Zum Krieg Russlands gegen die Ukraine. Von Dr. Peter Becker

Peter Becker
Ein Artikel von Peter Becker

Ja: Der Krieg Russlands gegen die Ukraine ist ein völkerrechtswidriger Krieg. Aber es ist ratsam, darauf zu schauen, welche Vorteile die USA aus diesem Krieg ziehen und welche Nachteile Europa erleidet. Wenn man das tut, kommt man auf die folgenden Fragen:

  • Warum unterstützen die USA seit etwa 20 Jahren die Ukraine?
  • Haben sie es darauf angelegt, den Beitritt der Ukraine zur NATO voranzubringen?
  • Haben die USA Putin provoziert?
  • Treffen Europa durch diesen Krieg Nachteile?

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

1. Die wirtschaftlichen Ziele der USA

Seit langem versuchen die US-Republikaner, Nord Stream 2 zu verhindern. Was die Sanktionen nicht schafften, hat jetzt der Krieg erreicht: Deutschland hat sich gegen die Inbetriebnahme der Pipeline entschieden. Die USA haben wohl nachgeholfen. Mit den Sabotageakten an Nord Stream 1 und 2 wurden wahrscheinlich Forderungen von Joe Biden und Victoria Nuland verwirklicht:

Joe Biden: «Nord Stream 2 wird es nicht mehr geben»

US-Präsident Joe Biden sagte am 7. Februar 2022 in einer gemeinsamen Pressekonferenz mit dem deutschen Bundeskanzler Olaf Scholz:

«Wenn Russland einmarschiert, das heisst, Panzer und Truppen die Grenze zur Ukraine überqueren, dann wird es kein Nord Stream 2 mehr geben. Wir werden dem ein Ende setzen.»

Frage:

«Aber wie genau wollen Sie das machen, da das Projekt – und seine Kontrolle – in deutscher Hand liegt?»

Joe Biden:

«Wir werden, ich verspreche Ihnen, wir werden in der Lage sein, das zu tun.»“

(Quelle: faz.net/aktuell/politik/joe-biden-bei-russischem-angriff-ist-nord-stream-2-gestorben-17788090.html).

Victoria Nuland über Nord Stream 2

Victoria Nuland, Unterstaatssekretärin im Aussenministerium für politische Angelegenheiten der USA, sagte bei einem Briefing im Aussenministerium am 27. Januar 2022:

«Bezüglich Nord Stream 2: Wir führen weiterhin sehr harte und klare Diskussionen mit unseren deutschen Verbündeten. Und ich möchte heute ganz klar sein: Wenn Russland in die Ukraine einmarschiert, wird Nord Stream 2 auf die eine oder andere Weise nicht vorankommen.»“

Quelle: youtube.com/watch?v=RLeAgMF0Q6Y

Wieso hätten die russischen Geheimdienste oder das russische Militär Pipelines beschädigen sollen, an denen Gazprom wesentlich beteiligt war?

Zugleich haben sich die USA neue Abnehmer für ihr – ungleich teureres – LNG gesichert: Deutschland und die EU. Deutschland arbeitet jetzt mit Nachdruck am Bau von LNG-Terminals – mit ihren beträchtlichen Kosten. Die deutsche Industrie stöhnt; auch wegen der durch den Krieg erzwungenen Abwanderung aus Russland.

Dazu kommt die hohe Inflation in Deutschland, vor allem getrieben durch hohe Energiepreise. Sie zwingen den deutschen Staat zu teuren Ausgleichsmaßnahmen.

2. Die politischen Ziele der USA

Ein politisches Ziel, das vor allem Deutschland immer unterwandert hat – das Zwei-Prozent-Ziel zur Höhe der nationalen Rüstungsausgaben, orientiert am Bruttoinlandsprodukt – wird auf einmal nicht mehr infrage gestellt. Deutschland beschließt sogar ein Sondervermögen von hundert Milliarden Euro für die Bundeswehr. Die deutsche Rüstungsindustrie frohlockt; von den US-Rüstungskonzernen ganz zu schweigen. Das viele Geld, das vor allem die USA für die Ukraine locker machen, dürfte alsbald in die Taschen der US-Rüstungsfirmen zurückfließen.

Auch die NATO profitiert; schon seit langem durch ihre Osterweiterung, begonnen unter dem demokratischen Präsidenten Clinton, den die Republikaner im Wahlkampf 1997 unter Druck gesetzt hatten. 1999 wurden dann Polen, Ungarn und Tschechien in die NATO aufgenommen; gegen erheblichen innenpolitischen Druck: Der einflussreiche Diplomat George F. Kennan nannte das einen „verhängnisvollen Fehler“. Russland wurde damals von Boris Jelzin regiert, mit dem Clinton eine ‚Männerfreundschaft‘ pflegte. Die USA sicherten sogar Jelzins Wiederwahl 1995 mit finanzieller und professioneller Wahlkampfhilfe. Aus diesem Ablauf ergibt sich, dass die NATO-Osterweiterung keinen außenpolitischen Zwängen geschuldet war. Trotzdem wurde sie kontinuierlich fortgesetzt – und jetzt haben sogar die traditionell neutralen Staaten Finnland und Schweden einen NATO-Beitritt beschlossen.

Fast nebenher setzten die USA ein zentrales geopolitisches Ziel durch: Die US-amerikanische Haltung zum Ukraine-Konflikt ist wohl Ausdruck der kritischen Haltung der USA zum Näherrücken Deutschlands und Russlands, das sich in den berühmten Äußerungen von Friedman/ STRATFOR und Baron Ismay äußerte:

„Das primäre Interesse der USA, wofür wir seit einem Jahrhundert die Kriege führen – Erster und Zweiter Weltkrieg und Kalter Krieg – waren die Beziehungen zwischen Deutschland und Russland. Weil vereint sind sie die einzige Macht, die uns bedrohen kann, und unser Interesse war es immer, sicherzustellen, dass das nicht eintritt“ (Friedman).

Ähnlich schon der erste Generalsekretär der NATO, Baron Ismay, die NATO habe den Zweck, „to keep the Russians out, the Americans in and the Germans down”.

Und Zbigniew Brzezińskis strategischer Auftrag an die USA, die Ukraine aus dem eurasischen Block zu lösen und dem Westen einzugliedern, wird erreicht,

„weil ihre bloße Existenz als unabhängiger Staat zur Umwandlung beiträgt. Ohne die Ukraine ist Russland kein eurasisches Reich mehr. Es kann trotzdem nach einem imperialen Status streben, würde dann aber ein vorwiegend asiatisches Reich werden…“ (Die einzige Weltmacht, 8. Aufl. 2004, S. 74).

Die USA profitieren auch unter Image-Aspekten: Russland ist der eindeutige völkerrechtswidrige Aggressor. Und die US-Untaten, z.B. im zweiten Golfkrieg Irak/Kuwait (dazu der ehemalige US-Justizminister Ramsey Clark: Wüstensturm, 1993), im Irak-Krieg 2003 etc., treten in den Hintergrund.

3. Der Weg zum Krieg; vor allem: Die Maßnahmen der USA für eine Annäherung der beiden Staaten

Das ukrainische Parlament verabschiedete am 24.08.1991 eine formale Unabhängigkeitserklärung, die die ukrainische Bevölkerung in einem anschließenden Referendum billigte. Zu den ersten Staaten, die die ukrainische Unabhängigkeit anerkannten, zählte Jelzins Russland.

Im Januar 1994 unterzeichneten die Präsidenten Russlands, der USA und der Ukraine ein trilaterales Abkommen über die Vernichtung der 176 ehemaligen sowjetischen Interkontinentalraketen. Im Gegenzug erhielt die Ukraine nach ihrem Beitritt zum Vertrag über die Nichtverbreitung von Kernwaffen (NVV, auch Atomwaffensperrvertrag, engl. Non-Proliferation Treaty, NPT) Sicherheitsgarantien von der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS) und den USA. Das war das letzte einvernehmliche Handeln Russlands und der USA.

Die Haltung Russlands änderte sich nach der ersten Phase der NATO-Osterweiterung, die auch Jelzin nicht billigte.

Im Sommer 1994 sagten die USA der Ukraine Finanzhilfen in Höhe von 700 Millionen USD zu. Ende 1994 schlossen die USA und die Ukraine eine Charta der amerikanisch-ukrainischen Partnerschaft, Freundschaft und Kooperation. Die USA gewährten der Ukraine eine Finanzhilfe von 900 Millionen USD. Präsident Clinton besuchte im Jahr 1995 die Ukraine. Es fand ein gemeinsames Militärmanöver statt. 1996 äußerte der ukrainische Präsident Kutschma die Hoffnung, partnerschaftlich mit Westeuropäischer Union (WEU), EU und NATO zusammenarbeiten zu können.

2001 wurde in Russland gegen die Stellvertreterin des ukrainischen Ministerpräsidenten Juschtschenko, Julija Timoschenko, ein Verfahren wegen Bestechung von Militärs eröffnet.

Während des Irak-Krieges 2003 war die Ukraine an der „Koalition der Willigen“ beteiligt. 2004 fand die „Orange Revolution“ statt, die wie ein spontaner Volksaufstand wirkte. In Wahrheit war Vieles sorgfältig geplant – von Studentenführern und vernetzten Organisationen, einer „Revolutions-GmbH“, so genannt vom Magazin Der SPIEGEL (46/2005, S. 178-199). Putin sieht in ihnen „die Fünfte Kolonne Washingtons“, weil sie von amerikanischen Institutionen wie Freedom House und dem International Republican Institute finanziert werden, gelenkt von „Politikern mit CIA-Verbindungen“, wie es im SPIEGEL heißt (S. 181). So sollte ein „Machtwechsel von innen“ organisiert werden; Aufgabe der amerikanischen Stiftung Freedom House (SPIEGEL, S. 182). Schließlich setzt sich in der Präsidentschaftswahl der westlich orientierte ehemalige Ministerpräsident Juschtschenko gegen den russlandfreundlichen Janukowitsch durch. Russland reagiert mit einer Preiserhöhung für russisches Erdgas. Diese führt zum ersten russisch-ukrainischen Gasstreit.

Im Frühjahr 2005 unterzeichneten die EU und die Ukraine einen bilateralen „Aktionsplan“, der auch die Konvergenz des ukrainischen Rechtssystems mit dem EU-Recht vorsah. In diesem Programm besuchte ich die Ukraine und arbeitete an Schritten zur Annäherung der Regelungen zum Atomrecht. Daraus resultierte mein Interesse an den ukrainischen Verhältnissen.

Im Jahr 2006 wurde Janukowitsch Ministerpräsident. 2007 gründete der spätere Ministerpräsident Arsenij Jazenjuk die Open Ukraine Foundation. Sie wurde vom US-Außenministerium, der NATO, der britischen Denkfabrik Chatham House, dem German Marshall Fund of the United States sowie der Stiftung von George Soros gefördert. Auf ihrer Webseite fand sich das Logo der NATO.

Im Jahr 2007 sprach Putin bei der Münchener Sicherheitskonferenz, bezeichnete die NATO-Osterweiterung als „provozierenden Faktor“, warnte vor weiterer Gewalt (siehe Irak-Krieg 2003) und verwies auf die wirtschaftliche Macht der BRICS-Staaten.

Im Jahr 2010 wurde Janukowitsch zum Präsidenten der Ukraine gewählt; der ebenfalls kandidierende amtierende Staatspräsident Juschtschenko war chancenlos.

Die US-Finanzierung der Einflussnahme auf die innere Entwicklung der Ukraine ist umfangreich. Das offenbarte Victoria Nuland, die Beauftragte der US-Regierung auch für die Ukraine, auf einer Pressekonferenz am 13. Dezember 2013. Sie erklärte, dass die USA seit der Unabhängigkeit 1991 den „Übergang der Ukraine zu guten demokratischen Institutionen und Regierungsformen sowie zu einer Zivilgesellschaft“ mit mehr als fünf Milliarden Dollar unterstützt haben. Interessant ist, dass das Video des CNN über diese Pressekonferenz mit „Regime Change in Kiev“ (Regime-Wechsel in Kiew) überschrieben wurde.

Drei Monate nach Beginn der Proteste unterschreiben Präsident Janukowitsch, die Opposition sowie die Außenminister Deutschlands, Frankreichs und Polens (Weimarer Dreieck) die Vereinbarung über die Beilegung der Krise in der Ukraine vom 21. Februar. Aber vor der Umsetzung kommt es zum „Massaker“ vom Maidan. Es gibt Belege für die Beteiligung des „Rechten Sektors“. Janukowitsch wird von der Werchowna Rada abgesetzt, ohne dass die erforderliche Mehrheit erreicht ist; ein Putsch. Jazenjuk, „unser Mann“ (so Victoria Nuland, Ehefrau von Robert Kagan, Mitgründer des PNAC, zuständige US-Diplomatin, in einem abgehörten Telefongespräch mit dem US-Botschafter in Kiew) schickt einen Brief an den NATO-Generalsekretär, in dem er um Aufnahme der Ukraine in die NATO bittet. Ein gelungener „regime change“! Die USA setzen ihre finanzielle und militärische Unterstützung der Ukraine fort.

Der „Rechte Sektor“ gilt als „bewaffneter Arm der Rada“; verantwortlich für das „Massaker auf dem Maidan“. Aber dessen Untersuchung wird bis heute verhindert.

Die USA liefern seit 2014 Ausrüstung für Übungen der ukrainischen Armee, unterstützten die ukrainische Marine, liefern Scharfschützengewehre, Panzerabwehrwaffen, Radaranlagen sowie Nachtsicht- und Kommunikationsgeräte. Hinzu kommt geheimdienstliche Hilfe. Schließlich unterstützen die USA die Ukraine im Kampf gegen Cyber-Angriffe.

Die Frage, ob man tödliche Waffen an die Ukraine liefern sollte, wurde in den USA im Laufe der Jahre unterschiedlich bewertet. Zur Zeit von US-Präsident Barack Obama wurde befürchtet, dass Russland im Fall einer solchen Lieferung den Konflikt weiter anheizen könnte. Deshalb lehnte Obama die Lieferung tödlicher Waffen an die Ukraine ab. Trotzdem gab Philip Breedlove, der NATO- Oberbefehlshaber in Europa, unbelegbar hohe Zahlen über russische Rüstungsbewegungen im Donbass bekannt und so den Hardlinern in Washington und im Pentagon Futter. Seine Presseäußerungen seien mit Washington abgestimmt, heißt es im SPIEGEL (Immer wieder Kopfschütteln, 11/2015, S. 32 f.). Die Abstimmungen erfolgten wohl mit Vizepräsident Biden (zu Bidens Rolle sogleich).

Unter der Regierung von US-Präsident Donald Trump wurden defensive tödliche Waffen geliefert, insbesondere Javelin-Panzerabwehrwaffen. Um eine neue solche Lieferung ging es in dem Telefonat zwischen dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj und Trump, von dem ein Gedächtnisprotokoll veröffentlicht wurde. Darin bat Selenskyj um die Lieferung von 150 Javelin-Raketen im Wert von umgerechnet 35,7 Millionen Euro. Anfang Oktober stimmten die USA der Waffenlieferung zu.

Gemeinsam mit anderen westlichen Nationen bildeten US-Militärtrainer ukrainische Soldaten aus. Schon lange vor dem Maidan gab es gemeinsame Militärübungen der USA und der Ukraine. Das Marine-Manöver Sea Breeze findet seit 1997 regelmäßig statt, die landbasierten Übungen Rapid Trident seit 2011. Im Jahr 2018 kam noch die Luftwaffenübung Clear Sky hinzu.

4. Wie hilft die NATO der Ukraine?

1994 wurde die Ukraine Mitglied im NATO-Programm Partnerschaft für den Frieden. Seit 1994 gibt es eine NATO-Ukraine-Kommission. Die NATO stellte der Ukraine und Georgien 2008 eine Mitgliedschaft in Aussicht, formulierte aber keinen konkreten Plan dafür.

1997 unterzeichneten die Ukraine und die NATO die NATO-Ukraine-Charta, einen militärischen Partnerschaftsvertrag. Danach verpflichtete sich die Ukraine, an militärischen Operationen teilzunehmen, die entweder mit Mandat des UN-Sicherheitsrates durchgeführt werden oder unter Leitung der OSZE stehen.

Im Juni 2017 verabschiedete das ukrainische Parlament ein Gesetz, wonach eine NATO-Mitgliedschaft das strategische außen- und sicherheitspolitische Ziel darstellt. Seit Februar 2019 steht das strategische Ziel einer NATO- und EU-Mitgliedschaft in der ukrainischen Verfassung.

Russland lehnt eine NATO-Mitgliedschaft der Ukraine und Georgiens vehement ab und nennt sie eine Bedrohung für die eigene Sicherheit. „Der Vormarsch von NATO-Einrichtungen Richtung unserer Grenzen wird für uns eine Bedrohung darstellen und wir sehen das äußerst negativ“, sagte Präsident Putin in einem Interview mit dem Sender Fox News 2018. Putin erwähnte dabei die US- Raketenabwehr, die in Polen und Rumänien stationiert ist. „Das stellt für uns eine direkte Bedrohung unserer Sicherheit dar.

5. Die Einflussnahme von Joe Biden

Obamas damaliger Vize-Präsident Biden reiste 2014 als Ukraine-Beauftragter nach Kiew. Wie die Welt inzwischen durch die Veröffentlichung von Mitschnitten mehrerer Telefonate zwischen ihm und Ex-Präsident Poroschenko erfahren hat, nutzte Biden seinen Einfluss, um politische Parteien zu finanzieren, hohe Regierungsbeamte zu ernennen und alles dafür zu tun, die Abhängigkeit der Ukraine von russischen Energielieferungen zu reduzieren.

Er verschaffte auch seinem Sohn Hunter einen hochbezahlten Job im Erdgasunternehmen eines ukrainischen Oligarchen. Als ein ukrainischer Staatsanwalt deshalb Ermittlungen wegen Begünstigung aufnahm, drohte Biden der ukrainischen Regierung, US-Kreditgarantien über eine Milliarde Dollar auszusetzen, und bewirkte so die Entlassung des Juristen.

Im November 2014 wurde die US-Staatsbürgerin und Wall-Street-Investmentbankerin Natalija Jaresko unter Bidens Ägide eingebürgert und am gleichen Tag zur Finanzministerin der Ukraine ernannt. Die von ihr betriebene Politik begünstigte u.a. US-Agrar-Multis wie Monsanto, die der verarmten Bauernschaft große Teile des Landes abkauften.

Seit seinem Einzug ins Weiße Haus setzt Joe Biden alles daran, seine alten Mitstreiter in Kiew bei der Verschärfung der Spannungen mit Russland zu unterstützen. Am 21.02.2021 bekräftigte er, dass die Krim zur Ukraine gehört. Am 17.03.2021 nannte er den russischen Präsidenten in einem Interview des Fernsehsenders ABC einen „Mörder“. Mehrfach sicherte er Selenskyj online die „uneingeschränkte Unterstützung der USA gegen Russland“ zu; Ende April 2021 ließ er zehn russische Diplomaten aus den USA ausweisen.

6. Der Krieg wurde provoziert! Bewertung der Abläufe

Wir betrachten die folgenden Vorgänge:

  • Die Vorteile der USA seit Beginn des Krieges: Sie setzen langfristige politische Ziele, auf die sie lange hingearbeitet haben, umstandslos durch:
    • Sie erreichen die tiefgreifende Entzweiung Russlands und Deutschlands, indem sie die Ukraine aus dem eurasischen Block herauslösen;
    • ihre völkerrechtswidrigen Kriege und Interventionen sind auf einmal vergessen.
  • Die US-amerikanischen Werkzeuge sind vielfältig und werden seit dem Ende des Kalten Krieges eingesetzt:
    • Die finanzielle Unterstützung der fast bankrotten Ukraine;
    • die anlasslose NATO-Osterweiterung;
    • die Charta der amerikanisch-ukrainischen Partnerschaft;
    • das Eingreifen in die ukrainische Innenpolitik mit der Unterstützung des westlich orientierten Präsidentschaftsbewerbers Juschtschenko mit Hilfe der „Revolutions-GmbH“.
  • Sturz des wieder an die Macht gekommenen Präsidenten Janukowitsch durch direkte Unterstützung der Abläufe auf dem Maidan, sogar der „Rechte Sektor“ wird in Kauf genommen;
  • gemeinsame Manöver, Aufrüstung der ukrainischen Armee;
  • Hetze gegen Russland durch unbelegbare Behauptungen über Russlands Unterstützung der Separatisten im Donbass;
  • Einsatz der NATO beginnend mit der Partnerschaft für den Frieden 1994.

Bei allen Aktionen wussten die USA, dass sie gegen die Interessen Russlands gerichtet waren. Putin protestierte ja auch vielfach. Trotzdem wurden die Aktionen fortgesetzt.

Ein schönes Beispiel ist Putins Rede auf der Münchner Sicherheitskonferenz. Putin sprach an

  • die NATO-Erweiterung, die ein „provozierender Faktor“ sei. Also mussten die USA sie fortsetzen;
  • in Bulgarien und Rumänien entstünden sogenannte leichte amerikanische Vorposten-Basen mit jeweils 5.000 Mann, die Putin als Verstoß gegen den KSE-Vertrag einordnet, während sich Russland „streng an den Vertrag halte“. Also musste die NATO ihre Stationierungen auch in anderen Staaten fortsetzen;
  • Uns beunruhigen auch Pläne zum Aufbau eines Raketenabwehrsystems in Europa.“ Also mussten die USA ihre Pläne nur umsetzen, was auch geschah.

Die USA mussten Putin nur beim Wort nehmen, um ihn weiter zu provozieren. Auch Biden wusste genau, wie er Putin reizen könne: Er nannte ihn „Mörder“, ließ russische Diplomaten ausweisen und brachte sogar eine US-Bankerin in der ukrainischen Regierung unter. Klarer konnte er den US-Einfluss auf die Regierung in Kiew nicht demonstrieren.

Auch Obama hatte Russland schon abwertend „Regionalmacht“ genannt. Und Biden hatte Erfolg: Putin reagierte mit seinem Vertragsangebot, das auf Entspannung ausgerichtet war. Und Biden hat es – wohlweislich – nicht angenommen. So wurde der Krieg unvermeidbar, der ja auch von den US- Geheimdiensten richtig vorhergesagt wurde.

7. Die Sanktionen verfehlen wohl ihr Ziel

Dafür gibt es zahlreiche Indizien:

  • Die Beschlagnahme russischer Dollar-Reserven wird zum Bumerang. Denn Russland ist Mitglied der OPEC. Diese hat die Ölförderung gedrosselt und so die Nachfrage nach Öl – und den Preis – gesteigert. Der höhere Preis gleicht den Verlust an Dollar-Reserven mehr als aus.
  • Saudi-Arabien und Russland haben sich angenähert. Das ist die Folge der westlichen Angriffe auf den Kashoggi-Mord, für den wohl der saudische Kronprinz (und Saudi-Arabiens heimlicher Herrscher) Salman verantwortlich ist.
  • Schon jetzt bewegt sich die Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SOZ) auf Westasien zu, indem der Iran ihr beitritt und Saudi-Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate, Katar, Bahrain, Kuwait und Ägypten den Status eines Dialogpartners erhalten und die Türkei eine Vollmitgliedschaft anstrebt. Der SOZ-Gipfel in Samarkand hat einen Fahrplan für die schrittweise Erhöhung des Anteils der nationalen Währungen an den gegenseitigen Zahlungen aufgestellt und damit die Ernsthaftigkeit dieser Absicht unterstrichen.
  • Das Ende der Dollarherrschaft könnte die Folge sein: Öl wird herkömmlicherweise in Dollar bezahlt („Petrodollars“). Die Folge ist, dass alle Länder, die Bedarf nach Öl haben, hohe Dollarreserven vorhalten müssen. Die USA mussten sich im Gegenzug verpflichten, allen Ländern freien Zugang zum Dollar zu gewähren.

Diese Zusicherung hat sich jedoch als falsch erwiesen, seitdem der Dollar zu einer Waffe geworden ist und die USA in absurder Weise versucht haben, sich die Dollarreserven anderer Länder anzueignen. Es überrascht nicht, dass Putin auf die Notwendigkeit der Schaffung einer alternativen Reservewährung zum Dollar hingewiesen hat, und das findet in der Weltöffentlichkeit Anklang.

Das wird dadurch unterstützt, dass das Weiße Haus, anstatt sich zu besinnen, neue Formen der Bestrafung von Saudi-Arabien und Russland in Betracht zieht. Während es schwierig ist, Russland zu „bestrafen“, da die USA alle Optionen ausgeschöpft haben, denkt Biden wahrscheinlich, dass die USA Saudi-Arabien an der Gurgel haben: als Waffenlieferant und Verwahrer der massiven saudischen Reserven und Investitionen.

8. Der heimliche Krieg der USA gegen die EU

Die EU leidet unter dem Krieg Russlands gegen die Ukraine:

  • Die Kappung der russischen Gaslieferungen an die Staaten der EU treibt die Energiekosten in die Höhe und schürt die Inflation.
  • Die Mitgliedstaaten sind gezwungen, ihre Ausgaben für das Militär zu steigern statt sie für soziale Zwecke zu verwenden.
  • Die gesamte Wirtschaft wird dadurch in Mitleidenschaft gezogen.
  • Die EU verschreibt sich einer Kriegslogik statt einer Friedenslogik.
  • Im weltweiten Kampf um Hegemonie wird die Stellung der EU geschwächt, die der USA gestärkt.

9. Dazu ein passendes Zitat

„Kohlekraftwerke, die noch vor zwölf Monaten als «Skandal» galten, werden in Europa mit dem Segen von Umweltministern wiedereröffnet. Europäische Politiker hofieren Autokraten und Diktatoren auf der ganzen Welt, in der Hoffnung, ein bisschen Gas oder Öl kaufen zu dürfen, das dann unter Einsatz umweltschädlicher Öltanker und Massengutfrachter nach Europa transportiert wird. Schiefergas und Schieferöl, eben noch des Teufels, sind gross in Mode. Und all das, um Wladimir Putin zu boykottieren, der als Präsident Russlands immer bereit war, uns für wenig Geld umweltfreundlicheres Gas und Öl zu liefern?“ (Guy Mettan: Europa verrät seine Werte, in: Zeit-Fragen Nr. 22 v. 18.10.2022).