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Titel: Hinweise des Tages

Datum: 10. November 2011 um 9:07 Uhr
Rubrik: Hinweise des Tages
Verantwortlich:

Heute u. a. zu folgenden Themen: Marktkonforme Demokratie, Wissenschaftler kritisieren Krisenpolitik, keine Angst vor der Notenpresse, The Global Debtclock, Lohnentwicklung, Mindestlohn, der Entgrenzung und Verfall der Arbeitszeit entgegenwirken, leichter Rückgang bei den offenen Stellen, Riester-Rente, Lobbykratie-Medaille, Abzocke bei der Altersvorsorge, wissenschaftliches Fehlverhalten, Aufruf zum Bildungsstreik, zu guter Letzt. (RS/WL)

Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:

  1. Marktkonforme Demokratie
  2. Mehr als 50 Wissenschaftler kritisieren Krisenpolitik
  3. Lucas Zeise – Keine Angst vor der Notenpresse
  4. The global debt clock
  5. Lohnentwicklung 2000 bis 2010: Ein für die Arbeitnehmer verlorenes Jahrzehnt
  6. Mindestlohn: Merkel stoppt die CDU
  7. IG Metall: Der Entgrenzung und dem Verfall von Arbeitszeit entgegenwirken
  8. Leichter Rückgang bei den offenen Stellen
  9. Riester-Rente: Auch nach zehn Jahren viele offene Fragen
  10. Die Kandidaten für die Lobbykratie-Medaille 2011
  11. Das Geschäft mit der Angst: Abzocke bei der Altersvorsorge
  12. Plagiate nicht die einzigen Fälle von wissenschaftlichem Fehlverhalten
  13. Aufruf zum Bildungsstreik am 17. November
  14. Zu guter Letzt: Volker Pispers: Versprochen ist versprochen

Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Marktkonforme Demokratie
    1. With Berlusconi Gone Will Europe’s Leaders Be Able to Save the Euro?
      The best outcome now would be what Italians call an emergency or “technical” government — an inauspicious term, admittedly. The president would appoint a respected nonpolitician as prime minister and tell him to push through stabilizing fiscal measures like those Berlusconi agreed to but failed to speed through.
      Mario Monti, a technocrat and former EU commissioner, has been suggested for the role. He commands respect at home and abroad, and would be a good choice. His task would be far from easy: He would have to win support in Parliament for unpopular tax increases, spending cuts and reforms to pension and employment law.
      Quelle: Bloomberg
    2. Kommt jetzt die “Techniker-Regierung”?
      Die zweite Möglichkeit ist die Einsetzung einer so genannten „Techniker“-Regierung, geführt von einem Externen, mit der präzisen und zeitlich begrenzten Aufgabe, Reformen anzugehen und das Wahlrecht zu verändern.
      Quelle: Handelsblatt
    3. Regierungskrise in Italien
      Seine Entscheidung zum Rücktritt solle die Finanzmärkte beruhigen, die das Vertrauen in die Fähigkeiten Italiens verloren haben: “Die Märkte glauben nämlich nicht mehr, dass Italien in der Lage ist, die nötigen Maßnahmen durchzusetzen. Darüber müssen wir uns Sorgen machen. Wir werden den Finanzmärkten beweisen, dass wir es ernst meinen.”
      Quelle: Die Welt

      Anmerkung WL: Wie schrieb doch unlängst der liberale Frank Ankersmit, Prof. für intellektuelle Geschichte an der Reichsuniversität Groningen im niederländischen Handelsblatt: „Für die Neoliberalen sind die gesellschaftlichen Belange Unsinn“ und „der Neoliberalismus kennt allein private Belange und will auf diese Weise in den Feudalismus zurück“.
      Gabor Steingart vom Handelsblatt dreht in seinem „Handelsblatt Morning Briefing“ Ursache und Wirkung wieder einmal und schiebt den schwarzen Peter wie üblich der Politik zu:
      „Man kann Ratingagenturen und Finanzinvestoren weiter beschimpfen. Man könnte sie aber auch loben: Sie sorgen mit brutaler Härte für die Umsetzung jener Prinzipien, die in diversen Stabilitätspakten und auch im Maastricht-Vertrag fixiert und danach gebrochen wurden. Den Verlust des Politischen haben die Politiker selbst zu verantworten. Sie haben sich – nicht nur in Italien und Griechenland – mit ihrer Kreditsucht in die Hände der Dealer begeben. Nun werden sie von ihnen auf Entzug gesetzt. Es ist derzeit so und nicht anders: Die Ratingagenturen nehmen jenes heilige Budgetrecht wahr, das den Parlamentariern zusteht, das sie aber nicht wahrgenommen haben.

    4. The emergence of the Frankfurt Group has turned back the democratic clock
      Electorates are being bypassed as increasing austerity pushes Europe’s weaker countries into an economic death spiral
      Quelle: The Guardian
  2. Mehr als 50 Wissenschaftler kritisieren Krisenpolitik
    Finanzmärkte regulieren und Einkommen gerecht verteilen.
    Die öffentliche Diskussion um die „Schuldenkrise“ vor allem in Griechenland, aber auch Irland, Portugal, Spanien und Italien geht von einer falschen Diagnose aus und kommt so zu einer Therapie, die das Problem verschärft und nicht beseitigt. Es war keineswegs die Prasserei der öffentlichen Hand, die zu den aktuellen Zahlungsschwierigkeiten der Länder des Euro-Raums geführt hat.
    Ursache des hohen Schuldenstandes war die Finanzmarkt- und Wirtschaftskrise, die vergleichsweise harmlos als Hypotheken-Kredikrise 2007 in den USA begann, sich dann aber zu einer globalen Krise von historischem Ausmaß weiterentwickelt hat. Es handelt sich dabei um eine Krise des finanzmarktgetriebenen Kapitalismus, der auf spekulativen Blasen beruht, die zwangsläufig irgendwann platzen müssen. Als es soweit war, waren die Banken von Insolvenz bedroht und die Staaten eilten ihnen mit Milliardenkrediten und Bürgschaften zur Hilfe. Gleichzeitig führte die Kreditklemme der Banken zu einer Rezession, wie man sie seit 1949 nicht mehr erlebt hatte. Damit stiegen die Ausgaben der Staaten extrem und die Einnahmen brachen weg. Die „Schuldenkrise“ ist also keine neue Krise, sondern die Fortsetzung der globalen Finanzkrise. Dazu kommt das Problem, dass der Eurozone eine einheitliche Sozial-, Steuer- und Lohnpolitik fehlt, weil die marktradikale Ideologie trotz einheitlicher Währung an der Konkurrenz der Euro-Staaten auf den Weltfinanzmärkten festhielt.
    Quelle: Stellungnahme zur Krisenpolitik
  3. Lucas Zeise – Keine Angst vor der Notenpresse
    Die EZB soll nicht die Schulden von Staaten finanzieren, sagen Kritiker – diese Scheinheiligen wollen aber in Wahrheit nur, dass Privatbanken weiter als Mittler daran verdienen können. […]
    Ohne einen Schwenk zur Staatsfinanzierung durch die Notenbank, ohne dass das Verbot der Finanzierung des Staates durch die Notenbank gebrochen wird, kann diese Krise nicht gelöst werden. […] Die Lizenz zum Gelddrucken haben in unserem Geldsystem die privaten Geschäftsbanken. Sie können alles Geld, das sie in Form von Einlagen oder sogar Eigenkapital zur Verfügung haben, in Staatsanleihen investieren. Diese Staatsanleihen reichen sie als Sicherheit bei der Zentralbank ein und holen sich zum Leitzins frisches Geld, mit dem sie sich wiederum frische Staatsanleihen besorgen – und immer so weiter.
    Die Zentralbank finanziert also in unserem Geldsystem bereits ganz ordinär und regelmäßig den Staat. Sie tut es allerdings vermittelt durch Intermediäre, wie die Banker sich zuweilen nennen und bei denen denn auch der Gewinn vorwiegend hängen bleibt. Das bei uns geltende Verbot der Staatsfinanzierung durch die Zentralbank müsste eigentlich, um der gängigen Praxis Genüge zu tun, korrekt lauten: Die Zentralbank darf andere Staatsinstitutionen nur unter Gewinnbeteiligung von Privatkapital finanzieren.
    Wer die Staatsfinanzierung durch die Zentralbank ablehnt, tut dies mit dem Inflationsargument. […] Nehmen wir einmal an, es gelänge, den scheinheiligen Widerstand der deutschen Notenbanker und ihres zahlreichen Anhangs bei Banken und in der Publizistik zu überwinden. Nehmen wir also an, die EZB würde im großen Stil Schulden der Euro-Staaten auf ihre Bilanz nehmen: Müssten wir mit massiver Geldvermehrung rechnen? Hätten wir eine galoppierende Inflation zu befürchten, wie im Deutschen Reich 1919 ff., als die Kriegskosten monetarisiert wurden? Nichts davon.
    Quelle: FTD

    Anmerkung JB: Danke, Herr Zeise! Endlich einmal ein namhafter Journalist, der das Kartell des Schweigens bricht.
    Auch die NachDenkSeiten haben sich bereits mit diesem Thema befasst.

    Dazu:

    Paul Krugman – This Is The Way The Euro Ends
    […] Every even halfway plausible route to euro salvation now depends on a radical change in policy by the European Central Bank. Yet as John Quiggin says in today’s Times, the ECB has instead been part of the problem. I believe that the ECB rate hike earlier this year will go down in history as a classic example of policy idiocy. We would probably still be in this mess even if the ECB hadn’t raised rates, but the sheer stupidity of obsessing over inflation when the euro was obviously at risk boggles the mind.
    Quelle: New York Times

  4. The global debt clock
    Our interactive overview of government debt across the planet.
    Quelle: The Economist

    Anmerkung unseres Lesers T.S.: An sich ganz nett, was aber an den Karten noch fehlt: bei wem sind die einzelnen Länder verschuldet? Das würde doch die ganze verlogene Misere zeigen, wie sie wirklich ist.

  5. Lohnentwicklung 2000 bis 2010: Ein für die Arbeitnehmer verlorenes Jahrzehnt
    In den vergangenen zehn Jahren reichten die Lohnsteigerungen in Deutschland kaum, um die Teuerung auszugleichen. Längst sind es nicht mehr nur einzelne Gruppen von Arbeitnehmern, die sich mit einer bescheidenen Lohnentwicklung zufrieden geben müssen. Stagnierende oder sogar rückläufige Reallöhne sind mittlerweile ein weit verbreitetes Phänomen, das Männer und Frauen, Teil- und Vollzeitbeschäftigte, einfache Arbeiten und Akademikerjobs, niedrige und gehobene Gehaltsklassen trifft. Das zeigt eine neue Arbeitsmarktstudie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin), die im aktuellen Wochenbericht vorgestellt wird.
    Zwischen 2000 und 2005 blieben vor allem die Bezieher geringer Entgelte bei der Lohnentwicklung zurück. Danach entwickelten sich die kaufkraftbereinigten Stundenlöhne auch in den mittleren Lohngruppen nur schwach. Nicht einmal die Höchstverdiener konnten sich von diesem Trend abkoppeln: Brutto kamen sie seit 2005 zwar noch auf leichte Zuwächse, netto wurden diese aber durch den Schwund der Kaufkraft aufgezehrt. Über alle Lohngruppen hinweg sanken die mittleren Bruttostundenlöhne im gesamten Zeitraum von 2000 bis 2010 um durchschnittlich 2,3 Prozent. Da sich bei den Nettolöhnen hingegen die Wirkungen von Steuern und Sozialabgaben bemerkbar machten, gab es hier einen Anstieg von 1,4 Prozent in zehn Jahren.
    Nicht viel anders sieht die Lage bei den Monatseinkommen aus, die allerdings auch wegen des Trends zur Teilzeitarbeit gedrückt wurden. Zwischen 2000 und 2010 sanken die durchschnittlichen realen Bruttoerwerbseinkommen der Arbeitnehmer pro Monat bei  acht von zehn Gehaltsgruppen. Die Spannbreite des Rückgangs lag dabei zwischen etwa einem und 23 Prozent. Lediglich die beiden obersten Gruppen konnten zwischen 2000 und 2010 reale Einkommenssteigerungen verbuchen. Insgesamt sanken die monatlichen Bruttoerwerbseinkommen im Mittel um 4,2 Prozent.
    „Große Verluste mussten diejenigen Arbeitnehmer hinnehmen, die etwa wegen Arbeitslosigkeit oder Erziehungsurlaub zwischenzeitlich ohne Beschäftigung waren“, so Grabka. Arbeitnehmer dagegen, bei denen es nicht zu einer Unterbrechung der Berufstätigkeit kam, konnten Einkommensgewinne von durchschnittlich zwölf Prozent realisieren. „Insgesamt sind ihre Zuwächse jedoch kleiner als die Einkommensverluste bei Arbeitnehmern mit Erwerbsunterbrechungen. Betrachtet man beide Gruppen zusammen, ergibt sich ein Minus von vier Prozent.“  
    Quelle 1: DIW
    Quelle 2: DIW Wochenbericht [PDF – 810 KB]

    Entwicklung der Tarifloehne

    Quelle: WSI Mitteilungen [PDF – 410 KB]

    (Diese Grafik bildet nur die Tariflöhne ab, dort liegt die Lohnentwicklung in Deutschland höher als wenn man die gesamten Löhne berücksichtigt. Aber immerhin zeigt sich auch da wie Deutschland zurückgefallen ist. (WL))

    Anmerkung WL: Kein Wunder also, dass sich die „preisliche Wettbewerbsfähigkeit“ Deutschlands gegenüber dem Euro-Raum ständig verbessert hat. Ausweislich der Statistik der Deutschen Bundesbank hat sich diese Wettbewerbsfähigkeit seit 1998 um 8,7% verbessert, während sie sich etwa bei Griechenland um 9% oder bei Spanien gar um 10,3% verschlechtert hat. Kein anderes Land hat seine preisliche Wettbewerbsfähigkeit auch nur annähernd so verbessern können.

  6. Mindestlohn: Merkel stoppt die CDU
    Wenige Tage vor dem CDU-Parteitag stellt sich Kanzlerin Merkel gegen ihre Partei: Ein Mindestlohn sei zwar notwendig. Er solle sich aber nicht an den Tarifen der Zeitarbeitsbranche richten. Damit wendet sich die Kanzlerin gegen den zentralen Parteitags-Antrag.
    Quelle: FR

    Anmerkung RS: Wenn es darum geht, dass man von täglich acht Stunden Arbeit leben und seine Familie ernähren können soll, und dass der Mindestlohn dies absichern soll, dann fragt es sich, warum der Mindestlohn branchenspezifisch sein soll. Sind Lebenskosten etwa branchenspezifisch?
    Ach, ja, die CDU ist bei diesem Thema gerade deshalb unglaubwürdig, weil es jedem klar sein müsste, dass es der CDU nicht darum geht, die Lage der Geringverdiener zu verbessern, sondern, nur Stimmenfang zu betreiben.

  7. IG Metall: Der Entgrenzung und dem Verfall von Arbeitszeit entgegenwirken
    Laut Tarifvertrag liegt die Wochenarbeitszeit in der Metall- und Elektroindustrie in Westen bei 35 Stunden und im Osten bei 38 Stunden. Tatsächlich summierte sich die Arbeitszeit in dieser Branche im ersten Quartal 2011 auf durchschnittlich 41 Stunden in der Woche… Dieses Plus an Arbeit müssen die Beschäftigten großteils in Form von Mehrarbeit erbringen. Firmenleitungen schaffen meist keine neuen Jobs. Oft übernehmen sie noch nicht einmal die Auszubildenden unbefristet. Sie setzen auf möglichst viel Flexibilität, vergeben Werkverträge, stellen Leiharbeitnehmer oder befristet Beschäftigte ein…
    In 68 Prozent der Betriebe hat der Leistungsdruck zugenommen. In vielen Fällen verfällt Zeitguthaben. Das gaben 66 Prozent der Betriebsräte an. Und in jedem zweiten Unternehmen erhalten neu eingestellte Beschäftigte nur einen befristeten Vertrag…
    Viele Firmen erwarten von ihrer Belegschaft Flexibilität. Arbeitszeiten werden nicht nur immer weiter verlängert. Wenn die Auftragsfrist knapp ist, arbeiten Beschäftigte auch mal am Wochenende oder in der Nacht. Diese Arbeitszeiten belasten die Gesundheit…
    Unter dem Motto der ‘Selbstständigkeit’ wird den Beschäftigten mehr Autonomie und Verantwortung für das Arbeitsergebnis übertragen. Diese neue unternehmerische Steuerungsform führt dazu, dass sich in vielen Fällen die Grenzen zwischen Arbeits- und Privatsphäre auflösen. Erholung und Privatleben können kaum gelingen, wenn die Arbeitnehmer ständig erreichbar sind und unterwegs oder zu Hause arbeiten müssen…
    Die Arbeit ist ungleich zwischen Männern und Frauen verteilt. Männer arbeiten durchschnittlich länger, Frauen häufig in Teilzeit. Vor diesem Hintergrund ist es nicht verwunderlich, dass Frauen länger arbeiten wollen und Männer kürzere Arbeitszeiten anstreben. So wollen 30 Prozent der Männer ihre Wochenarbeitszeit um mindestens 1,6 Stunden verkürzen. 45 Prozent der Teilzeit arbeitenden Frauen wollen dagegen länger arbeiten.
    Quelle: IG Metall
  8. Leichter Rückgang bei den offenen Stellen
    Im dritten Quartal 2011 gab es knapp 920.000 offene Stellen auf dem ersten Arbeitsmarkt, zeigt eine Betriebsbefragung des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB). Das sind 105.000 mehr als vor einem Jahr, aber 56.000 weniger als im zweiten Quartal 2011.
    780.000 offene Stellen entfielen auf Westdeutschland. In Ostdeutschland suchten die Betriebe 140.000 neue Mitarbeiter.
    Die Zahl der sofort zu besetzenden Stellen blieb relativ stabil und lag bei 689.000. Die Zahl der später zu besetzenden Stellen sank dagegen verglichen mit dem zweiten Quartal 2011 um knapp 18 Prozent auf 231.000. „Dies deutet darauf hin, dass sich die Erwartungen der Betriebe im Hinblick auf die zukünftige wirtschaftliche Entwicklung eintrüben und die Arbeitgeber bei ihren mittelfristigen Personalplanungen vorsichtiger werden“, so IAB-Forscher Martin Dietz.
    Der Anteil der offenen Stellen, die der Arbeitsagentur bekannt sind, steigt im dritten Quartal 2011 auf 54 Prozent.
    Das IAB erfasst viermal jährlich das gesamte Stellenangebot, also auch jene Stellen, die nicht den Arbeitsagenturen gemeldet werden. Im dritten Quartal 2011 wurden 9.000 Arbeitgeber aller Wirtschaftsbereiche befragt.
    Quelle: Ergebnisse der IAB-Erhebung zum Gesamtwirtschaftlichen Stellenangebot (EGS) [PDF – 45 KB]

    Anmerkung WL: Zur Problematik der Betriebsbefragungen durch das IAB: Wie kommt die Bundesagentur für Arbeit zu den gemeldeten Stellen?
    Im Januar dieses Jahres schrieb uns ein Leser zu den Betriebsbefragungen folgendes: Als Betroffener der sich ausgiebig damit beschäftigt ist mir natürlich aufgefallen, dass die Redundanz immer mehr zunimmt. (jobboerse.arbeitsagentur.de) So bleiben Stellen, die schon lang besetzt sind, einfach in der Datenbank bestehen. Zeiträume von einem Jahr sind da keine Seltenheit. Die Verpflichtung (gerade im öffentlichen Bereich) zur öffentlichen Stellenausschreibung führt auch oft dazu, dass selbige schon längst besetzt sind, aber aus “formaljuristischen” Gründen trotzdem in der Datenbank mit aufgenommen werden. Ein weiter Punkt ist der stetige Anstieg einer Anonymisierung. Immer seltener findet man Firmen die mit ihren Namen inserieren. So findet man von 10 Angeboten neun von privaten Arbeitsvermittlern. Arbeitgeber leiten sicher ihr Stellenangebot nicht nur an einen AV weiter. Gemessen daran wie viele AV sich regional tummeln (Raum Zwickau ca. 50), kann man nur erahnen, zu was für einer Erhöhung der offenen Stellenangebote das führt. Da steht dann ein und dasselbe Stellenangebot einfach unter unterschiedlichen Namen privater Arbeitsvermittler drin. So waren im Herbst 2010 ca. 420.000 offene Stellen zu besetzen und nun im Januar sind es auf einmal 650.000. Wo kommen die auf einmal her, ist es der Aufschwung? Zieht man von der tatsächlich vorhanden Anzahl die “kleinkriminellen” Stellen (z.B. Vermögensberatung) ab, bleiben meines Erachtens vielleicht 50.000-100.000 Stellen übrig. Eine genaue Zahl kann ich natürlich nicht benennen, wichtig ist mir nur dass man bei der Zahl der Stellenangebote auch sehr vorsichtig sein sollte.

  9. Riester-Rente: Auch nach zehn Jahren viele offene Fragen
    Riester-Sparen soll künftigen Ruheständlern dabei helfen, das reduzierte Niveau der gesetzlichen Rente auszugleichen. Doch ob das funktioniert, ist auch nach zehn Jahren nicht klar. Die Datenlage zum Vorsorgesparen ist sehr lückenhaft, zeigt eine Analyse aus dem Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Institut (WSI) in der Hans-Böckler-Stiftung…
    Der WSI-Experte für soziale Sicherung hat die wissenschaftliche Literatur zur Riester-Rente aufgearbeitet. „Es zeigt sich, dass aufgrund der Forschungslage eine abschließende Bewertung nur für einzelne Aspekte möglich ist, da zu einigen zentralen Fragen keine oder nur lückenhafte Daten vorliegen oder verfügbare Daten teils widersprüchliche Schlüsse zulassen”, lautet Blanks Fazit. „Diese Negativ-Erfahrungen im Kontext der Riester-Rente sollten dringend beachtet werden, wenn tatsächlich eine steuerlich geförderte private Pflege-Zusatzversicherung konzipiert werden sollte“, sagt der Wissenschaftler. Darauf haben sich die Koalitionsspitzen am vergangenen Wochenende geeinigt.
    Bei der Riester-Rente sieht der Forscher auch an ganz grundsätzlichen Punkten noch erheblichen Klärungsbedarf:
    Wie viele Personen nutzen die Vorsorge? So viel ist aus Berichten der Bundesregierung bekannt: Bis Ende Juni 2011 wurden knapp 14,8 Millionen Riester-Verträge abgeschlossen. Die Deutsche Rentenversicherung führte Mitte 2010 11,6 Millionen Konten, über die Zulagen an Riester-Sparer gezahlt werden können. Die genaue Zahl derjenigen, die einen Anspruch auf Riester-Förderung hätten, ist jedoch nicht exakt bekannt. 2007 waren nach Schätzungen 38,6 Millionen Menschen anspruchsberechtigt.
    Zudem bleiben blinde Flecken. So rechnen Wissenschaftler damit, dass beispielsweise im Jahr 2008 rund fünf Prozent der neu abgeschlossenen Verträge von den Sparern wieder storniert wurden. Diese Zahlen fließen zwar in die Statistik ein. Warum aus dem Vorsatz zur Vorsorge dann aber doch nichts wurde, ist unbekannt. Andere Studien belegen, dass etliche Sparer mit laufenden Verträgen die Förderung nur zum Teil ausschöpfen, andere lassen den Sparkontrakt ruhen. Auch hier ist unerforscht, woran das liegt.
    Kaum Daten zur Rendite. Für Versicherungen und Banken ist die Riester-Rente ein Milliarden-Markt. Anlageprodukte, zu denen der Staat eine Zulage zahlt, müssen vom Bundeszentralamt für Steuern geprüft werden. Bis Ende Januar 2011 hatte die Behörde mehr als 5.100 Produkte als “riesterfähig” zertifiziert. Auch wenn davon nur ein Bruchteil aktiv vertrieben wird, ist der Markt extrem unübersichtlich, zeigt Blanks Auswertung. Systematische Überblicke über Kosten und Renditen der Riester-Produkte fehlen.
    Ungeklärt ist beispielsweise, ob die Anlagen tatsächlich durchschnittlich vier Prozent Rendite pro Jahr bringen – so, wie es bei Einführung der Zusatzvorsorge erwartet worden war. Die Bundesregierung konnte zu diesem für die Wirksamkeit des neuen Systems entscheidenden Aspekt bislang keine Daten liefern. Analysen und Simulationsrechnungen von Wissenschaftlern kommen zu unterschiedlichen Ergebnissen. Einzelne Studien im Auftrag von Verbraucherschützern, die eine Auswahl von Produkten unter die Lupe nahmen, stellten bei etlichen davon große Defizite fest: Die Kostenstrukturen des Vertrags seien für den Kunden oft intransparent, bei der Auszahlung im Alter gebe es selbst innerhalb einer Produktgruppe “dramatische Unterschiede”…
    Mitnahmeeffekte. Einige, aber nicht alle Untersuchungen kommen zu dem Schluss, das die Riester-Förderung erhebliche Mitnahmeeffekte auslöst: Personen, die bislang ohnehin schon Geld für den Ruhestand zurückgelegt haben, würden andere Sparformen durch ein Riester-Produkt ersetzen, um in den Genuss der Förderung zu kommen.
    Quelle: idw

    Dazu:

    Milliarden für Riester-Rente

    Quelle: Hans-Böckler-Stiftung

  10. Die Kandidaten für die Lobbykratie-Medaille 2011
    Quelle: LobbyControl
  11. Das Geschäft mit der Angst: Abzocke bei der Altersvorsorge
    Hajo Köster, Bund der Versicherten: “Das große Problem ist natürlich, dass wenn ich 50 Euro hier einbezahle, landen ja nicht 50 Euro in irgendwelchen Fonds, sondern der Versicherungsvertreter möchte bezahlt werden, das Unternehmen möchte bezahlt werden, das macht es ja nicht für gratis für lau, sondern die möchten ja Gewinne machen. Wir haben es mal nachgerechnet, etwa 15,5% steckt nur an Provision und an Kosten in solchen Verträgen, das heißt wenn ich 40 000 Euro einzahle fast komm ich ja hin sind 6000 Euro sofort weg.”…
    Niels Nauhauser, Verbraucherzentrale Baden-Württemberg: “In rund 9 von 10 Fällen haben Verbraucher Produkte abgeschlossen, die nicht ihren Bedürfnissen entsprechen, sei es, weil sie zu riskant sind, zu unflexibel oder zu teuer. Wir schätzen den Schaden auf rund 50 bis 100 Milliarden Euro jedes Jahr.“
    Quelle 1: ARD Mediathek
    Quelle 2: Text der Sendung [PDF – 30 KB]
  12. Plagiate nicht die einzigen Fälle von wissenschaftlichem Fehlverhalten
    Es bedarf deutlicher Änderungen im Wissenschaftssystem, um wissenschaftlichem Fehlverhalten vorzubeugen. Das war dem öffentlichen Fachgespräch im Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung am Mittwochvormittag zu entnehmen. Dabei waren sich die Experten einig, dass wissenschaftliches Fehlverhalten nicht allein mit Anti-Plagiatssoftware bekämpft werden kann. Zudem sei wissenschaftliches Fehlverhalten kein neues Phänomen und lasse sich nicht nur an Plagiaten festmachen.
    Als ein „Kernstück“ der Problematik nannte Professor Stefan Hornbostel vom Institut für Forschungsinformation und Qualitätssicherung die Betreuung von Doktoranden. So gebe es viele externe Promotionen, die nicht in einen universitären Forschungskontext eingebunden seien. Bei ihnen könne der Betreuer die Arbeitsfortschritte nur schwer beobachten. Als weitere Probleme nannte Hornbostel unter anderem die häufig nicht formalisierten Aufnahmeprozeduren und die ungeregelte Erfassung von Promovierenden. Dies habe zur Folge, dass es in Deutschland keine belastbaren Aussagen über die Zahl der Promovierenden, über Abbrüche und Promotionsdauer gebe.
    Auch gebe es keinen „zuverlässigen Überblick über die Intensität wissenschaftlichen Fehlverhaltens“, ergänzte Wolfgang Löwer, Professor für Öffentliches Recht und Wissenschaftsrecht in Bonn und Sprecher der Beratungs- und Vermittlungseinrichtung „Ombudsman für die Wissenschaft“. Er wies darauf hin, dass Plagiate – wie jüngst bei „spektakulären Fällen“ – nicht der „einzige Brennpunkt“ seien. Vor allem im Bereich der Naturwissenschaften sei auch die Manipulation von Daten ein Problem, etwa durch die Unterdrückung von Falsifikationshinweisen, die die Arbeitshypothese gefährden könnten…
    Quelle: Deutscher Bundestag
  13. Aufruf zum Bildungsstreik am 17. November
    Wir, die UnterzeichnerInnen dieses Papiers, rufen alle SchülerInnen, Studierenden, Auszubildenden, LehrerInnen, Dozierenden und alle, die sich für Bildung einsetzen wollen, zum Bildungsstreik für Solidarität und freie Bildung auf. Am und um den 17. November 2011 sollen Demos, Proteste, Besetzungen und andere Aktionen stattfinden. Wir wollen damit die Bildungspolitik verändern, Menschen politisieren und Selbstorganisation stärken. Wir stellen uns dabei in den Zusammenhang mit den Jugend- und Sozialprotesten weltweit sowie mit den „Global Weeks of Action“ vom 07. bis 20. November.
    Quelle: Bundesweiter Bildungsstreik
  14. Zu guter Letzt: Volker Pispers: Versprochen ist versprochen
    Quelle: WDR2


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