. Die Bevölkerung von Cochabamba/Bolivien etwa hat sich massiv gegen die Privatisierung des Wassers gewehrt, nachdem der US-amerikanische Konzern Bechtel den Wassermarkt Boliviens mit Hilfe eines SAP übernommen hatte. Die Bevölkerung konnte sich das Trinkwasser nicht mehr leisten, da der Konzern als Monopolist die Preise in astronomische Höhen trieb. Bechtel stand in enger Verbindung zur vorherigen US-amerikanischen Regierung und der Konzern, der schon in Cochabamba dafür gesorgt hat, dass nur der Wasser bekommt, der auch zahlungskräftig ist, übernahm inzwischen auch noch die Wasserversorgung im Irak. Der Irak hat, unter US-amerikanischer Befehlsmacht, dafür Kredite beim IWF beantragt. Diese sind natürlich wiederum an SAP gebunden. Insgesamt hat Bechtel Wiederaufbauaufträge im Irak im Wert von über 1 Mrd. US$ erhalten. Im November 2006 gab Bechtel bekannt, sich aus dem Irak zurückzuziehen. Das dreijährige Intermezzo im Irak präsentierte dem Unternehmen Spitzenerträge, für die irakische Bevölkerung hatte die Wasserversorgung durch Bechtel schwerwiegende Folgen. Die indische Physikerin und Trägerin des Alternativen Nobelpreises, Vandana Shiva, schrieb zur Wasserversorgung im Irak:

Als Bechtel den ersten Vertrag für den Wiederaufbau des Irak erhielt, war dies ein offensichtliches Beispiel für die Intransparenz, die Geheimhaltung und Korruption mit der die Herrschaft der Konzerne etabliert wird. Ob es sich um die Wasserprivatisierungsverträge in Bolivien oder Indien handelt, jedes Mal kennzeichnen Geheimhaltung und mangelnde Demokratie die Methoden, mit denen man sich Märkte und Profite aneignet. Freier Handel ist in Wirklichkeit total unfrei. Er ist erzwungen, korrupt, betrügerisch und gewaltsam.

Quelle: Uni-Kassel.de

Die Doktrin der Privatisierung staatlicher Betriebe gilt nicht nur für die Entwicklungsländer, auch in den früheren Ostblockstaaten wurden auf diese Weise massenhaft Staatsbetriebe systematisch zerstört oder in die zweifelhafte Freiheit mafioser Strukturen entlassen.

Von Stammvater der Marktwirtschaft, Adam Smith, stammt der Satz:
„Das Interesse der Kaufleute aller Branchen in Handel und Gewerbe weicht … stets vom öffentlichen ab, gelegentlich steht es ihm auch entgegen. Kaufleute sind immer daran interessiert, den Markt zu erweitern und den Wettbewerb einzuschränken… Jedem Vorschlag zu einem neuen Gesetz oder einer neuen Regelung über den Handel, der von ihnen kommt, sollte man immer mit großer Vorsicht begegnen. Man sollte ihn auch niemals übernehmen ohne ihn gründlich und sorgfältig, ja sogar misstrauisch und argwöhnisch geprüft zu haben, denn er stammt von einer Gruppe von Menschen, deren Interesse niemals dem öffentlichen Wohl genau entspricht und die in der Regel viel mehr daran interessiert sind, die Allgemeinheit zu täuschen, ja sogar zu missbrauchen.“ (Quelle: Der Wohlstand der Nationen, DTV, 7.Aufl., 1996, S.213).

Was die Liberalisierung, Privatisierung und Deregulierung des Wassers anbelangt, kann man sich diesem Urteil nur anschließen, denn die eigentliche Triebfeder der Wasserkonzerne und der Kaufleute ist, Gewinne aus einem liberalisierten und privatisierten Wassermarkt zu erzielen. Die Beseitigung der Armut, die Einhaltung der Menschenrechte, der sozialen Rechte, der ökologischen Standards, die Bekämpfung der Korruption und ein nachhaltiges Ressourcenmanagement sind als Unternehmensziele zweitrangig, sie werden nur vorgekaukelt, um die Bürger zu täuschen.

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