Pflegeversicherung – Sozialexperte warnt vor Riesendefizit

Albrecht Müller
Ein Artikel von:

… das meldet SPIEGEL ONLINE am 02. April 2005 um 12:31. Man muss sich die Meldung auf der Zunge zergehen lassen.

Wörtlich zitiert: “Langfristig wird das Finanzierungsdefizit in der gesetzlichen Pflegeversicherung weitaus größer ausfallen als bisher angenommen. Nach Berechnungen des Freiburger Finanzwissenschaftlers Bernd Raffelhüschen könnten bis zu 950 Milliarden Euro fehlen.

Hamburg – Nach Informationen des SPIEGEL ergibt die im Auftrag der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft erstellte Kalkulation, dass bis zum Jahr 2050 in der Pflegekasse rund 700 Milliarden Euro fehlen, sollte die Versicherung nicht reformiert werden. Durch die von der Regierung geplante Ausweitung der Leistungen der gesetzlichen Pflegeversicherung für Demenzkranke würde das Finanzierungsdefizit um weitere 250 Milliarden auf 950 Milliarden Euro anschwellen.“

Dazu ist folgendes zu sagen und zu fragen:

  1. Der Spiegel beruft sich auf eine „Studie“ der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft. Das ist eine Lobbyorganisation, deren Hauptziel der Abbau des Sozialstaates ist; die Versicherung sollte „reformiert“ werden, heißt es beschönigend im letzten zitierten Satz.
  2. Der „Sozialexperte“ ist ein bundesweit bekannter Eiferer für die neoliberale Ideologie. Man muss sich langsam fragen, wieso wir als Steuerzahler einen Professor bezahlen, der dann Studien – vermutlich gegen Bezahlung – für eine Lobbyorganisation der Metallarbeitgeber macht. Soll er doch aus dem Staatsdienst ausscheiden, er ist doch sicher wie bei der Pflegeversicherung auch sonst für Privatisierung. Die Professoren Raffelhüschen, Sinn, Börsch-Supan, Wiegard, Franz, Straubhaar, Rürup u.a.m. sollten in einem ersten Reformschritt privatisiert werden – bei Entzug des Professorentitels. Dann würde die Meinungs- und Willensbildung in Deutschland sofort um vieles weniger aufgeregt und sachlicher.
  3. Es ist unglaublich, heute für das Jahr 2050 Berechnungen anzustellen. Das wäre so, als hätte man 1960 berechnet, wie der Beitragssatz und Zuschussbedarf für die Rente im Jahr 2005 sein werde. Grotesk. Da hat sich so viel Unvorhersehbares zugetragen. Wenn man 1960 in Würdigung der damaligen Verhältnisse für 2005 Vollbeschäftigung unterstellt hätte, was mit Sicherheit geschehen wäre, hätte man sich total vertan. Und man hätte den Pillenknick und die Zuwanderung nicht richtig berechnen können. Mit Sicherheit kann man für 2050 keine isolierte Berechung für Deutschland anstellen. Und wir wissen überhaupt nicht, wie es mit der Beschäftigung und Konjunktur weitergeht. Der Spiegel zitiert die Studien von Kaffeesatzlesern.
  4. Dann ist noch die Frage, welche Reform uns vor dem Fehlen der 950 Mrd. retten soll? Die Private Pflegeverssicherung? Weltweit wird zur Zeit belegt, dass die Privatvorsorge weniger günstig arbeitet als die Sozialrenten. Und unattraktiv ist, obwohl der Staat kräftig fördert.
  5. Reform ja, wenn es nötig ist. Aber ohne die Begleitmusik von Lobby-Professoren.

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