Hinweise des Tages (2)

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Heute u. a. zu folgenden Themen: That ’30s Feeling, Sparen ist keine Lösung, Nieder mit Arm und Reich, Arbeiten über die Altersgrenze hinaus, Wie “Big Oil” die Politik schmiert, Comeback der Kernkraft (KR)
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  1. Krugman: That ’30s Feeling
  2. Dierk Hirschel: Sparen ist keine Lösung
  3. Die Rettung des Euro
  4. Europäische Zentralbank: Keine Gefahr durch Staatsanleihen
  5. Thomas Fricke – Nieder mit Arm und Reich
  6. Arbeiten über die Altersgrenze hinaus
  7. US-Teenager finden kaum noch Ferienjobs
  8. Streber und Sitzenbleiber
  9. Ölkatastrophe: Wie “Big Oil” die Politik schmiert
  10. “Totgesagte leben länger”: ZDF-Dokumentation über das Comeback der Kernkraft
  11. Nationalismus der Minderheiten

Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Krugman: That ’30s Feeling
    Arguing with German deficit hawks feels more than a bit like arguing with U.S. Iraq hawks back in 2002: They know what they want to do, and every time you refute one argument, they just come up with another.
    Here’s roughly how the typical conversation goes (this is based both on my own experience and that of other American economists):
    German hawk: “We must cut deficits immediately, because we have to deal with the fiscal burden of an aging population.”
    Ugly American: “But that doesn’t make sense. Even if you manage to save 80 billion euros — which you won’t, because the budget cuts will hurt your economy and reduce revenues — the interest payments on that much debt would be less than a tenth of a percent of your G.D.P. So the austerity you’re pursuing will threaten economic recovery while doing next to nothing to improve your long-run budget position.”
    German hawk: “I won’t try to argue the arithmetic. You have to take into account the market reaction.”
    Ugly American: “But how do you know how the market will react? And anyway, why should the market be moved by policies that have almost no impact on the long-run fiscal position?”
    German hawk: “You just don’t understand our situation.”
    The key point is that while the advocates of austerity pose as hardheaded realists, doing what has to be done, they can’t and won’t justify their stance with actual numbers — because the numbers do not, in fact, support their position. Nor can they claim that markets are demanding austerity. On the contrary, the German government remains able to borrow at rock-bottom interest rates.
    Quelle: NYT
  2. Dierk Hirschel: Sparen ist keine Lösung
    Europa spart sich kaputt. Die Sparwut droht das zarte Wachstum abzuwürgen. Die Staaten müssten aber in Bildung, Gesundheit, Umwelt und Infrafstruktur investieren.
    Höhere Steuern auf große Einkommen und Vermögen machen ökonomisch Sinn. Wenn Reiche mehr Steuern zahlen, dann konsumieren und investieren sie keinen Cent weniger. Lediglich ihre Sparquote sinkt. Das schadet nur dem Casino.
    Die Gefahr, dass höhere Steuern das scheue Reh außer Landes treiben, besteht nicht. Der internationale Steuersenkungs- hat sich in einen Steuererhöhungswettlauf verwandelt. Unsere europäischen Nachbarn erhöhen in der Finanzkrise ihre Steuern. Die ökonomisch schädliche und sozial schlechte Sparpolitik ist somit nicht alternativlos. Wer jetzt die Verteilungsfrage stellt, der muss die Zukunft nicht kaputtsparen.
    Quelle: FR
  3. Die Rettung des Euro
    Regulierung In Brüssel wird gerade versucht, den Euro zu sanieren. Hier kommt der 7-Punkte-Plan, der wirklich helfen könnte. Radikales Denken ist jetzt nötig. Erst mal vorweg: Wer die Wirtschaft abwürgt, treibt die Bevölkerung in die Armut und den Staat in den Bankrott. Zweite Vorbemerkung: Die Hauptursache des “griechischen Problems” ist die neoliberale Konstruktion der Eurozone und des EU-Binnenmarktes: Eine gemeinsame Währung und der gleichzeitige Handelskrieg und Steuerwettbewerb gehen nicht zusammen, diese Konstruktion muss zerreißen. Die “griechische Tragödie” ist eine europäische Tragödie.

    1. Alle Euro-Staatsanleihen werden vorübergehend durch die EZB garantiert.
    2. In einer konzertierten Aktion werden die Staatsschulden mit Hilfe EU-weiter Kapitalsteuern unter die Maastricht-Grenze von 60 Prozent gesenkt.
    3. Niemand darf mehr als zwei Prozent des BIP für Militärausgaben veranschlagen.
    4. Die Zinssätze zukünftiger Eurobonds werden – so wie bei Sparbüchern – festgelegt.
    5. Fonds werden reguliert, nicht nur registriert: Zutritt zum EU-Binnenmarkt erhalten nur Fonds mit Sitz in der EU.
    6. Ab sofort dringt die EU mit aller Macht auf die Umsetzung des Vorschlags von John Maynard Keynes nach einer globalen Währungskooperation.
    7. Der internationale Kapitalverkehr wird nur noch über die Clearingsysteme der Zentralbanken abgewickelt, wodurch hier die Transaktionssteuer technisch unaufwändig eingehoben werden kann. Banken, die in Steueroasen operieren, erhalten kein Konto bei diesen Clearingstellen und sind somit vom freien Kapitalverkehr ausgeschlossen.

    Quelle: taz

    Anmerkung Orlando Pascheit: Vorschläge, die es in sich haben. Man muß sie nicht teilen, aber für eine produktive Diskussion sorgen sie allemal.

  4. Europäische Zentralbank: Keine Gefahr durch Staatsanleihen
    Die Europäische Zentralbank (EZB) hat die Kritik am Ankauf von Staatsanleihen zurückgewiesen. Die Käufe heizten die Inflation nicht an – auch auf mittlere und lange Sicht gebe es keine Risiken für die Preisstabilität, berichtete die EZB in ihrem am Donnerstag veröffentlichten Monatsbericht.
    Bisher kaufte die EZB Anleihen im Wert von 47 Milliarden Euro, um “das ordnungsgemäße Funktionieren der Finanzmärkte wiederherzustellen” und somit “ein angemessenes Renditegefüge” zu erreichen. Obwohl die Notenbank die zusätzliche Liquidität in wöchentlichen Refinanzierungsgeschäften wieder einsammelt, erntete die Notenbank deutliche Kritik für ihr Vorgehen.
    Quelle: FR
  5. Thomas Fricke – Nieder mit Arm und Reich
    Fast 30 Jahre galt als Leitmotiv guter Wirtschaftspolitik: Wenn Einkommen auseinanderdriften, ist das zwar unschön, wirtschaftlich aber gut. Weil es Anreize schafft, mehr zu leisten. Nirgendwo ist diese Formel so konsequent umgesetzt worden wie in den USA und Großbritannien.
    Nirgendwo scheinen, 30 Jahre nach Margaret Thatcher und Ronald Reagan, die Zweifel so groß, ob das gut war. Mittlerweile deutet einiges darauf hin, dass große Reichtumsunterschiede auf Dauer untragbare Kollateralschäden mit sich bringen – für Gesundheit und Lebensstandard. Und dass selbst die Reichen in sozial ungleichen Ländern schlechter leben als in egalitäreren Gesellschaften.
    Quelle: FTD

    Anmerkung Orlando Pascheit: So unerfreulich der Tatbestand, so erfreulich, dass Thomas Fricke uns in einem Wirtschaftsblatt wie der Financial Times Deutschland die Ergebnisse der Forschungen von Wilkinson und Pickett näherbringt. Natürlich gibt es bereits eine lange Forschungstradition zum Verhältnis von Ungleichverteilung und Lebensstandard, aber sie wurde vom wissenschaftlichen und politischen Mainstream weitgehend ignoriert. Dies geschieht auch heute noch, wenn man sieht, wie Leitmedien wie die Welt oder die FAZ die jüngsten Forschungsergebnisse des DIW zur Polarisierung der Einkommen in frage stellen, obwohl inzwischen mit den Händen zu greifen ist, daß das Anwachsen des Bruttoinlandsprodukts nicht zwangsläufig zu einem höheren Lebensstandard für alle führt. Es ist Forschern wie Anthony Atkinson zu verdanken, dass wir heute wissenschaftlich belegt wissen, dass sogar ein geringeres Bruttoinlandsprodukt bei einer Verringerung der Ungleichverteilung einen höheren Lebensstandard ermöglicht. Wer möchte kann hier [PDF – 40 KB] seine Rede (Ungleichheit aus wirtschaftswissenschaftlicher Perspektive) als Preisträger des A.SK Social Science Award nachlesen.

  6. Arbeiten über die Altersgrenze hinaus
    Ältere Menschen sind deutlich häufiger auf dem Arbeitsmarkt vertreten als in den Jahrzehnten zuvor. Viele haben nur einen Minijob, nicht wenige müssen noch im Rentenalter arbeiten. Die höhere Erwerbsbeteiligung setzt sich selbst nach Erreichen der gesetzlichen Rentengrenze fort. Die Erwerbstätigkeit der Über-65-Jährigen entwickelt sich zu einem beachtenswerten Phänomen, sagt Martin Brussig vom Institut Arbeit und Qualifikation (IAQ). In einigen Gruppen arbeitet bereits jeder zehnte Mann im Rentenalter, und selbst unter den 69-Jährigen hat einer von 20 noch immer einen Job. Darunter sind etliche Hochqualifizierte, die noch fit sind und gerne weiterarbeiten möchten.
    Doch der Report weist auch auf jene hin, deren Rente zu knapp ist, um über die Runde zu kommen. Die durchschnittlichen Zahlbeträge für Neurentner stagnierten in den vergangenen Jahren oder sind gesunken. Daher sei davon auszugehen, “dass eine zunehmende Zahl junger Rentner an einem Zusatzverdienst aus Erwerbstätigkeit interessiert ist”. Dazu passt der Befund, dass auch mehr 55- bis 64-Jährige Erwerbseinkommen mit Arbeitslosengeld II kombinieren. Wer dann frühzeitig seine Rente beantragt, muss Abschläge hinnehmen. Gerade diese Rentner werden ihr Altersgeld durch zusätzliches Arbeitseinkommen erhöhen müssen.
    Quelle 1: Böckler-Stiftung [PDF – 195 KB]
    Quelle 2: Institut Arbeit und Qualifikation
  7. US-Teenager finden kaum noch Ferienjobs
    Große Ferien in den USA – das wird dieses Mal anders als in den Vorjahren. Unter anderem gibt es eine schlechte Nachricht für Schüler: Rentner schnappen ihnen die Jobs weg.
    Quelle: FTD

    Anmerkung Orlando Pascheit: Der entscheidende Hinweis, dass Rentner mit Schülern um Jobs konkurrieren, weil die Wall Street riesige Lücken in den Pensionsfonds verantwortet, fehlt.

  8. Streber und Sitzenbleiber
    Deutschland driftet im Bildungsbereich auseinander. Auf der einen Seite profitieren immer mehr Kinder von Bildungsangeboten. Der Anteil jener Kinder, die im Windelalter pädagogisch gefördert werden ist in den vergangenen Jahren gestiegen. Es gibt einen anhaltenden Run auf die Gymnasien. Auf der anderen Seite wächst jedes dritte Kind bei Eltern auf, die arm sind, keine Arbeit haben oder gerade mal den Hauptschulabschluss. Jeder Sechste zwischen 20 und 30 Jahren hat keine abgeschlossene Berufsausbildung. “Die Bildungskluft wird größer”, so das Fazit von Thomas Rauschenbach vom Deutschen Jugendinstitut , einer der Autoren des Berichts.
    Quelle 1: TAZ
    Quelle 2: Deutsches Institut für Internationale Pädagogische Forschung
  9. Ölkatastrophe: Wie “Big Oil” die Politik schmiert
    Mehr als eine Million hat der Republikaner Joe Barton von der Ölindustrie erhalten. Da überrascht es wenig, dass er sich bei einer Anhörung zur Ölpest bei BP-Chef Hayward entschuldigt.
    […]
    Schließlich hat er laut Daten des Center for Responsive Politics seit 1990 rund 1,4 Mio. $ von Lobbygruppen der Öl- und Gasindustrie erhalten. Damit bezog Barton 94 Prozent seiner Spenden aus dem Umfeld der Energiekonzerne – mehr als jeder andere Abgeordnete im
    Repräsentantenhaus. Aus dem Umfeld von BP erhielt Barton im selben Zeitraum 27.350 $, womit er auf Platz acht der Empfänger innerhalb des US-Kongresses landete.
    […]
    “Big Oil weiß genau, wer seine Verbündeten sind”, heißt es in einer Rundmail, die “Organizing for America” am Freitag verschickte. Die Unterstützerorganisation von Barack Obama versucht, den Präsidenten und seine demokratische Partei nun als die einzigen entschlossenen
    Kämpfer gegen die Interessen der Ölindustrie zu positionieren.
    […]
    Doch nicht nur Republikaner müssen sich fragen lassen, wie unabhängig ihre Politik angesichts von großzügigen Spenden der Ölindustrie ist. Die demokratische Senatorin von Lousiana, Mary Landrieu, erhielt allein 2008 fast 17.000 $ von BP, insgesamt waren es mehr als 28.000 $. Noch vor wenigen Monaten hatte Landrieu Bohrungen im Golf von Mexiko vehement verteidigt. Die Risiken seien “so winzig im Vergleich zu den Gewinnen für die Stärke der USA und Sicherheit , den Gewinn an Jobs und Energiesicherheit”.
    Quelle: FTD
  10. “Totgesagte leben länger”: ZDF-Dokumentation über das Comeback der Kernkraft
    Die ZDF-Autoren Ulrike Brödermann und Michael Strompen beschäftigen sich mit der Frage, ob der Atomausstieg tatsächlich beschlossene Sache ist. Dies sagt zumindest Bundesumweltminister Norbert Röttgen: “Kernenergie kann man auf Dauer nur nutzen, wenn eine Mehrheit der Menschen sie akzeptiert. Das ist seit Jahrzehnten nicht der Fall.” Atomkraft sei nichts anderes mehr, als eine “Brückentechnologie”.
    Wie sieht er aus, der langsame Ausstieg aus der Atomkraft? Werden Werke geschlossen? Sozialpläne ausgehandelt? Der Rückbau vorbereitet? Die Autoren haben bei Politik und Wirtschaft nachgefragt, mit Atomkraftkritikern gesprochen, Konferenzen über Energiefragen besucht und vertrauliche Dokumente ausgewertet.
    Quelle: ZDF
  11. Nationalismus der Minderheiten
    Nationale Ressentiments gibt es nicht nur in der hiesigen Mehrheitsgesellschaft. Zu diesem Schluss kommt eine Broschüre der »Initiative Schule ohne Rassismus«, die sich rechten Bestrebungen unter jungen Migranten widmet.
    Im Jahr 2006 machten Beschwerden von Kölner Lehrern Schlagzeilen, die über gezielte Störungen des Unterrichts durch ultranationalistische Schüler mit türkischem Migrationshintergrund berichteten. Es sind keine Einzelfälle, wie eine aktuelle Broschüre mit dem Titel »Rechtsextremismus in der Einwanderungsgesellschaft zeigt, die von der Initiative »Schule ohne Rassismus« herausgegeben wird. Die Initiative kämpft seit Jahren gegen die verschiedenen Spielarten extrem rechter Gesinnung in den Schulen. Ihr gelingt es auch, über rechte Gesinnung bei Migranten ohne die nationalen Zwischentöne zu schreiben, die oft in den Boulevardmedien bei dem Thema verbreitet werden.
    Quelle: ND

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