Hinweise des Tages II

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Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:

  1. Zulassungsbehörde schrieb bei Glyphosat-Bewertung vom Hersteller ab
  2. Die EZB enteignet die deutschen Sparer
  3. Demokratisches Europa? Ist uns doch egal!
  4. Antieuropäer des Tages: Chinesische Investoren
  5. AOK-Fehlzeitenreport Immer öfter ist es die Psyche
  6. Die Standardrente beträgt knapp 1200 Euro im Monat
  7. Wachsender Onlinehandel: Paketdiensten fehlen Tausende Fahrer
  8. Schweden: Großmanöver simuliert „Gegner aus dem Osten“
  9. EU-Militarisierung: Mehrheitsentscheid?
  10. Überraschung aus Teheran
  11. Hebammenkrise in Berliner Kreißsälen: Wehe, du kommst!
  12. “Warum bin ich der Blitzableiter für so viel Wut?”
  13. Aktionstag „Reichtum umverteilen“: Zivilgesellschaft fordert stärkere Besteuerung von Reichtum
  14. Fiktive Wahlkampfreden von Literaten: Wenn Karen Duve Kanzlerin wäre
  15. Lahmer Wahlkampf: Lasst die Griechen mitwählen!
  16. Zu guter Letzt: Die Wahrheit: Wahl nach Maß

Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Zulassungsbehörde schrieb bei Glyphosat-Bewertung vom Hersteller ab
    Das deutsche Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) hat signifikante Teile seiner Bewertung des Totalherbizids Glyphosat aus dem Zulassungsantrag von Monsanto abgeschrieben. Das berichten heute die britische Tageszeitung The Guardian und weitere Medien.
    Die Bewertung des BfR war die entscheidende Vorarbeit für die europäischen Behörden EFSA und ECHA: Deren Schlussfolgerung, dass Glyphosat wahrscheinlich nicht krebserregend sei, beruht in erster Linie auf dem Bewertungsbericht des BfR und liefert die Begründung für die geplante Wiederzulassung des Wirkstoffs in der EU.
    Doch wie jetzt bekannt wurde, hat das BfR die Bewertung von wissenschaftlichen Studien über die krebserzeugende, fruchtbarkeitsschädigende und DNA-schädigende Wirkung von Glyphosat über viele Seiten wortgleich aus dem Zulassungsantrag von Monsanto übernommen. Genau diese Stellen sind nach europäischem Recht entscheidend für die Frage, ob Glyphosat wieder zugelassen werden darf oder verboten werden muss.
    Quelle 1: Presseportal
    Quelle 2: The Guardian
  2. Die EZB enteignet die deutschen Sparer
    Wer die EZB heftig kritisiert, sollte wenigstens einige zentrale volkswirtschaftliche Zusammenhänge kennen. Dass es kein Sparen ohne Schulden gibt, ist der wichtigste.
    In Deutschland ist es üblich geworden, die EZB hart zu kritisieren. Anders als bei der Bundesbank, die fast ohne jede deutsche Kritik über Jahrzehnte eine verheerende Politik verfolgt hat, fühlt sich bei der mindestens ebenso autonomen EZB das gesamte politische Spektrum, die Mehrzahl der Medien und sogar die deutschen Banken berufen, schärfste Kritik zu üben. Selbst wenn die eigene intellektuelle Position extrem schwach ist. […]
    Alle Sektoren, die Haushalte, die Unternehmen und der Staat sind Nettosparer – und deswegen ist die Zinssenkung für Deutschland per Saldo eine Belastung. Das stimmt. Wenn es in einem Land nur noch Netto-Sparer gibt, dann müssen die Schuldner in anderen Länder sitzen. Denn ohne Schulden gibt es nun mal kein Sparen. Wenn Deutschland die Entlastung der Schuldner bei sich zu Hause haben will, dann darf es keine Leistungsbilanzüberschüsse haben und muss eine normale Volkswirtschaft werden.
    Doch wessen Schuld ist eigentlich die einseitige Verteilung von Sparern und Schuldnern in Europa? Die der EZB? Komischerweise ist doch Deutschland stolz darauf, dass es durch Druck auf die Löhne infolge der Agenda-Politik seine Wettbewerbsfähigkeit stark erhöht, die anderen in Europa abgehängt hat und heute der erfolgreichste Exporteur der Welt ist. Und empfiehlt Deutschland nicht den Partnern in der Eurozone genau das gleiche zu tun? […]
    Die Draghi-Kritiker tun so, als gäbe es ein Recht auf Zinsen in einer Welt, in der niemand mehr Schuldner sein will. Doch wo sollen die Zinsen für die Sparer herkommen, wenn weder der Staat noch die Unternehmen Schulden machen und die bei den Banken aufgenommenen Mittel investieren? Würden beispielsweise Bund und Länder die Schuldenbremse ad acta legen und ein großes Konjunkturprogramm auflegen, schüfen sie unmittelbar die Voraussetzungen dafür, dass der deutsche Sparer wieder Zinsen bekommt. Will man das nicht, muss man die deutschen Unternehmen dazu bewegen, ihre Sparkonten aufzulösen und sich per Saldo zu verschulden, um zu investieren. Wer das alles nicht tut und dennoch die Politik der EZB beklagt, dessen Kritik muss man einfach nicht ernst nehmen.
    Quelle: Makroskop
  3. Demokratisches Europa? Ist uns doch egal!
    Macrons Aufruf zu einer Neugründung der EU verhallt in Deutschland ungehört. […]
    Wenn die Bundesbürger demnächst den Bundestag wählen, kaufen sie in Sachen EU-Reform die Katze im Sack.
    Das ist unverantwortlich. Denn natürlich haben auch die Kanzlerin und ihre Adlaten sehr konkrete Pläne für die Zukunft der Euro-Zone und der EU. So möchte Finanzminister Wolfgang Schäuble den einst aus der Not geborenen Krisenfonds ESM in einen „Europäischen Währungsfonds“ verwandeln, der bei künftigen Krisen allein, also ohne die EZB und den IWF, Notkredite und Sanierungsprogramme für überschuldete Euro-Länder abwickelt.
    Anders als Macron haben Merkel und Schäuble mit der europäischen Demokratie jedoch nichts im Sinn. Geht es nach ihnen, dann wird ihr „EWF“ auch künftig als „intergouvernmentale“ Institution geführt, wo die Regierungschefs und Finanzminister hinter verschlossenen Türen allein entscheiden und kein Parlament deren Beschlüsse verändern kann.
    Wohin das führt, haben die Iren und Portugiesen, die Zyprer und Griechen bitter erfahren. Unter dem Zwang von Kreditkonditionen nach den Interessen von Banken und Investoren stürzten ihre Volkswirtschaften weit tiefer in Rezession und Arbeitslosigkeit als nötig. Das Vorgehen der Euro-Gruppe in Griechenland sei „ein Skandal“ gewesen, „weil auf diese undemokratische Weise über das Schicksal einer Nation entschieden wurde“, befand jüngst sogar Pierre Moscovici, der zuständige EU-Kommissar.
    Doch all das kümmert Deutschlands wahlkämpfende Kanzlerin nicht, gerade so, als sei die Reform der europäischen Verfassung nur ein Hobby des französischen Präsidenten. Das wird sich rächen. Längst haben auch die Regierungen in Spanien und Italien umfassende Reformen für die Euro-Zone und das EU-Parlament gefordert. Jede künftige Bundesregierung wird daher Kompromisse für mehr Demokratie und wirtschaftliche Solidarität in der EU eingehen müssen. Mangels offener Debatte ist der deutsche Michel darauf aber nicht vorbereitet. Viele Bundesbürger glauben immer noch, die Rückkehr zu D-Mark und Nationalstaat sei die beste Lösung. Die AfD wird leichtes Spiel haben.
    Quelle: Harald Schumann im Tagesspiegel

    Anmerkung André Tautenhahn: Die Bewunderung für Macron muss man nicht teilen, die Tatsache aber, dass die Zukunft der Europäischen Union kaum eine Rolle im Bundestagswahlkampf spielt, ist zutreffend.

  4. Antieuropäer des Tages: Chinesische Investoren
    Exklusiv warnte die Zeitung für Deutschland, FAZ, am Donnerstag auf Seite 1: Die Chinesen stehen auf dem Balkan. Das Blatt zitierte eifrig vorab aus einer Studie der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung, die am Donnerstag in Athen vorgestellt werden sollte. Der Skandal: China investiere seit Jahren in die Infrastruktur südosteuropäischer Länder. Im Auftrag »der Partei« wurde unter anderem eine Schnellbahn von Bukarest nach Belgrad spendiert, deren Plan seit zehn Jahren in Amtsstuben verstaubte. Der Containerumschlag im Hafen von Piräus, der dem Hongkonger Konsortium Cosco gehört, ist in den ersten fünf Monaten 2017 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 5,2 Prozent gewachsen.
    Aber Obacht: Mittelfristig drohte den Unternehmen in der Region »das Risiko exzessiver Abhängigkeit von staatlichen chinesischen Investitionen«. Wirtschaftliche Abhängigkeit in der Euro-Zone? Zuvor undenkbar! Hier gibt es für »Reformen« Geld. Die »Pleitegriechen« (Bild) sollen Renten und Löhne kürzen und die Infrastruktur privatisieren, sonst dreht ihnen die Europäische Zentralbank (EZB) den Geldhahn zu.
    Die Entwicklungsbank klagt, es mangele weiterhin an transparenten Ausschreibungsverfahren. Ach, du je. Was erlauben sich die Kommunisten in Beijing? Wo doch in Griechenland die Wirtschaft nach Prinzipien zum Markte getragen wurde, die vor Transparenz in Spektralfarben leuchteten. Warum sich die »Troika« aus EU-Kommission, EZB und Internatio­nalem Währungsfonds geringer Beliebtheit bei der Bevölkerung erfreut, soll mal einer verstehen.
    Die FAZ berichtete zu guter Letzt, die »massenhaften Investitionen« aus der Volksrepublik sollen sich nicht nur ökonomisch auszahlen. Serbien und Griechenland, die größten Abnehmer chinesischer Finanzen, blockierten in der Europäischen Uni on sogar chinakritische Erklärungen. Es folgt der nächste Abgesang aufs Abendland.
    Quelle: junge Welt
  5. AOK-Fehlzeitenreport Immer öfter ist es die Psyche
    Arbeitnehmer fallen immer häufiger wegen psychischer Probleme im Job aus. Laut einer AOK-Umfrage stieg die Zahl dieser Krankschreibungen in den vergangenen zehn Jahren um fast 80 Prozent an. Und es dauert in solchen Fällen im Schnitt fast doppelt so lange, bis es den Betroffenen wieder besser geht.
    Einer neuen Untersuchung zufolge fallen Arbeitnehmer im Job immer häufiger und auch länger aufgrund psychischer Erkrankungen aus. Die Krankschreibungen wegen psychischer Probleme stiegen in den vergangenen zehn Jahren um 79,3 Prozent an, teilte der AOK-Bundesverband mit. Die dadurch verursachten Ausfallzeiten am Arbeitsplatz liegen im Schnitt bei 25,7 Tagen. Im Schnitt fehlt ein gesetzlich Versicherter 11,7 Tage im Jahr wegen einer Erkrankung.
    Quelle: Tagesschau

    Anmerkung unseres Lesers D.K.: In der Audiodatei am Ende des Berichtes werden die Rezipienten auf eine völlig falsche Spur geführt. Der Beitrag wird eingeleitet, mit dem Risiko besonders belasteter Berufe, wie Lokführer oder Rettungskräfte. Das hat mit der Studie überhaupt nichts zu tun, denn die Risikoberufsgruppen waren auch schon vor zwanzig Jahren den ähnlichen Belastungen ausgesetzt. Der dramatische Anstieg bezieht sich aber auf alle Arbeitenden Menschen. Durch diese falsch dargestellten Zusammenhänge, soll wohl verschleiert werden, dass die Arbeitswelt in den vergangenen 25 Jahren mehr und mehr zu einem neoliberalen Kampfplatz geworden ist, bei denen das Wohl der Menschen keine Rolle mehr spielt.

  6. Die Standardrente beträgt knapp 1200 Euro im Monat
    Die Gesellschaft altert, deshalb sinkt das Rentenniveau seit Jahren. Eine Trendwende ist nicht in Sicht. Die Politik sucht Lösungen. […]
    Die Renten steigen zwar stetig – jedoch langsamer als die Gehälter, deshalb sinkt das Rentenniveau. Im Jahr 2000 lag es mit 52,9 Prozent noch fünf Prozentpunkte über dem Wert von 2016. Laut Bundesregierung wird das Rentenniveau im Jahr 2030 noch 44,3 Prozent betragen. Der Anteil sinkt, weil die Gesellschaft altert. Dadurch zahlen weniger Berufstätige in die Rentenkasse ein, während mehr Rentner daraus Geld erhalten.
    Im Alterssicherungsbericht 2016 warnte die Regierung, dass das Versorgungsniveau der Rentner “ohne zusätzliche Altersvorsorge in den kommenden Jahren deutlich zurückgehen” werde. Das gelte vor allem für Menschen, die wenig verdienen. Rund 30 Prozent der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten verfügen über keine zusätzliche Altersvorsorge, unter den Geringverdienern sind es sogar knapp 47 Prozent. “Wird in diesem Einkommensbereich nicht zusätzlich für das Alter vorgesorgt, steigt das Risiko der Bedürftigkeit im Alter stark an”, hieß es in der Analyse der Regierung.
    Quelle: Zeit Online

    Anmerkung unseres Lesers J.A.: Von der ZEIT erfahren wir, “Warum Fake-News so gefährlich sind“, gerade im Bundestagswahlkampf. Und dann? “Die Gesellschaft altert, deshalb sinkt das Rentenniveau seit Jahren.” – Eine glatte Lüge; einen solchen Automatismus (mehr Alte => weniger Rente) gibt es nicht. Das Rentenniveau sinkt, weil die Mehrheits-Politik das so beschlossen hat. Es wäre genauso gut möglich, die Rentenbeiträge Jahr für Jahr schrittweise zu erhöhen, um ein konstantes Rentenniveau zu gewährleisten, zum Vorteil der Beschäftigten. Profiteure der Senkung des (paritätisch finanzierten) Rentenbeitragssatzes sind ausschließlich die Unternehmen. Im Übrigen sollte die ZEIT mal ihre eigenen (korrekten) Zahlen hinterfragen: 2.500 Euro als Durchschnittsnetto sind schon nicht toll, aber 1.200 Euro, also nicht einmal die Hälfte, als Rente ganz sicher nicht annähernd Lebensstandard sichernd. Diese “volle” Rente ist sowieso nur der theoretische Durchschnitt für die Wenigen mit 45 Jahren Arbeitsbiographie. Realistischer sind weniger als 1.000 Euro im Durchschnitt für Männer und unter 500 Euro im Durchschnitt für Frauen, d. h. für die meisten Menschen Armutsrenten, von denen man nicht leben kann. “unter den Geringverdienern [haben] sogar knapp 47 Prozent [keine zusätzliche Altersvorsorge]” – ein absolut zynischer Satz, denn wie soll jemand sparen können, der seinen Lebensunterhalt knapp oder gar nicht bestreiten kann? “Die Politik sucht Lösungen.” – Keineswegs. Im Gegenteil, die Politik verursacht immer mehr Probleme für die Arbeitgeber.

  7. Wachsender Onlinehandel: Paketdiensten fehlen Tausende Fahrer
    Weil der Internethandel boomt, werden immer mehr Päckchen verschickt. Doch neuen Zahlen zufolge sind mehr als 5000 Stellen für Zusteller unbesetzt. Das könnte die Logistikbranche zu Weihnachten vor Probleme stellen.
    Quelle: Spiegel Online

    Anmerkung unseres Lesers J.A.: Und in dieser Situation hat niemand Mitgefühl mit den armen Arbeitgebern. Schauen wir doch mal, was andere so über den Job als Auslieferungsfahrer schreiben: “Hoher Zeitdruck, wenig Lohn – Nur ein Paketdienst ist fair … was [die Tester] fanden, war oft nicht mit dem Arbeitsgesetz zu vereinbaren. So berichteten die Boten von Arbeitstagen mit bis zu 15 Stunden ohne Pause, körperlicher Anstrengung bei Paketen von bis zu 70 Kilogramm und Löhnen unter dem Mindestlohn von 8,50 Euro pro Stunde.”
    DHL-Angestellte haben mit gerade mal 15 Euro Stundenlohn noch die besten Löhne. Oder hier eine Untersuchung von Ver.di. Komisch, dass für solche Ausbeuterjobs hart an frühkapitalistischen Zuständen die Arbeitnehmer nicht Schlange stehen… Vernünftige Arbeitsbedingungen, Löhne, von denen man leben kann: sozialromantischer Schnickschnack, der nur die Wettbewerbsfähigkeit behindert.

  8. Schweden: Großmanöver simuliert „Gegner aus dem Osten“
    Vom 11. bis zum 29. September findet in Schweden das Militärmanöver „Aurora 17“ statt. Bei den Übungen wird der Kampf gegen einen großen, modernen Gegner aus dem Osten simuliert. An dem Manöver nehmen insgesamt neun Nationen teil, darunter auch die Vereinigten Staaten.
    Quelle 1: RT deutsch
    Quelle 2: RT deutsch

    Anmerkung unseres Lesers E.D.: Vielleicht habe ich es verpasst, aber ich habe in der Tagesschau nichts vom Manöver „Aurora 17“, welches zur Zeit in Schweden unter Einbeziehung von militärischen Einheiten aus verschiedenen NATO-Ländern stattfindet, gehört. Stattdessen wird ausführlich über das derzeitige russisch-weißrussische Manöver berichtet und natürlich wird argumentiert, welche Bedrohung Russland für die Baltischen Staaten und für Westeuropa darstellt. Dass das Manöver in Schweden von Russland und der dortigen Bevölkerung als Bedrohung aufgefasst werden könnte, kann sich der deutsche Mainstream wohl nicht vorstellen.

  9. EU-Militarisierung: Mehrheitsentscheid?
    Ein weiterer Aspekt in der „Rede zur Lage der Union“ von Jean-Claude Juncker scheint erwähnenswert – die Forderung nach Mehrheitsentscheidungen im Außenpolitikbereich. Dort gilt bislang das Konsensprinzip, das offensichtlich geschleift werden soll. Für den Militärbereich wird derzeit bereits versucht, dies mit dem sog. PESCO-Mechanismus zu erreichen. Nun dehnt Juncker diese Ambitionen auf den gesamten Außenbereich aus: „Die Europäische Union muss sich auch um mehr Gewicht auf der Weltbühne bemühen. Um mehr Gewicht zu erlangen, muss sie außenpolitische Beschlüsse schneller fassen können. Deshalb bitte ich die Mitgliedstaaten zu prüfen, welche außenpolitischen Beschlüsse nicht mehr einstimmig, sondern mit qualifizierter Mehrheit gefasst werden könnten.“
    Quelle: Informationsstelle Militarisierung e.V.
  10. Überraschung aus Teheran
    Iran möchte am Wiener Atomabkommen auch im Fall eines Ausstiegs der USA ­festhalten, obwohl mögliche Sanktionen drohen
    In den nächsten Wochen wird voraussichtlich entschieden, ob die USA aus dem 2015 in Wien geschlossenen ATomabkommen – englisch abgekürzt JCPOA – aussteigen. Die Vereinbarungen, an denen auch Russland, China, Frankreich, Deutschland und Großbritannien beteiligt sind, verpflichten den Iran, zentrale Teile seines zivilen Atomprogramms für eine jeweils definierte Zahl von Jahren stillzulegen. Im Gegenzug setzten die USA und die EU einige Sanktionen außer Kraft oder hoben sie auf. Das gilt aber nur für Strafmaßnahmen, die explizit mit dem iranischen Atomprogramm begründet wurden. Das Wiener Abkommen stellt es den USA frei, alle anderen Sanktionen gegen den Iran beizubehalten und sogar neue Strafmaßnahmen in die Wege zu leiten.
    Ein Gesetz, das der US-Kongress im Jahre 2015 noch vor dem Abschluss der Verhandlungen in Wien beschloss, verlangt von dem Präsidenten, dem Parlament alle 90 Tage einen Bericht vorzulegen, der zwei Fragen klar beantworten muss: Erfüllt der Iran seine Verpflichtungen aus dem Wiener Abkommen? Liegt es im existentiellen Interesse der USA, am Wiener Abkommen und an der damit verbundenen Aussetzung bestimmter Sanktionen festzuhalten?
    Seit dem Amtsantritt von Donald Trump im Januar hat das US-Außenministerium im April und im Juli entsprechende Erklärungen abgegeben. Der nächste wahrzunehmende Termin liegt Mitte Oktober. Der US-Präsident hat schon im Juli in mehreren Tweets und Interviews mitgeteilt, dass er keine erneute Bekräftigung des Wiener Abkommens wünscht und dass er sich bisher nur widerstrebend der Meinung seines Außenministers Rex Tillerson gebeugt habe. Gleichzeitig soll Trump laut Medienberichten eine Kommission eingesetzt haben, die Argumente für seine Behauptung finden soll, dass der Iran sich nicht an das JCPOA halte.
    Quelle: junge Welt

    Anmerkung Christian Reimann: Es ist leider nicht völlig auszuschließen, dass US-Präsident Trump gegen die Länder der “Achse des Bösen” Iran und Nordkorea auch sein Militär einsetzen wird.

  11. Hebammenkrise in Berliner Kreißsälen: Wehe, du kommst!
    In Berlins Kliniken fehlen Hebammen. Nun treffen sich Politik und Krankenhausträger zum Krisengespräch. Für unsere Autorin kommt das zu spät. […]
    Dass sich jede Frau, die überhaupt in einem Berliner Kreißsaal entbinden kann, glücklich schätzen kann, ist mir zu diesem Zeitpunkt noch nicht klar. Denn im Neuköllner Krankenhaus fehlen fünf bis sieben Hebammen, wie mir eine Hebamme später erzählt, die auf der Station arbeitet, ihren Namen aber nicht in der Zeitung lesen will. Die Hebammen fehlen nicht, weil die Klinik spare, sondern weil sich niemand bewerben würde. Und die letzten, die neu eingestellt wurden, seien ziemlich schnell wieder weg gewesen. Vivantes selbst möchte auf meine spätere offizielle Anfrage dazu nichts Zitierfähiges äußern.
    Der Hebammenmangel ist nicht neu, sagt Simone Logar. Sie ist zweite Vorsitzende des Berliner Hebammenverbands, arbeitet freiberuflich, und betreut mich nach der Geburt im Wochenbett. Seit etwa zwei Jahren erlebt sie, dass Gebärende in Berliner Krankenhäusern weggeschickt werden, weil die Kreißsäle voll sind. Dabei fehle es nicht an Nachwuchs – ausgebildet würden eigentlich genug junge Kolleginnen. „Die Arbeitsbelastung in den Kliniken ist in den letzten Jahren extrem gestiegen. Am Personal wird oftmals gespart, die Arbeitsverdichtung ist so groß, dass sich immer weniger Hebammen um immer mehr Gebärende im Dienst kümmern müssen.“
    Der Arbeitsdruck steigt
    Unter diesen Umständen sind viele Hebammen nicht mehr bereit, in Kliniken zu arbeiten. Sie arbeiten lieber freiberuflich, machen Vor- und Nachsorge und bieten Kurse an. Deswegen bleiben in den Kliniken Stellen unbesetzt – und für die Kolleginnen dort steigt der Druck noch mehr. Es sei nicht einmal die mittelmäßige Bezahlung, die die Hebammen störe, sagt Logar. Es seien die Arbeitsbedingungen.
    Quelle: taz
  12. “Warum bin ich der Blitzableiter für so viel Wut?”
    Im Buchladen “Politics and Prose” in Chevy Chase ist die Welt des bürgerlich-liberalen Amerika noch in Ordnung. Hier, im Nordwesten der Hauptstadt Washington, wird Hillary Clintons neues Buch “What Happened” wie eine Offenbarung gefeiert.
    Zu den Eigentümern gehört eine ehemalige Redenschreiberin Clintons. Der Laden plant eine große Buchvorstellung mit der Ex-Kandidatin; gleich am Eingang gibt es freundliche Hillary-Wackelpuppen zu kaufen. Daneben liegen hübsche Bildbände über die Clintons und die Obamas bereit.
    Bücher von oder über Donald Trump muss man dagegen lange suchen. Hillary Clinton erzielte in der Gegend bei der Wahl im vergangenen Jahr mehr als 90 Prozent der Stimmen. Hier ist sie immer noch ein Star.
    Das war es dann aber auch mit der Hillary-Begeisterung. Jenseits solcher kleinen, feinen Inseln löst das neue Clinton-Buch in den USA eher Empörung aus. Wieder einmal kann sie es keinem recht machen. Clintons politische Feinde bei den Republikanern, etliche Medien, aber auch einige Parteifreunde fallen über sie her, kritisieren wahlweise den Inhalt des Buchs, den Erscheinungstermin (“direkt nach dem Hurrikan”), ihre große Werbetour durch 15 Städte – oder alles zusammen.
    Clintons 500-Seiten-Werk ist vor allem ein Rückblick auf das Wahljahr 2016. Nach allem, was man bisher weiß, enthält es zwar auch einige selbstkritische Passagen. Etwa, wenn sie zugibt, zu spät erkannt zu haben, dass ihre Kampagne nicht funktioniert.
    Ansonsten teilt sie aber vor allem aus, macht andere für ihre Niederlage verantwortlich: Ex-FBI-Chef James Comey, Wladimir Putin, Bernie Sanders, WikiLeaks-Gründer Julian Assange (um nur einige der Beschuldigten zu nennen). Sie beklagt sich über Sexismus, verurteilt die Veröffentlichung der E-Mails aus ihrem Kampagnenbüro. Und attackiert die Medien, die daraus eine riesige Sache gemacht hätten.
    Quelle: Spiegel Online

    Anmerkung JK: Clinton war nicht nur die Lieblingskandidatin der Wall Street, sondern auch des linksliberalen Juste Milieu, das über die Gender- und Diversitätspolitik seine vermeintliche kulturelle Überlegenheit und seine Verachtung für die abgestiegene weiße Arbeiterklasse transportiert. Das blind ist gegenüber den Lebensrealitäten außerhalb der akademischen oberen Mittelschicht und keinerlei Verpflichtung fühlen, sich auf Landsleute einzulassen, die anders denken und leben als sie und dann wundert sich Clinton, dass Menschen, welchen auch sie im Wahlkampf nur mit Verachtung gegenüber getreten ist, ihren politischen Gegner Wählen.

  13. Aktionstag „Reichtum umverteilen“: Zivilgesellschaft fordert stärkere Besteuerung von Reichtum
    Mit einer kreativen Protestaktion und dem klaren Appell an alle Parteien, sich nach der Wahl für den Abbau sozialer Ungleichheit und eine gerechtere Vermögensverteilung in Deutschland einzusetzen, wendet sich das Bündnis „Reichtum umverteilen – ein gerechtes Land für alle!“ eine Woche vor der Bundestagswahl an Politik und Öffentlichkeit.
    Der Zusammenschluss von über 30 bundesweit aktiven zivilgesellschaftlichen Organisationen, Sozialverbänden und Gewerkschaften fordert einen rigorosen steuer- und finanzpolitischen Kurswechsel. Zur Bekämpfung von Armut und der Finanzierung notwendiger Renten- und Sozialreformen sowie dringend benötigter Investitionen in das Gemeinwesen seien die stärkere Besteuerung sehr hoher Einkommen, Vermögen und Erbschaften sowie der konsequente Kampf gegen Steuerbetrug und Steuerschlupflöcher alternativlos.
    Quelle: Reichtum umverteilen
  14. Fiktive Wahlkampfreden von Literaten: Wenn Karen Duve Kanzlerin wäre
    Kurz vor dem großen Stichtag beginnt heute unsere Wahlkampf-Reihe im Politischen Feuilleton: Wir haben Literaten gebeten, fiktive Wahlkampfreden zu halten. Zum Auftakt hat die Schriftstellerin Karen Duve Angela Merkel zum Bauernverband sprechen lassen – und zwar Klartext…
    Sehr geehrter Herr Präsident Rukwied,
    sehr geehrte liebe Ehrenpräsidenten,
    Ich weiß, dies ist ein hartes Jahr für alle Landwirte gewesen. Dauerregen, Dürre und Ernteausfälle, beim Obst teilweise bis zu 70 Prozent. Und natürlich ist auch diesmal das Sterben bäuerlicher Kleinbetriebe zu beklagen.
    Doch möglicherweise hat das auch eine positive Seite. Nein, meine Herren da hinten, Sie brauchen jetzt gar nicht zu schmunzeln – ich spreche hier nicht von der Beseitigung lästiger Konkurrenz. Nicht von ihrem Vorteil spreche ich, sondern von dem meiner Partei, der CDU.
    Das seit Jahrzehnten stattfindende Bauernsterben hat nämlich auch die Wählerstimmen aus der Landwirtschaft dezimiert. Und da der Wahlsieg der CDU diesmal so sicher wie noch nie ist, kommt es auf Ihre paar Stimmen überhaupt nicht mehr an. Folglich werden wir Sie also auch nicht mehr mit Samthandschuhen anfassen: Die verkeimten Geflügel- und Schweineställe werden geschlossen und Landwirte dürfen sich fortan an bestehende Gesetze halten.
    Quelle: Deutschlandfunk Kultur

    Anmerkung unseres Lesers J.K.: Der Beitrag enthält leider nicht den Hinweis, dass vor allem die Politik der C-Parteien die Bauern sukzessive dorthin gebracht hat, wo sie jetzt stehen.

  15. Lahmer Wahlkampf: Lasst die Griechen mitwählen!
    Wie wäre es damit, einfach die Griechen noch einzuladen, mit uns zu wählen? Das verspräche eine heiße Woche. Zumal der Grieche den Erfahrungen der vergangenen Jahre zufolge ja ohnehin gut dafür geeignet ist, hierzulande tiefere Instinkte zu wecken.
    Gut, der Vorschlag klingt jetzt erst einmal etwas unkonventionell. Geht das überhaupt, werden spitzfindige Leser fragen. Klar, das wäre zu klären. Die Idee an sich hat aber etwas, da werden Sie bei näherem Nachdenken zustimmen.
    Erstens wäre es fair, die Griechen mal bei uns mitbestimmen zu lassen. Schließlich hat unser Finanzminister mitsamt allen Bosbachs, die wir so haben, vor zwei Jahren ja auch mitentschieden, ob die Griechen ihren Austeritätskurs mit immer neuen Kürzungen und Steuern weitermachen müssen, um dafür neues Geld zu kriegen. De facto wollten die Griechen das zwar im Juli 2015 laut demokratischer Abstimmung nicht mehr – unser Finanzminister und seine Kollegen aber schon. Schäuble rules. So eine Art demokratisches Joint-Venture mit deutschem letzten Wort.
    Zweitens haben die Griechen – wenn auch nicht ganz freiwillig – dazu beigetragen, dass Frau Merkels Kerntruppe heute so erstaunlich beliebt ist und daher jetzt wohl locker wiedergewählt wird. Zumindest wenn es um die tolle Bilanz unseres Superfinanzministers geht.
    Denn nach mittlerweile kaum mehr bezweifelten Diagnosen hat das ordentliche Kriseln Griechenlands dazu geführt, dass immer mehr fliehendes Geld in deutsche Staatsanleihen investiert wurde. Was wiederum dazu geführt hat, dass, logisch, die Zinsen auf diese Anleihen fielen, sogar teils negativ wurden, der Finanzminister also nichts mehr für die Schulden zahlen musste.
    Nach Berechnungen des Hallenser IWH-Instituts hat Wolfgang Schäuble dadurch mehr als 100 Milliarden Euro gespart. Die Bundesbank kommt, was den staatlichen deutschen Gewinn an der Finanzkrise insgesamt angeht, sogar zu noch deutlich höheren Summen. Außerdem hat unser Kassenwart noch ordentlich Zinsen für die Kredite an die Griechen eingestrichen. Kein Scherz. Man muss nur einfache Rechenkunst beherrschen, um zum Fazit zu kommen: Ohne die Griechen hätte Schäuble nie die schwarze Null erreicht. Wer weiß, ob er sonst im hiesigen Volke so beliebt wäre, und die Kanzlerin wieder Kanzlerin würde. Ich finde, da können die Griechen jetzt auch mal ein bisschen bei uns mitwählen – oder?
    Quelle: Thomas Fricke auf Spiegel Online
  16. Zu guter Letzt: Die Wahrheit: Wahl nach Maß
    Oktoberfest und Bundestagswahl werden spontan zusammengelegt. Wähler haben sich zum Anstich auf der Theresienwiese einzufinden.
    „Wir rechnen mit einer Wahlbeteiligung von etwa 3 Promille“, sagt Josef „Hutschi“ Bärmeier stolz. Der Münchner Eventmanager, der sonst eher Pudelschauen und Tupperpartys organisiert, ist mit der Durchführung der Bundestagswahl beauftragt, die bereits am Wochenende stattfinden soll. Die lästige Bürgerpflicht soll in diesem Jahr als politisches Schmankerl beim Oktoberfest serviert werden, das morgen ohnehin eröffnet wird.
    Die Politik hat aus dem G20-Gipfel in Hamburg gelernt: Zukunftsentscheidende Mammutveranstaltungen mit Eskalationsrisiko sollen künftig noch volksnäher und unübersichtlicher werden, aber vor allem sollen sie – nach Hamburger Vorbild – ungenügend unvorbereitet stattfinden. Und das möglichst in einer Location, an der Gipfel, gewaltbereite Chaoten und partywütige Hundertschaften ohnehin vor Ort sind. Natürlich kam da nur die bayerische Landeshauptstadt zur Zeit des Oktoberfestes in Frage. […]
    Durch die launige Musi werden unbelehrbare Krawalltouristen schon vor dem Eingang aussortiert, und falls die Blaskapellen nicht betäubend genug wirken, wird Horst Seehofer auf Verdacht Einzelfälle prüfen. Alexander Dobrindt regelt die Zufahrt zu den Parkplätzen, und zwar ab Flensburg. Für die Anwohner der näheren Umgebung wird ein Rikscha-Shuttle eingerichtet. Die Doppelspitze der Grünen wird strampelnd wieder von Haus zu Haus tingeln, um den Wähler dort abzuholen, wo er steht. Das Reinigen der etwa 700.000 Dixi-Klos hingegen sollte zunächst drei Minijobbern obliegen, aber Jens Spahn hat das einfach ordentlicher gelernt.
    Unter dem Motto „Mia san das Volk – Schweinefleisch über alles“ wird Alexander Gauland für den Haxn-Grill eingeteilt, und Jérôme Boateng darf als guter Nachbar den Spieß auch einmal umdrehen.
    Quelle: taz

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