Zum Berater(un)wesen in der Politik

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Ein nicht öffentlich ausgeschriebener millionenschwerer Beratervertrag, den der Vorstandsvorsitzende der Bundesanstalt für Arbeit Florian Gerster an den früheren Bertelsmann-Manager Bernd Schiphorst, einem Vorstandsmitglied der W(irtschaft) – M(edien) – P(olitik) EuroCom AG vergeben hat, löste einmal mehr eine Debatte über das Berater(un)wesen in Politik und Wirtschaft aus.

Die Liste der Personen, die dabei als Vorstands- oder Aufsichtsratsmitglieder von Beratungsagenturen aus der Diskretion ins öffentliche Licht gerät, liest sich wie ein “Who was who” der Politiker, Spitzenbeamten, Chefredakteure, Topmanager des vergangenen Jahrzehnts. Eine “Legion der Ehemaligen” titelte die Süddeutsche Zeitung so treffend.

Von Ex-Kanzler Kohl als Berater von Kirch über Ex-Außenminister Genscher und die Ex-Wirtschaftsminister Rexrodt, geschäftlich gebunden an die besagte WMP EuroCom AG, oder Ex-Wirtschaftsminister Lambsdorff, verbunden mit der Versicherungswirtschaft über Ex-Europaminister Samland (ECC Kohtes Klewes), Ex-Innenstaatssekretärin Yzer, Ex-Wirtschaftsstaatssekretär Mosdorf, über Ex-Bildchefradakteure Bilges und Tiedje, Ex-RTL-Geschäftsführer und Bertelsmann-Berater Thoma bis zum Ex-Bundesgeschäftsführer der SPD, Machnig, findet sich alles, was einmal Rang in dieser Republik hatte mit Namen unter den Beratern wieder. Ehemalige Chefredakteure der Bild-Zeitung scheinen dabei als Berater von Politikern besonders gefragt zu sein, so hatte sich Edmund Stoiber den ehemaligen Bild-Chef Spreng als Wahlkampfberater geholt.

Die Liste solcher “Ehemaliger” ließe sich leicht erweitern, zumal dann, wenn man noch einige Hierarchiestufen der ehemaligen Machteliten hinabstiege, auf die Ebene der ehemaligen Abgeordneten, ehemaligen Staatssekretäre oder ehemaligen Sprecher oder Büroleiter. Und unter den jetzigen Abgeordneten sind erheblich viel mehr als die jetzt ins Licht der Öffentlichkeit geratenen MdB Rainer Wend (SPD) und Christine Scheel (Grüne), die mit Beratungsagenturen oder unmittelbar mit Firmen verbandelt sind. Viele Abgeordnete empfinden offenbar ihren “Rat” mit der Parlamentsdiät bei weitem nicht aufgewogen und so “verwerten” (versilbern) sie diesen eben, so lange sie nicht selbst Beratungsaufträge vergeben können, in Aufsichtsräten von Beraterfirmen oder in den Firmen direkt gerne mehrfach.

Es ist schon Armutszeugnis genug (oder sollte man es im Hinblick auf die Beträge, die dabei gewinnmindernd herausgeworfen werden, treffender “Reichtumszeugnis” nennen), dass offenbar kein Unternehmen, von dem etwas gehalten werden soll, es sich mehr erlauben kann, ohne millionenteure Berater auszukommen. Das Alles, um Massenentlassungen vorzunehmen, Lohndumping zu betreiben oder weniger gewinnträchtige Sparten zum Ausschlachten zu verscherbeln oder “outzusourcen”.

Was für die von Einzelinteresse geleitete Wirtschaft ertragen werden muss, ist für eine dem Allgemeinwohl verpflichtete (demokratische!) Politik schlicht unmoralisch und eine Bankrotterklärung des demokratischen Verfassungsstaates.

Denn was leisten diese sogenannten Berater: Es ist eine moderne Form der politischen Korruption.

  • Muss man es nicht eine Verwahrlosung der politischen Kultur nennen, wenn so genannte Berater, die das ansonsten nicht öffentlich verfügbare Telefon- (oder besser noch das Handynummern)-Verzeichnis aus ihrer früheren Chefetage mitgenommen haben und mit diesem “Kapital” ihre privatwirtschaftlichen Auftraggeber an öffentliche Aufträge bringen? Das funktioniert ziemlich simpel etwa derart, dass per persönlichem Telefon- oder Gesprächskontakt mit Entscheidungsträgern die “wohlwollende Prüfung” eines Förderungs- oder Bewilligungsantrags erreicht wird. Welcher Verwaltungsmitarbeiter würde es bei einem entsprechenden Eingangsvermerk der “Hausspitze” bei einer knappen Ablehnung auf Arbeitsebene bewenden lassen können?
  • Ist es nicht ein Sittenverfall der öffentlichen und demokratischen Meinungsbildung, wenn Berater es schaffen, vorgefertigte Interviews oder gar Intrigenmeldungen in Zeitungen oder Lobbyisten als Gesprächspartner in Fernseh-Talk-Shows zu bringen? – Soll man noch an die Unbestechlichkeit von Politikern glauben, wenn sie als Berater oder Aufsichtsratsmitglieder etwa von Versicherungskonzernen bei Entscheidungen über den Umstieg von umlagefinanzierten sozialen Sicherungssystemen in kapitalgedeckte Versicherungen mitwirken?
  • Sind etwa Verteidigungsministerium, Generalität und der Verteidigungsausschuss des Parlaments wirklich nicht mehr selbst in der Lage, Vorschläge zur Reform der Bundeswehr zu entwickeln? Muss man dafür dem bisher eher als “heimlicher Herrscher der Deutschland AG” (so Die Zeit) denn als Militärfachmann hervorgetretenen Roland Berger einen zweistelligen Millionenbetrag bezahlen? Oder dazu noch einem ehemaligen Manager der Rüstungsindustrie ein Jahreshonorar zukommen lassen, das höher als das Einkommen des Bundeskanzler ist?
  • Ein VW-Manager und Freund des Kanzlers namens Hartz hat die Arbeitsmarktpolitik in den letzten eineinhalb Jahren mehr umgekrempelt als alle Arbeitsminister und Parlamentsausschüsse in der gesamten Geschichte der Bundesrepublik. Mit Hilfe von permanenten Rücktrittsdrohungen des Kanzlers wurde eine wirkliche politische Debatte über die Hartz-Vorschläge in der SPD und in deren Bundestagsfraktion gar nicht erst zugelassen. Wozu leistet sich das Volk, von dem doch alle Macht ausgehen sollte, noch ein Parlament, wenn die Macht von wo ganz anders herkommt?

1781 Lobby-Verbände sind beim Deutschen Bundestag eingetragen. Nach plausiblen Schätzungen stehen in Deutschland 15 bis 18.000 PR-Leute rund 30.000 Wirtschaftsjournalisten gegenüber. Dutzende, mit vielen Millionen ausgestattete PR-Agenturen wie der “Bürger Konvent” oder die “Initiative Neue Soziale Markwirtschaft” schaffen bezahlte Kommunikation, gegen die es jedes vernünftige Argument schwer hat, durch zu dringen. Dass im Bundeswirtschaftsministerium schon aus Bequemlichkeitsgründen viele Gesetz- und Verordnungsentwürfe unmittelbar von den Stabsabteilungen der Wirtschaft oder ihrer Verbände übernommen werden, ist seit alters her bekannt, jetzt hat man auch noch das Widerlager des Arbeits- und Sozialministerium (traditionell eher arbeitnehmerfreundlich gesinnt) “feindlich übernommen”.

Wie kommt es, dass die Politik sich derart den Beratern oder den als Berater getarnten Lobbyisten ausgeliefert hat bzw. sich diesen selbst wieder andient?

Dass die Parlamente an Gestaltungsmacht gegenüber der Exekutive verloren haben, bestätigen die Politologen seit langer Zeit. Es lohnt sich heute für Interessengruppen kaum noch, ihre Leute ins Parlament zu schicken. Man setzt heute die Berater und die Lobby lieber direkt bei der Exekutive ein und umgarnt allenfalls noch ein paar strategisch wichtige Abgeordnete. Das läuft auf dieser Ebene viel diskreter ab, als früher über das Parlament, wo man ja vor der Öffentlichkeit nie ganz sicher war.

Die Verwaltungsapparate, die früher einmal – bei aller Kritik an ihrer Langsamkeit und Gründlichkeit – wenigstens immer auch Sachwalter von Sachverstand, Wissen und Erfahrung waren, haben in Zeiten der “radikalen Reformen” ihre Gestaltungs- und Kontrollmacht gegenüber den “Flexibilitätsanforderungen” der sich gerne Modernisierer nennenden Politiker verloren.

Um demokratische Kontrolle durch ein lästiges Parlament und (leider manchmal auch beharrenden) Sachverstand durch die Verwaltung zu umgehen oder zu überspringen, dafür holt man sich den Rat der Berater. Das geht schneller und man kann sich aussuchen, welchen Rat man nehmen möchte. Im übrigen kann man ehemaligen Kolleginnen und Kollegen noch eine gute Stange Geld rüber reichen, ohne dass das im Einzelnen vom Haushaltsgesetzgeber auch immer kontrolliert werden könnte, was damit geschieht. Außerdem lassen sich mit den Beraterhonoraren manche “Hilfsdienste” verrechnen, über die man nicht so gerne öffentlich spricht. Der Kreis der gegenseitigen Selbstbedienung (und Selbstbestätigung) zwischen Wirtschaft Medien Politik ist nahezu geschlossen. Diesen Dreiklang führt die ins Gerede gekommene Beratungsagentur “Wirtschaft Medien Politik EuroCom” sogar im Namen. Man kann also nicht einmal sagen, dass hier nicht mit offenen Karten gespielt wird.