Wer die Sozialstaatlichkeit verteidigt, wird als „nationaler Sozialist“ verschmäht. Ein Beitrag von Oskar Lafontaine.

Oskar Lafontaine
Ein Artikel von Oskar Lafontaine

Lafontaine hat eine sehr wichtige Kolumne geschrieben. Sie geht an den Kern einer schlimmen Debatte heran. Die Diffamierung jener, die für die Sozialstaatlichkeit unseres Landes und damit für ein Versprechen des Grundgesetzes eintreten, wird vom Vorstandsvorsitzenden des Springer-Konzerns Döpfner angeführt und von anderen fortgeführt Es folgt der Text. Albrecht Müller.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

Die „Springer-Linke“
 
Die politische Linke ist in der letzten Zeit um eine neue Gruppe bereichert worden: die „Springer-Linke“. Die Angehörigen dieser Untergruppe sehen in der wichtigsten Errungenschaft der Arbeiterbewegung, dem Sozialstaat, eine nationalistische oder noch diffamierender eine „national-sozialistische“ Verirrung. Begonnen hat mit dieser Schmähung derjenigen, die den Sozialstaat verteidigen, der Vorstandsvorsitzende des Springer-Konzerns, Mathias Döpfner, der 2007 unter der Überschrift „Oskar Lafontaine, der nationale Sozialist“ schrieb:

„Wenn dann aber sogar eine Mehrheit der CDU-Wähler für richtig hält, was der Salon-Robin-Hood aus dem Saarland zu der Abschaffung von Hartz IV, der Einführung des Mindestlohns, einer Rücknahme der Rente mit 67 und dem Rückzug aus Afghanistan gefordert hat, und wenn daraufhin die bürgerliche Politik und Öffentlichkeit statt eines Aufschreis weithin nur Schweigen parat hat – dann muss man sich schon ernstlich Sorgen machen.“ (Hier der Link zum Artikel)

Der Schmäh-Artikel des Springer-Vorstands gegen die Verteidiger des Sozialstaates schloss mit dem Appell:

„Oskar Lafontaine muss mit allen demokratischen Mitteln bekämpft werden.“

Dieser Appell, Verteidiger des Sozialstaates als nationale Sozialisten zu diffamieren, verhallte nicht ungehört. Das neueste Beispiel ist ein Artikel von Gero von Randow, in dem der inzwischen bei der „Zeit“ gelandete ehemalige Chefredakteur des von der DKP-Jugend herausgegebenen Magazins „Elan“ (die Renegaten sind die Schlimmsten) zu der von mir geforderten neuen Sammlungsbewegung der politischen Linken schreibt:

„Was hätten wir dann? Eine nationalbornierte Linke, so wie es derzeit aussieht. Mario Neumann, ein junger Aktivist und Theoretiker aus Berlin, beschreibt sie so: ‚Ihr geografischer und politischer Horizont ist der nationale Wohlfahrtsstaat‘…. Das sei aber ‚keine linke Antwort auf den globalisierten Kapitalismus, sondern eine Bankrotterklärung‘, denn sie gebe jeden universalistischen Anspruch auf.“ (Hier der Link zum Artikel)

Wenn man sich den jahrelangen Kampf für Abrüstung, für eine stärkere Unterstützung der „Entwicklungsländer“, für faire Welthandels-Bedingungen, für die internationale Regulierung der Finanzmärkte oder eine neue Weltwirtschaftsordnung, die einen wirksamen Umweltschutz überhaupt erst ermöglicht, vor Augen hält, kann man nur staunen, mit welcher Ahnungslosigkeit heute politische Debatten geführt werden.
 
Neben der vom Springer-Vorstand Döpfner intonierten Diffamierung der Verteidiger des Sozialstaates als National-Sozialisten lebt diese Diskussion auch von der seit längerem bestehenden Kontroverse in der Flüchtlingspolitik. Die Befürworter des Bleiberechts und einer monatlichen Grundsicherung von 1050 Euro für alle, die nach Deutschland kommen, grenzen sich von denen ab, die es, wie ich, für weitaus wirkungsvoller und gerechter halten, den größeren Teil der Milliarden-Aufwendungen für die Millionen Flüchtlinge in den Lagern, den Armuts- und Hungergebieten aufzubringen. Ihre eigene Haltung – Unterstützung der Flüchtlinge in erster Linie in Deutschland – verstehen sie als Internationalismus und diffamieren die Gegenposition – einen größeren Betrag für die Flüchtlinge auszugeben, die in den Krisengebieten und den Lagern leben – als nationalistisch.
 
Wer den Sozialstaat diffamiert und das Credo der multinationalen Konzerne „no nations, no border“ nachplappert, ist ein Trottel des Neoliberalismus. Leute mit mangelndem Denkvermögen, die sich als Linke missverstehen und sich selbst ständig auf die Schultern klopfen, erinnern irgendwie an den Mann im Weißen Haus: „Ich bin ein Genie.“

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