Die SAT.1-Arena – Rückkehr der lebenden Toten

Albrecht Müller
Ein Artikel von:

Das folgende ist ein Beitrag von Martin Betzwieser für unsere Rubrik Medienanalyse. Zum gleichen Medienereignis siehe auch den heutigen Hinweis Nr. 6. Albrecht Müller

Es sollte wohl der Knüller des Spätsommers und eine vernichtende Konkurrenz für Anne Will im ARD-Programm werden. An fünf Sonntagen vor der Bundestagswahl wollte (und will es immer noch !) der Privatsender SAT.1 das Wahlvolk mit einer knallharten Polit-Talkshow beglücken: Die SAT.1-Wahlkampfarena. Dazu kombinierten sie für die Moderation ein ganz besonderes Wiedergänger-Paar der politischen Meinungsmache. Nicht nur Stefan Aust konnte für die Moderation gewonnen werden – immerhin können wir ihn mit viel Wohlwollen für einen Teil seiner Karriere als investigativen Journalisten bezeichnen, bevor er den Spiegel in ein neoliberales Kampfblatt umwandelte und schließlich von seiner eigenen Belegschaft abgesägt wurde. Nein, auch Sabine Christiansen, Meinungsmanipulateurin im Sinne der Mächtigen, Einflussreichen und Neoliberalen, wurde von SAT.1 exhumiert.

Christiansen und Aust harmonieren nicht. Sie waren schlecht vorbereitet. Sie fallen sich bei der Moderation und bei der Befragung von Minister zu Guttenberg auffallend oft gegenseitig ins Wort.

Wirtschaftsminister zu Guttenberg brauchte keine Angst zu haben, von den Moderatoren zu hart rangenommen zu werden. Brav wurde er befragt und durfte sich präsentieren, wie er mochte. Zwischenzeitlich wurde er pseudokritisch auf Bankenrettungspläne und weiterhin übliche Bonuszahlungen für Investmentbanker gefragt und durfte telegen seine Empörung zum Ausdruck bringen. Sollte ich nicht entscheidende Positionen dieser Sendung während des Zähneputzens in der Werbepause verpasst haben, so wurde der Bundeswirtschaftsminister nicht mit einem einzigen Wort auf den fragwürdigen Gesetzesentwurfs aus dem Hause Linklaters angesprochen. Nicht einmal der später dazugeholte Kontrahent Oskar Lafontaine sprach zu Guttenberg darauf an. Das ist sehr schade, hätte er den Minister bei seiner politischen Erfahrung und seinem rethorischen Geschick problemlos an die Wand reden können. Er hätte es sich leisten können, braucht er doch als sorgfältig inszeniertes mediales Feindbild nicht zu befürchten, in keine Polit-Talkshow mehr eingeladen zu werden. Wären dann die Moderatoren eingeschritten – anstatt dieses Thema selbst anzusprechen, wie es ihre journalistische Pflicht sein müsste – hätte Lafontaine die Kampagne der Medien gegen die Linke aus Trumpf aus dem Ärmel ziehen können.

Der Titel, die Gestaltung, die Optik, die Werbepausen. Grauenhaft. Oft schwebte die Kamera durch das Studio. Nicht nur hier kam ich mir vor wie in einem Raumschiff, auch in den Passagen, als alle Gäste an einen riesigen runden Tisch saßen und Zuschauermeldung und Ähnliches in der Mitte des Tisches eingeblendet waren. Zuschauermeldungen wurden als SMS oder Twitter-Satzfragmente eingeblendet. Diese hatten kaum Substanz und so drängt sich auch der Verdacht auf, dass die Wahlkampfarena sich speziell an ein eher schlecht informiertes Publikum als Zielgruppe richtet. Zwischenzeitlich wurde Sebastian Krumbiegel, der Sänger der Prinzen, eingeblendet, der zu Hause mit einigen Freunden die Sendung verfolgte. Er scheint Einiges zu sagen zu haben, hielt sich aber offensichtlich sehr zurück; immerhin hat er eine Karriere zu verlieren und so blieb nichts weiter hängen als „Geht wählen“. SAT.1 ist wie wir alle wissen ein privater Fernsehsender und muss sich durch Werbeeinnahmen finanzieren. Die Werbeunterbrechungen kamen alle an äußerst ungünstigen Stellen, nämlich dann, wenn die Gäste vielleicht etwas wirklich Interessantes zu erzählen gehabt hätten und von den Moderatoren abgewürgt wurden. Dieses äußerst schlechte Timing hat als Ursache meiner Meinung nach die Ursache in der mangelhaften Organisation der beiden Moderatoren.

Es nutzte alles nichts. Die SAT.1-Arena war ein sehr dürftiger Erfolg und hatte nach Meldung der Frankfurter Allgemeinen nur 830.000 Zuschauer, was einem Marktanteil von ca. 4% entspricht; Anne Will hatte parallel dazu drei mal so viel Publikum.

Wer sich selbst ein Bild machen und sich durch die Sendung quälen möchte, findet das Machwerk hier – oder auch nicht; zunächst schwätzen nur zwei Doku-Soap-Kommissare. Aber vielleicht sollten Sie auch Zeit und Strom sparen und das bleiben lassen.

Aber etwas Gutes hat das doch. Sabine Christiansen kündigte im Vorfeld an: “Ich habe nicht die Absicht, eine neue Talkschiene zu beginnen”. Danke.

Wenn Sie immer noch nicht genug haben: es gibt auch noch einen Kommentar zur Sendung in der Welt sowie einen Artikel dazu bei der Linken Wählerinitiative.

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