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Titel: Hinweise des Tages

Datum: 19. August 2011 um 8:38 Uhr
Rubrik: Hinweise des Tages
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Heute unter anderem zu folgenden Themen: Systemkritik; Sebastian Dullien – Warum Sparorgien den Schuldenschlamassel verschlimmern; Luftnummer Leerverkaufsverbote; US-Aufseher bangen um Europas Banken; Schuldenerlass für Privatversicherte mit Hartz IV; Prekäre Jobs, prekäre Renten; Kassen halten jede zweite Klinikrechnung für falsch; »Zustände kaum noch zu verantworten«; Info-Grafik: Erwerbsminderungsrenten im Sinkflug; „Es gibt keine Waffengleichheit mehr“; SEC gerät wegen Aktenvernichtung unter Beschuss; Ex-Polizeichef jetzt bei Rüstungskonzern; Sicherheit statt Freiheit: Hintergründe zum Anti-Terror-Gesetz; Profite in Armutsregionen; Attac verurteilt Pläne zum Einsatz von Söldnerfirmen; Berlin, du kannst so hässlich sein; Jakob Augstein – Moralische Kernschmelze; Troika der Verlierer; Im düsteren Netz der Eurabia-Blogger; Die Mauer, eine Satire und ihre Opfer (MB/WL/JB)

Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:

  1. Systemkritik
  2. Sebastian Dullien – Warum Sparorgien den Schuldenschlamassel verschlimmern
  3. Luftnummer Leerverkaufsverbote
  4. US-Aufseher bangen um Europas Banken
  5. Schuldenerlass für Privatversicherte mit Hartz IV
  6. Prekäre Jobs, prekäre Renten
  7. Kassen halten jede zweite Klinikrechnung für falsch
  8. »Zustände kaum noch zu verantworten«
  9. Info-Grafik: Erwerbsminderungsrenten im Sinkflug
  10. „Es gibt keine Waffengleichheit mehr“
  11. SEC gerät wegen Aktenvernichtung unter Beschuss
  12. Ex-Polizeichef jetzt bei Rüstungskonzern
  13. Sicherheit statt Freiheit: Hintergründe zum Anti-Terror-Gesetz
  14. Profite in Armutsregionen
  15. Attac verurteilt Pläne zum Einsatz von Söldnerfirmen
  16. Berlin, du kannst so hässlich sein
  17. Jakob Augstein – Moralische Kernschmelze
  18. Troika der Verlierer
  19. Im düsteren Netz der Eurabia-Blogger
  20. Die Mauer, eine Satire und ihre Opfer

Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Systemkritik
    1. Der Kapitalismus zerstört sich selbst
      Die Ungleichgewichte zwischen Superreichen und Mittelstand in den westlichen Industriestaaten werden zu einer Gefahr für Marktwirtschaft und Demokratie. Es gibt nur ein Rezept. […]
      Vereinfacht gesagt sieht die Lage der westlichen Industriestaaten derzeit wie folgt aus: Konzerne und Superreiche haben in den letzten Jahrzehnten ungeheure Vermögen angehäuft und profitieren heute von tieferen Löhnen, billigem Geld und sinkenden Steuern. Der Mittelstand hingegen blutet aus: Die Löhne sinken, die Wohnkosten und die Steuerbelastung steigen. Das Resultat ist eine einbrechende Nachfrage, die im Begriff ist, in eine Verelendungsspirale zu münden. Dieses Phänomen ist Ökonomen bestens bekannt, sei es als «Liquiditätsfalle» oder als «Balance Sheet Recession».
      Vermeintliche Freunde des Kapitalismus, Liberale und Konservative, wollen mit Sparen und Steuersenken der Liquiditätsfalle entrinnen. Das kann unmöglich zum Erfolg führen. Wie soll bei fallenden Löhnen und steigender Arbeitslosigkeit Nachfrage entstehen? Und weshalb sollten Unternehmen investieren, wenn keine Nachfrage besteht?
      Quelle: Tagesanzeiger
    2. Von der Oligarchie des Geldes
      Wenn ein kapitales System am finanziellen Abgrund steht, kommen auch Erzkonservative schon mal ins Grübeln. Hatte oder hat die Linke vielleicht doch recht? So weit gehen, außer Frank Schirrmacher in der FAS, deutsche Medien nicht. Die Oligarchie des Geldes wird dafür im gutbürgerlichen Züricher “Tages-Anzeiger” beschrieben.
      Quelle: Kontext:Wochenzeitung
    3. Reich und Citoyen
      Auch in Frankreich plädieren Vermögende für höhere Steuern
      Es könnte der Anfang einer größeren Initiative sein, hofft das Internetmagazin Rue89, nachdem sich auch im Nachbarland Vertreter der finanziellen Oberschicht dazu bereit erklärt haben, mit höheren Beiträgen dem Staat zu helfen. Allerdings, so schränkt das Magazin im Gegenzug ein, würden die Reichsten der Reichen zu diesem Thema noch schweigen; es gelte noch immer die Drohung, das sie das Land verlassen, wenn die steuerlichen Belastungen zu sehr steigen.
      Quelle: Telepolis
  2. Sebastian Dullien – Warum Sparorgien den Schuldenschlamassel verschlimmern
    Die Sparpakete, die derzeit weltweit verabschiedet werden, hören sich gewaltig an. Wird ja auch Zeit, könnte man denken. Schließlich kann ein Privathaushalt auch nicht dauerhaft mehr ausgeben als er einnimmt. Für Staaten gilt allerdings eine etwas andere Logik: Man darf nicht vergessen, dass die Schuldenlast in absoluten Beträgen wenig aussagt, sondern sich nur im Verhältnis zur Wirtschaftsleistung sinnvoll bewerten lässt. Und anders als ein Privathaushalt haben es Staaten mit ihrer Politik in der Hand, mit Reformen oder richtigen Prioritäten bei den Ausgaben das Wirtschaftswachstum im Land und damit die eigene Leistungsfähigkeit zu beeinflussen. Wer Geld bei der Bildung kürzt, Straßen nicht repariert, oder Firmen mit überflüssiger Bürokratie lähmt, wird langfristig kein robustes Wirtschaftswachstum erwarten. Was viele nicht wissen: Ein Staat mit einer wachsenden Wirtschaft kann sich sogar jedes Jahr neues Geld leihen, ohne dass die Schuldenquote weiter steigt. Diese misst nämlich den Anteil der Miesen an der Wirtschaftsleistung. Wächst die Wirtschaft schneller als der Schuldenberg, geht die Schuldenquote zurück. Für Länder wie Frankreich oder Italien ist dies ein wichtiges Ergebnis: Selbst Italien mit einem Schuldenstand von mehr als 100 Prozent der Wirtschaftsleistung könnte sich weiter ein Staatsdefizit von zwei Prozent leisten, wenn, ja wenn die Wirtschaft um vier Prozent wachsen würde. Das Problem an den heutigen Sparpaketen der Regierungen von Rom bis Washington liegt darin, dass sie die Wachstumsfrage völlig vernachlässigen. Es wird stattdessen sogar billigend in Kauf genommen, dass die Wachstumskräfte durch die Sparpakete beschädigt werden. Die Entschuldung in den USA nach dem Zweiten Weltkrieg lief völlig anders. Damals investierte die Regierung trotz Rekordschulden offensiv in Infrastruktur, Forschung und Bildung. So wurde in den fünfziger Jahren etwa der Bau des umfangreichen US-Interstate-Highway-Systems begonnen. Diese Investition hat nach Meinung vieler Ökonomen das Wachstum in den USA nachhaltig angekurbelt, da die Unternehmen leichter, schneller und billiger ihre Waren transportieren konnten. – Gewissermaßen ist der Fehler der derzeit regierenden Politiker sogar verständlich: Die Finanzmärkte verlangen eine schnelle Korrektur der horrenden Staatdefizite. Diese dringende Frage wird somit oben auf die Agenda gesetzt, die mindestens genauso wichtige Frage der Wachstumspolitik jedoch vernachlässigt.
    Quelle: Spiegel

    Anmerkung Orlando Pascheit: Es versteht sich, dass für einen privaten Haushalt ganz andere Bedingungen vorherrschen als für den Haushalt des Staates. Dennoch lässt sich am Bild der so beliebten schwäbischen Hausfrau ohne weiteres ein wichtiger Aspekt der Haushaltspolitik aufzeigen. Die verschiedenen Bundesregierungen haben seit 1999 den Spitzensteuersatzes von 53 Prozent auf 45 Prozent und die Unternehmenssteuern von knapp 52 Prozent auf heute gut 28 Prozent abgesenkt. Das wäre so, als ob die schwäbischen Hausfrau zu einem bestimmten Zeitpunkt begonnen hat, einen Teil ihres Einkommens regelmäßig ihrer reichen Verwandtschaft zukommen zu lassen, und sich jetztwundert, dass sie mit dem übrig gebliebenen Geld nicht zurechtkommt. Statt nun ihre Spenden an ihre reichen Verwandtschaft zurückzunehmen, fängt sie an, auf kostenpflichtige Vorsorgeuntersuchungen beim Arzt zu verzichten, streicht den Sprachunterricht und das Schwimmbad für ihre Kinder und steigt vom Auto auf das Fahrrad um, wodurch sich ihre Fahrzeit zur Halbtagsarbeit verdreifacht. Nur wird die schwäbische Hausfrau nie und nimmer Einkommen an ihre reiche Verwandtschaft verschenken, aber die Bundesregierung bittet nicht einmal in der Krise die Bestverdienenden zur Kasse, sondern diskutiert mit ihrem Lebensabschnittspartner weitere Steuersenkungen und spart der deutsche Volkswirtschaft die Bedingungen für ein gedeihliches Wachstum weg. Wo bleibt der Ausbau der Bildungsinfrastruktur, wo bleibt die Verlagerung des Güterverkehrs von der Straße auf die Bahn, wo bleibt der Ausbau der Infrastruktur in den sozialen Brennpunkten unserer Städte. Im Gegenteil hier werden wegen der kurzfristigen Ersparnis im wahrsten Sinne des Wortes explodierende Kosten in der Zukunft in Kauf genommen.

  3. Luftnummer Leerverkaufsverbote
    Warum zur Regulierung der Finanzmärkte weiter ausgeholt werden muss und warum eine Positivliste die beste Lösung wäre […]
    Wer das Entstehen von Preisblasen und deren unvermeidbares Platzen verhindern möchte, sollte daher ein wenig weiter ausholen und den Finanzmarktteilnehmern alle Spekulationsinstrumente aus der Hand nehmen und nicht bloß die Möglichkeit der Leerverkäufe. Und damit die Finanzmarktteilnehmer danach nicht sofort andere Finanzinstrumente ersinnen, mit denen sie das alte Spiel neu beginnen, wäre die Einführung einer Positivliste dringend anzuraten. Auf dieser Liste stehen dann – genau definiert – alle Finanzinstrumente, die für die Kreditversorgung und Liquiditätsversorgung der realen Wirtschaft gut und sinnvoll sind. Alle anderen Finanzinstrumente wären dann verboten. Aber die braucht ja auch keiner.
    Quelle: futurefinanceblog
  4. US-Aufseher bangen um Europas Banken
    Die amerikanische Notenbank Fed fürchtet offenbar drastische Auswirkungen der Euro-Krise auf das europäische Bankensystem – und damit auch auf die USA. Vertreter der Fed New York seien “sehr besorgt” über Finanzierungsschwierigkeiten jener europäischen Institute, die in den Vereinigten Staaten aktiv sind, zitiert das “Wall Street Journal” einen Mitarbeiter einer europäischen Großbank.
    Laut der Zeitung hat die New Yorker Fed zuletzt Gespräche mit einigen europäischen Banken geführt. Demnach verlangen die Notenbanker mehr Informationen über die Finanzierungsmöglichkeiten der Institute. Die New Yorker Fed wollte den Bericht nicht kommentieren.
    Quelle 1: SPIEGEL Online
    Quelle 2: Fed Eyes European Banks – The Wall Street Journal
  5. Schuldenerlass für Privatversicherte mit Hartz IV
    Hartz-IV-Empfänger, die einer privaten Krankenversicherung angehören, sollen ihre oft über Jahre angehäuften Beitragsschulden erlassen bekommen. Das sieht ein mit dem Verband der privaten Krankenversicherung (PKV) ausgehandelter Kompromiss vor, wie ein Sprecher des Bundesgesundheitsministeriums bestätigte.
    Im Gegenzug solle die Privatversicherung die staatlichen Zuschüsse zur Kranken- und Pflegeversicherung künftig direkt von den Jobcentern und Sozialhilfeträgern überwiesen bekommen. Damit hätten sie die Gewähr, dass die Betroffenen dieses Geld nicht anderweitig verwenden.
    Quelle: WELT
  6. Prekäre Jobs, prekäre Renten
    Die durchschnittlichen Rentenanwartschaften in den neuen Bundesländern sind von 1992 bis 2010 um 26,5 Prozent gesunken. Das berichtete die Leipziger Volkszeitung am Mittwoch unter Berufung auf Berechnungen des Bundesarbeitsministeriums. In einer Antwort auf eine kleine Anfrage der Linken wies der Parlamentarische Staatssekretär Andreas Storm (CDU) aber auch darauf hin, daß der durchschnittliche Zahlbetrag für die Rentner im selben Zeitraum um gut 70 Prozent gestiegen sei. Der Durchschnittswert liege mit 850 Euro im Osten deutlich über dem entsprechenden Westwert von 713 Euro. Allerdings kommen im Westen viel öfter als im Osten z.B. Betriebsrenten, private Kapitalanlagen oder Wohneigentum zur gesetzlichen Alterssicherung hinzu.
    Quelle: Junge Welt
  7. Kassen halten jede zweite Klinikrechnung für falsch
    Nicht korrekte Kodierung oder Patient zu lange behandelt: Fast jede zweite Klinikabrechnung ist falsch, sagen die Kassen. […]
    Die Kassen sind sauer, dass sie den Krankenhäusern für jede geprüfte, aber für richtig befundene Rechnung eine Aufwandspauschale von 300 Euro bezahlen müssen.
    Umgekehrt muss ein bei einem Abrechnungsfehler erwischtes Krankenhaus lediglich das zuviel erhaltene Geld zurückzahlen.
    Quelle: Ärztezeitung
  8. »Zustände kaum noch zu verantworten«
    Alltag in Krankenhäusern: Wie Streichungen von Pflegestellen Patienten gefährden. Ein Gespräch mit Prof. Michael Isfort
    Quelle: Junge Welt
  9. Info-Grafik: Erwerbsminderungsrenten im Sinkflug
    Der Eintritt von Erwerbsminderung geht mit einem erhöhten Armutsrisiko einher. Seit Inkrafttreten der Reform der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit zum 1. Januar 2001 befinden sich die durchschnittlichen Zahlbeträge neu bewilligter Erwerbsminderungsrenten im Sinkflug. Diese Entwicklung gilt bundesweit – und besonders ausgeprägt für Versicherte, die im Land Bremen wohnen. Die Lohnersatzfunktion der Rente ist kaum noch gewährleistet.
    Quelle: Arbeitnehmerkammer Bremen [PDF – 113 KB]
  10. „Es gibt keine Waffengleichheit mehr“
    Die Lokführergewerkschaft GDL erreicht mit Streiks nur noch wenig. Ihr Chef Claus Weselsky sagt der SZ warum.
    Es ist still geworden im Konflikt der Lokführergewerkschaft GDL mit einer Handvoll Privatbahnen. Wer nicht auf die Vogtlandbahn angewiesen oder auf den Lausitzstrecken der Odeg unterwegs ist, merkt kaum, dass der Streit um die von der GDL geforderten Einheitstarife für alle Lokführer weiter schwelt. Zumal nach der betrieblichen Einigung bei der Veolia-Tochter Mitteldeutsche Regiobahn auch in und um Leipzig Frieden herrscht. Die GDL will gleiche Arbeitsbedingungen für alle Lokführer auf dem Niveau der Deutschen Bahn (DB). Die Situation ist verfahren. Streiks verpuffen, weil sich zu wenige beteiligen, Ersatzbusse oder die Chefs selbst fahren. Wie weiter? Die SZ fragte GDL-Chef Claus Weselsky.
    Quelle: Sächsische Zeitung

    Anmerkung Thorsten Hild: Man muss nicht für Spartengewerkschaften sein, und doch sollte man dem Niveau und der Aussagekraft von Weselsky Anerkennung zollen – wie auch dem Journalisten. Wann haben wir ein so konsequentes und gut geführtes Interview zuletzt vom DGB-Vorsitzenden gelesen? Der schreibt lieber wachsweiche Artikel mit dem SPD-Vorsitzenden, ohne diesen und seine Partei mit einem Wort wegen der Agenda 2010 und ihrer verheerenden Folgen für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zur Rede zu stellen.

    Ergänzende Anmerkung MB: Das ist das Prinzip der Privatisierung. Privatisierung der Gewinne und Sozialisierung von Kosten und Verlusten.

  11. SEC gerät wegen Aktenvernichtung unter Beschuss
    Ein langjähriger SEC-Mitarbeiter gab den Tipp, der Republikanische Senator Charles Grassley macht den Fall nun publik: Die amerikanische Börsenaufsicht soll Akten im Fall Madoff und anderen prominenten Ermittlungen entsorgt haben.
    Quelle 1: FAZ
    Quelle 2: S.E.C. Files Were Illegally Destroyed, Lawyer Says – New York Times
  12. Ex-Polizeichef jetzt bei Rüstungskonzern
    Knapp zehn Monate nach seiner Entlassung hat Hessens Ex-Polizeichef Norbert Nedela einen neuen Job. Der frühere Landespolizeipräsident ist jetzt Berater eines Waffen- und Rüstungskonzerns. Den Grünen im Landtag geht das zu schnell.
    Quelle: Hessischer Rundfunk
  13. Sicherheit statt Freiheit: Hintergründe zum Anti-Terror-Gesetz
    Gestern hat das Bundeskabinett einer Verlängerung der sogenannten Anti-Terror-Gesetze um weitere vier Jahre zugestimmt. Das ursprüngliche „Gesetz zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus“ war als Reaktion auf die Terroranschläge vom 11. September 2001 von der damaligen Bundesregierung vorgeschlagen worden. Nach der Zustimmung von Bundestag und Bundesrat trat es am 1. Januar 2002 in Kraft und war zunächst auf fünf Jahre befristet.
    Quelle: Jacob Jung
  14. Profite in Armutsregionen
    Mit einer breiten Debatte um sein neues “entwicklungspolitisches Konzept” intensiviert der Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit, Dirk Niebel (FDP), die Einbindung privater Unternehmen in die Netzwerke der sogenannten Entwicklungspolitik. Das neue Konzept, das der Minister Anfang August der Öffentlichkeit vorgestellt hat, beinhaltet Niebels Forderung, die Entwicklungshilfe künftig erheblich enger mit der Wirtschaft zu koordinieren. Dazu hat Niebels Ministerium schon zuvor ein ausführliches “Eckpunkte-Papier” erstellt. Darin enthalten sind Vorgaben, wie die Berliner Entwicklungspolitik zukünftig zugunsten expandierender deutscher Firmen zu gestalten sei. Die aktuelle Debatte um das “entwicklungspolitische Konzept” soll Kreise, die nach wie vor unternehmenskritisch eingestellt sind, einbeziehen und damit Widerstände gegen Niebels Politik aushebeln. Zu den ökonomischen Zielen des Entwicklungsministeriums gehören die gewinnbringende Erschließung von Armutsmärkten sowie ein direkter Zugriff auf die Rohstoffe vor allem afrikanischer Länder. Niebel zufolge lässt sich der Ertrag der sogenannten Entwicklungshilfe für deutsche Firmen präzise in Euro beziffern.
    Quelle: German Foreign Policy
  15. Attac verurteilt Pläne zum Einsatz von Söldnerfirmen
    Das globalisierungskritische Netzwerk Attac verurteilt die Pläne der Bundesregierung, bewaffnete nichtstaatliche militärische Sicherheitsdienste für den Schutz deutscher Handelsinteressen einzusetzen. Wie aus Koalitionskreisen am Mittwoch bekannt wurde, will die Bundesregierung plane das Waffenrecht so verändern, dass privaten Sicherheitsfirmen der Umgang mit schweren Waffen erlaubt wird und Söldner deutsche Handelsrouten – beispielsweise vor der Küste Somalias – schützen können.
    “Hierbei geht es um nichts anderes als um das Outsourcing militärischer Aufgaben. Um Völkerrecht und Grundgesetz zu umgehen, setzt die Regierung auf den Einsatz privater Söldnerfirmen”, sagte Mike Nagler vom bundesweiten Attac-Koordinierungskreis. “Damit unterstützt die Bundesregierung die Ausweitung der kriegstreiberischen Geschäfte dieser Firmen, die auch rechtlich in einer Grauzone operieren. Es bereitet heutzutage kaum noch Schwierigkeiten, die Konventionen der Vereinten Nationen oder der Afrikanischen Union zu umgehen, die den Einsatz von Söldnern verbieten.”
    Deutsche Söldnertrupps sind seit Jahren in den verschiedensten Konfliktgebieten der Welt im Einsatz, unter anderem in Somalia, im Irak und in Afghanistan. Bei den aktuellen Plänen handelt es sich laut Attac um eine weitere Abgabe des staatlichen Gewaltmonopols – um eine Privatisierung der Gewalt. Durch das Outsourcing werde die parlamentarische Kontrolle umgangen, Kriegsführung vertuscht und eine Berichterstattung über die Aktivitäten im Ausland erschwert oder verhindert.
    Quelle: attac
  16. Berlin, du kannst so hässlich sein
    Autobrände, fremdenfeindliche Aufkleber und linke Blockwarte: Das Klima in der Hauptstadt wird zunehmend rauer. Unverbesserliche Überzeugungstäter wollen Wohlhabende aus bestimmten Bezirken Berlins vertreiben, Zusatzopfer nehmen sie billigend in Kauf. Zwar scheut die Politik bislang den Begriff “Terror” – doch die Strategie der Linksautonomen folgt der Logik des Terrors.
    Quelle: Süddeutsche

    Anmerkung unseres Lesers H.H.: Noch vor ein paar Tagen blickte Europa nach London, wo Jugendliche Häuser anzündeten und Geschäfte plünderten. Wie auf Knopfdruck setzte darauf hin in Deutschland die Diskussion ein, ob “so etwas” auch hierzulande möglich wäre. Auf die Idee, den Ursachen für derartige Taten auf den Grund zu gehen, kommt leider niemand.

    dazu: Wo es in Berlin wirklich brennt
    […] Hohe Mieten sind der Tod des bunten Lebens. Das ist überall in der Welt zu besichtigen. Doch die Berliner Politikkaste verschließt sich dieser Binsenweisheit. Mietpreisbindungen, Milieuschutz – bis vor rund zehn Jahren gehörte das noch zum politischen Repertoire, heute sind solche Regulierungsverfahren tabu. Die Brandstifter werden das nicht ändern.
    Quelle: taz

  17. Jakob Augstein – Moralische Kernschmelze
    Der Westen erlebt sein soziales Fukushima. Die Gerechtigkeit steht auf dem Spiel. Wer wird siegen: die Demokratie oder der Kapitalismus? […]
    Die Neoliberalen können jetzt neben den Linken ihren Platz auf dem Scherbenhaufen der Ideologien einnehmen. Die Linken müssen deswegen nicht frohlocken. Sie kranken seit jeher daran, dass sie die Idee der Gerechtigkeit nicht mit der Idee der Freiheit verbinden können. Die Partei Die Linke hat sich das Wort „links“ unter den Nagel gerissen so wie die FDP seinerzeit das Wort von der Freiheit. Das bekommt den Begriffen nicht. Sie degenerieren in der politischen Abnutzung. Wenn Gesine Lötzsch und Klaus Ernst, das unwürdige Gezänk über die traurige DDR-Vergangenheit, Sahra Wagenknecht und ihr Haufen von DDR-Vertriebenen, die in Wahrheit nicht mal mehr als politische Folk­lore taugen – wenn all das links ist, wer will dann links sein?
    Quelle: Der Freitag

    Anmerkung JB: Kann es sein, dass Jakob Augstein sich zu oft mit Nikolaus Blome trifft? Anstatt sich auch nur im Ansatz mit politischen Inhalten der Partei „Die Linke“ auseinanderzusetzen, drischt der Salon-Sozialist in „bester“ BILD-Manier auf die DDR-Vergangenheit der Linkspartei ein. Man kann zum nostalgischen Umgang einiger Linken-Politiker mit dem Thema DDR durchaus eine kritische Meinung haben – es ist jedoch armselig, die Linke auf dieses Thema zu reduzieren. Augsteins Anmerkung, die Linke habe sich das Wort „links“ unter den „Nagel gerissen“, ist ebenfalls reichlich abstrus. Wenn alle anderen Parteien in die vielzitierte Mitte streben, entsteht auf der linken Seite nun einmal ein Vakuum, das nur noch gefüllt werden muss. Die Linke indirekt dafür verantwortlich zu machen, dass die anderen Parteien mit linker Politik nichts mehr am Hut haben wollen, ist nicht nur eine Umkehrung von Ursache und Wirkung, sondern sogar schäbig. Augsteins Artikel über die „moralische Kernschmelze“ ist vielmehr eine publizistische Kernschmelze.

    Anmerkung AM: – Sie kranken seit jeher daran, dass sie die Idee der Gerechtigkeit nicht mit der Idee der Freiheit verbinden können.
    AM: Augstein erweist sich als dümmlicher nachplappernder Ideologe. wo ist der Beleg?
    – Dafür müsste sich Die Linke aber endlich von dem Gedanken verabschieden, die Vollendung der Gesellschaft liege jenseits des parlamentarischen Systems.
    AM: Belege bitte. Und wie steht es mit den anderen Parteien, die machen, was die Finanzindustrie will? Wird damit der Ruf des parlamentarischen Systems gefördert?

    Anmerkung MB: Mit Manchem hat Augstein sicher recht, über Manches kann man streiten. So war das Verhalten mancher Linker – nicht der Linken – zum 50. Jahrestags des Mauerbaus sicher sehr ungeschickt. Der Vergleich – hoffentlich – vorüber gehender Krawalle in Großbritannien mit der Reaktorkatastrophe von Fukushima ist einfach nur daneben.

  18. Troika der Verlierer
    Spätestens seit dem Auftritt von Steinbrück, Steinmeier und Gabriel in Berlin ist wieder einmal von einer »Troika« in der SPD die Rede. Noch ist nicht entschieden, wer Kanzlerkandidat wird, diese Entscheidung will die SPD erst im Herbst kommenden Jahres treffen. Wie es scheint, will sich Gabriel darauf beschränken, als Herr des Verfahrens zu erscheinen. Steinmeier, der »Technokrat der Macht«, stände wieder bereit, die besseren Aussichten scheint indes Steinbrück zu haben. »Er distanziert sich so nachhaltig von der SPD, dass dieser Partei wahrscheinlich nichts anderes übrigbleiben wird, als ihn zum Kanzlerkandidaten zu machen«, schrieb Kurt Kister in der Süddeutschen Zeitung. »Steinbrück zieht die Vertreter der veröffentlichten Meinung an wie ein Magnet«, konstatierte Majid Sattar in der FAZ. Er fühle sich »jenem politischen Pragmatismus zu sittlichen Zwecken verbunden, den Helmut Schmidt als Maxime politischen Handelns formuliert hat«, schreibt Peer Steinbrück in seinem Buch »Unterm Strich«, das im vergangenen September veröffentlicht wurde und einige Aufmerksamkeit erhielt. Seine größten Unterstützer hatte Schmidt, mit dem gemeinsam Steinbrück voraussichtlich Ende Oktober sein nächstes Buch veröffentlichen wird, während seiner aktiven Zeit stets in konservativen Kreisen. Für sie war er »der richtige Mann in der falschen Partei«. Das hat er mit Steinbrück gemeinsam, den der Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt als einen Politiker lobt, »der weiß, wovon er spricht, und der den Mut hat, richtige Entscheidungen auch gegen Widerstände zu treffen«. Dass damit keine Entscheidungen gegen Widerstände der Unternehmer gemeint sind, versteht sich von selbst. Steinbrück will die Politik Gerhard Schröders fortsetzen. Denn auch auf Schröder hält er große Stücke. Es handele sich um einen guten, weil »atypischen« Politiker. Die »Agenda 2010« von Schröder und Fischer sei »gegen den Strich eigener Positionen und Überzeugungen, aber im übergeordneten Interesse des Landes verkündet« worden. Damit nicht genug, der Sozialabbau muss Steinbrück zufolge weitergehen: »Der langjährig gültige bundesrepublikanische Konsens lag in dem Versprechen, der Sozialstaat solle den sozialen Status jedes einzelnen Bürgers erhalten und ihm einen durchschnittlichen Lebensstandard garantieren«, schreibt er in seinem Buch. Dieses Versprechen ist zwar nie wirklich eingelöst worden, aber inzwischen hält Steinbrück es auch für »heute nicht mehr finanzierbar«. »Reformen haben, anders als Ende der sechziger Jahre, Anfang der siebziger Jahre und in der ersten Zeit nach der Ära Kohl, keine Konjunktur in Deutschland«, klagt Steinbrück. Dass seine »Reformpolitik« vor allem die Armen träfe, schert ihn nicht sonderlich. Es gebe eine der SPD ziemlich unversöhnlich gegenüberstehende Wählerklientel: Langzeitarbeitslose, geringqualifizierte Arbeiter, Gewerkschaftsmitglieder von Mitte 40 bis Ende 50. Diese Klientel lasse sich nicht mehr zurückzugewinnen. Ihr stehe »mit der Linkspartei eine inzwischen etablierte politische Formation als Alternative zur Verfügung«. Steinbrück schlägt vor: »Die SPD überlässt der Linkspartei ihre rund zehn Prozent bundesweit, von denen sie ihr kaum etwas abjagen kann.« Stattdessen sollten sich die Sozialdemokraten »auf die fetteren Weiden« verlegen, die sogenannte gesellschaftliche Mitte.
    Quelle: Jungle World
  19. Im düsteren Netz der Eurabia-Blogger
    Im Internet tummelte sich Breivik unter Gesinnungsgenossen: Skandinavien ist zu einem der bevorzugten Verbreitungsgebiete der islamfeindlichen Bloggerszene geworden. Als radikal fiel er unter Anhängern der „Eurabia-Verschwörung“ nicht auf.
    Quelle: FAZ
  20. Die Mauer, eine Satire und ihre Opfer
    Die ganze Nation feierte am vergangenen Wochenende den Mauerfall? Die ganze Nation: Eine Satirepartei und eine kleine Tageszeitung mit Osthintergrund in Berlin-Mitte verweigerten sich
    Quelle: Telepolis

    Anmerkung JB: Was darf Satire? Alles! (Kurt Tucholsky) Obgleich einem bei der Mauerbau-Satire der jW schon einmal die Spucke wegbleiben kann.


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