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Heute unter anderem zu folgenden Themen: Härtefallregelung; IWF zur Kostenbeteiligung des Finanzsektors; Finanzhilfen für Griechenland kein Verstoß gegen EU-Recht; Eckpunkte für die Finanzmarktregulierung; Skandal bei Goldman auch ein Skandal der Deutschen Bank; Aufschwung als Fake; Defizit steigt kräftig; kostspielige Steuersenkungen; strafbefreiende Selbstanzeige bleibt; Tarifpolitik im Osten; Bahn kauft ein; Stuttgarter Bahnhof; Afghanistan-Debatte; NRW-Wahlkampf; Propaganda in Schulen; Bologna in der Psychoanalyse; Medienkritik; es war einmal der SPIEGEL. (MB/WL)

  1. Bundestag beschließt Härtefallregelung für Hartz-IV-Empfänger
  2. IWF Report zur Kostenbeteiligung des Finanzsektors
  3. Schäuble: Finanzhilfen an Griechenland sind kein Verstoß gegen EU-Recht
  4. Irland macht noch mehr Schulden als Griechenland
  5. Bundesregierung legt Eckpunkte für die Finanzmarktregulierung vor
  6. Thomas Fricke – der Verursacher muss bezahlen
  7. Skandal bei Goldman? Schaut auf die Deutsche Bank!
  8. The Magnetar Trade: How One Hedge Fund Helped Keep the Bubble Going
  9. DIE LINKE: Bundesregierung muss sich von ihren Wirtschaftsberatern trennen
  10. Frühjahrsprognosen: Rechnung ohne den Wirt
  11. Aufschwung als Fake
  12. Defizit des Bundeshaushaltes steigt weiter kräftig
  13. Kostspielige Steuersenkungen
  14. Die zehn wichtigsten Beitragszahler im EU-Haushalt 2010
  15. “Strafbefreiende Selbstanzeige” soll erhalten bleiben
  16. 9.554 Stellen in der Finanzverwaltung unbesetzt
  17. 1990 – 2010: Zwanzig Jahre Tarifpolitik in Ostdeutschland
  18. Armutsindustrie boomt
  19. Übernahme des Arriva-Konzerns: Einkaufen für Europa
  20. Telekom – Goodbye, New York
  21. „Nebensache Bahnhof, Hauptsache Demokratie”
  22. Debatte um Afghanistan: Nicht der volle Einsatz
  23. NRW-Wahlkampf
  24. Wirtschaftspropaganda in Schulen – Vermittlung von Botschaften durch PPP und Sponsoring
  25. „Kein Ort. Nirgends?“ Das Subjekt der Erkenntnis und die Idee der Universität
  26. Medienkritik
  27. Zu guter Letzt: Sind die Löhne zu hoch?
  28. Zum Schluss: Für unsere Soldaten in Afghanistan!

Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Bundestag beschließt Härtefallregelung für Hartz-IV-Empfänger
    Der Bundestag hat die vom Bundesverfassungsgericht angemahnte gesetzliche Härtefallregelung für Hartz-IV-Empfänger beschlossen. Künftig haben Langzeitarbeitslose Anspruch auf zusätzliche Leistungen, wenn sie einen laufenden und besonderen Bedarf zur Deckung des Existenzminimums nachweisen können.
    Die Koalition bezifferte die Mehrkosten auf rund 100 Millionen Euro, wobei der größte Teil mit 92 Millionen Euro auf den Bund entfallen soll. In wenigen Fällen könnten auch für die Kommunen zusätzliche Kosten von schätzungsweise bis zu acht Millionen Euro pro Jahr entstehen. Der Bundesrat muss dem Gesetz noch zustimmen.
    Die Opposition kritisierte die Eile, mit der das Gesetz durchgesetzt worden sei. Die Härtefallregelung könne nicht losgelöst von der Neubestimmung der ebenfalls vom Verfassungsgericht geforderte Anpassung der “Hartz IV”-Regelsätze bestimmt werden. Der gefundene Kompromiss sei lediglich eine “Minimallösung”.
    Quelle: Tagesschau

    Anmerkung WL: Ohne dass darüber eine öffentliche Debatte stattfand und ohne die Beteiligung der zuständigen Ausschüsse hat die schwarz-gelbe Mehrheit, die Härtefallregelung sozusagen in einer Nacht-und-Nebel-Aktion beschlossen. Unter anderem sollen chronisch Kranke, geschiedene Paare und lernschwache Schüler profitieren. Nicht als Härtefall eingestuft wurden Ausgaben für Waschmaschinen, Brillen oder Zahnersatz. Es ging offenbar nur darum, das Urteil des Bundesverfassungsgerichts möglichst billig umzusetzen. In der Gesetzesbegründung ist die Liste der nicht zu finanzierenden besonderen Bedarfe erheblich länger als die Positivliste von besonderen Lebenslagen. Was ist etwa mit der Schulverpflegung oder Sonderbedarfen bei der Kleidung von Kindern (z.B. orthopädische Schuhe) oder für Nachhilfeunterricht. Wie soll ein Hartz IV-Empfänger für besondere Notfälle überhaupt noch etwas beiseite legen können?

  2. IWF Report zur Kostenbeteiligung des Finanzsektors
    1. Halbherzig und vage
      Als halbherzig wertet die Kampagne Steuer gegen Armut den Entwurf des IWF-Berichts an die G20, der von der Einführung einer Finanztransaktionssteuer (FTT) abrät. Stattdessen empfiehlt er eine Bankenabgabe und – als zusätzliche Maßnahme – eine Steuer auf Profite und Vergütungen.
      Zwar erkennt der IWF-Bericht an, dass die FTT ein hohes Steueraufkommen bringen und Spekulation eindämmen kann, rät aber dann von ihrer Einführung ab. Besonders platt ist dabei das Argument, dass die FTT eine dauerhafte Maßnahme sei, und daher nicht dem Mandat der G20 entspräche, nur Vorschläge für eine Beteiligung der Banken an den Kosten der gegenwärtigen Krise zu machen. Darüber hinaus wärmt der Bericht alte Argumente gegen die FTT auf, die längst widerlegt sind. So würde zum Beispiel die Realwirtschaft durch die FTT belastet. Das Gegenteil ist der Fall: Indem die Spekulation reduziert wird, sinkt auch die Volatilität auf den Märkten und damit die Risiken. Dadurch sinken die Kosten der Risikoabsicherung (so genanntes Hedging), und davon profitiert die Realwirtschaft. Bei der Höhe der Abgabe geht der IWF von zwei bis vier Prozent des Bruttoinlandproduktes aus. Das wären im Fall der Bundesrepublik zirka 50 bis 100 Milliarden Euro. Das ist deutlich mehr als die Bankenabgabe, die die Bundesregierung plant (zwölf Milliarden). Positiv unterscheidet sich der IWF Vorschlag von dem der Bundesregierung auch dadurch, dass er sich nicht nur auf die Banken, sondern auf alle Finanzinstitutionen bezieht, also zum Beispiel auch Hedgefonds.
      Quelle 1: Kampagne Steuer gegen Armut [PDF – 16KB]
      Quelle 2: IMF A FAIR AND SUBSTANTIAL CONTRIBUTION BY THE FINANCIAL SECTOR – INTERIM REPORT FOR THE G-20 [PDF – 1,5MB]
      Quelle 3: Stephan Schulmeister: Bank levy versus transactions tax: A critical analysis of the IMF and EC reports on financial sector taxation [PDF – 74KB]
    2. Markus Sievers: Im Schuldenrausch
      Daher ist es gut, dass der IWF Konzepte für eine faire Verteilung der Lasten erarbeitet. Die Ideen aus Washington gehen weit über das hinaus, was die schwarz-gelbe Bundesregierung mit ihrer Bankenabgabe plant. Während die Deutschen nur eine Branche erfassen, will der Fonds mit seiner Abgabe für finanzielle Stabilität alle Risikoträger belasten, also auch Versicherungen und Hedgefonds. Und er macht sich zusätzlich für eine Steuer auf Einnahmen von Finanzinstituten stark. Auch die Dimensionen sind beachtlich, von zwei bis vier Prozent der Wirtschaftsleistung ist in den Papieren die Rede. Bei den Anhängern einer Finanztransaktionssteuer macht sich der Fonds freilich keine Freunde. Dieses Instrument lehnt er ab mit dem Argument, dies belaste in erster Linie die Realwirtschaft, die auf die Absicherung ihrer Risiken an den Finanzmärkten angewiesen sei. Dies ist jedoch nicht zwingend so, weil mit der Eindämmung der Kurzfrist-Spekulationen auch die Preise etwa für Rohstoffe weniger schwanken.
      Über all die Vor- und Nachteile der einzelnen Maßnahmen ließe sich diskutieren, wenn denn die Richtung stimmte. Der IWF gibt jenseits der Details den Weg vor. Eine neue Ökosteuer muss her, eine auf gefährliche Finanzmarktemissionen. Leider sind die G20 von dieser Einsicht weit entfernt.
      Quelle: FR
  3. Schäuble: Finanzhilfen an Griechenland sind kein Verstoß gegen EU-Recht
    Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) sieht im Fall möglicher Finanzhilfen an Griechenland keinen Verstoß gegen europäische Verträge. Bei den bislang in Erwägung gezogenen gepoolten Krediten handele es sich um freiwillige Hilfen und nicht um eine Haftung der Mitgliedstaaten, die die Verträge im Rahmen des bail-out-Verbots untersagen, erklärte Schäuble am Mittwoch in einer öffentlichen Sitzung im Europaausschuss des Bundestages. Bei einer Ermächtigung durch das Parlament wären solche Hilfen auf einer verfassungsgemäßen Grundlage, argumentierte der Finanzminister. Dabei hob er hervor, dass Kredithilfen zur Stabilisierung des Euro auch im deutschen Interesse und kein „Akt der Großzügigkeit“ seien. Ob Griechenland überhaupt einen Antrag stelle, sei abzuwarten. Solle der Fall der „ultima ratio“ eintreten, werde der Europäische Rat selbst die so genannte Aktivierung beschließen, kündigte Schäuble an. Er räumte ein, dass es in der Frage der Hilfen für Griechenland teilweise unterschiedliche Sichtweisen zwischen dem Bundestag und dem Europäischen Parlament gebe: ”Die Grundentscheidung den europäischen Weg zu gehen, ist richtig“, betonte Schäuble gegenüber den Abgeordneten.
    Quelle: Deutscher Bundestag
  4. Irland macht noch mehr Schulden als Griechenland
    Griechenland hat in der EU aktuell nicht das höchste Haushaltsdefizit, sondern Irland. Nach den jüngsten Daten der Statistikbehörde Eurostat erreicht Irlands Neuverschuldung 2009 satte 14,3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP). Griechenland liegt mit 13,6 Prozent auf Platz zwei.
    Quelle: Tagesschau

    Anmerkung WL: Interessant sind eigentlich nur die Tabellen.

  5. Bundesregierung legt Eckpunkte für die Finanzmarktregulierung vor
    Eine Konsequenz aus der Krise muss es sein, unternehmerische Gewinnchancen, Verantwortung und Haftung wieder zusammenzuführen. Es ist daher dafür zu sorgen, dass die Durchsetzung von Ersatzansprüchen gegen Organe von Aktiengesellschaften nicht durch zu kurze Verjährungsfristen behindert wird. Vor diesem Hintergrund wird die Bundesregierung einen aus folgenden Elementen bestehenden Gesetzentwurf erarbeiten:

    1. Einführung aufsichtsrechtlicher Instrumente und Verfahren zur Restrukturierung
      systemrelevanter Banken.
    2. Einführung eines an das Insolvenzplanverfahren angelehnten Reorganisationsverfahrens
      für systemrelevante Banken.
    3. Erhebung einer risikoadjustierten Bankenabgabe zur Errichtung eines Stabilitäts-Fonds zur
      Finanzierung künftiger Restrukturierungs- und Abwicklungsmaßnahmen bei Banken.
    4. Übertragung der Durchführung von Restrukturierungsmaßnahmen und der Verwaltung des
      Stabilitätsfonds auf die Bundesanstalt für Finanzmarktstabilisierung (FMSA).
    5. Verlängerung der Verjährungsfrist für die Organhaftung bei börsennotierten
      Aktiengesellschaften.

    Alle Maßnahmen wird die Bundesregierung im Lichte der auf internationaler Ebene zu
    fassenden Beschlüsse erforderlichenfalls überprüfen. Der Finanzstandort Deutschland soll
    im internationalen Wettbewerb gestärkt werden.

    Quelle: Bundesfinanzministerium [PDF – 590KB]

    Anmerkung WL: Das ist mehr als dürftig. Nichts über ein Verbot von Zweckgesellschaften, nichts zu Hedgefonds, nichts zur Rückführung des Bankensystems auf seinen eigentlichen Zweck, nichts zur Heranziehung der Banken an den Kosten der von ihnen verursachten Krise, nichts zur angeblich positiv bewerteten Transaktionssteuer. Im Übrigen: Alles steht noch unter Überprüfungsvorbehalt und wie in der Vergangenheit bleibt das Ziel den Finanzstandort Deutschland zu stärken.

  6. Thomas Fricke – der Verursacher muss bezahlen
    Wenn die Auguren recht behalten, ist in gut zwei Wochen Schluss mit lustig. Dann wird die Regierung plötzlich feststellen, dass die Deutschen jetzt ganz tapfer sein und verzichten müssen. Für unsere armen Kinder. Und Deutschlands Selbstpeinigungsprediger werden in ihrem Element sein. Ob die Prophezeiung so eintrifft? Möglich. Erstaunlich ist nur, dass bei all den Gruselprognosen über nahende harte Zeiten gerade diejenigen kaum vorkommen, ohne die Deutschlands Staatsschulden gar nicht hochgeschnellt wären – und die an früheren Finanzblasen prima verdient haben. Dabei ließe sich über die Banken ein Großteil des neuen deutschen Schuldenproblems wieder beseitigen. Ganz ohne Populismus. Das wäre allemal erträglicher, als Deutschlands Staatshaushälter jetzt übereifrig Maso-Messen zelebrieren zu lassen.
    Quelle: Financial Times Deutschland
  7. Skandal bei Goldman? Schaut auf die Deutsche Bank!
    Deutsche Politiker fallen über das US-Geldhaus Goldman Sachs her – weil es die Mittelstandsbank IKB geprellt haben soll. Dabei ist das Ganze Heuchelei: Auch die Deutsche Bank drehte der IKB verhängnisvolle Schrottpapiere an, ohne dass Berlin dagegen vorgegangen wäre.
    Denn auch die Deutsche Bank hat der IKB jene verhängnisvollen Schrottpapiere angedreht, die das Institut in den Untergang trieben – und zwar zu einer Zeit, als die smarten Investmentbanker die Papiere längst aus den eigenen Beständen verkauft hatten, wie Konzernchef Josef Ackermann indirekt zugab. Mehr noch: Die Bank hat sogar auf einen Verfall solcher Papiere gewettet. “Es stimmt, wir hatten zeitweise eine andere Marktauffassung als die IKB”, erklärt die Deutsche Bank heute. Gleichzeitig beteuert das Institut jedoch, dass dies für jedermann erkennbar gewesen sei. Genau das bezweifeln viele Finanzexperten.
    Vor allem aber hat die Deutsche Bank den wohl unvermeidlichen Zusammenbruch der IKB selbst ausgelöst – und zwar durch einen Anruf von Institutschef Ackermann beim Präsidenten der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin), Jochen Sanio.
    Quelle:
    Spiegel Online

    Anmerkung WL: Allmählich wird auch der Spiegel wach. Wir hatten schon im Februar 2008 darauf aufmerksam gemacht: War die IKB die Müllhalde für faule US-Kredite der Deutschen Bank?

    Dazu:

    Gottes Werk und Teufels Beitrag
    Wenn deutsche Politiker nun Zeter und Mordio schreien und ehrliche Entrüstung vorgaukeln, so müssen sie sich die Frage gefallen lassen, warum sie noch keine Anzeige gegen die Deutsche Bank eingeleitet haben. Die Praktiken von Goldman Sachs und der Deutschen Bank sind beinahe 1:1 vergleichbar und auch die Deutsche Bank hat auf Kosten der Steuerzahler sehr viel Geld mit den Bankenpleiten der vergangenen Jahre verdient. Direkt, weil sie gegen die Papiere gewettet hat, und indirekt, weil sie sehr viel Geld mit der Emission von Staatsanleihen verdient, die nur durch die milliardenschweren Bankenrettungen nötig wurden. Auf eine Anklage gegen Josef Ackermann werden wir jedoch aller Voraussicht nach vergeblich warten.
    Goldman Sachs ist alleine wegen seiner Arroganz und Großmannssucht optimal für ein Fanal geeignet. Obama will schließlich nicht den Eindruck erwecken, er ließe sich von den Banken auf der Nase herumtanzen. Die Anklage gegen Goldman Sachs ist jedoch kaum mehr als eine Nebelkerze – die größte Investmentbank der Welt ist nicht nur erstklassig vernetzt, sie ist auch wahrlich systemrelevant. Einen Zusammenbruch von Goldman Sachs würde die globale Finanzwelt nicht überleben.
    Warum schießt nun aber die deutsche Politik gegen die Goldmänner? Deutsche Politiker lieben es, den Finanzstandort USA für die Krise verantwortlich zu machen und sich selbst und deutsche Banker als komplett überraschte Opfer darzustellen. Was eignet sich für dieses verquere Selbstbildnis besser, als eine sinistre amerikanische Investmentbank, die guten deutschen Bankern ihren Ramsch in betrügerischer Absicht unterjubelte. Alles Böse kommt von Drüben, unsere Banker sind Opfer, unsere Politik trägt kein Jota an Mitverantwortung – Amen! (…) Alle hätten indes etwas davon, wenn diese Form des Glücksspiels ein für alle Male verboten würde. Der Betrug ist systemimmanent und der Betrogene ist nicht irgendein dummer Provinzbanker, der Betrogene, dass sind wir, die wir für den Schaden haften. Von einem Verbot des Glücksspiels kann allerdings keine Rede sein, wenn die Glücksspielkommission mit Personen wie Asmussen oder Issing besetzt ist – im Gegenteil. Auf der Anklagebank ist noch viel Platz. Frau Merkel, Herr Steinbrück, Herr Asmussen, bitte nehmen sie Platz!
    Quelle: Spiegelfechter

  8. The Magnetar Trade: How One Hedge Fund Helped Keep the Bubble Going
    At least nine banks helped Magnetar hatch deals. Merrill Lynch, Citigroup and UBS all did multiple deals with Magnetar. JPMorgan Chase, often lauded for having avoided the worst of the CDO craze, actually ended up doing one of the riskiest deals with Magnetar, in May 2007, nearly a year after housing prices started to decline. According to marketing material and prospectuses the banks didn’t disclose to CDO investors the role Magnetar played.
    In late 2005, the booming U.S. housing market seemed to be slowing. The Federal Reserve had begun raising interest rates. Subprime mortgage company shares were falling. Investors began to balk at buying complex mortgage securities. The housing bubble, which had propelled a historic growth in home prices, seemed poised to deflate. And if it had, the great financial crisis of 2008, which produced the Great Recession of 2008-09, might have come sooner and been less severe.
    At just that moment, a few savvy financial engineers at a suburban Chicago hedge fund helped revive the Wall Street money machine, spawning billions of dollars of securities ultimately backed by home mortgages.
    When the crash came, nearly all of these securities became worthless, a loss of an estimated $40 billion paid by investors, the investment banks who helped bring them into the world, and, eventually, American taxpayers.
    Yet the hedge fund, named Magnetar for the super-magnetic field created by the last moments of a dying star, earned outsized returns in the year the financial crisis began.
    How Magnetar pulled this off is one of the untold stories of the meltdown.
    Quelle: Pro Publica

    Anmerkung unseres Lesers J.H.: Wenn sich diese Aktivitäten von Magnetar belegen lassen, dann wären dagegen die Klage gegen Goldman Sachs nur Peanuts.

  9. DIE LINKE: Bundesregierung muss sich von ihren Wirtschaftsberatern trennen
    Ulrich Maurer, Mitglied im geschäftsführenden Vorstand der LINKEN, fordert von der Bundesregierung eine Beendigung der Zusammenarbeit mit den Beratern Issing und Dibelius wegen deren Verbindung zur Investmentbank Goldman Sachs. Maurer erklärt:
    Die Bundesregierung muss ihre Abhängigkeit von Goldman Sachs lösen und sich schleunigst von ihren Beratern zur Finanz- und Wirtschaftspolitik Issing und Dibelius trennen. Ottmar Issing, heute Vorsitzender der Expertengruppe „Neue Finanzmarktarchitektur“ der Bundesregierung, ist als ,International Advisor’ bei Goldman im Sold. Alexander Dibelius ist einer der wichtigsten Wirtschaftsberater der Bundesregierung und zugleich Deutschland-Chef von Goldman. Dies ist politisch brisant. Goldman Sachs steht nicht nur im Verdacht, hochriskante Anleihen verkauft und zugleich auf deren Kurssturz gewettet zu haben. Die Bank, die in Fachkreisen als der weltweit größte Hedgefonds bezeichnet wird, hat nicht nur Griechenland bei der Manipulation seiner Staatsschulden geholfen. Sie war auch in Deutschland in unseriöse Praktiken verwickelt: Goldman hatte beim Verkauf der Depfa in einem Gutachten deren Bilanzvermögen schön gerechnet und den Verkauf der faktisch insolventen Pfandbriefbank an die HRE vermittelt – mit verheerenden Folgen für den Steuersäckel. Die Bundesregierung versucht nun, die hochpeinliche Lage schönzureden und erklärt, man “überlege”, die Zusammenarbeit mit der Bank zu beenden. Zu dem nahe liegenden äußert sie sich nicht: Sie muss ihre Verstrickung mit der Zockerbank lösen, indem sie ihren Beraterpool auffrischt.
    Quelle: DIE LINKE
  10. Frühjahrsprognosen: Rechnung ohne den Wirt
    Die Frühjahrsprognosen der Wirtschaftsinstitute machen Hoffnung auf eine sich erholende Konjunktur. Die Angst vor überbordenden Staatsdefiziten können sie nicht nehmen. Das Gutachten nennt als Erholungsfaktor allein die anziehende Auslandsnachfrage, die aber soll sich schon im Jahresverlauf wieder abschwächen, wenn staatliche Konjunkturprogramme bei den Handelspartnern auslaufen. Die Institute sagen selber: Sparpolitik könnte einen schwachen Konjunkturfrühling abwürgen. Das gilt nicht nur für Deutschland. Wenn die Auslandsnachfrage Rettung bringen soll, wird das Problem innerhalb dieser Zone bloß externalisiert. Die deutschen Handelsüberschüsse sind dank der hausgemachten Billiglohn-Politik gegenüber den wichtigsten Nachbarn noch im Krisenjahr 2009 weiter gestiegen. Der pazifische Defizitkreislauf zwischen Asien und den USA hat sein Pendant in der EU zwischen Deutschland und den west- wie südeuropäischen Ländern. Finanziert wird er jetzt nur noch durch die potenzierten Staatsdefizite, die im Fall Griechenland bereits an den Rand des Bankrotts führen. Wie soll es gehen, dass diese Länder durch noch größere Einsparungen ihre Binnenkonjunktur abwürgen und zugleich die deutschen Exportüberschüsse aufnehmen? Auch diese Quadratur des Kreises wird misslingen. Die absehbaren Grenzen der Staatsprogramme und die dann weltweit drohende zweite Welle der Krise werden zu einer Zerreißprobe des Euro-Raums führen. Dazu schweigen die vorliegenden Konjunktur- und Wachstumsprognosen lieber.
    Quelle: Der Freitag
  11. Aufschwung als Fake
    Börsenfeuerwerk, Superkonzerngewinne: US-Medien inszenieren Ende der Krise. Rekordverschuldung und -arbeitslosigkeit werden ausgeblendet.
    Quelle: Junge Welt

    Anmerkung unseres Lesers B.H.: Es kursieren auch in Deutschland schon Bücher, die uns den “Aufschwung” verkaufen wollen.

  12. Defizit des Bundeshaushaltes steigt weiter kräftig
    Das Defizit des Bundeshaushaltes ist im ersten Quartal 2010 weiter kräftig gestiegen. Wie aus dem aktuellen Monatsbericht des Bundesfinanzministeriums hervorgeht, erhöhten sich die Ausgaben in den ersten drei Monaten des Jahres gegenüber dem Vorjahreszeitraum um 4,9 Prozent auf 81,9 Milliarden Euro, während die Einnahmen um 11,1 Prozent auf 54,0 Milliarden Euro einbrachen. Die darin enthaltenen Steuereinnahmen verringerten sich um 7,4 Prozent auf 45,7 Milliarden Euro. Das Finanzierungssaldo belief sich auf minus 27,9 Milliarden Euro, die Nettokreditaufnahme auf minus 31,6 Milliarden Euro.
    Nach Einschätzung des Finanzministeriums ist im ersten Quartal 2010 eine merkliche Konjunkturbelebung ausgeblieben, auch wenn sich die Exporttätigkeit nach einem schwachen Auftakt zuletzt deutlich belebt habe. Bei der privaten Konsumtätigkeit gebe es aber bisher keine spürbare Erholung. Während der Arbeitsmarkt mit vergleichsweise günstigen Daten überrascht habe, lag die jährliche Inflationsrate zuletzt wieder deutlich über einem Prozent, wie das Ministerium betonte. Für den weiteren Jahresverlauf wird ein weiterer Anstieg der Konjunkturdynamik erwartet. Die Impulse sollen vor allem vom Export kommen, während bei der privaten Nachfrage keine deutliche Erholung erwartet wird. Die Inflation soll moderat bleiben.
    Quelle: Boerse.Go.de

    Anmerkung WL: Wie zu erwarten, zeigt das sog. Wachstumsbeschleunigungsgesetz keinerlei Wirkung. Wie sollte bei den derzeitigen Lohnabschlüssen auch die private Nachfrage zunehmen? Der einzige Strohhalm ist nach wie vor der Export. Aber da tut die Bundesregierung bei den Hauptnachfragern, nämlich unseren europäischen Nachbarn, ja auch alles, dass deren Konsum einbricht. Die Bundesregierung verplempert mit ihren Steuersenkungen, die letzten Groschen, die blieben, durch staatliche Nachfrage einen Wachstumsimpuls zu setzen.

  13. Kostspielige Steuersenkungen
    Steuernachlässe für Haushalte und Unternehmen finanzieren sich nicht selbst. Kürzt der Staat gleichzeitig Ausgaben, geht das Wachstum zurück.
    Steuersenkungen reißen Löcher in die öffentlichen Haushalte, stimulieren das Wirtschaftswachstum aber kaum. Verringerte Sätze bei Einkommen- und Gewinnsteuern haben zwar eine positive Wirkung auf Nachfrage und Produktion. Die daraus erwachsenden Zusatzeinnahmen für Fiskus und Sozialversicherungen können die ursprünglichen Einnahmeausfälle aber nicht annähernd ausgleichen. IMK-Steuerexperte Achim Truger schätzt, dass sich eine Senkung der direkten Steuern nur zu etwa 25 Prozent selbst finanziert. Gar kein positiver Effekt bleibt übrig, wenn der Staat gleichzeitig Ausgaben kürzt, um die Steuersenkung nicht durch höhere Verschuldung kompensieren zu müssen: Dann bremst die Finanzpolitik das Wirtschaftswachstum, statt es zu stützen.
    Dies ergibt sich einer IMK-Studie zufolge aus den Erfahrungen mit der Steuerreform 2000, der umfangreichsten Steuersenkung der Nachkriegszeit.
    Quelle: Böckler Impuls 06/2010

    Dazu auch noch:

    Das Wachstumsbeschleunigungsgesetz: Eine makroökonometrische Analyse
    Unter Berücksichtigung möglicher Gegenfinanzierungsalternativen ergibt sich dabei folgendes Bild: Entweder wird auf eine Gegenfinanzierung des Wachstumsbeschleunigungsgesetzes verzichtet. Dann wird ein sehr moderater Anstieg des Bruttoinlandsprodukts durch eine deutliche Ausweitung des strukturellen Defizits und einer Verletzung der Schuldenbremse erkauft. Oder die Steuersenkungen werden gegenfinanziert. In diesem Fall kann zwar ein Anstieg des strukturellen Defizits verhindert werden…
    Insgesamt stützen die Simulationsergebnisse jene Kritiker des Gesetzes, die erhebliche Zweifel an dessen Wachstumswirkungen haben und stets auf die gravierenden Konsequenzen für die öffentlichen Haushalte hinwiesen.
    Dabei wurde bislang noch nicht einmal berücksichtigt, dass die neu im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse ab 2016 eine verbindliche Obergrenze für das strukturelle Defizit des Bundes vorschreibt. Neben den dadurch ohnehin erforderlichen Konsolidierungsmaßnahmen sind die im Wachstumsbeschleunigungsgesetz enthaltenen Steuerentlastungen somit bis spätestens 2016 gegenzufinanzieren. Entweder müssen Ausgaben gekürzt oder andere Steuern erhöht werden. Berücksichtigt man die erforderliche Gegenfinanzierung, dann dürfte das Wachstumsbeschleunigungsgesetz einen noch geringeren Effekt auf das Niveau des Bruttoinlandsprodukts haben.
    Quelle: Financial Times Deutschland [PDF – 166KB]

    Anmerkung WL: Zwar plädiert der Autor, Malte Hübner (Referent beim Sachverständigenrat) dafür die Steuersenkungen rückgängig zu machen und gegen eine Kürzung der Transferleistungen, andererseits regt er an eine Erhöhung der Mehrwertsteuer in Erwägung zu ziehen und nimmt damit in Kauf, dass Menschen mit geringerem Einkommen, die einen höheren Anteil ihres Einkommens verkonsumieren (müssen) als Haushalte mit einem höheren Einkommen, wiederum die Hauptleidtragenden sind.

  14. Die zehn wichtigsten Beitragszahler im EU-Haushalt 2010
    Quelle: statista

    Anmerkung WL: Eine interessante Grafik.

  15. “Strafbefreiende Selbstanzeige” soll erhalten bleiben
    Die Bundesregierung hält an der Möglichkeit der „strafbefreienden Selbstanzeige“ bei Steuerhinterziehung fest. Dies sei der „verfassungsrechtlich anerkannte Weg zurück in die Steuerehrlichkeit“, schreibt die Bundesregierung in ihrer Antwort (17/1352) auf die Kleine Anfrage der Linksfraktion (17/1130). Aus fiskalpolitischer Sicht sei die im Paragrafen 371 der Abgabenordnung geregelte Selbstanzeige ein Instrument zur „Erschließung bisher verheimlichter Steuerquellen“. Daneben komme in dem Paragrafen 371 auch das strafrechtliche Prinzip zum Ausdruck, dass eine ”tätige Reue“, mit der die Wirkungen einer Tat rückgängig gemacht werde, dem Täter zu Gute kommen solle. Nach Angaben der Bundesregierung gibt es in 24 OECD-Staaten Regelungen, die bei freiwilliger Nacherklärung Vergünstigungen gewähren. ”Ziel der Bundesregierung ist, dieses Instrument zu erhalten, aber dort, wo die Selbstanzeige mit krimineller Energie von Anfang an bereits in die Steuerhinterziehungsplanung mit einbezogen wird, Schranken zu definieren“, heißt es in der Antwort. Änderungen bedürften aber einer sorgfältigen Prüfung, „da diese Erkenntnisquelle für weitere Ermittlungsansätze nicht zum Versiegen gebracht werden soll“.
    Quelle: Deutscher Bundestag
  16. Dazu passt:

  17. 9.554 Stellen in der Finanzverwaltung unbesetzt
    In der deutschen Finanzverwaltung waren im Jahre 2008 9.554 Stellen nicht besetzt. Wie aus der Antwort der Bundesregierung (17/1351) auf eine Kleine Anfrage der SPD-Fraktion (17/1239) hervorgeht, stand einer Soll-Besetzung von 112.650 eine Ist-Besetzung von 103.096 gegenüber. Ein Jahr zuvor waren in der Finanzverwaltung 9.187 Stellen nicht besetzt. 2006 waren es 10.197 Stellen. Die Mitarbeiter der Finanzverwaltung hatten im Veranlagungszeitraum 2008 26,9 Millionen Einkommensteuerfälle zu bearbeiten. Außerdem gab es 1,1 Millionen Körperschaftsteuerfälle, 5,7 Millionen Umsatzsteuerfälle und 3 Millionen Gewerbesteuerfälle.
    Quelle: Deutscher Bundestag

    Anmerkung WL: So wichtig ist der Finanzverwaltung die Verfolgung von Steuerhinterziehung.

  18. 1990 – 2010: Zwanzig Jahre Tarifpolitik in Ostdeutschland
    In den 20 Jahren seit der Herstellung der deutschen Einheit ist es den Gewerkschaften gelungen, in Ostdeutschland ein dichtes Netz von Tarifverträgen zu
    knüpfen, das in seiner Struktur dem westdeutschen Vorbild gleicht. Auch inhaltlich ist die Angleichung der tariflichen Standards in vielen Bereichen weit vorangekommen. Doch von flächendeckend gleichen tariflichen Einkommens- und Arbeitsbedingungen in West und Ost kann auch nach zwanzig Jahren noch keine Rede sein. Zu diesem Ergebnis kommt eine Schwerpunktanalyse im neuen WSI-Tarifhandbuch 2010, die die tarifpolitische Entwicklung in Ostdeutschland bilanziert. Das Tarifhandbuch kommt in diesen Tagen auf den Markt…
    Dass sich der erreichte tarifliche Angleichungsstand in der Realität nicht 1:1 niederschlägt, hängt nach Analyse des WSI-Tarifexperten Reinhard Bispinck damit zusammen, dass die Prägekraft der Tarifverträge in Ostdeutschland zu schwach ist und im Laufe der Jahre noch abgenommen hat.
    Quelle: WSI [PDF – 58KB]
  19. Armutsindustrie boomt
    Mit »Tafel-Thesen« macht sich Diakonie Argumente ihrer Kritiker zu eigen. Sammler von Lebensmittelspenden wollen »Produktpalette« erweitern.
    Quelle: Junge Welt
  20. Übernahme des Arriva-Konzerns: Einkaufen für Europa
    Noch vor einigen Monate hatte sich Bahnchef Rüdiger Grube vor allem eins vorgenommen: die Konsolidierung des Konzerns. Nun bietet die Bahn 2,8 Milliarden Euro für die britische Arriva. Das Sparprogramm soll nicht darunter leiden.
    Quelle: Frankfurter Allgemeine

    Anmerkung WL: Statt dass sich die Bahn darum kümmert, dass sie in Deutschland ihr Angebot verbessert und wie etwa in Berlin die S-Bahn wieder ans Laufen bringt, begibt sie sich auf Einkaufstournee in andere Länder. Es geht bestenfalls um Profit, der aber alles andere als sicher ist. Die Geschäftspolitik von Mehdorn wird fortgesetzt.

  21. Sieh als Beispiel für die Verlustgeschäfte solche solcher Auslandsaktivitäten:

  22. Telekom – Goodbye, New York
    Nach Infineon, BASF und Allianz verlässt nun auch die Telekom die US-Börse. Die Firmen scheuen die hohen Kosten – und die strengen Aufseher von der SEC.
    Quelle: Süddeutsche

    Anmerkung MB: (Ex-) Mitarbeiter/innen, Kundschaft und öffentliche Hand zahlten dafür einen hohen Preis. Darüber lesen wir hier nichts.

  23. „Nebensache Bahnhof, Hauptsache Demokratie” – Gastkommentar von Boris Palmer, Oberbürgermeister von Tübingen
    Viertens ist die Frage ungeklärt, ob Teile des Bonatzbaus abgerissen werden dürfen oder durch Urheberrechte geschützt sind. Diese Frage wird vor Gericht entschieden, die Klage ist eingereicht, eine Entscheidung würde aber nach dem jetzigen Zeitplan vermutlich erst einige Monate nach dem Nordflügel fallen. Spricht etwas gegen ein Moratorium bis zur Klärung dieser Fragen? Sicher nicht der geplante Fertigstellungstermin. Die zeitlich kritischen und ungelösten Abschnitte liegen am Flughafen und auf der Alb, nicht unter Schlossgarten und Bonatzbau. Sachlich kostet ein Innehalten nichts. Nur das politische Momentum für Stuttgart 21 wäre in Gefahr. Kein zu hoher Preis, wenn der demokratische Grundkonsens auf dem Spiel steht. Dieses Risiko müssten die Politiker um der Demokratie und des gesellschaftlichen Friedens willen eingehen. Wenn der schwäbisch-schaffige Grundkonsens im Stuttgarter Bahnhof begraben wird und sich breite Schichten verbittert abwenden, kann das auch wirtschaftlich gravierende Folgen haben. Und nicht immer sind die Volksvertreter klüger als das Volk. Ja, der Fernsehturm ist trotz des Widerstands zur Bauzeit heute ein Wahrzeichen der Stadt. Doch würde das – nur beispielhaft – auch gelten, falls man in den 70er Jahren die halbe Tübinger Altstadt zu Gunsten eines neuen Rathausblocks und einer vierspurigen Straße abgerissen hätte? Wohl kaum. Trotz erdrückender Mehrheit im Gemeinderat wurde nichts davon gebaut. Warum? Ein Bürgerentscheid endete mit 90% Nein-Stimmen.”
    Quelle: Stuttgarter Zeitung

    Dazu:

    Interview Kläger gegen Stuttgart 21: “Gelinde gesagt eine Sauerei”
    Das Bahnprojekt “Stuttgart 21” stockt, weil Architekt Peter Dübbers die Bahn wegen Verletzung des Urheberrechts verklagt. Die will den Bahnhof seines Großvater zum Teil abreißen.
    Quelle: TAZ

  24. Debatte um Afghanistan: Nicht der volle Einsatz
    Das soll jetzt die Debatte gewesen sein, die große um den Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan? Nach den Todesfällen wäre das ja angemessen, aufgrund der abnehmenden Zustimmung im Land auch. Solche Anlässe erfordern nachhaltige Disputation und Selbstvergewisserung. Nur leider gab es weder die alles erklärende Regierungserklärung der Bundeskanzlerin noch eine Rede des SPD-Vorsitzenden, die einen Anspruch auf Regierungsverantwortung begründet. Der Bundestag blieb unter seinen Möglichkeiten und hinter den Notwendigkeiten zurück.
    Quelle: Tagesspiegel

    Anmerkung Orlando Pascheit: Ein sehr nüchterne Bewertung durch den Tagesspiegel, der ansonsten eher für den Afghanistaneinsatz votiert.

  25. NRW-Wahlkampf
    1. NRW-CDU verschärft Kampagne
      Die CDU in Nordrhein-Westfalen verschärft ihre Kampagne gegen ein angeblich drohendes rot-rot-grünes Bündnis nach der Landtagswahl am 9. Mai. Auf Postkarten und Plakaten wirbt die CDU ab sofort mit Bildern der SPD-Landesvorsitzenden Hannelore Kraft und der früheren hessischen SPD-Landeschefin Andrea Ypsilanti, wie NRW-CDU-Generalsekretär Andreas Krautscheid am Mittwoch mitteilte.

      NRW

      Quelle: RP online

      Anmerkung WL: Die SPD müsste endlich erkennen, dass der Eiertanz um die Linke nichts bringt. Sie wird so oder so mit einer Kampagne gegen Rot-Rot-Grün attackiert.

    2. Düsseldorfer Klüngel
      Dubiose Machenschaften im Umfeld des Ministerpräsidenten Rüttgers stören seinen Wahlkampf. „Die sind nach nur fünf Jahren genauso machtversessen, wie die Sozis nach 39 Jahren“, urteilt ein alter CDU-Mitstreiter ernüchtert über die Truppe, die Jürgen Rüttgers um sich versammelt hat. Der Ministerpräsident ist inzwischen fast jeden Tag mit einer Spendenaffäre konfrontiert.
      Quelle: Tagesspiegel
  26. Wirtschaftspropaganda in Schulen – Vermittlung von Botschaften durch PPP und Sponsoring
    3sat, nano. Wie die Industrie nicht nur die Lehrmeinung im Schulunterricht beeinflusst, sondern auch die jungen Menschen bereits in der öffentlichen “Bildungsumgebung” Schule manipuliert. Mit langfristig angelegten Geschäftsstrategien (auch Win-Win-Situation genannt) und den Konzeptmitteln PPP “Public-Privat-Partnership” und Sponsoring, organisiert man hier eine zielgerichtete Erziehung im verarmten Bildungswesen des “Bildungsstandortes” Deutschland.
    Quelle: YouTube
  27. „Kein Ort. Nirgends?“ Das Subjekt der Erkenntnis und die Idee der Universität.
    Einige Gedanken aus psychoanalytischer Perspektive
    Anwendungskompetenz ist doch prima, kann doch nicht schaden. Stimmt, kann sie nicht, aber es reicht nicht! Denn was heißt eigentlich: Kompetenz? Ganz offensichtlich ist es ein Begriff, der sich nicht selbst genügt, der nicht für sich (ein-) stehen kann. Kompetenz ist ein relationaler Begriff; er bedarf der inhaltlichen Erläuterung; er braucht eine Bezugsgröße, ein Referenzsystem, ein Objekt und irgendwann dann auch einmal ein Subjekt. Die Frage ist also: Kompetenz wofür, Kompetenz worin, Kompetenz in Bezug worauf?
    Was hat Kompetenz mit Bildung zu tun, in welchem Verhältnis stehen sie zu einander?…
    Nicht der Qualität und Nachhaltigkeit des Input, sondern der Nützlichkeit und Verwertbarkeit des Outcomes gilt das Hauptaugenmerk, was zu einer zunehmend peniblen Engführung der Studiengänge führt — euphemistisch ›Spezialisierung‹ genannt im Sinne einer, wie es heißt, ›Optimierung entsprechend den Anforderungen des Arbeitsmarktes‹. Kompetenz eben, Anwendungskompetenz!…
    Analog hierzu ist das Merkmal ›Qualifikation‹ zu einem Synonym für ›Praxis- oder Anwendungskompetenz‹ geworden, und zwar im Sinne von Instruiertsein im Hinblick auf ein zumeist fiktiv umschriebenes Berufsfeld, das es so, in dieser komplexitätsreduzierten Umschriebenheit nicht gibt, wohl auch nie gegeben hat…
    In dem Moment, in dem sich die Universität als Trainingslager für Praxiskompetenz und nicht mehr oder nur noch randständig als wissenschaftsproduktiver, kreativer, diskursiver Ort identifiziert, verlässt sie ihre referentielle, hochsignifikante gesellschaftliche Position als Milieu eines umfassenden Bildungsdiskurses, als jener gesellschaftlich designierte Raum, der Kultur jenseits ihrer Nützlichkeitserwägungen bewahrt und für deren transgenerationelle Verfügbarkeit sorgt.
    Quelle: Lilli Gast Leibniz Universität Hannover [PDF – 72KB

    Anmerkung: Dieser Vortrag wurde auf einer Tagung des Zusammenschlusses Kritische Psychologie über “Unidämmerung” gehalten.

  28. Medienkritik
    1. Gescheiterte Therapie
      Eine Podiumsdiskussion in Berlin gewährte Einblicke in die Welt deutscher Wirtschaftsjournalisten und offenbarte Unwissenheit und Distanzlosigkeit.
      Quelle: Junge Welt

      Anmerkung Orlando Pascheit: Über die zur Debatte stehende Studie von Hans-Jürgen Arlt und Wolfgang Storz haben die Nachdenkseiten bereits berichtet.
      Aber auch die Reaktion der Kritisierten ist interessant, so z.B. die Antwort auf den Vorwurf, Stimmen kritischer Ökonomen ausgeblendet zu haben: “Wir können die Realität nur so abbilden, wie sie ist, und wenn es keine kritischen Wissenschaftler gibt, die sich äußern, dann können wir das auch nicht senden”, erklärte Andreas Werner von der Redaktion »ARD-Aktuell«. Den Einwand, dass mit den Ökonomen Rudolf Hickel, Heiner Flassbeck oder Dierk Hirschl durchaus alternative Gesprächspartner bereitgestanden hätten, ließ er nicht gelten. Sollte es diese Experten geben, dann müssten sie eben mit besserer PR auf sich aufmerksam machen, so Werner. – Man weiß nicht, was einen fassungsloser macht, die Frechheit oder die Dämlichkeit dieser Antwort.
      Ergänzende Anmerkung MB: Rudolf Hickel ärgert sich immer wieder darüber, als linker Alibi-Ökonom zu Presseclub & Co. eingeladen zu werden und dann gar nicht richtig zu Wort zu kommen.

    2. Ein Interview mit Pascual Serrano: „Die Zensur ist der Macht eigen“
      Die herkömmliche Zensur bestand darin zu verbieten, dass Nachrichten und Meinungen sich verbreiten, die der Macht nicht genehm waren. Heute, im Namen der Meinungsfreiheit, werden Lügen und Falschheiten vollkommen straflos verbreitet. Auf diese Weise wird – zwischen Lügen und Trivialitäten – die Wahrheit ausgeblendet, das Ergebnis ist im Endeffekt das gleiche wie bei der Zensur. Andere Male werden Bestandteile oder Präzedenzfälle, die unentbehrlich sind um ein umstrittenes Ereignis zu verstehen, aus ihrem Kontext gerissen oder weggelassen. Das setzt eine Zensur des Ereignisses in seiner Gesamtheit voraus.

      Die großen Kommunikationsmedien sind lediglich Spiegelbild-Abteilungen der mächtigen wirtschaftlichen Gruppen. Deren Interessen, Werte und Prinzipien sind die Filter, die entscheiden, was veröffentlicht wird und was nicht. Zusätzlich beeinflussen dies auch andere Lobbys, die keine Aktionäre sind, aber notwendig: Die Inserenten, Unternehmen mit denen man arbeitet, befreundete Regierungen, etc.
      Quelle: Hintergrund
    3. Muss Bärbel Beuermann nackt einen Molotowcocktail auf die Düsseldorfer Staatskanzlei werfen?
      NRW-Spitzenkandidatin der Linkspartei für Wikipedia nicht relevant genug.
      Die Linkspartei in NRW hat derzeit gute Aussichten, bei der kommenden Landtagswahl am 9. Mai die 5%-Hürde zu überspringen. Die Relevanz-Hürden, welche die Wikipedia dem Informationsbedürfnis ihrer Leser bereitet, scheinen jedoch ungleich schwerer überwindlich, denn speziell die deutsche Version orientiert sich konservativ an Papier-Lexika und zwingt sich bekanntlich in ein Korsett seltsam deutscher Relevanzkriterien. So wurde denn auch die Spitzenkandidatin der Linkspartei als zu irrelevant angesehen, als dass sich Leser – im Guten wie im Schlechten – über die Politikerin informieren dürfen.
      Quelle: Telepolis
    4. Kriegs-PR der ARD
      Die ständige Indoktrination, dass man für Friedenseinsätze getötete deutsche Soldaten in Kauf nehmen müsse, könne er nicht mehr hören. So schreibt dort der Vater eines in Afghanistan gefallenen Bundeswehr-Soldaten. Das blieb die kritischste, “pazifistischste” Einlassung in dieser Sendung. Und die konnte so natürlich auch nicht stehen bleiben: Die Perspektive richtiger Soldaten sei eben eine andere als die von Angehörigen. Sie rechneten schon damit, daß sie ums Leben kommen könnten – musste sich aus dem Studio der hinterbliebene Vater in seiner Trauer belehren lassen. Die hatte ihn anscheinend leider zu unangemessener Kriegsskepsis verführt…
      Herr Moderator Schönenborn vermisst vor allem eine “Formulierung”, mit der sich “die Öffentlichkeit hinter diesen Konflikt, hinter diesen Kampf” stellen lasse. “Es ist unser Geld, das in die Drogen geht, und dieses Geld kommt dann als Waffen für die Taliban wieder zurück”, agitiert auf dieses Stichwort hin Michael Stürmer. Mithin könnte man dem deutschen
      Stammtisch und namentlich den zehn Millionen LeserInnen der Bildzeitung einreden, dass am Hindukusch nicht einfach nur abstrakt “unsere Freiheit” verteidigt, sondern unsere Jugend vor den durch die Taliban eingeschmuggelten Rauschgiften in Schutz genommen werde…
      Der Kampf um die Köpfe ist wie eh und je Teil dieses Krieges. Hier und heute geht es darum, den Krieg im allgemeinen und den Krieg in Afghanistan im besonderen mehrheitlich konsensfähig zu machen. Dazu muss das hartleibige Weichziels unaufhörlich behämmert werden, die noch nicht ganz und gar behämmerte, kriegsresistente “Zivilgesellschaft”. Der Presseclub hämmerte am 18. April ein Stückchen mit an diesem großen Werke, um – Moderator Schönenborns Zielvorgabe folgend – eine “Formulierung” zurechtzuschmieden, dank derer sich “die Öffentlichkeit hinter diesen Konflikt, hinter diesen Kampf” stellen lasse.
      Quelle: Neue Rheinische Zeitung
    5. ARD löscht mehr als 100.000 Internet-Dokumente
      Die ARD darf viele ihrer Angebote nicht mehr im Internet zeigen. Das hat Folgen, bei einigen Websites wie etwa der “Sportschau” sind rund die Hälfte der verfügbaren Dokumente vom Netz genommen worden. Für die gesamte ARD sind es mehr als 100.000 Dokumente, die gelöscht werden mussten.
      Quelle: Die Welt

      Anmerkung WL: Ich nannte diese Folge des Rundfunkänderungsstaatsvertrages schon vor zwei Jahre „Zensur durch den Markt“. Siehe dazu auch nochmals: Der Staatsvertrag über Internetangebote der Rundfunkanstalten ein Bürokratiemonster und ein neues Geschäftsfeld für private Berater.

  29. Zu guter Letzt: Sind die Löhne zu hoch?
    Sind die Löhne nicht zu hoch? Verhindern verbohrte Gewerkschaftsfunktionäre und unbewegliche Arbeitgeber-Lobbyisten nicht die Rückkehr zur Vollbeschäftigung?…
    Wann immer sich die Räder der Wirtschaft langsamer drehen, wann immer mehr arbeitswillige Menschen als freie Jobs verfügbar sind – stets werden niedrige Löhne als Heilmittel empfohlen. Wenn die Arbeit für die Unternehmen billiger zu haben ist, so der schlichte Gedanke, dann werden die Waren und die Dienstleistungen für weniger Geld zu kaufen sein. Die Nachfrage steigt, und damit auch die Beschäftigung. So scheint das.
    Was für den einzelnen Unternehmer zwingend logisch erscheint, muß für das komplizierte Gebilde einer Volkswirtschaft noch längst nicht gelten.
    Beispielsweise deswegen, weil Löhne sich nicht nur als Kosten bei den Unternehmen auswirken. Sie sind bei denen, die sie auf ihre Konten bekommen, Einkommen. Sinken diese Bezüge landesweit, dann können die Bürger weniger kaufen. Die Nachfrage schrumpft, bei den Unternehmen gehen die Aufträge zurück. Neue Leute werden nicht mehr eingestellt….
    Niedrigere Löhne preisen, …, Volkswirtschaftsprofessoren wie der Hamburger Armin Gutowski oder der Kieler Herbert Giersch als Heilsweg zurück zur Vollbeschäftigung an. Der Mann aus Kiel, besonders gefragter und gut honorierter Redner auf vielen Kongressen, verkündet ganz selbstgewiß, daß es “an Arbeitslosigkeit eigentlich nur eine lohnbedingte geben kann”.
    Was die Ökonomen der klassischen Lehre bei ihrer eleganten Theorie immer wieder aus dem Auge verlieren, ist der Umstand, daß der Faktor Arbeit eben nicht wie irgendein Produktionsfaktor gehandelt werden kann; daß Menschen, die Arbeit verkaufen, und sogar jene, die sie kaufen, unberechenbare Gefühle und unterschiedliche Talente haben, daß sie von Vorlieben und von Abneigungen getrieben werden. Mit Menschen läßt sich nicht rechnen wie mit Maschinen oder Lastwagen….
    Quelle: Spiegel

    Anmerkung WL: Als wär`s ein Stück von heute, so liest sich der SPIEGEL-Titel aus dem Jahre 1985 (!). Viele der Argumente für niedrige Löhne, für niedrigere “Lohnnebenkosten“ etc. sind identisch mir den heutigen. Sie mögen daran erkennen, dass die (neo-)liberalen Rezepte vor 35 Jahren die gleichen waren, wie die heute zur herrschenden Lehre gewordenen – nur dass inzwischen die Dosis dieser Rezeptur immer weiter erhöht worden ist – ohne dass sich allerdings die wirtschaftliche Situation verbessert hätte. Dieser alte SPIEGEL-Beitrag ist ein trefflicher Beleg für das Scheitern dieser Ideologie.
    Der große Unterschied ist, dass der SPIEGEL von damals, zu dieser Glaubenslehre eine kritische Position einnahm. Sie liest sich in manchen Passagen wie die Position der NachDenkSeiten von heute.
    Wenn Sie die damalige Position des SPIEGELs mit der heutigen vergleichen, dann mögen Sie erkennen, wie weit sich dieses Nachrichtenmagazin inzwischen an den neoliberalen Mainstream angepasste hat, ja geradezu zu einem Kampfblatt für die angebotsorientierte ökonomische Glaubenslehre geworden ist. Viele Argumente von damals könnten aus den heutigen NachDenkSeiten stammen. So „links“ sind also die NachDenkSeiten und so weit nach „rechts“ ist der SPIEGEL gerückt.

  30. Zum Schluss: Für unsere Soldaten in Afghanistan!
    Quelle: Tagesspiegel

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