Schlagwort:
Ypsilanti, Andrea

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Ypsilanti, Andrea

Betrifft den Kampf um Hessen – Zeichen für die Auszehrung demokratischer Verhältnisse

Man muss neidlos anerkennen: Der versammelten konservativen Rechten aus Union, Wirtschaft und Medien ist es im Falle Hessens wieder einmal gelungen, den Durchbruch einer alternativen Machtkonstellation auf der linken Seite des politischen Spektrums zu verhindern. Jetzt wird auch noch daran gestrickt, die Ursachen dieser die Demokratie bedrohenden Alternativlosigkeit und die Ursachen der Beschädigung der SPD zu vernebeln. Albrecht Müller.

Zum Polit-Debakel in Hessen:

„Die Abgeordneten sind Vertreter des ganzen Volkes“ – aber Parteispezies und Interessenklüngeler schaden der Demokratie
Während das erbärmliche Getöse über das chaotisch wirkende hessische Polit-Geschachere im deutschen Blätterwald schon wochenlang hysterische Formen aufweist und die elektronischen Medien ebenso verrückt zu spielen scheinen, hilft der Blick in die Verfassung dieses Bundeslandes weiter. „Die Abgeordneten sind Vertreter des ganzen Volkes“ ist in Paragraf 77 zu lesen. Und wenn man die hessische Verfassung durchsucht nach Koalitionsvoraussetzungen oder ähnlichen Bedingungen für die Wahl des Regierungschefs durch einen neugewählten Landtag, findet man nichts. Also kann es doch im Sinne dieser Verfassung und der dadurch fundierten Demokratie – nach dem bisherigen Scheitern der Vorweg-Koalitionsbemühungen – nur eine einzige Konsequenz geben: Roland Koch und Andrea Ypsilanti sind praktisch qua Verfassung verpflichtet, bei der konstituierenden Sitzung des Landtages am 5. April in Wiesbaden zur Wahl des Regierungschefs anzutreten. Und wer dabei in der obligaten geheimen Wahl der 110 Abgeordneten mindestens 56 Stimmen erhält, ist ordentlich gewählter Ministerpräsident. Alles übrige? Offen. Von unserem Leser Klaus Manthey, Berlin

Dass Andrea Ypsilanti nicht wagt, sich zur Wahl zu stellen, ist verständlich.

Zu den Hintergründen verweisen wir auf die Schnelle auf einige frühere Einträge in den NachDenkSeiten:

  • 21.1.2008: Was Clement mit Ypsilanti macht, haben die Rechten in der SPD schon immer mit Kandidaten gemacht, deren Richtung ihnen nicht passte. Mehr…
  • 22.2.2008: SPD im politischen Schachmatt. Mehr…
  • 25.2.2008: Anti-Rot-Rot-Kampagne der herrschenden Meinungsmacher in Deutschland auf vollen Touren. Und nun Pro Schwarz-Grün. Mehr…
  • 26.2.2008: Nochmals: Die SPD in einer strategischen Falle. Mehr…
  • 3.3.2008: Handlanger der Konservativen. Mehr…

Wenn Sie weiterblättern, finden Sie noch mehr Einschlägiges. Albrecht Müller.

Handlanger der Konservativen

An der simplen Frage, ob die gegen den hessischen Ministerpräsidenten Koch im Wahlkampf angetretene Andrea Ypsilanti im neu gewählten Landtag als Ministerpräsidentin kandidieren soll oder darf, entzünden sich seit der Hessenwahl immer heftigere Attacken der Schröderianer in der SPD gegen die Linke und gegen Kurt Beck. Diese Angriffe werden unterstützt, ja sogar inszeniert durch eine beispiellose Medienkampagne.
Der durch diese Kanonade erzeugte Pulverdampf versperrt die Sicht auf die tatsächlichen Kampflinien: Es geht um den geradezu hysterischen Kampf für die Fortsetzung einer von einer größer werdenden Mehrheit abgelehnten Politik. Wolfgang Lieb

Nochmals: Die SPD in einer strategischen Falle

Auch wenn die SPD-Spitze – wohl nur um Druck auf die FDP zu einer Ampelkoalition auszuüben – es Hessens Kandidatin Andrea Ypsilanti jetzt freistellte, mit den Stimmen der Linken Regierungschefin zu werden, bleibt das strategische Dilemma für die Sozialdemokraten bestehen. Dazu Anmerkungen eines regelmäßigen Lesers der NachDenkSeiten aus Sofia/Bulgarien

BamS: „Beck soll weg“

Das fordert laut Bild am Sonntag jeder 4. SPD-Wähler für den Fall, dass Beck „in Hessen mit den Linken paktiert“. Mit viel größerer Berechtigung hätte die Aufmacherschlagzeile so lauten müssen: Mehr als drei Viertel, nämlich 76% aller SPD-Wähler, fordern Beck nicht zum Rücktritt auf, wenn sich Hessens SPD-Chefin mit den Stimmen der Linken zur Ministerpräsidentin wählen ließe. 62 Prozent sagen ausdrücklich „Nein“, Beck sollte nicht weg, 13 Prozent haben keine Meinung, nur 24 Prozent sind der Meinung der BamS.
Bild verdreht mit seiner Schlagzeile also die von ihr bei Emnid in Auftrag gegebene Umfrage über die Meinung der SPD-Wähler über Beck ins glatte Gegenteil. Wolfgang Lieb.

Anti-Rot-Rot-Kampagne der herrschenden Meinungsmacher in Deutschland auf vollen Touren. Und nun Pro Schwarz-Grün.

Zunächst geschrieben vor Schließung der Wahllokale: In Ergänzung des Beitrags von Wolfgang Lieb „SPD im politischen Schachmatt“ vom 22.2. weise ich auf die Massivität der Kampagne hin, mit der in den deutschen Medien versucht wird, das Schachmatt zu zementieren und dem bürgerlichen Lager die Macht auf Dauer durch Ausschluss der Linken aus den parlamentarischen Kooperationsmöglichkeiten zu sichern. Beispielhaft weise ich auf Bild am Sonntag und SpiegelOnline hin. Bei SpiegelOnline folgte in den letzten Tagen eine Top-Meldung zum Thema nach der anderen. Albrecht Müller.

SPD im politischen Schachmatt

So haben es die Union und die FDP gerne: die SPD kann auf Jahre hinaus keinen Regierungschef mehr stellen, und ihre schönen Wahlprogramme sind politisch blockiert. Überall dort, wo es in den Parlamenten künftig fünf Parteien gibt, kann kein Herausforderer der SPD mehr gegen einen Kandidaten der CDU antreten, denn er könnte ja von einer „linken“ Parlamentsmehrheit gewählt werden. Wie beim Mindestlohn im Bundestag müssen in Zukunft die SPD-Fraktionen gegen ihre eigenen, politischen Vorschläge stimmen, wenn sie in den Parlamenten zur Abstimmung gestellt würden, denn es könnte ja sonst sein, dass solche Konzepte mit den Stimmen der Linken eine parlamentarische Mehrheit bekämen. Die SPD macht sich handlungsunfähig und stellt sich selbst ins politische Schachmatt – und die Schröderianer wollen das sogar so. Wolfgang Lieb.

Die Parteien in Hessen im Wortbruch-Dilemma

„Was wir vor der Wahl gesagt haben, gilt auch noch der Wahl“, sagt die FDP von Parteichef Guido Westerwelle bis zu Jörg-Uwe Hahn, dem Vorsitzenden der Hessen-FDP: also dürfte es keine Ampel in Hessen geben. Der Spitzenkandidat der Grünen, Tarek Al-Wazir, hatte nur ein Ziel, nämlich seinen Intimfeind Roland Koch aus der Regierung zu kegeln: also dürfte es in Hessen keine Jamaika-Koalition geben. Andrea Ypsilanti hat noch am Wahlabend jede „wie auch immer geartete Zusammenarbeit“ mit der Linken abgelehnt: also dürfte es in Hessen keine SPD-Ministerpräsidentin und eben auch keine wie auch immer geartete Zusammenarbeit zwischen Rot-Rot-Grün geben. Der hessische SPD-Generalsekretär sieht „keine Möglichkeit für eine große Koalition“. Ypsilanti unter Koch, „das geht nicht gut“ sagte die SPD-Spitzenkandidatin: also wird es keine Große Koalition geben. Es wird keine also keine Regierungsmehrheit in Hessen geben, ohne „Wortbruch“. Wolfgang Lieb

Die „vernünftige Mehrheit“ für Hessen. Mit einer Freiheit-oder-Sozialismus-FDP!

Der SPD-Vorsitzende Beck hat gestern im heute-journal-Interview (vermutlich auch auf anderen Kanälen) die Linke eine unzuverlässige Protestpartei genannt, die nicht einmal ein gemeinsames Programm habe. So könne man nicht regieren. Er forderte hingegen eine „vernünftige“ Mehrheit. Offensichtlich soll aus seiner Sicht die hessische FDP ein Element der Vernunft in diese Mehrheit einbringen. Ich habe mir daraufhin das zweifelhafte Vergnügen bereitet, das (Kurz-)Wahlprogramm der Hessen-FDP 2008 [PDF – 36 KB] zu lesen und kann jedem Befürworter einer „vernünftigen“ Mehrheit mit der Hessen-FDP nur empfehlen, dieses Papier zu lesen. Es ist über weite Strecken hohle neoliberale Ideologie und gipfelt in der Wiederbelebung der Parole „Freiheit oder Sozialismus“. In den 70ern operierte die CDU/CSU mit diesem Gespenst. Was die SPD damals – zumindest 1972 – zurückgeschlagen hat, soll aus Sicht der SPD-Führung die hessische Wahlsiegerin Ypsilanti heute als Einladung zum Koalitionsschmaus verstehen. Guten Appetit. Albrecht Müller.

Eine erste Einschätzung der Landtagswahlen in Hessen und Niedersachsen

Das Wahlergebnis in Niedersachsen lässt sich in nackten Zahlen so zusammenfassen:
CDU mit 42,5 % (-5,8 %) und SPD mit 30,3 % (-3,1 %) haben Stimmenanteile verloren. FDP und Grünen bleiben bei rund 8 % stabil, die Linke mit 7,1 % gewinnt 6,4 % dazu.
In Hessen erreichte die CDU mit Roland Koch 36,8 %, ist also mit minus 12,2 % auf ihr schlechtestes Wahlergebnis seit 42 Jahren eingebrochen, blieb aber um Haaresbreite stärkste Partei. Die als glaubwürdiger und sympathischer eingeschätzte Andrea Ypsilanti hat die SPD mit 36,7 % im „sozialdemokratischen Kernland“ (Koch) um 7,8 % von ihrem schlechtesten auf ihr zweitschlechtestes Ergebnis wieder etwas hochgezogen. Die Grünen verlieren 2,6 % und die FDP gewinnt 1,4% dazu. Die Linke gewinnt aus dem Stand 5,1 %.
Fazit:

  • In ganz Deutschland etabliert sich ein Fünf-Parteien-System, die Linke ist im Westen angekommen.
  • In Hessen gäbe es eine linke Mehrheit. Ohne die Linke im Landtag hätte Koch mit der FDP die Regierungsmehrheit.
  • Das Kalkül von Koch ist nicht aufgegangen: die schweigende Mehrheit steht nicht hinter seinem ausländerfeindlichen Populismus.
  • In Niedersachsen ging der Niedergang der SPD weiter, deren Kandidat Jüttner konnte offenbar das Wahlkampfmotto „Gerechtigkeit kommt wieder“ nicht glaubwürdig vertreten. Die SPD kommt auf ihr schlechtestes Wahlergebnis überhaupt.
  • Schwarz-gelbe Mehrheiten sind also möglich, wenn die SPD keine glaubwürdige, soziale Alternative bietet.

Wolfgang Lieb

Was Clement mit Ypsilanti macht, haben die Rechten in der SPD schon immer mit Kandidaten gemacht, deren Richtung ihnen nicht passte

Als ich jetzt las, Wolfgang Clement (SPD) warne vor der Wahl von Andrea Ypsilanti und der SPD in Hessen, da erinnerte ich mich gleich mehrerer ähnlicher Vorgänge in der Vergangenheit. Immer war deutlich zu spüren: Die Rechten in der SPD (früher die Kanalarbeiter, dann die Seeheimer und heute bis hin zu den Netzwerkern) haben nur dann ein wirkliches Interesse an der Macht im Staat, wenn sie auch die Politik ihrer Partei bestimmen. An einem Wahlsieg von Andrea Ypsilanti haben sie vermutlich weit über Wolfgang Clement hinaus kein Interesse. Wahrscheinlich gilt das auch zum Beispiel für den Bundesfinanzminister Steinbrück, dessen enge Kooperation mit Koch bekannt ist. Über zwei déjà-vus aus der jüngeren Geschichte gleich. Albrecht Müller.