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Heute u. a. zu folgenden Themen: Atomdeal oder wer die Macht in Staat hat; Ausfuhrplus und Auftragsminus; Aufschwung der schlechten Jobs; Arbeitsmarktpolitik; die Jungen als Krisenverlierer; wie „gutes Leben“ gehen könnte; private Krankenkassen schmarotzen; Leiharbeit in der Pflege; leere Gemeindekassen; Zockerei der Lebensversicherer; EU-Finanzaufsicht ein Papiertiger; Volksentscheid über Stuttgart 21; Folgen der Fußball-WM; 500.000 Zuwanderer pro Jahr nötig; über Gene; keine Integrationsmisere; Kriegsvorbereitungen; in Pakistan werden die Opfer nicht erreicht; brav Angie. (KR/WL)

  1. Der geheime Atom-Deal
  2. Ausfuhrplus und Auftragsminus
  3. Ver.di: Aufschwung der schlechten Jobs
  4. Arbeitsmarktpolitik
  5. Die Verlierer der Finanz- und Wirtschaftskrise sind die jungen Menschen
  6. IG Metall: Kurswechsel für ein gutes Leben
  7. Krankenkassen und Arzneimittel. Suche Solidarität
  8. Das letzte Mittel? Leiharbeit in der Pflege
  9. Defizit mit System: Leere Gemeindekassen
  10. Zockerei mit Lebensversicherungen: Fatale Wette auf Leben und Tod
  11. Ulrike Herrmann: EU-Finanzaufsicht: Alarm geschlagen wird zuletzt
  12. Gönner will Volksentscheid zu Bahnprojekt “Stuttgart 21” prüfen
  13. Fußball-WM: Falsche Versprechungen, überrissene Schätzungen, große Enttäuschung
  14. DIW-Chef Zimmermann fordert 500.000 Zuwanderer pro Jahr
  15. Humangenetiker zu Sarrazin-Thesen: “Es gibt kein Juden-Gen”
  16. Es gibt keine Integrationsmisere in Deutschland
  17. Kriegsvorbereitungen: „Es geht um unser Leben“
  18. Pakistan: Erst zehn Prozent der Opfer erreicht
  19. Zu guter Letzt: Ja brav, Angie

Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Der geheime Atom-Deal
    1. Längere AKW-Laufzeiten: Die Gewinnausschüttung
      Je mehr Ökostrom eingespeist wird, umso länger bleiben Atommeiler am Netz. Das Ziel, bis zum Jahr 2050 auf erneuerbare Energien umzustellen, ist nun gefährdet. (…) Nach dem derzeit geltenden Atomgesetz hätten im Jahr 2022 alle Atomreaktoren abgeschaltet sein sollen. Die schwarz-gelbe Regierung gibt ihnen nun “durchschnittlich 12 Jahre” mehr. Die Atombetreiber können die Meiler allerdings noch länger am Netz lassen, als die Zahl vermuten lässt. Denn: Die Regierung berechnet die Laufzeiten auf Basis sogenannter Jahresvolllaststunden, also der Produktionskapazität des Reaktors, wenn er 12 Monate lang mit voller Kraft läuft. Das ist seit 2002 üblich, seit dem rot-grünen Atomausstiegsgesetz. Die meisten Meiler stehen aber mal still, werden gewartet, erreichen nur selten Auslastungen von 95 Prozent. Diese nehmen weiter ab, wenn mehr Ökostrom ins Netz eingespeist werden soll. Zudem sind ältere Reaktoren störanfälliger.
      Das alles hat die Bundesregierung nun wenig berücksichtigt. Sie legt für die nächsten fünf Jahre eine Auslastung von 95 Prozent zugrunde, dann eine von 90 und erst ab 2021 eine von 85 Prozent. Das heißt: Die Atomkonzerne bekommen mehr Strommengen gutgeschrieben, als sie in einem Jahr verbrauchen. Das verlängert die Lebenszeit der Reaktoren. Hinzu kommt, dass sich Strommengen übertragen lassen – etwa von Krümmel und Brunsbüttel auf Brokdorf: Brokdorf könnte so bis zum Jahr 2054 laufen, rechnet Greenpeace-Experte Tobias Münchmeyer vor.
      Im Gegenzug sollten die Atomkonzerne eine Brennelementesteuer von jährlich 2,3 Milliarden Euro zahlen, erklärten Röttgen und Brüderle – allerdings nur bis 2016. Und die Konzerne sollen diesen Betrag, anders als bisher geplant, auch von der Steuer absetzen können. Zudem sollen die Konzerne einen Beitrag in einen Fonds zur Förderung der Ökoenergien zahlen – 1,4 Milliarden bis 2016, später noch mal 15 Milliarden. Das kommt ihnen freilich selbst wieder zugute. Gerd Rosenkranz von der Deutschen Umwelthilfe hält nicht viel von dem Fonds: “Gäbe es den Wiedereinstieg in die Atomkraft nicht, hätten die Atomkonzerne von allein etwa in den Ausbau der Windkraft auf hoher See investiert”, um sich Marktanteile zu sichern. Tatsächlich fließen schon dieses Jahr 15 Milliarden Euro in Ökoenergien.
      Der Ausbau werde nun stoppen, meint Uwe Leprich. Der Professor für Volkswirtschaft an der Hochschule des Saarlandes sagt: “Das Regierungsziel, die Versorgung bis 2050 auf Erneuerbare umzustellen, ist gefährdet.” Schwarz-Gelb sorge für einen “Investitionsattentismus”. Aufgrund des Atombeschlusses gibt es kaum noch Anreize, Geld in Ökoenergien oder moderne Gaskraftwerke zu stecken.
      Quelle: TAZ

      Anmerkung unseres Lesers G.K.: In der Konsequenz bedeutet dies, dass es sich bei den von der Bundesregierung genannten Restlaufzeiten und Steuermehreinnahmen um massiv geschönte Daten handelt. Die Bundesregierung nimmt zudem sehenden Auges in Kauf, dass ihre Gefälligkeitspolitik gegenüber der Atomwirtschaft Investitionen in erneuerbare Energien sowie in moderne Gaskraftwerke gefährdet.

    2. Atomdebatte: Wohin mit dem atomaren Abfall? Müll für Millionen Jahre
      In Deutschland gibt es bislang kein sicheres Endlager. Umweltminister Röttgen will nun erneut den Salzstock in Gorleben erkunden lassen. Durch die Laufzeitverlängerung fällt nun noch mehr giftiger Atommüll an.
      Quelle: SZ

      Anmerkung KR: Autor Christopher Schrader schreibt: „Ein Salzstock, speziell wenn er anders als in Asse noch nicht als Bergwerk ausgebeutet wurde, ist im Prinzip ein gut geeigneter Ort für Atommüll, wie die Forschung weiß.“ Das ist schlicht falsch. Salzstöcke sind in einigen anderen Ländern als Endlager generell unzulässig. In Deutschland werden sie bei der Suche nach potentiellen Standorten immer noch diskutiert, weil die Gefahren der Radiolyse (der Zersetzung von Steinsalz zu metallischem Natrium und Chlorgas unter der Einwirkung von Radioaktivität) bagatellisiert und ausgeblendet wurden. Siehe z.B. „Radiolyse im Endlager-Medium Salz: »Doch geforscht wird nicht» (Hinweis 9) oder “Radiation damage in alkali halides”.

    3. Der Geheimvertrag mit den Konzernen
      Tobias Münchmeyer von Greenpeace will wissen, wer denn garantiert, dass die Konzerne wirklich ihre Zusatzgewinne aus längeren Atomlaufzeiten abgeben. Die Konzerne hätten schließlich schon einmal einen Vertrag gebrochen, den Atomkonsens mit Rot-Grün nämlich. Es ist die Art von Frage, die Schmitz gar nicht leiden kann. Das sei eine Unterstellung, schimpft er. Und im Übrigen hätten die Konzerne die Vereinbarung mit der Bundesregierung noch in der Nacht paraphiert. “Um 5.23 Uhr morgens.” Schmitz zeigt auf Umweltstaatssekretär Jürgen Becker, der in der ersten Reihe sitzt. “Auch Sie, Herr Staatssekretär, haben wir dafür noch mal aus dem Bett geholt.”
      Jetzt ist die Nachricht in der Welt. Und sie wirft viele Fragen auf. Was steht in diesem Geheimvertrag? Hatte die Regierung nicht immer versprochen, keinen Deal mit den Konzernen zu schließen? Und warum haben die Kanzlerin und ihre Minister in all den Pressekonferenzen seit Montagmorgen nichts verraten?
      Die Bundesregierung fühlt sich ertappt. Ein ganz normaler Vorgang sei das gewesen, heißt es nun. Und der ging so: Den ganzen Sonntag über verhandeln die Koalitionsspitzen im Kanzleramt. Sie stehen in engem Kontakt mit den Finanzvorständen der Konzerne, die in ihren Berliner Büros sitzen und ausrechnen, welche Belastung sich wie stark auswirkt. Um 23 Uhr rufen die drei Parteichefs bei den vier Konzernchefs an. Gemeinsam klären sie die Bedingungen. Nach Mitternacht fassen Beamte und Manager das Ganze gemeinsam in Schriftform. “Term-Sheet” heißt das Papier.
      “Wir müssen schließlich sicherstellen, dass die Milliardenzahlungen der Energieversorger auch tatsächlich fließen”, heißt es im Kanzleramt. Aufgelistet seien die Einzelheiten der freiwilligen Abgaben, die die Konzerne von 2017 an aus ihren Zusatzgewinnen zahlen sollen. Zwar finde sich auch die geplante Laufzeitverlängerung in dem Papier – aber nur “als Berechnungsgrundlage”. In der Bundesregierung legt man großen Wert auf die Feststellung, dass sich die Politik damit nicht an die längeren Laufzeiten binde. Zwar soll auch schon vor 2017 Geld fließen. Doch wenn eine künftige Bundesregierung die Verlängerung rückgängig mache, müsse der Bund nichts zurückzahlen. “Es gibt keine rechtliche Bindung”, sagt einer der Beteiligten.
      Das klingt so, als habe die Bundesregierung das Beste fürs Land herausgeholt. Nur: Warum hat sie es dann niemandem erzählt?
      Quelle: FTD
    4. Wie viel müssen die AKW-Betreiber zahlen?
      Einen Teil der erwarteten Gewinne durch die Verlängerung der Restlaufzeiten will die Regierung abschöpfen. Die Betreiber sollen sechs Jahre lang – von 2011 bis 2016 – eine Brennelementesteuer in Höhe von jährlich 2,3 Milliarden Euro an den Bund abführen. Die Einnahmen will der Bund vor allem zur Haushaltskonsolidierung verwenden. Das Finanzministerium kommt auf die Zahl, indem der Staat künftig von den Atomkonzernen 145 Euro pro Gramm Uran verlangen will, ursprünglich waren 220 Euro geplant. Dass der Staat tatsächlich am Ende die 2,3 Milliarden Euro einnimmt, ist eine reine Schätzung. Es handelt sich lediglich um eine Brutto-Summe: Die Stromkonzerne können diese Zahlungen beim Finanzamt steuerlich absetzen, wodurch die Nettoeinnahmen für den Staat geringer ausfallen werden.
      Darüber hinaus haben sich die Stromkonzerne verpflichtet, einen Teil ihrer Gewinne in einen Fonds zum Ausbau erneuerbarer Energien einzuzahlen: Von 2011 bis 2016 insgesamt rund 1,4 Milliarden Euro. Ab 2017 wird ein Sonderbeitrag fällig, alle Abgaben der Konzerne fließen dann in den Ausbau der erneuerbaren Energien. Insgesamt werden sich die Ausgaben laut Wirtschaftsminister Rainer Brüderle auf rund 30 Milliarden Euro belaufen.
      Quelle: Tagesschau
    5. Atomindustrie kommt billiger weg als geplant
      Die Energiekonzerne können aus dem Atomkompromiss Steuervorteile schöpfen: Die Brennelementesteuer kostet sie deshalb erheblich weniger als geplant.
      Diese Absicht gebe sie jetzt auf und habe den Satz reduziert, sodass weniger in die Bundeskasse fließe. Der bisherige Gesetzentwurf sah eine Abgabe in Höhe von 220 Euro pro eingesetztem Gramm Uran vor. Nun sollen es lediglich 145 Euro sein.
      Wie es in dem Bericht der Berliner Zeitung weiter heißt, konnte sich Schäuble auch mit seinem Wunsch nach einer dauerhaften Einnahme nicht gegen die Atomlobby durchsetzen. In den abschließenden Koalitionsverhandlungen am Sonntagnachmittag habe er eine Befristung der Steuer akzeptieren müssen.
      Das Bundesfinanzministerium dementierte den Bericht. Die Zahl von 1,5 Milliarden Euro sei “sachlich falsch”, sagte ein Sprecher des Finanzministeriums ZEIT ONLINE.
      Quelle: Zeit Online
    6. Der rheinland-pfälzische Finanzminister fordert einen finanziellen Ausgleich
      Kühl sagte am Mittwoch, die Atomindustrie könne die geplante Brennelemente-Steuer als Betriebsausgabe absetzen. Dies wirke sich vor allem bei der Körperschafts- und Gewerbesteuer aus. Auf Länder und Kommunen kämen hier Einnahmeausfälle von gut 700 Millionen Euro zu. Am härtesten getroffen würden die Kommunen. Der SPD-Politiker fordert deshalb vom Bund einen finanziellen Ausgleich, zum Beispiel einen höheren Anteil an der Umsatzsteuer.
      Bundesfinanzminister Schäuble hatte den Steuervorteil für die Atomkonzerne gestern eingeräumt. Nach seiner Berechnung werden sie aber dennoch mehr Steuern zahlen als bisher, da sie durch die längeren Laufzeiten der Atomkraftwerke höhere Gewinne machen.
      Quelle: SWR.de

      Anmerkung WL: So offen wie in der letzten Meldung wurde regierungsoffiziell meines Wissens noch nie zugegeben, dass der „Atomkompromiss“ den Atomkraftwerksbetreibern höhere Gewinne sichert.
      Schlimmer noch ist allerdings das Verhältnis von demokratischem Staat und wirtschaftlicher Macht, das hier zum Ausdruck kommt: Der Begriff „Revolution“, den Kanzlerin Merkel im Zusammenhang mit der Laufzeitverlängerung benutzte, erfährt angesichts dieser geheimen Vereinbarung seine ursprüngliche historische Bedeutung, nämlich im Sinne eines „Umsturzes“. Der Geheimvertrag ist das Eingeständnis, dass der demokratische Staat gegenüber den wirtschaftlich Mächtigen nicht mehr das „Gewaltmonopol“ hat, das heißt sich nicht mehr mit hoheitlicher Macht durchzusetzen vermag, sondern dass er bestenfalls noch Verhandlungspartner gegenüber wirtschaftlicher Macht ist.
      Das zeigt sich in Formulierungen wie z.B. „Schäuble konnte sich nicht gegenüber der Atom-Lobby durchsetzen“ oder „den ganzen Sonntag über verhandeln die Koalitionsspitzen im Kanzleramt. Sie stehen in engem Kontakt mit den Finanzvorständen der Konzerne, die in ihren Berliner Büros sitzen und ausrechnen, welche Belastung sich wie stark auswirkt. Um 23 Uhr rufen die drei Parteichefs bei den vier Konzernchefs an. Gemeinsam klären sie die Bedingungen“.
      Da sitzen also auf der einen Seite die Regierung und auf der anderen Seite die Konzernbosse und klären per Telefon die Konditionen; und das Parlament darf dann bloß noch den geheimen Deal sozusagen der demokratischen Form halber absegnen.
      Eine ganz ähnliche Erpressung der Regierung durch die Banker hatten wir bei der Rettung der HRE erlebt.

    7. Das gebrochene Wort
      Die Stadtwerke sind der wohl wichtigste ökonomische Bündnispartner der Anti-AKW-Bewegung im Kampf gegen die längeren AKW-Laufzeiten. Die Atom-Renaissance entwertet die Investitionen der kleinen Energieversorger in erneuerbare Energien und neue Gas- und Kohlekraftwerke. Dass sich die Stadtwerke nun auf Vertrauensschutz berufen, ist nicht abwegig. Schließlich haben sie sich nicht nur auf ein Gesetz verlassen, mit dessen Änderung in der Demokratie immer zu rechnen ist. Vielmehr haben die Atomkonzerne der Beschränkung der Restlaufzeiten ausdrücklich zugestimmt, um strengere Vorgaben von Rot-Grün zu verhindern. “Beide Seiten werden ihren Teil dazu beitragen, dass der Inhalt dieser Vereinbarung dauerhaft umgesetzt wird”, heißt es im Atomkonsens von 2000.
      Der Protest der Stadtwerke macht jedenfalls deutlich, dass es bei der Debatte um die Atomlaufzeiten nicht nur um den klassischen Gegensatz von Umweltschutz und Ökonomie geht, vielmehr gibt es auch in der Energiewirtschaft ganz unterschiedliche Interessen. Schwarz-Gelb stützt dabei nur die Großen, die Saurier. Die neue Energiewirtschaft, die für mehr Wettbewerb und neue zukunftsfähige dezentrale Strukturen steht, wird von der Regierung massiv behindert.
      Quelle: taz
    8. Freiberg: Neue Atompolitik wird Polizei unweigerlich an Belastungsgrenze bringen
      Berlin. Nach der gestrigen Einigung der Bundesregierung, die Laufzeiten der deutschen Atommeiler zu verlängern, befürchtet die Gewerkschaft der Polizei (GdP) eine Zuspitzung des immer offener zu Tage tretenden Konflikts zwi-schen Politik und Gesellschaft. GdP-Bundesvorsitzender Konrad Freiberg: „Die Atompolitik ist das jüngste Beispiel dafür, wie sehr sich die Politik von Bürgerinnen und Bürgern abzusetzen scheint. Die Verlässlichkeit in politische Entscheidungen scheint einer sich an tagesaktuellen Ereig-nissen orientierenden Beliebigkeit und einer zu großen Nähe zur Wirtschaftslobby gewichen zu sein.“ Es sei keine allzu gewagte Prognose, dass sich die zunehmende Protest-bereitschaft immer stärker und öfter auf die Straße verlagern werde.
      Quelle: Gewerkschaft der Polizei
  2. Deutsche Ausfuhren im Juli 2010: + 18,7% zum Juli 2009
    Wie das Statistische Bundesamt (Destatis) anhand vorläufiger Ergebnisse mitteilt, wurden im Juli 2010 von Deutschland Waren im Wert von 83,0 Milliarden Euro ausgeführt und Waren im Wert von 69,5 Milliarden Euro eingeführt. Die deutschen Ausfuhren waren damit im Juli 2010 um 18,7% und die Einfuhren um 24,9% höher als im Juli 2009.
    Die Außenhandelsbilanz schloss im Juli 2010 mit einem Überschuss von 13,5 Milliarden Euro ab. Im Juli 2009 hatte der Saldo in der Außenhandelsbilanz 14,3 Milliarden Euro betragen.
    Zusammen mit den Salden für Dienstleistungen (– 3,1 Milliarden Euro), Erwerbs- und Vermögenseinkommen (+ 3,4 Milliarden Euro), laufende Übertragungen (– 3,6 Milliarden Euro) sowie Ergänzungen zum Außenhandel (– 1,3 Milliarden Euro) schloss – nach vorläufigen Berechnungen der Deutschen Bundesbank – die Leistungsbilanz im Juli 2010 mit einem Überschuss von 9,0 Milliarden Euro ab. Im Juli 2009 hatte die deutsche Leistungsbilanz einen Aktivsaldo von 10,6 Milliarden Euro ausgewiesen.
    Quelle: Statistisches Bundesamt

    Anmerkung WL: Der „Aufschwung“ hängt weiter am Tropf des Exports. Zu dessen Unsicherheit siehe allerdings:

    Konjunktur: Dickes Auftragsminus
    In der deutschen Wirtschaft wachsen die Sorgen vor einer Abkühlung der Konjunktur. Die Industrie verbucht ein unerwartetes Auftragsminus. Das Risiko von Firmenpleiten steigt.
    Quelle: FR

  3. Ver.di: Aufschwung der schlechten Jobs
    Die „Reformen“ zur „Flexibilisierung“ des Arbeitsmarktes haben vor allem den Umbau von regulärer Vollzeitbeschäftigung zu Mini- und Teilzeitjobs, Leiharbeit, Befristungen und Solo-Selbstständigkeit vorangetrieben. Armutslöhne und prekäre Beschäftigung wurden massiv ausgeweitet. Trotz Aufschwung sanken die Reallöhne.
    Entgegen den zur Zeit so positiv lautenden Meldungen vom Arbeitsmarkt: Die Wirtschafts- und Beschäftigungsentwicklung seit 2000 war schlechter als in den anderen europäischen Ländern.
    Angeblich segensreiche Wirkungen der rot-grünen Arbeitsmarktreformen lösen sich bei genauer Analyse in Luft auf.
    Entscheidend für die Entwicklung der Beschäftigung ist das gesamtwirt-schaftliche Wachstum, nicht die „Flexibilität“ des Arbeitsmarktes.

    Grafik 01: Aufschwung_der schlechten Jobs

    Die gesamte Arbeitslosigkeit und Unterbeschäftigung ist weit höher als die registrierte Arbeitslosigkeit.
    Die massive Inanspruchnahme von Kurzarbeit sowie der Abbau von Über-stunden und von Guthaben auf Arbeitszeitkonten haben einen starken An-stieg der Arbeitslosigkeit in der Krise verhindert.

    Grafik 02: Aufschwung_der schlechten Jobs

    Von 2000 bis 2010 sind fast zweieinhalb Millionen bzw. zehn Prozent aller Vollzeitarbeitsplätze verloren gegangen.

    Grafik 03: Aufschwung_der schlechten Jobs

    Das Mehr an Arbeitsplätzen entpuppt sich als ein Umbau von Vollzeit-Arbeitsplätzen in viele Mini-, Midi- und Teilzeitjobs, von denen die Betroffenen nicht mehr leben können.

    Grafik 04: Aufschwung_der schlechten Jobs

    Immer mehr Erwerbstätige sind prekär beschäftigt, also unsicher und schlecht bezahlt: in Ein-Euro-Jobs, in Mini-Jobs oder in Teilzeit, befristet, in Leiharbeit, oder als Solo-Selbstständige.
    Die „Arbeitsmarktreformen“ haben die Prekarisierung der Beschäftigung und die Ausweitung der Niedriglöhne massiv vorangetrieben.

    Der „Erfolg“ der Arbeitsmarktreformen besteht wesentlich darin, dass trotz Aufschwung die Reallöhne sanken.

    Grafik 05: Aufschwung_der schlechten Jobs

    Die Arbeitsmarktreformen haben sich erheblich negativ auf die Beschäftigungsentwicklung in Deutschland und auf die Lage der Beschäftigten wie der Erwerbslosen ausgewirkt.
    Quelle: ver.di Wirtschaftspolitische Informationen 2/2010

  4. Arbeitsmarktpolitik
    Der Arbeitsmarkt ist (…) auch Gegenstand wissenschaftlicher Analyse und Kontroversen, die wiederum Diskussionsgrundlage für die parteipolitischen und gewerkschaftlichen Auseinandersetzungen sind.
    Zudem greift Arbeitsmarktpolitik tief in die individuellen Belange der Bürger ein. Zum einen, wenn sie als Arbeitslose Zielgruppe von Arbeitsmarktpolitik sind, zum anderen ist auch ein Großteil der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer von arbeitsmarktpolitischen Entscheidungen betroffen. Dazu zählen etwa Regelungen zur Arbeitszeit oder zum Beitrag für die Arbeitslosenversicherung/Arbeitsförderung.
    Das Dossier stellt die theoretischen Grundlagen der Arbeitsmarktpolitik, die Ziele und die Akteure, die gesetzlichen Grundlagen und die Instrumente der Arbeitsmarktpolitik vor.
    Quelle: Bundeszentrale für politische Bildung

    Anmerkung WL: Wie von der „Bundeszentrale“ nicht anders zu erwarten, wird in den verschiedenen Themenbereichen die „Reformpolitik“ der Bundesregierungen positiv herausgestellt. Dennoch eine ganz interessante Übersicht.

  5. Die Verlierer der Finanz- und Wirtschaftskrise sind die jungen Menschen
    Junge Menschen haben immer weniger Chancen, einen sicheren Job zu finden oder überhaupt in die Arbeitswelt wirklich einzusteigen. Nach einer Studie im Auftrag der Böckler Stiftung ist für die jungen Menschen unter 25 Jahren eine “Zunahme erlebter Unsicherheit und Ungleichheit” zu verzeichnen.
    Nach dem Studium geht es oft in das Praktikum – und dann kommt, wenn nicht das nächste Praktikum anschließt, die Leiharbeit. Die Arbeitslosigkeit der 15-25-Jährigen ist seit Beginn der Finanzkrise dreimal so stark gestiegen wie in den anderen Altersgruppen. Zudem verlieren die Jungen sehr viel eher einen Job als Ältere. Die Zeiten der Arbeitslosigkeit sind zwar kleiner, aber die Wissenschaftler der Hochschule Niederrhein warnen vor den Erfahrungen einer verlorenen Generation: “Die Erfahrung, nicht gebraucht zu werden, kann zu vermindertem Selbstvertrauen, zum Verlust sozialer Kontakte, zur psychischen Destabilisierung und zu sogar zu Depression führen.”
    2007 hätten 600.000 Berufsanfänger mindestens ein Praktikum absolviert. Das heißt, sie haben kein oder wenig Geld und auch Anerkennung für ihre Arbeit bekommen…Die Unsicherheit betrifft nicht nur die Akademiker, sondern auch die anderen jungen Menschen. 2007 wurde nur ein Viertel der Lehrlinge übernommen…”Mehr als die Hälfte der Leiharbeiter ist jünger als 36 Jahre. Fast 40 Prozent der Unter-30-Jährigen mit einer Vollzeit-Tätigkeit hatten 2007 keinen festen Arbeitsplatz, sondern bekamen ihr Geld von einer Zeitarbeitfirma.”

    Grafik: Junge jobben auf Zeit

    Quelle 1: Telepolis
    Quelle 2: Böckler Impuls

  6. IG Metall: Kurswechsel für ein gutes Leben
    Eine Präsentation des Konzeptes mit vielen interessanten Daten und Grafiken.
    Quelle: IG Metall [PDF – 8.7 MB]
  7. Krankenkassen und Arzneimittel. Suche Solidarität
    Es klingt gerecht, was da in letzter Minute ins „Gesetz zur Neuordnung des Arzneimittelmarkts“ hineindiktiert wurde: Private Krankenversicherungen sollen künftig nur noch die Preise für Arzneimittel zahlen, die die gesetzlichen Kassen mit der Pharmaindustrie ausgehandelt haben. Gleiche Preise für alle also. Nur ist unser Gesundheitssystem eben nicht gerecht aufgebaut. Während die Privatkassen sich die rentabelsten Kunden herauspicken und mit jungen, gesundheitsbewussten Akademikern ihr Geld verdienen, lastet der Preis der Solidarität auf all jenen, die gesetzlich versichert bleiben. Deshalb gelten bisher auch nur für sie die Zwangsrabatte des Gesetzgebers. Dass die Regierung diese Staatshilfe nun auch Privatversicherern zugute kommen lassen will, passt ins Bild: Kopfpauschale, Abschaffung der Zusatzversicherungen, Reduzierung der Frist beim Wechsel in eine private Versicherung. Der Gesundheitsminister müht sich redlich, es den privaten Kassen recht zu machen. Dabei sollte er seine Energie nicht darauf verwenden, die Finanzen profitorientierter Unternehmen zu sanieren, sondern die Kostenexplosion im Gesundheitssystem zu bekämpfen, indem nur noch bezahlt wird, was erwiesenermaßen wirkt und nicht unverhältnismäßig teuer ist. Sonst bricht der letzte Rest Solidarität zusammen, noch ehe der Minister sie per Dekret abschaffen kann.
    Quelle: Tagesspiegel

    Anmerkung: Der Tagesspiegel fast klassenkämpferisch.

  8. Das letzte Mittel? Leiharbeit in der Pflege
    Die quantitative Bedeutung von Leiharbeit in der Gesundheitsbranche ist derzeit mit rund 19.250 Personen noch relativ gering. Jedoch lässt sich seit 2004 ein überproportionaler Anstieg feststellen.
    Leiharbeit in der Pflege ist vor allem durch die Suche nach geeignetem Fachpersonal gekennzeichnet. Hilfstätigkeiten werden durch Leiharbeit relativ selten besetzt.
    Leiharbeit wird in der Pflege weitgehend nicht zur Kompensation von Auftragsspitzen eingesetzt, sondern eher als letztes Mittel zur Aufrechterhaltung der Versorgung.
    Das grundlegende Problem des Fachkräftemangels in der Pflege kann durch das Instrument der Leiharbeit keinesfalls gelöst werden.
    Quelle: IAT [PDF – 340 KB]

    Anmerkung WL: Dennoch will die Kanzlerin Hartz IV-Empfänger zu Pflegern machen. Wer auch ein bisschen Ahnung von den Anforderungen an den Pflegedienst hat, kann über derartige Vorschläge nur noch den Kopf schütteln.

  9. Defizit mit System: Leere Gemeindekassen
    Transferleistungen, egal ob sie von einem Büro im Rathaus oder einer Bundesbehörde verwaltet werden, sind gesamtgesellschaftliche Aufwendungen. Massenarmut ist ein Problem von nationalem Rang. Will man die Kosten, die sie verursacht, halbwegs sinnvoll gewichten, muß man sie deshalb in Bezug zum Nationaleinkommen sehen – also der Summe aller Einkünfte, die hierzulande eingestrichen werden. Davon machen die Sozialausgaben der Kommunen heute 1,65 Prozent aus. Das ist ziemlich exakt der Stand von Mitte der 90er Jahre.
    Spektakulär ist etwas anderes. Offensichtlich wächst das Nationaleinkommen schneller und schneller, während davon bei den Kommunen vergleichsweise wenig ankommt und gleichzeitig ein immer größerer Teil der Bevölkerung auf staatliche Wohlfahrt angewiesen ist. Das Defizit hat System.
    Quelle: Junge Welt
  10. Zockerei mit Lebensversicherungen: Fatale Wette auf Leben und Tod
    Es ist ein morbides Geschäft: Investoren wie die Deutsche Bank kaufen Lebensversicherungen alter Menschen – sie spekulieren auf deren schnellen Tod. Lange boomte der Markt, doch dann häuften sich Verluste und Betrugsfälle, die jetzt zu Hunderten vor US-Gerichten verhandelt werden.
    Quelle: SPIEGEL
  11. Ulrike Herrmann: EU-Finanzaufsicht – Alarm geschlagen wird zuletzt
    Selbst die Briten haben nicht protestiert, obwohl sie doch stets um ihren Börsenplatz London fürchten: Ab 2011 wird die europäische Finanzaufsicht gestärkt. Dieser “Durchbruch” ist von der EU-Kommission euphorisch kommentiert worden. Tatsächlich haben die europäischen Banken und Versicherungen jedoch wenig zu befürchten, wie gerade die Briten bestens wissen. Bereits das Personal der neuen EU-Aufsicht ist dürftig. Sie soll künftig nur etwa 100 Leute beschäftigen, die sich dann aber gleich um ganz Europa zu kümmern haben. Zum Vergleich: Allein die deutsche Finanzaufsicht Bafin kann über rund 1.830 Mitarbeiter verfügen; bei der Bundesbank kommen viele weitere Aufseher hinzu. Es ist allerdings konsequent, nur so wenige EU-Kontrolleure einzustellen. Denn ihre Aufgabe ist beschränkt: Sie sollen Finanzkrisen nicht etwa verhindern, sondern einen möglichen Crash nur besser abwickeln, indem die Bankenrettung künftig europaweit koordiniert wird. Es ist jedenfalls weit mehr als nur ein symbolisches Detail, dass noch immer die EU-Finanzminister entscheiden, wann überhaupt eine Krise herrscht. Erst wenn dieser Notfall offiziell ausgerufen wurde, können die neuen EU-Behörden den europäischen Finanzinstituten direkte Anweisungen erteilen.
    Quelle: TAZ
  12. Gönner will Volksentscheid zu Bahnprojekt “Stuttgart 21” prüfen
    Angesichts der Dauerproteste gegen das Bahnprojekt “Stuttgart 21” will Baden-Württembergs Verkehrsministerin Tanja Gönner (CDU) eine von der SPD vorgeschlagene Volksabstimmung über das Vorhaben prüfen. Zwar sehe sie keinen “juristisch gangbaren Weg, der auch rechtssicher ist”, die Bevölkerung ein halbes Jahr nach Baubeginn über das Projekt abstimmen zu lassen, erklärte Gönner am Mittwoch in Stuttgart. “Dennoch werden wir gemeinsam mit dem Innenministerium und dem Justizministerium den Vorschlag der SPD sorgfältig prüfen.”
    Quelle: stern

    Anmerkung WL: Die jüngste Umfrage lassen nun offenbar auch der baden-württembergischen Landesregierung die Knie weich werden. Die CDU bekäme danach nur noch 35 Prozent gegenüber über 44 Prozent bei der Landtagswahl 2006. Die FDP mit damals noch knapp 11 Prozent müsste um den Einzug in den Landtag bangen. Die SPD landete „unterirdisch“ bei 21 Prozent und könnte sich bestenfalls auf eine Rolle als Juniorpartner der Grünen (27 Prozent) einstellen.

    Dazu noch:

    Was für “Stuttgart 21” spricht – und was dagegen
    Zehn Milliarden Euro für 60 Kilometer Bahnstrecke, das ist schon ein Wort. Zu dieser Summe könnten sich die Baukosten für die neue ICE-Verbindung von Wendlingen nach Ulm addieren, wenn man den Ausführungen der Verkehrsplaner Vieregg und Rössler folgt. Im Auftrag der Landtags- und der Bundestagsfraktion der Grünen haben die Berater das Projekt noch einmal durchgerechnet – und stellten dabei sämtliche Annahmen der Deutschen Bahn in Frage.
    Ihr Ergebnis: Im günstigsten Fall stehen am Ende der mehr als acht Jahre veranschlagten Bauzeit inklusive Inflation rund 5,3 Milliarden Euro auf der Rechnung – deutlich mehr als die von der Bahn in der jüngsten Kalkulation ausgewiesenen 2,89 Milliarden Euro. Allerdings halten es die Gutachter selbst für eher unwahrscheinlich, dass der errechnete Aufpreis ausreicht. Im Ernstfall könnten die Kosten sogar auf rund zehn Milliarden steigen.
    Quelle: Spiegel Online

  13. Fußball-WM: Falsche Versprechungen, überrissene Schätzungen, große Enttäuschung
    Eine Studie des SAH zeigt, was die WM der Bevölkerung in Südafrika wirklich gebracht hat.
    Statt des ursprünglich erwarteten Gewinns von 4,9 Milliarden Rand (700 Millionen Franken) resultierte für Südafrika aus der WM aber ein Netto-Verlust von mindestens 20 Milliarden Rand (2.8 Mia. Franken). Die FIFA hat gleichzeitig ihre Einnahmen gegenüber der WM 2006 in Deutschland um 50 Prozent gesteigert. Auf ihren Druck hin hat die südafrikanische Regierung die Gewinne der FIFA und ihrer Partner steuerbefreit.
    Entgegen den Prognosen führte die WM nicht zu neuen, dauerhaften Jobs.
    Bereits auf Ende Juli 2010 nahm die Beschäftigung gegenüber dem Vorjahr wieder um 4.7% ab.
    Auf dem Bau gingen zwischen Juni 2009 und Juni 2010 111´000 Jobs verloren.
    Quelle: Schweizerisches Arbeiterhilfswerk [PDF – 476 KB]
  14. DIW-Chef Zimmermann fordert 500.000 Zuwanderer pro Jahr
    Ab 2015 droht Deutschland ein massiver Fachkräftemangel. Angesichts der verheerenden Folgen für das Renten- und Sozialsystem hat sich der Chef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) Klaus Zimmermann für eine deutlich offensivere Einwanderungspolitik ausgesprochen.
    Nötig seien “mindestens netto 500.000 mehr Menschen pro Jahr, um unsere Wirtschaftskraft dauerhaft zu sichern”. Zudem müsse das Renteneintrittsalter erhöht werden – auf rund 70 Jahre …
    Ab 2015 verliere die deutsche Wirtschaft “jedes Jahr rund 250.000 Mitarbeiter”. Zugleich würden die Arbeitenden immer älter und der Anteil gering Qualifizierter nehme zu.
    Die Einwanderung solle aber auf den kurzfristigen Bedarf abgestimmt sein: “Wer einen Job hat, darf bis zu fünf Jahre kommen.” Zudem sprach Zimmermann sich für ein Punktesystem für dauerhafte Zuwanderung aus, “wie es beispielsweise Australien oder Kanada praktizieren und bei dem es vor allem auf die Ausbildung ankommt”.
    Quelle: Spiegel Online

    Anmerkung WL: Zimmermann propagiert eine „Ex-und-hopp“-Zuwanderungspolitik, wie sie schon Ende der 50er Jahre nach der Einführung der Bundeswehr von der Wirtschaft zur Erhaltung der industriellen Reservearmee gefordert wurde. Es geht bei dieser „Zuwanderungspolitik“ nicht um Menschen, sondern ausschließlich um das Anheuern von Arbeitskräften, die man dann wie Leiharbeiter nach Qualifikation, Alter oder je nach der konjunkturellen Entwicklung wieder vor die Fabriktore oder bei Zuwanderern eben wieder vor die Landesgrenze setzen kann. Hauptsache, die Wirtschaft kann ihren Bedarf an jeweils passenden Arbeitsplätzen befriedigen, die „Aufräumarbeiten“ darf dann die Politik erledigen, und die menschlichen Schicksale spielen ohnehin keine Rolle.
    Dass derzeit in Deutschland 5 bis 6 Millionen Menschen schon vom Arbeitsmarkt abgekoppelt sind, kommt in diesem rein ökonomistischen Denken gar nicht mehr vor.
    Zum Glück funktioniert so eine „Just-in-time“-Anlieferung von passfertigen Arbeitskräften nicht, auch nicht in Australien oder Kanada und schon gar nicht in Deutschland. Es hat sich inzwischen wohl herumgesprochen, wie man hier mit Zuwanderern umgeht. Kein Wunder, dass qualifizierte Fachkräfte eher aus- als zuwandern.
    Klaus Zimmermann ist schon im Alter mit 58 offenbar nur noch beschränkt wahrnehmungsfähig, wie würde das erst mit 70 aussehen.

  15. Humangenetiker zu Sarrazin-Thesen: “Es gibt kein Juden-Gen”
    Mit seinen Thesen zur vererbbaren Dummheit und zur Intelligenz von Völkergruppen hat Thilo Sarrazin für Empörung gesorgt. Professor André Reis, Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Humangenetik, erklärt, wie wenig an den Behauptungen dran ist:

    „Herr Reis, in seinem neuen Buch behauptet Thilo Sarrazin, dass Intelligenz “zu 50 bis 80 Prozent erblich” ist. Liegt Intelligenz in den Genen?
    Zu einem gewissen Anteil wird Intelligenz vererbt. Je nach genetischer Studie liegt dieser zwischen 50 bis 80 Prozent. Allerdings gibt es kein einzelnes Intelligenz-Gen, sondern eine Vielzahl von genetischen Faktoren ist daran beteiligt. Da diese bei den Nachkommen immer wieder neu kombiniert werden, können weniger begabte Eltern auch begabte Kinder haben und umgekehrt. Man darf es sich also nicht so einfach machen.
    Sarrazin geht auch davon aus, dass ganze Volksgruppen aufgrund ihrer Gene weniger intelligent sind. Gibt es einen deutschen oder türkischen Volks-IQ?
    Das ist ein ausgemachter Unsinn. Man kann nicht behaupten, dass türkischstämmige Menschen generell dümmer sind. In allen Bevölkerungen findet sich eine Streuung – es gibt kluge Menschen und weniger intelligente. Das ist bei Deutschen nicht anders als bei Türken, Italienern oder Griechen.“

    Quelle: STERN

  16. Es gibt keine Integrationsmisere in Deutschland
    Sind Muslime wirklich schlechter integriert als andere Migranten? Was taugen Sarrazins Statistiken? Die Diskussion läuft völlig falsch, sagt Forscher Klaus Bade. Im Interview erklärt er, warum die Integration in Deutschland viel erfolgreicher ist, als Kritiker es behaupten:

    “Bei Männern ohne Migrationshintergrund sind 50,3 Prozent, bei Frauen 37,5 Prozent erwerbstätig. Bei türkischen männlichen Zuwanderern sind etwa 45,1 Prozent und bei Frauen 23,5 Prozent erwerbstätig. Hinzu kommt bei vielen kleinen Familienbetrieben eine hohe Zahl von mithelfenden Angehörigen, die in der Statistik nicht erfasst werden … Migrantengruppen als solche gibt es nicht. Vielmehr lassen sich innerhalb der verschiedenen Herkunftsgruppen Milieus ausmachen, die ebenfalls bei der Bevölkerung ohne Migrationshintergrund zu finden sind. Türkische Zuwanderer schneiden in ihren schulischen Leistungen zwar im Schnitt schlechter ab als Schüler ohne Migrationshintergrund. Das gilt aber auch für andere Herkunftsgruppen wie zum Beispiel Italiener, die in der Bildungsstatistik sogar noch schlechter dastehen. … Ich sehe keine Integrationsmisere in Deutschland. Wie der Sachverständigenrat deutscher Stiftungen für Integration und Migration in seinem aktuellen Jahresgutachten gezeigt hat, verläuft Integration in Deutschland sehr viel erfolgreicher, als es die Desintegrationspublizistik glauben machen will, auch im internationalen Vergleich. Ausnahmen bestätigen die Regel. In den letzten zehn Jahren ist in Sachen Integrationspolitik mehr geschehen als in den vier Jahrzehnten zuvor. Die in Deutschland geborene Zuwandererbevölkerung der zweiten und dritten Generation erzielt in fast allen Bereichen, sei es Bildung oder Arbeitsmarkt, deutlich bessere Ergebnisse als ihre Eltern und Großeltern. Dieser Effekt lässt sich für nahezu alle Herkunftsgruppen beobachten.”

    Quelle 1: SPIEGEL Online
    Quelle 2: Sachverständigenrat deutscher Stiftungen für Integration und Migration
    Quelle 3: Jahresgutachten des Sachverständigenrates deutscher Stiftungen [PDF – 3 MB]

    Anmerkung Orlando Pascheit: Mal ganz platt: Wem trauen sie mehr Kompetenz zu?
    Dr. Thilo Sarrazin
    oder
    Prof. Dr. Klaus J. Bade, Prof. Dr. Ursula Neumann, Prof. Dr. Michael Bommes, Prof. Dr. Heinz Faßmann, Prof. Dr. Yasemin Karakasoglu, Prof. Dr. Christine Langenfeld, Prof. Dr. Werner Schiffauer, oder Prof. Dr. Steven Vertovec vom Sachverständigenrat deutscher Stiftungen für Integration und Migration.

  17. Kriegsvorbereitungen: „Es geht um unser Leben“
    Der Redaktion der NRhZ war eine Rede aufgefallen, die zum Antikriegstag im DGB-Haus in München von Stephan Lippels gehalten wurde. Wir möchten sie unseren LeserInnen nicht vorenthalten. Er sagt in bemerkenswerter Kürze, dass es in Deutschland inzwischen ums Ganze geht. „Es geht wegen des Kriegskurses um unser Leben!“, sagt Lipptels. Aber merkt das wieder niemand? Lippels ist Lehrer der AG Friedliche Schule in München
    Quelle: NRhZ
  18. Pakistan: Erst zehn Prozent der Opfer erreicht
    Mehr als einen Monat nach den verheerenden Überflutungen in großen Teilen Pakistans sind noch immer mehr als eine Million Menschen von jeder Hilfe abgeschnitten, berichten die Mitarbeiter der internationalen Hilfsorganisation World Vision. “Auch wenn wir uns darauf konzentrieren, die Hilfe dorthin zu bringen, wo sie am dringendsten benötig wird, haben wir erst zehn Prozent der betroffenen Bevölkerung erreicht”, berichtet Mike Bailey von World Vision. „Viele Städte und Dörfer vor allem in Punjab sind noch immer nicht mit dem Auto zu erreichen, das Wasser hat Brücken und Straßen zerstört,” so Mike Bailey von World Vision, „Diarrhöe ist dort ausgebrochen, Kinder, die seit Wochen die selbe verschmutze Bekleidung tragen, leiden an Hautkrankheiten, Familien können ihre Toten nicht bestatten, weil es nirgendwo ein trockenes Stück Land gibt.” Telefonleitungen sind unterbrochen, die Handyverbindungen funktionieren zum Großteil nicht. „Es ist noch immer überaus schwierig, das genaue Ausmaß der Schäden festzustellen, aber wir wissen, dass Kinder und Familien verzweifelt auf Wasser, Verpflegung und Notunterkünfte angewiesen sind”. Das Überflutung hat mehr als 3,2 Millionen Hektar Ackerland zerstört. Pakistan droht in den kommenden Monaten eine entsetzliche Hungerkatastrophe, zudem sind die meisten Brunnen verseucht. Viele kleine Spitäler wurden durch die Flut einfach weggespült. Die medizinische Betreuung der Bevölkerung ist praktisch zusammengebrochen.
    Quelle: der Standard
  19. Zu guter Letzt: Ja brav, Angie
    Grafik von Plassmann September 07
    Quelle: Plassmann September 07 anklicken

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