Der Vorgang LB-Bayern/Hypo Group Alpe Adria (HGAA) ist das Modell für ähnliche Vorgänge der Bereicherung (Finanzkrise XXXI)

Albrecht Müller
Ein Artikel von:

In den letzten vier Wochen sind Vorgänge zum überteuerten und unsinnigen Kauf der HGAA durch die Bayerische Landesbank bekannt geworden, die – würden die demokratischen Sanktionsmechanismen noch funktionieren – die CSU auf 10 % bringen müssten. Denn die bayerischen Steuerzahler – und wahrscheinlich auch wir alle – müssen für Verluste bei Vermögenstransaktionen gerade stehen, die bewusst eingefädelt worden sind, um andere zu bereichern. Im Falle der Bayern LB circa 3,7 Milliarden. Es macht Sinn, diesen Vorgang in die Gesamtlage der Vermögenstransfers und Bereicherungen einzuordnen. Hier ein kleiner Versuch. Albrecht Müller

Zunächst weise ich auf eine kurze Dokumentation hin, die Sie am Ende dieses Textes als Anhang finden. In dieser Dokumentation sind einige Links zu wichtigen Artikeln zur Sache vermerkt.

Modell Bayern LB/Hypo Group Alpe Adria

Der Vorgang HGAA ist typisch dafür, wie heute schnell und viel Geld gemacht wird, nicht durch Wertschöpfung, also die unternehmerische Kombination von Arbeit und Kapital, sondern durch das Hin- und Herschieben von Vermögenswerten. Dabei verdienen Einzelne, Gruppen und Institutionen dann besonders viel,

  • wenn sie Vermögenswerte günstig einkaufen und teuer verkaufen können und dabei oft Insiderwissen im Spiel ist,
  • wenn sie den Staat oder staatsnahe Stellen dabei anzapfen können und/oder
  • wenn sie an den Transaktionen selbst durch Beratung, durch Provisionen und andere Vergütungen maßlos hohe Beträge verdienen.

Im konkreten Fall sind alle drei Möglichkeiten (und vielleicht noch andere) im Spiel gewesen.

Die Bayerische Landesbank hat eine schon als marode bekannte Bank, die HGAA, weit über dem geschätzten Wert erworben. Sie hat insgesamt 3,7 Milliarden in dieses Geschäft gesteckt und zum Schluss die Bank für einen symbolischen Wert an die Republik Österreich verkauft.
Kurz vor dem Kauf hat eine Gruppe von reichen Personen mit Unterstützung eines Hedgefonds unter Führung eines Vermögensverwalters mit dem Namen Tilo Berlin stufenweise einen Anteil von 25 % plus einer Aktie an der HGAA erworben. Die Erwerber haben in wenigen Wochen durch Verkauf dieses Anteils an die Bayerische Landesbank einen Vermögensgewinn von circa 40 % gemacht.
Vermögensverwalter Berlin hatte das Geld von bekannten Personen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz gesammelt. Auch das ist typisch, solche Deals sichert man auch dadurch ab, dass man einflussreiche Personen mit ins Boot holt und profitieren lässt.
Besonders apart an dieser Sache war noch, dass die Bayerische Landesbank selbst zu den Finanziers des Kaufs der HGAA durch die Gruppe um Berlin gehörte. Konkret: während die Bayerische Landesbank einerseits einer Gruppe von reichen Leuten half, die notwendigen Millionen für die 25 % plus einer Aktie zusammen zu kriegen, verhandelte sie gleichzeitig über den Kauf der Mehrheit an der Bank zu einem weit darüber liegenden Preis. Den Aufschlag kassierte die von der Bayerischen Landesbank mitfinanzierte Gruppe um Tilo Berlin.
Man kann und muss davon ausgehen, dass die so genannten Investoren um Tilo Berlin zumindest ahnten, dass ihr Vermögenszuwachs mithilfe des Kaufs einer ziemlich maroden Bank vom bayerischen Steuerzahler abgesichert wird.

Was der sachliche Sinn des Erwerbs der HGAA durch die Bayerische Landesbank sein sollte, lässt sich nur schwer erschließen. Die vorgeschobenen Aktivitäten auf dem Balkan sind es vermutlich nicht. Denn die Spekulation mit Grundstücken, was offenbar teilweise das Geschäft der HGAA an der Adria war, gehört sicherlich nicht zu den Hauptaufgaben einer Landesbank. Vermutlich ist Sinn und Zweck des Erwerbs der HGAA durch die BayernLB vornehmlich der zu erwartende Gewinn beim Transfer der Vermögenswerte, und hier wieder der Gewinn Dritter und nicht der Bayerischen Landesbank selbst.

Interessant an diesem Vorgang ist die Verwicklung der Politik beziehungsweise von Politikern mit den getätigten Vermögenstransaktionen:

  • Das Land Kärnten unter Führung seines damaligen Landeshauptmanns Jörg Haider hat vom teuren Verkauf seines Anteils und von den dann immer wieder zur Rettung der HGAA fließenden Millionen und Milliarden der Bayerische Landesbank profitiert. Haider hat großzügig das Geld der Bayern verteilt und auch damit seine Macht gefestigt. Er stand schon deshalb hinter dem Deal.
  • Die ihm geistig und offenbar freundschaftlich verbundenen CSU-Politiker in München auch. Sie haben als Verwaltungsräte der Bayern LB den überteuerten Kauf laufen lassen. Sie haben in der Person des damaligen Ministerpräsidenten Stoiber in Kroatien interveniert, als die dortige Zentralbank den Kauf der HGAA durch die Bayerische Landesbank stoppen wollte. Stoiber ist dafür extra nach Split gereist und hat durch Intervention beim damaligen kroatischen Ministerpräsidenten die Bremsen gelockert.

Unsere Politiker, so das Fazit, sind höchst engagiert, wenn es um die Bedienung großer Interessen zulasten des Steuerzahlers geht. Sie nutzen dafür die Verbindungen zu anderen Politikern, auch in anderen Staaten.

Landesbanken sind heute eine Art „Quango“

Die Quasi-Privatisierung der öffentlichen Einrichtung Bayerische Landesbank und ihre Ausrichtung auf „unternehmerische Tätigkeit“ hat die Nutzung dieser Einrichtung zur Bereicherung Privater auf Kosten der Öffentlichkeit wesentlich erleichtert. Hier im Falle der Bayerischen Landesbank wie zum Beispiel auch bei der West LB und der HSHNordbank hat die Entlassung dieser Landesbanken in die Quasi-Autonomie dem Management die Möglichkeit gegeben, an der langen Leine Deals abzuschließen und Geschäfte zu betreiben, die mit ihrer traditionellen Aufgabe und mit traditioneller Kontrolle so nicht möglich gewesen wären. (Siehe dazu den Beitrag von Wolfgang Lieb über die Entwicklung bei der Westdeutschen Landesbank)
Der frühere Chefredakteur des Guardian, Will Hutton hat für derartige halb staatliche, halb autonome Organisationen den Begriff Quango geprägt. Näheres dazu hier.
Diese Unternehmen sind autonom genug, um solche unsinnigen Vermögenstransfers wie den Kauf der HGAA durch die Bayern LB vorzunehmen, und sie sind staatsnah genug, um den Steuerzahler für die Verluste zur Kasse zu bitten.

Die Bedeutung von Steueroasen im Geschäftsmodell a la HGAA

Wir können davon ausgehen, dass die 130 bis 170 Millionen € Gewinn, die für die Investorengruppe um Tilo Berlin heraus gesprungen sind, zu einem beachtlichen Teil ganz legal oder weniger legal in Steueroasen angelegt worden sind. Weil einflussreiche Kreise auch davon noch profitieren, kommen wir mit dem Kampf gegen Steueroasen bisher nicht weiter.

Ich erinnere in diesem Zusammenhang noch an die Affäre Zumwinkel. Damals hat die deutsche Öffentlichkeit sich vor allem bei der Steuerhinterziehung aufgehalten. Uns hat auf den NachDenkSeiten damals schon auch interessiert, woher die großen Finanzen kommen, die zu einem Zinsgewinn geführt haben, der wiederum eine Steuerhinterziehung von knapp 1 Million ausgelöst hat. Hier wie in ähnlichen Fällen müssten sich die Öffentlichkeit beziehungsweise engagierte Journalisten mindestens gleichwertig um die Frage kümmern, woher die Gelder kommen, mit denen man so viel Zinsen verdient, dass man 1 Million an Steuern hinterziehen kann. (Siehe dazu auch den nächsten Abschnitt)

Großer Bedarf an Recherchen in verwandten Bereichen

Die Deutsche Bahn ist in die Quasi-Autonomie entlassen worden und hat dann vor allem unter der Ägide von Mehdorn und ohne Kontrolle durch den hundertprozentigen Eigentümer Bund Hunderte von Unternehmen gekauft.
Genauso die Deutsche Telekom.
Und genauso die Deutsche Post.
Und genauso andere frühere öffentliche Unternehmen des Bundes, der Länder und der Kommunen.
Wer hat bei den einzelnen Vermögenstransfers mitverdient? Welche Politiker waren als Vermittler und Berater beteiligt? Auf die Tätigkeit des ehemaligen Außenministers Kinkel für die Deutsche Telekom sind wir schon einmal eingegangen.
Höchst fragwürdig ist auch der 4,5%-Anteil von Blackstone an der Deutschen Telekom. Warum das? Wer hat davon profitiert und wer profitiert noch? Gibt es Käufe und Verkäufe durch die Deutsche Telekom, bei denen Blackstone beziehungsweise mit Blackstone verbundene Unternehmen und Personen mitverdient haben?

Vielleicht ermuntert der Skandal um die HGAA und die Bayerische Landesbank den einen oder anderen Journalisten oder Internetspezialisten zu weiteren Recherchen. Nötig wäre es. In den Kapiteln 17 und 18 von „Meinungsmache“, hier das Inhaltsverzeichnis, finden sich weitere Anhaltspunkte.

Anhang

Kurze Dokumentation von informativen Artikeln zum Bayern LB-HypoGroupAlpeAdria(HGAA)-Skandal

Das folgende ist eine Auswahl von Artikeln und Analysen der Vorgänge – chronologisch geordnet. Wenn Sie einzelne Artikel jüngeren Datums anklicken, dann finden Sie dort wiederum Links auf weitere informative Artikel.

8.1.2010
BayernLB-Desaster
Kärnten, ein gesegnetes Land – dank Bayern

Ein Tausender für den Führerschein, Kindergarten gratis, billige Flüge: In Kärnten ist die Welt in Ordnung – dank bayerischer Millionen.
Quelle: SZ

8.1.2010
Bayern und die Hypo Alpe Adria
Wie eine fette Gans

Immer wieder pumpten Freistaat und BayernLB Millionen- und Milliardenbeträge in die finanziell marode Kärntner Landesbank. Der frühere Landeshauptmann Jörg Haider hat die Bayern ungeniert ausgenommen.
Quelle: SZ

9.1.2010
Hypo Alpe-Adria: Warum Jörg Haiders Deal ein abgekartetes Spiel war
Die Wahrheit über das Hypo-Debakel: warum Jörg Haiders Deal mit der Bayerischen Landesbank ein abgekartetes Spiel war. Und wie die Bayern der Investorengruppe um Tilo Berlin zu sagenhaften Gewinnen verhalfen.
Quelle: profil

10.1.2010
Hypo Alpe Adria
Harakiri in den Alpen

Bei der Bank Hypo Alpe Adria wurde jedes zweite Darlehen unzureichend geprüft. Trotzdem investierte die BayernLB ein Vermögen in Kärnten.
Quelle: SZ

12.01.2010
Was wusste Edmund Stoiber?
Die politische Verantwortung für das Milliarden-Desaster

von Christian Rohde
Rund 3,7 Milliarden Euro hat die Bayerische Landesbank in den Sand gesetzt mit dem Kauf der österreichischen Bank Hypo Group Alpe Adria (HGAA) – ein Desaster für den bayerischen Steuerzahler. Horst Seehofer (CSU), derzeit bayerischer Ministerpräsident, hat angekündigt, ohne Ansehen von Amt und Person den Skandal aufzuklären. Ein Untersuchungsausschuss im Landtag wurde eingesetzt. Es geht um den Verdacht der Untreue und die Frage nach der politischen Verantwortung.
Quelle: Frontal21 – Video

12.1.2010
Parteienfinanzierung
Hypo öffnete Geldhahn für Parteien

12. Jänner 2010, 17:53
3,5 Millionen ans BZÖ, 1,25 Millionen an die SPÖ: Die Hypo Alpe Adria war recht offen für Kredite an politische Parteien
Quelle: Der Standard

13.1.2010
Hypo Alpe Adria
Stoiber übte Druck auf Zagreb aus

Von Klaus-Peter Schwarz, Rijeka
Persönliche Verantwortung für das Desaster hat Stoiber stets zurückgewiesen
13. Januar 2010 Die Münchner Staatsanwaltschaft hat ihre Ermittlungen wegen des Kaufs der Hypo Group Alpe Adria durch die Bayern LB ausgeweitet. Sie teilte am Mittwoch mit, der Kreis der Verdächtigen sei gewachsen; zudem werde nicht mehr nur wegen des Verdachts der Untreue, sondern auch wegen anderer Straftatbestände ermittelt. Gegen Politiker wird wegen des Debakels mit der Hypo Alpe Adria, das die Landesbank etwa 3,7 Milliarden Euro kostete, nicht ermittelt, doch gerät zunehmend auch die Rolle des früheren bayerischen Ministerpräsidenten Edmund Stoiber in den Blick, der eine persönliche Verantwortung bisher zurückgewiesen hatte. Allerdings hat er 2007 versucht, mit Hilfe des damaligen kroatischen Ministerpräsidenten Ivo Sanader massiven Druck auf die kroatische Nationalbank auszuüben, damit diese dem Kauf der Hypo Alpe Adria durch die Bayern LB zustimmte. Am 18. Juli 2007 zitierten die kroatischen Zeitungen Stoiber erstmals mit den Worten, das Veto der Nationalbank gegen diese Übernahme sei nicht hinnehmbar und „ein schwerer Schlag gegen die traditionell guten Beziehungen zwischen Kroatien und Bayern“.
Quelle: FAZ

14.1.2010
Hypo Alpe-Adria:
profil veröffentlicht komplette Liste der Investorengruppe Tilo Berlin
Quelle: profil

14.1.2010
Skandalbank in Kärnten
Reich, reicher, Hypo Alpe Adria

Geschäftsmodell Abkassieren: Deutsche und österreichische Industrielle haben mit dem Kauf der Hypo Alpe Adria kräftig verdient – weil sie kurz vor der Übernahme durch die BayernLB in die Skandalbank aus Kärnten investiert hatten. Die Liste der Geldgeber liest sich wie ein Potpourri der Wirtschaft.
Quelle: SZ

14. Jan. 2010
Reibach mit der Ösi-Bank: Sie alle sollen verdient haben
Jetzt liegt die Liste der feinen Gesellschaft vor, die auf Kosten Bayerns an der maroden österreichischen Bank Hypo Group Alpe Adria verdient haben soll. Dabei: Ingrid Flick, Ex-Bahnchef Dürr und Ex-Ski-Weltmeister Harti Weirather.
Quelle: Abendzeitung

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