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Produktivität

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Wider die Demografie-Demagogie

„Die Demagogie mit der Demografie“ ist der Titel einer gerade bei KLARtext e.V., einem kleinen Frankfurter Verein, der schon des Öfteren – beispielsweise hier, hier, hier und hier – von sich reden machte, erschienenen Broschüre. Auch die aktuelle Publikation ist dabei wieder dem Ziel verpflichtet, aufzuzeigen und zu argumentieren: „Die Grenzen verlaufen zwischen oben und unten, nicht zwischen den Völkern“. Wie wichtig derlei auch und gerade in Bezug auf die vermeintliche „Überalterung“ unseres Landes ist, offenbart bereits ein flüchtiger Blick in den deutschen Blätterwald. Denn immer wieder ist es die Demografie, die als vermeintlicher Nachweis dafür herhalten muss, dass sich „die Gesellschaft“ ihre sozialen Sicherungssysteme nicht mehr leisten könne und „reformiert“ werden müsse. Doch stimmt das überhaupt? Jens Wernicke sprach hierzu mit Günter Berg, Mitglied im Wissenschaftlichen Beirat von Attac und neben Gerd Bosbach dem zweiten Autor der Veröffentlichung.

Eurokrise: Kleine Hoffnungszeichen beim Mainstream, kein Lernfortschritt bei Angela Merkel

Das diesjährige Treffen der Wirtschaftsnobelpreisträger in Lindau am Bodensee in der vorletzten Augustwoche und insbesondere Angela Merkels dortige Eröffnungsrede haben in den deutschen Medien vergleichsweise wenig Beachtung gefunden.[1] Das ist einerseits nicht bedauerlich, da bislang – von wenigen Ausnahmen wie etwa Joseph Stiglitz oder Paul Krugman einmal abgesehen – zumeist konservative, neoklassisch resp. monetaristisch orientierte Ökonomen den Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften erhalten haben. Einen traurigen Höhepunkt bildete die nur als skandalös zu bezeichnende Nominierung von Eugene Fama (University of Chicago) im letzten Jahr. Zur Erinnerung: Nur wenige Jahre nach Beginn der globalen Finanzkrise wurde mit Fama ein Ökonom geehrt, dessen „Hypothese effizienter Märkte“ (efficient market hypothesis) besagt, dass Finanzkrisen unmöglich sind (siehe auch hier und hier).[2] Von Günther Grunert[*].

Der „Bildungsmonitor“, die bildungspolitische Messlatte der Arbeitgeber

Seit 2004 erstellt das „Institut der deutschen Wirtschaft“ (IW), der „wissenschaftliche Schreibtisch“ für die arbeitgeberfinanzierte PR-Agentur „Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft“ (INSM) jährlich einen sog. „Bildungsmonitor“. Mit „Bildung“ im allgemeinen Verständnis haben jedoch die in diesem Ranking miteinander verglichenen Handlungsfelder und Indikatoren allenfalls am Rande etwas zu tun. Schon der Begriff „Bildungs“-monitor ist eine Irreführung, die Studie ist allenfalls ein „Fachkräftesicherungs“-monitor. Doch selbst für dieses bildungspolitisch beschränkte Leitziel hat das durch die Medien geisternde Länder-Ranking kaum einen sachlich begründeten Aussagewert. Der „Bildungsmonitor“ ist – wie eben auch andere Studien des IW – die Übertragung von arbeitgeberinteressengebundenen Anforderungen auf das Feld der Bildungspolitik.
Von Wolfgang Lieb

ver.di gelingt es auch im “Aufschwung” nicht, Verteilungsspielraum auszuschöpfen: Eine Faustregel für kommende Tarifverhandlungen

Gestern früh meldete der Deutschlandfunk unter der Überschrift “Einigung im Tarifstreit: Drucker bekommen mehr Geld”, dass die rund 150.000 Beschäftigten der Druckindustrie mehr Geld erhalten. ver.di und der Bundesverband Druck und Medien hätten sich in der Nacht auf einen neuen Flächentarifvertrag geeinigt. Danach sollen die Löhne ab Mai um drei und im April nächsten Jahres noch einmal um ein Prozent steigen. Die Laufzeit des Tarifvertrags beträgt 27 Monate. Damit hat Verdi innerhalb kürzester Zeit bereits das zweite Mal in Folge den gesamtwirtschaftlichen Verteilungsspielraum (Produktivitätsentwicklung plus Inflationsziel der Europäischen Zentralbank) nicht ausgeschöpft. Und das, obwohl sich Deutschland doch im “Aufschwung” befindet, wie der Bundeswirtschaftsminister gleichfalls gestern wieder betont hat: Ein “Aufschwung auf breitem Fundament”, “die Einkommen der privaten Haushalte nehmen kräftig zu“, so Gabriel. Von Thorsten Hild [*]

Eine Million Jobverluste in Deutschland? Zur Diskussion über die Beschäftigungseffekte von Mindestlöhnen

Die Entscheidung von Union und SPD, einen gesetzlichen Mindestlohn von 8,50 Euro brutto je Stunde einzuführen, rief die erwarteten Reaktionen hervor.[1] Bereits im Vorfeld hatte „Star-Ökonom“ („Focus“) Hans-Werner Sinn, Präsident des Ifo-Instituts, vor den verheerenden Folgen gewarnt: „Ein flächendeckender gesetzlicher Mindestlohn von 8,50 Euro würde nach unseren Schätzungen gut eine Million Arbeitsplätze vernichten“ (zit. nach Focus-Online – Ifo-Chef Sinn warnt vor Mindestlohn: „Vernichtet eine Million Arbeitsplätze“). Unterstützung erhielt er von einem zweiten „Star-Ökonomen“ („Focus-Money“), nämlich Thomas Straubhaar, dem Direktor des Hamburgischen Weltwirtschaftsinstituts. Dieser beklagte nicht nur „die Beschäftigung zerstörenden Wirkungen von Mindestlöhnen“, sondern auch die fehlende Einsicht in die negativen Folgen auf Seiten der Politiker und ihrer Wähler: „[…] offensichtlich sind weder die politischen Entscheidungsträger noch deren Wähler(innen) willens, sich die klugen ökonomischen Argumente zu Eigen zu machen“ (Straubhaar 2013).[2] Ein Gastartikel von Günther Grunert.

Wie die Europäische Kommission die Verfahren zur Beseitigung makroökonomischer Ungleichgewichte umsetzen wird – Gefahr ist im Verzug

Heiner Flassbeck weist auf flassbeck-economics.de darauf hin, dass die Kommission bei der Überprüfung der einzelnen Länder im Rahmen des Verfahrens zur Beseitigung makroökonomischer Ungleichgewichte schwerwiegende Fehler macht und sich die Welt zurechtbiegt, wie es ihr passt. Das ist in der Öffentlichkeit bisher weitgehend unentdeckt geblieben. Wir bringen hier den vollständigen Text, der auf flassbeck-economics im Abonnement erschienen ist. Albrecht Müller.

Die 1:12 Initiative in der Schweiz: Provokation oder notwendige Korrektur von Machtmissbrauch?

“Die Einkommensverteilung hat sich in Mitteleuropa in den letzten Jahren vor und nach Steuern immer weiter zugunsten der hohen Einkommen verschoben. Gleichzeitig sind positive Ergebnisse dieser Politik bei den Investitionen und bei der Produktivität nicht zu erkennen. Auch in der Schweiz bleiben die Einkommen der großen Mehrheit der Bevölkerung hinter der Produktivitätsentwicklung zurück, was zu weiterer funktionsloser Ungleichheit führt. Das ist fatal: Anstatt die Investitionen in Sachkapital und die Binnenwirtschaft zu stärken, drängen wir die Wirtschaft immer mehr in den Export und in spekulative Anlagen. Damit verstärken wir die Instabilität des Systems und spalten die Gesellschaften Europas. Angesichts dessen geht die 1:12 Initiative in die richtige Richtung und deshalb unterstütze ich sie”, sagt Heiner Flassbeck. Hier eine Stellungnahme von ihm und Friederike Spiecker zu der Schweizer Volksinitiative „1 : 12 – Für gerechte Löhne“ angestoßen von den dortigen Jungsozialisten unterstützt von der SP, den Grünen, dem Schweizerischen Gewerkschaftsbund und der Gewerkschaft Unia. Am 24. November 2013 wird darüber abgestimmt.

ZEIT WISSEN klärt Irrtümer zum demografischen Wandel auf

„Werden wir wirklich zu alt? Vier Irrtümer über den Demografiewandel + eine Bitte an den Deutschen Bundestag“. – So ist ein Dossier [PDF – 810.2 KB] im ZEIT Magazin vom 07.10.2013 überschrieben. Wenn man sich seit Mitte der siebziger Jahre mit dem demographischen Wandel beschäftigt hat und in den NachDenkSeiten seit 2003 und davor in anderen Publikationen ständig über diese Irrtümer geschrieben hat, dann haut es einen angesichts dieser Erkenntnisse „vom Hocker“. Aber besser spät als gar nicht. Deshalb können wir Kritiker der Dramatisierung des demographischen Wandels angesichts dieses Medienereignisses nur froh und dankbar sein. Danke vielmals an „ZEIT WISSEN“ für die Genehmigung zur Übernahme. Albrecht Müller.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

Chance 2020 – Die INSM will es noch einmal wissen (3/4)

Als vor fast 10 Jahren die NachDenkSeiten das Licht der Welt erblickten, kritisierte Albrecht Müller in unserem allerersten Artikel eine Kampagne der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM). Seitdem begleiten uns die Kampagnen der INSM in steter Regelmäßigkeit – wer auf den NachDenkSeiten nach „INSM“ such, kommt auf stolze 1.320 Treffer. Wie zu befürchten war, versucht die INSM nun auch mit einer aktuellen Kampagne Einfluss auf die kommenden Koalitionsverhandlungen zu nehmen. Da die maßgeblich von Wolfgang Clement erarbeitete aktuelle Kampagne mit dem Namen „Chance 2020“ im Grunde alter neoliberaler Wein aus neuen Schläuchen ist, auf den wir bereits unzählige Male inhaltlich eingegangen sind, wollen wir Ihnen an dieser Stelle eine vierteilige Serie anbieten, in denen wir Ihnen zahlreiche Gegenargumente zu den 21 Forderungen der Chance 2020 an die Hand geben. Im dritten Teil geht es heute um die Themenfelder „Bildung“ und „Sozialversicherung“.  Von Jens Berger.

Welche Verantwortung kommt der Lohnpolitik bei der Lösung der Euro-Krise zu?

Beitrag für die Nachdenkseiten von Friederike Spiecker

Die Eurokrise spitzt sich von Woche zu Woche zu und droht, die ersten konjunkturellen Schwächeanzeichen in einen klaren Abwärtstrend der Realwirtschaft zu verwandeln, der mutmaßlich ein noch gravierenderes Ausmaß als bei der Lehmann-Pleite annehmen dürfte. Wie sollen sich die deutschen Gewerkschaften, allen voran die IG Metall als eine der führenden Arbeitnehmerorganisationen, in der nächsten Lohnrunde angesichts dieser Ausgangslage positionieren? Sollen sie in ihre Lohnforderungen die drohende negative Entwicklung der Konjunktur vorausschauend einbeziehen und sich damit die Früchte des bisherigen Aufschwungs entgehen lassen? Müssen sie also auf den Verlauf der Eurokrise „flexibel“ reagieren? Oder können sie aktiv auf deren Verlauf Einfluss nehmen, sie also entschärfen helfen und, wenn ja, wie könnte das konkret gehen?

6,5 Millionen fehlende Fachkräfte? Wie eine zweifelhafte Zahl das Licht der Welt erblickte

Unter dieser Überschrift verschickte der Mathematiker und Statistiker Gerd Bosbach das interessante Ergebnis seiner und seines Kollegen Korff Recherchen zu einer im Mai publizierten Warnung des Chefs der Bundesagentur für Arbeit, Frank-Jürgen Weise, im Jahre 2025 würden 6-7 Millionen Fachkräfte in Deutschland fehlen. Wir weisen auf den Artikel von Bosbach/Korff hin, weil er in vieler Hinsicht interessant ist. In den deutschen Medien wurde Bosbachs Bericht nahezu nicht wahrgenommen. Er wundert sich darüber, ich nicht. Denn so ist die Medienlage. Was nicht in die Linie des üblichen Kampagnenjournalismus passt, wird einfach ignoriert. Was passt, wird vielfältig und in Variationen publiziert und propagiert. Albrecht Müller.

Weniger Urlaub für die Südeuropäer?

Eine Entgegnung auf Jens Bergers Beitrag „Die Kanzlerin der Stammtische“ von Heiner Flassbeck.
Nun ist es endlich raus, was schief läuft in Euroland. Frau Merkel sagt (lt. WELT online vom 18.5.): „Wir können nicht eine Währung haben und der eine kriegt ganz viel Urlaub und der andere ganz wenig. Das geht auf Dauer auch nicht zusammen.“ Jetzt kann man endlich verstehen, warum für die schwere Krise in Euroland offenbar keine Lösung gefunden werden kann. Die europäische Tragödie ist laut der deutschen Bundeskanzlerin die Folge der Weigerung der Südeuropäer, auf Urlaub zu verzichten. Diese Äußerung zeigt aber besser als alles bisher Gesagte, was wirklich die europäische Tragödie ausmacht: Die Unfähigkeit unserer Spitzenpolitiker und ihre ökonomischen Berater auch nur im Ansatz zu begreifen, was eine Währungsunion bedeutet und wie sie funktioniert.

Sachverständigenrat – 2070: Rente erst ab Ableben

Zu diesem Ergebnis würde man vermutlich kommen, wenn man die „Prognosen“ des jüngsten Gutachtens des sog. „Sachverständigenrats“ [PDF – 2.6 MB] fortschriebe. 2060 ist der SVR immerhin schon bei einem gesetzlichen Renteneintrittsalters von 69 Jahren angekommen.
Wenn man von vorneherein unterstellt, dass alle anderen Stellschrauben zur Bewältigung des demografischen Wandels festgezurrt sind, dann bleibt eben nur der Ausweg, dass eine älter werdende Bevölkerung eben länger arbeiten muss, egal ob sie das will oder kann. Um die vom SVR ausgemachte „Tragfähigkeitslücke“ für die Sozialen Sicherungssysteme endgültig zu schließen, folgt nach dieser fixen Idee in absehbarer Zeit unausweichlich der Vorschlag den Renteneintritt erst kurz vor dem Ableben festzusetzen. Von Wolfgang Lieb

Von der Traufe in den Regen, von der Cholera zur Pest – so sehen viele die Entscheidung am Sonntag.

Der NachDenkSeiten Leser K.-H. Goll untermauert diese seine Beobachtung mit der These, dass sowohl Schwarz und Gelb als auch Rot und Grün an der Aushöhlung der Sozialstaatlichkeit weiter arbeiten würden. Er demonstriert dies am erstaunlichen Akt der Vorstellung eines neuen Buches von Gabor Steingart durch Joschka Fischer. Die Sorge halte ich für berechtigt und komme am Ende darauf zurück. Zunächst aber der Text von K.-H. Goll. Albrecht Müller.