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Titel: Wie die Finanzkrise zur Werbung für Gold und Aktien missbraucht wird – auch vom „Starökonomen“ Max Otte

Datum: 11. Juli 2011 um 16:03 Uhr
Rubrik: Banken, Börse, Spekulation, Euro und Eurokrise, Finanzkrise, Kampagnen/Tarnworte/Neusprech
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Wir haben schon mehrmals darauf aufmerksam gemacht, mit welcher Dreistigkeit und Offenheit in diesen Zeiten für die Anlage des Ersparten in Gold und anderen Edelmetallen geworben wird. Heute machen wir auf drei solcher Vorgänge aufmerksam. Mit den Einlassungen von Professor Max Otte in einem Interview mit Focus unter dem Titel „Die Euro-Rettung ist Demagogie!“ lohnt es, sich ein bisschen mehr zu beschäftigen. Eines kann man schon vorweg sagen: die Produzenten und Händler von Edelmetallen haben offensichtlich ein gut eingeführtes Netz von PR und Lobby einschließlich dazu gehörender so genannter Wissenschaftler. Albrecht Müller.

  1. Zunächst hier eine ziemlich penetrante Werbung von Lars Schall, der sich in einer Mail mit dem Betreff „ein tip von der schönen blauen donau“ kumpelhaft gibt:

    freunde, römer, landsleute!
    wer überlegt, ob es sich noch lohnt, beim “nach golde drängt, am golde hängt…” einzusteigen, oder ob das zeug schon völlig überteuert ist, hier ein paar nunmehr ins deutsche übersetzte argumente aus “wien, wien, du kennst mich up, kennst mich down”:
    “Gold wird weiter gedeihen”

  2. Dann immer wieder der Kopp-Verlag mit seiner schon bekannten Werbung für Gold:

    Werbung für Gold

    Bei Kopp erschien auch eine DVD von Prof. Senf, dem auch einige NachDenkSeiten Leser Glauben schenken.

  3. Nun aber zu Professor Max Otte und seinem Interview im Focus vom 8. Juli.

    Wir wurden von einem Leser der NachDenkSeiten darauf aufmerksam gemacht; er hatte das „sehr pointierte Interview mit Max Otte“ in den Hinweisen und Artikeln vom vergangenen Freitag „vermisst“. Zu Recht vermisst, wie ich nach Lektüre dieses Interviews glaube und begründen möchte.
    Hier die Quelle zum Artikel „Die Euro-Rettung ist Demagogie!“

    1. Der erste Teil ist mit Ausnahme der im Titel enthaltenen und für mich einfach nicht verständlichen Behauptung, die Euro-Rettung sei Demagogie, durchaus akzeptabel und teilweise sympathisch:
      • dass von der Rettung der Griechen mit Milliarden vor allem die Banken, die Investmentbanken und Superreichen profitieren, die sich mit griechischen Anleihen verzockt haben,
      • dass die Banken allenfalls einen symbolischen Beitrag für die „Griechenland-Rettung“ leisten werden,
      • dass die Angst vor dem Flächenbrand geschürt wird, um zu verhindern, dass die Banken und Superreichen „ihren Teil dazu beitragen, um das angerichtete Desaster zu beheben“,
      • dass nicht alle Banken systemrelevant sind, was bei Otte durchklingt,
      • dass sich die Steuerzahler hierzulande wehren sollten usw.,

      das sind akzeptable Feststellungen und Forderungen. Sie werden in einem sehr forschen Ton vorgetragen.

    2. Diese Tonlage zusammen mit den zitierten Aussagen fördert dann auch die Glaubwürdigkeit für Feststellungen, die höchst fragwürdig sind:
      • Die Bundesregierung sei „eingeknickt, was die Stabilitätsfragen des Euro angeht“
      • Professor Otte bewundert das „Erfolgsmodell Bundesbank“ und den „grundsatztreuen ehemaligen Bundesbankpräsident Axel Weber.“
      • Die EZB entferne sich immer mehr vom „Erfolgsmodell Bundesbank“ und damit steige die Gefahr einer Inflation.
      • Der Euro werde scheitern, weil man völlig unterschiedliche nationale Interessen nicht ohne weiteres unter eine gemeinsame Währung zwingen könne.

      Diesen Aussagen kann man, wenn man sachlich an die Schwierigkeiten der europäischen Entwicklung und der Eurozone herangeht, nicht folgen. Otte sieht die Schwächen des Stabilitätspaktes offensichtlich nicht, er hat nicht verstanden, welche Bedeutung die Koordination der Wirtschafts-, Beschäftigungs- und Lohnpolitik gehabt hätte, wenn sie von den deutschen Erfindern und Verfechtern des Stabilitätspaktes nicht ausgeklammert und bekämpft worden wäre. Er verkennt, dass es durchaus Mechanismen der Anpassung in einer Währungsunion auch dann gibt, wenn die einzelnen Völker verschiedene Lebensweise haben und diese weiter pflegen wollen. Wie es in Zeiten der Rezession und der Unterbeschäftigung zur inflationären Entwicklung kommen soll, erklärt der Professor nicht. Usw.

    3. Im dritten Teil des Interviews wird dann klar, zu welchem Zweck die Angst vor Inflation geschürt und die Stabilitätspolitik der Bundesbank gefeiert wird: Professor Otte betätigt sich als Anlageberater und empfiehlt Gold und Aktien.
      1. Um Aktien auf dem jetzigen Niveau glaubhaft empfehlen zu können, muss man den Eindruck vermitteln, dass es nicht wie ab März 2000 und wie Ende 2008 zu einem erneuten Absturz der Aktienkurse kommen könne. Das versucht Otte. Er empfiehlt den Einstieg bei Aktien.
        Um zu sehen, was der Professor hier empfiehlt, sollten Sie sich die Entwicklung der DAX-Aktienkurse auf dieser Abbildung anschauen.

        Entwicklung der DAX-30-Werte zwischen 1960 und 2010

        Entwicklung der DAX-30-Werte zwischen 1960 und 2010

        Sie reicht bis 2010. Am Tag des Erscheinens des Interviews mit Prof. Otte lag der Dax-Wert bei 7402. Angesichts der extremen spekulativen Entwicklung der Aktienkurse mit zwei-maliger Vervierfachung der Kurse und dem fast gleich dimensionierten Absturz ist die Vermittlung von Zuversicht, es könne so weitergehen, ausgesprochen leichtfertig.

      2. Auf die Frage nach einem fühlbaren Goldanteil im Depot antwortet Otte es komme drauf an, was das Ziel des Anlegers sei. Wörtlich:

        „Wenn Sie sagen, ich will zunächst mein Vermögen sichern und weniger auf Rendite schauen, dann bin ich weiter für Gold und andere Edelmetalle. Auch bei 1500 $ je Feinunze ist Gold noch nicht zu teuer.“

        Und weiter:

        „Ich persönlich bin bei Rohstoffen schnell wieder bei Gold. Denn Gold ist ja auch ein Rohstoff. Es ist als Absicherung, als Krisenwährung wirklich interessant, vor allem, wenn das Weltwirtschaftssystem einmal wackelt.“

        Das ist so weit weg von der ansonsten von Professor Otte in Anspruch genommenen volkswirtschaftlichen Betrachtung. Dass die Produktion von Gold und die Anlage von Vermögen in Gold absolut unwirtschaftlich ist, dass es Ressourcenvergeudung ist, ist nicht im Blickwinkel des Professors.

      3. Auch zur Vermögensanlage in Rohstoffen äußert Otte sich positiv. Dass die Anlage und Spekulation in Rohstoffen eine höchst Menschen verachtende Komponente hat, kommt bei ihm nicht vor, natürlich nicht vor.

        Die Perspektive des Anlageberaters dominiert. Sie bestimmt letztlich auch die wirtschafts- und gesellschaftspolitischen Vorstellungen des so genannten Starökonomen Max Otte. Das ist zumindest nach der Lektüre dieses Interviews der vorherrschende Eindruck.


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