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Titel: Hinweise des Tages

Datum: 10. Januar 2012 um 8:42 Uhr
Rubrik: Hinweise des Tages
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Hier finden Sie einen Überblick über interessante Beiträge aus anderen Medien und Veröffentlichungen. Wenn Sie auf “Mehr” klicken, öffnet sich das Angebot und Sie können sich aussuchen, was Sie lesen wollen. (WL/JB)

Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:

  1. Heinz J. Bontrup – Europa geht anders!
  2. Heiner Flassbeck – Direkte Staatshilfe macht’s billiger
  3. Deutschland verdient mit Schulden erstmals Geld
  4. Deutsche Ausfuhren im November 2011: + 8,3 % zum November 2010
  5. Der Süden zieht alle runter
  6. Angela Merkel has the whip hand in an orgy of austerity
  7. Zwei Prozent gegen Transaktionssteuer
  8. Regierung: Liquiditätsprobleme bei Lebensversicherungen “eher unwahrscheinlich”
  9. Social Growth – Model of a Progressive Economic Policy
  10. Merkel und Sarkozy wollen Job-Initiative für Europa starten
  11. Patienten fliehen aus privaten Krankenkassen
  12. Prozess in Lüneburg – Mann nahm Kekse aus Mülltonne
  13. Ausgaben für Heilmittel deutlich gestiegen
  14. Hat der Rechtspopulismus an Bedeutung verloren?
  15. Wen schützt der “Verfassungsschutz”? Ein Plädoyer für seine Abschaffung
  16. Gabriel bietet Kanzlerin Merkel Kooperation an
  17. Eine Botschaft mit nur zehn Zeichen
  18. Virus der Grandiosität bei Wulff, Guttenberg und Co

Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Heinz J. Bontrup – Europa geht anders!
    Der ökonomische Befund ist klar: Die schwerste Weltwirtschaftskrise seit 80 Jahren – und als Folge die „Euro-Krise“ – ist durch eine neoliberale Umverteilung von Einkommen und Vermögen verursacht worden. Die Konsequenz: Überall verfielen die Lohn-, stiegen die Profitquoten. Eine immer geringere Nachfrage nach Konsum- und Investitionsgütern, die einherging mit hoher Arbeitslosigkeit und wachsender Armut, musste, um das kapitalistische Wirtschaftssystem aufrechtzuerhalten, durch Staatsnachfrage und Sozialleistungen sowie durch Privatkredite kompensiert werden. So stiegen parallel sowohl hochkonzentrierte Vermögen als auch die Schulden nicht nur der öffentlichen Haushalte unaufhaltsam an.
    Quelle: E&W Erziehung und Wissenschaft [PDF – 5.5 MB]

    Anmerkung: In der aktuellen Ausgabe von E&W finden sich auch noch Beiträge von Heribert Prantl, Stephan Schulmeister, Markus Sievers, Achim Truger, Michael Schlecht, Robert von Heusinger u.a. zum Thema Eurokrise. Das gesamte Heft, das kostenlos online steht [PDF – 5.5 MB], ist (nicht nur) für Leser der NachDenkSeiten sehr interessant.

  2. Heiner Flassbeck – Direkte Staatshilfe macht’s billiger
    Die EZB gibt Banken großzügig Geld, mit dem die dann Staatsanleihen kaufen sollen. Den Umweg könnte man sich sparen – der Steuerzahler wäre dankbar […]
    Die EZB hat vor Weihnachten den Banken in einem Ausmaß und zu Konditionen Geld geliehen, die alles Bisherige in den Schatten stellen. Fast 500 Mrd. Euro verleiht sie für drei Jahre. […]
    Was aber finanzieren die Banken mit dem Geld? So genau weiß das keiner, aber vergangene Woche sind überraschend die Zinsen für italienische und spanische Staatsschuldtitel, also Bonds, im Laufzeitbereich von zwei bis fünf Jahren stark gefallen. Die Nachfrage nach diesen Titeln war enorm. […] In einer solchen Situation sich selbst Mut zu machen und anzunehmen, “die Banken werden damit Unternehmen finanzieren”, wie vom Präsidenten der EZB zu hören, ist zwar verständlich, aber keine ernst zu nehmende Analyse. […]
    Die Zinsbewegung legt nahe, dass die Banken mit dem von der EZB bereitgestellten Geld in erster Linie Staatstitel von Ländern gekauft haben, die über drei Jahre deutlich höhere Zinsen als ein Prozent bieten. Folglich wurde das Geld der EZB unmittelbar zu den Staaten durchgereicht, die wegen der Liquidität der Banken wesentlich billiger an Geld kommen. Damit wird genau das erreicht, was man verhindern wollte: Die südeuropäischen Länder können sich relativ billig verschulden. Die viel beschworene “Disziplin der Märkte” wird ausgehebelt.
    Allerdings hat die Sache einen Schönheitsfehler: Hätte die EZB die Schuldpapiere direkt am Markt durch eigene Intervention gekauft und für drei Jahre gehalten, hätte sie selbst die Zinsen von den Staaten kassiert, die jetzt den Banken ohne eigene Leistung zufallen. Da der Gewinn der Zentralbank den Staaten zusteht, wäre bei direkter Intervention der Notenbank netto gerechnet die Zinsbelastung der Staaten nahe null gewesen. Das hätte helfen können, die Staatshaushalte zu sanieren.
    Quelle: FTD
  3. Deutschland verdient mit Schulden erstmals Geld
    Novum in der deutschen Geschichte: Der Staat verdient mit Schulden erstmals Geld. Anders als üblich musste er am Montag Investoren bei der Versteigerung von Anleihen nicht mit Zinsen locken, sondern erhält selbst eine Prämie. Beim Verkauf von Geldmarktpapieren mit einer Laufzeit von sechs Monaten nahm der Bund 3,9 Milliarden Euro ein. Der durchschnittliche Zins lag bei minus 0,0122 Prozent, teilte die mit dem Schuldenmanagement betraute Finanzagentur mit. “Das hat es bislang noch nie gegeben”, sagte ein Sprecher zu Reuters. “Die Anleger bezahlen eine gewisse Prämie dafür, dass sie dem deutschen Staat Geld leihen.” Im Dezember gab es noch einen Minizins von plus 0,001 Prozent. […]
    Normalerweise leihen sich die Banken überschüssiges Geld untereinander. Der Geldmarkt ist aber so gut wie ausgetrocknet, weil mit der Schuldenkrise die Gefahr von Bankenpleiten gestiegen ist und sie um ihre Darlehen fürchten. Sie flüchten deshalb in die wenigen als ausfallsicher geltenden Anlagen, zu denen Bundeswertpapiere mit kurzen Laufzeiten gehören.
    Quelle: Der Standard

    Anmerkung JB: Auch wenn diese Entwicklung das Finanzministerium freuen wird, ist sie dennoch ein Zeichen dafür, wie marode das Finanzsystem bereits ist. Wer heute immer noch behauptet, wir hätten es mit einem „Vertrauensverlust gegenüber dem Staat“ zu tun, sollte seinen Kompass einmal neu norden. Die Banken haben ein derart großes Vertrauen in den Staat, dass sie ihm lieber Geld schenken, als es den unsicheren Kantonisten aus den eigenen Reihen gegen gute Zinsen zu verleihen.

  4. Deutsche Ausfuhren im November 2011: + 8,3 % zum November 2010
    Im November 2011 wurden von Deutschland Waren im Wert von 94,9 Milliarden Euro ausgeführt und Waren im Wert von 78,7 Milliarden Euro eingeführt. Wie das Statistische Bundesamt (Destatis) anhand vorläufiger Ergebnisse weiter mitteilt, waren damit die deutschen Ausfuhren im November 2011 um 8,3 % und die Einfuhren um 6,7 % höher als im November 2010. Im Vormonatsvergleich war die Entwicklung von Aus- und Einfuhren kalender- und saisonbereinigt gegenläufig: Während die Ausfuhren gegenüber Oktober 2011 um 2,5 % zunahmen, sanken die Einfuhren um 0,4 %.
    Die Außenhandelsbilanz schloss im November 2011 mit einem Überschuss von 16,2 Milliarden Euro ab. Im November 2010 hatte der Saldo in der Außenhandelsbilanz 13,9 Milliarden Euro betragen. Der Außenhandelsbilanzüberschuss lag im November 2011 kalender- und saisonbereinigt bei 15,1 Milliarden Euro.
    Zusammen mit den Salden für Dienstleistungen (– 0,1 Milliarden Euro), Erwerbs- und Vermögenseinkommen (+ 4,1 Milliarden Euro), laufende Übertragungen (– 3,6 Milliarden Euro) sowie Ergänzungen zum Außenhandel (– 2,3 Milliarden Euro) schloss – nach vorläufigen Berechnungen der Deutschen Bundesbank – die Leistungsbilanz im November 2011 mit einem Überschuss von 14,3 Milliarden Euro ab. Im November 2010 hatte die deutsche Leistungsbilanz einen Aktivsaldo von 14,4 Milliarden Euro ausgewiesen.
    In die Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU) wurden im November 2011 Waren im Wert von 56,0 Milliarden Euro versandt und Waren im Wert von 50,6 Milliarden Euro von dort bezogen. Gegenüber November 2010 stiegen die Versendungen in die EU-Länder um 8,4 % und die Eingänge aus diesen Ländern um 10,6 %. In die Länder der Eurozone wurden im November 2011 Waren im Wert von 37,7 Milliarden Euro (+ 7,7 %) geliefert und Waren im Wert von 35,1 Milliarden Euro (+ 8,8 %) aus diesen Ländern bezogen. In die EU-Länder, die nicht der Eurozone angehören, wurden im November 2011 Waren im Wert von 18,3 Milliarden Euro (+ 9,8 %) ausgeführt und Waren im Wert von 15,5 Milliarden Euro (+15,1 %) von dort eingeführt.
    In die Länder außerhalb der Europäischen Union (Drittländer) wurden im November 2011 Waren im Wert von 38,9 Milliarden Euro exportiert und Waren im Wert von 28,0 Milliarden Euro aus diesen Ländern importiert. Gegenüber November 2010 nahmen die Exporte in die Drittländer um 8,2 % und die Importe von dort um 0,2 % zu.
    Quelle: Statistisches Bundesamt

    Anmerkung WL: Die Leistungsbilanzüberschüsse weiten sich also – wenngleich abschwächend – weiter aus, d.h. die Verschuldung der Euro-Länder steigt weiter.

  5. Der Süden zieht alle runter
    Der Euro rutscht mit einem Gegenwert von 1,2666 Dollar auf das tiefste Niveau seit dem September 2010. Darin spiegelt sich die Angst vor einer Verschärfung der EU-Schuldenkrise.
    Quelle: taz

    Anmerkung JB: Man hat selten so viel Unsinn in einem Artikel gelesen. Währungskurse bilden sich durch Angebot und Nachfrage und werden nicht von Investoren/Spekulanten auf Basis von Vertrauen in Teile des Währungsraum bestimmt. Wenn der Euro nun seit September 2011 an Wert gegenüber dem Dollar verliert, heißt dies lediglich, dass die Nachfrage nach dem Dollar sich stärker entwickelt hat als die Nachfrage nach dem Euro. Angesichts der Sparprogramme und der haugemachten Probleme europäischer Banken ist das auch nicht sonderlich überraschend. Wer aber nun der Meinung ist, dass das Abendland untergeht, nur weil der Euro auf dem „tiefsten Niveau“ seit 15 Monaten notiert, sollte sich einmal die langjährige Entwicklung des Euro-Dollar-Kurses anschauen:

    Von einem dramatischen Wertverlust kann hier wirklich nicht die Rede sein und warum die taz bzw. die dpa, die der taz den Artikel geliefert hat, nun „den Süden“ für die vermeintliche Euro-Schwäche verantwortlich macht, bleibt wohl auch das Geheimnis der beteiligten Journalisten.

  6. Angela Merkel has the whip hand in an orgy of austerity
    The notion that economic pain is the only route to pleasure was once the preserve of the British public school-educated elite, now it’s European economic policy […]
    The language of S&M is also now part of the eurozone discourse. The joint letter sent last month by Sarkozy and Angela Merkel to Herman van Rompuy, president of the European Council, explaining the Franco-German plans for future governance of the single currency stressed “fiscal discipline” and the need to “detect and correct departures from sound economic and fiscal policies long before they become a threat to the stability of the euro area as a whole”.
    There’s plenty of raw material here, given a tweak or two, for a modern version of Leopold von Sacher-Masoch’s Venus in Furs. “Mario, you have allowed the Italian budget deficit to rise above 3% of gross domestic product.” “Yes, mistress Angela, I deserve to be punished for my lack of fiscal discipline. Please do not spare me.”
    Quelle: Guardian
  7. Zwei Prozent gegen Transaktionssteuer
    Nach Treffen von Merkel mit Sarkozy kritisiert Opposition »Rücksichtnahme auf FDP«
    Quelle: Junge Welt
  8. Regierung: Liquiditätsprobleme bei Lebensversicherungen “eher unwahrscheinlich”
    Die großen deutschen Lebensversicherungsgruppen halten 20,56 Prozent ihrer Kapitalanleihen in EU-Staatsanleihen. Dies schreibt die Bundesregierung in ihrer Antwort (17/8225) auf eine Kleine Anfrage der Linksfraktion (17/8047). Zu den Risiken der Geldanlagen heißt es: „In der Praxis wurden Liquiditätsprobleme von Lebensversicherungsunternehmen, Pensionskassen oder Pensionsfonds noch nicht beobachtet und sind auch für die Zukunft eher unwahrscheinlich.“
    Quelle: Deutscher Bundestag

    Anmerkung WL: Weiter heißt es in der Antwort der Bundesregierung [PDF – 85,4 KB], dass der Anteil der Risikokapitalanlagen der Lebensversicherungsunternehmen bei 12 Prozent liege. Im Übrigen verweist die Regierung auf die Tatsache, dass die Höhe der Überschüsse, die den Versicherten ausgekehrt werden können, „direkt von der Entwicklung der Kapitalmarktzinsen“ abhängig ist. Wen der Zinssatz sinke, sei die Anpassung des Höchstrechnungszinssatzes unvermeidlich. Die private Altersvorsorge und die umlagefinanzierte gesetzliche Rente sind beide von der wirtschaftlichen Entwicklung abhängig, die eben von der Beschäftigung und von der Höhe der Löhne und damit der Beitragseinnahmen abhängig ist. Bei der Umlagefinanzierung entfallen darüber hinaus die Transaktionskosten und die Risiken bei einem eventuellen Kreditausfall bzw. einem Schuldenschnitt.

  9. Social Growth – Model of a Progressive Economic Policy
    • The concept of »social growth« presented here is the Friedrich-Ebert-Stiftung’s (FES) proposal for a progressive economic policy model. The aim is to develop a growth model that combines prosperity for all with sustainability and justice. Its primary target is Germany, but it is also intended to apply to Europe and globally.
    • Although the progressive economic policy proposed here is focused directly on overcoming the economic and social crisis by means of social and therefore fairly structured growth, its indirect aim is to alleviate the environmental and political crisis in which Germany, Europe and the world find themselves.
    • Social growth, with its focus on education, health, care and climate protection, puts less pressure on natural resources than the conventional market-driven growth model. It also delivers the results that people expect from democratic politics, namely jobs and a share in the prosperity these jobs create.
    • In this way, social growth confers a legitimacy on democracy that seems to have been lost, not so much because of mistrust in its procedures, but rather the paucity of socially acceptable outcomes – in other words, states’ inability to govern markets in the interests of society.

    Quelle: Friedrich-Ebert-Stiftung International Policy Analysis [PDF – 541 KB]

  10. Merkel und Sarkozy wollen Job-Initiative für Europa starten
    Die Kanzlerin will mit Frankreichs Präsident ein Konzept für mehr Arbeitsplätze in Europa erarbeiten. Erfolgreiche Modelle aus Deutschland sollen dafür Vorbild sein.
    Quelle: ZEIT

    Anmerkung JB: „Erfolgreiche Modelle aus Deutschland“? Welche sollen das sein? Hartz IV? Was muss eigentlich in einem Journalisten vorgehen, der derart unsinnige Sätze schreibt?

  11. Patienten fliehen aus privaten Krankenkassen
    Die Deutschen kehren den privaten Krankenkassen in Scharen den Rücken: Die Zahl der Privatpatienten, die in die gesetzliche Versicherung zurückkehren wollen, steigt nach Angaben einiger gesetzlicher Kassen deutlich. “Bei uns häufen sich die telefonischen Anfragen von Privatversicherten, die zur AOK kommen wollen”, sagte der Chef der AOK Rheinland/Hamburg, Wilfried Jacobs, dem Nachrichtenmagazin Spiegel.
    Zur Barmer GEK wechselten laut dem Bericht bereits im Laufe vergangenen Jahres etwa 27.600 Versicherte von der privaten Konkurrenz, das sind immerhin neun Prozent mehr als im Vorjahr. Eine sehr ähnliche Tendenz bestätigte die Techniker Krankenkasse: Dorthin wechselten im vergangenen Jahr 68.000 Versicherte, das sind fast zwölf Prozent mehr.
    Quelle: Süddeutsche Zeitung
  12. Prozess in Lüneburg – Mann nahm Kekse aus Mülltonne
    Wenn arme Menschen Abfall nach Essbarem durchsuchen, heißt das “Containern”. Weil ein Mann eine Packung Kekse mit angelaufenen Verfallsdatum aus einer Mülltonne nahm, steht er jetzt vor Gericht.
    Quelle: Süddeutsche Zeitung
  13. Ausgaben für Heilmittel deutlich gestiegen
    Die Ausgaben der gesetzlichen und privaten Krankenversicherung sowie die Zuzahlungen der gesetzlich Versicherten für Heilmittel sind in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen. Die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) habe im Jahr 2010 mit 4,6 Milliarden Euro rund 50 Prozent mehr für Heilmittel ausgegeben als im Jahr 2000, heißt es in der Antwort der Bundesregierung (17/8116)auf eine Kleine Anfrage der Fraktion Die Linke (17/7898). Die private Krankenversicherung (PKV) gab den Angaben zufolge im Jahr 2010 mit rund 801 Millionen Euro fast doppelt so viel wie noch im Jahr 2000 für Heilmittel aus. Die von den gesetzlich Versicherten geleisteten Zuzahlungen seien um rund 64 Prozent auf 436 Millionen Euro ebenfalls kräftig gestiegen.
    Weiter schreibt die Regierung, die GKV-Ausgaben für Heilmittel entsprächen einem Anteil von rund 2,8 Prozent an den gesamten Leistungsausgaben der GKV. Weiter heißt es, Versicherte, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, hätten zu den Kosten der Heilmittel zehn Prozent der Kosten sowie zehn Euro je Verordnung zu leisten. Lägen die Kosten für eine Krankengymnastikeinheit beispielsweise bei 13 Euro, betrage die Zuzahlung für eine Verordnung mit sechs Behandlungseinheiten danach grundsätzlich 17,80 Euro.
    Quelle: Deutscher Bundestag

    Anmerkung WL: An dieser Meldung ist interessant, wie hier einmal mehr, eine Ausgabenexplosion im Gesundheitswesen suggeriert werden soll, dabei machen die Heilmittel „nur“ 2,8 Prozent der gesamten Leistungsausgaben der GKV aus. Beachtlich ist auch, dass – über die ohnehin nicht mehr verordneten oder von den Versicherungen finanzierten Medikamente hinaus – die Versicherten zehn Prozent der Kosten sowie zehn Euro je Verordnung leisten. Diese „private“ Kostenbeteiligung dürfte auch der Grund dafür sein, dass laut einer OECD-Studie, Geringverdiener sich in Deutschland deutlich häufiger als anderswo nicht zum Arzt gehen. Vermutlich, weil sie sich das nicht leisten können.
    Der OECD-Bericht „Health at a Glance 2011“ macht deutlich, dass die Gesundheitsausgaben in Deutschland gemessen am Bruttoinlandsprodukt keineswegs unverhältnismäßig hoch liegen, nämlich bei 11,6 Prozent. Frankreich kommt auf 11,8 Prozent, die Niederlande auf 12 Prozent und die USA kommen sogar auf 17,4 Prozent. Interessant ist ferner, dass in dem weitgehend privatisierten Gesundheitssystem der USA die Gesundheitsausgaben pro Kopf im Jahr bei 7.960 Dollar liegen, in Deutschland hingegen bei 4.218 Dollar. Ein privatisiertes Gesundheitssystem ist somit keineswegs billiger als unser gesetzlich geregeltes.

  14. Hat der Rechtspopulismus an Bedeutung verloren?
    Überraschend wurde der Rechtspopulismus zu Jahresbeginn zum Gegenstand des öffentlichen Interesses. Während die Frankfurter Rundschau und die Berliner Zeitung von einer Radikalisierung der rechtspopulistischen Szene sprachen, beginnt sich auch der Verfassungsschutz für diese Kreise zu interessieren. Dabei wurde in der letzten Zeit häufiger die These vertreten, der Rechtspopulismus werde überschätzt.
    Selbst das Autorenduo Michael Zander und Thomas Wagner kommt im Schlussteil ihres gerade erschienenen Buches Sarrazin, die SPD und die Neue Rechte zu dem Fazit, dass zumindest der antimoslemische Rechtspopulismus durch die EU-Krise an Bedeutung verloren habe.
    Telepolis sprach darüber mit Dirk Stegemann, der sich seit Jahren in zivilgesellschaftlichen Initiativen gegen den Rechtspopulismus engagiert. Mittlerweile wird er in auf rechtspopulistischen Homepages in steckbriefähnlichen Pamphleten als “Feind Deutschlands” tituliert.
    Quelle: Telepolis
  15. Wen schützt der “Verfassungsschutz”? Ein Plädoyer für seine Abschaffung
    Am 18.12.2011 berichtete spiegel-online, dass der Thüringer “Verfassungsschutz” u.a. eine 1999 getätigte Geldzahlung von 2000 D-Mark an die Zwickauer Terrorgruppe “Nationalsozialistischer Untergrund” (NSU) eingeräumt hat. Die Sozialwissenschaftler Peter Grottian und Wolf-Dieter Narr fordern im folgenden GWR-Artikel die Abschaffung der staatlichen Schnüffelbehörde.
    Wir haben, inzwischen selbst bemooste Karpfen, am eigenen Leib und im Kopf gespürt, dass wir vom “Verfassungsschutz” über Jahre überwacht worden sind.
    Der eine (Narr) wurde wegen “radikal-demokratischer Erkenntnisse” nicht auf einen Lehrstuhl an der TU Hannover berufen, obwohl die “Erkenntnisse” eines radikalen Demokraten doch sehr würdig waren.
    Der andere (Grottian) wurde über fünf Jahre vom Berliner “Verfassungsschutz” wegen seiner Skandalisierung des Berliner Bankenskandals, ein Heiligtum des Kapitalismus, überwacht. An Hand der ausnahmsweise auszugsweise zugänglichen Akten des “Verfassungsschutzes” ging unfreiwillig hervor: dass die Orthografie der Beobachter und ihre Beobachtungen unter aller Sau von Wahrheitsgehalten aufgeschrieben waren.
    Bewusst dramatisierend verfasst, völlig unfähig zu begreifen, was vor sich ging.
    Daran zeigte sich, wie bei vielen Observierungen und Einsätzen: selbst nach eigenen Maßstäben ineffizient, strukturell blind und schlicht demokratiegefährdend.
    Quelle: Graswurzelrevolution
  16. Gabriel bietet Kanzlerin Merkel Kooperation an
    Der SPD-Vorsitzende Gabriel hat Kanzlerin Merkel angeboten, gemeinsam eine geeignete Persönlichkeit für das Amt des Bundespräsidenten zu benennen. Anders als Generalsekretärin Nahles spricht sich Gabriel für den Fall eines Rücktritts Wulffs dagegen aus, die Bundestagswahl vorzuziehen.
    Quelle: FAZ

    Anmerkung JB: Es scheint so, als ob Sigmar Gabriel gedanklich bereits auf eine große Koalition abzielt. Der Wille zur Macht lässt bei ihm schon lange keinen Platz mehr für inhaltliche Positionen.

  17. Eine Botschaft mit nur zehn Zeichen
    Kommunikation auf elektronischen Umwegen: Manche Unionspolitiker sprechen auf Mailboxen, andere schreiben SMS – wie Karl-Theodor zu Guttenberg, der nun angekündigt hat, mit der CSU über ein mögliches Comeback 2013 zu reden. Doch seine Botschaft lässt viele Fragen offen.
    Quelle: Süddeutsche Zeitung

    Anmerkung unseres Lesers H.H.: Einem potentiellen Wahlvolk, das offenbar bereit ist, einen Betrüger mit offenen Armen in seinen Reihen wieder aufzunehmen, dem kann man nur zurufen: Ihr habt einander verdient! Dass Seehofer und die CSU-Granden offenbar genau mit dieser “Was-kümmert-mich-mein-Geschwätz-von-gestern”-Mentalität spekulieren, wirft ein bezeichnendes Schlaglicht auf den Zustand unserer Gesellschaft.

  18. Virus der Grandiosität bei Wulff, Guttenberg und Co
    Mächtige gewöhnen sich an eine Art psychischen VIP-Zustand. Der Psychologe Hans-Jürgen Wirth erklärt, wie Politiker in den Rausch eines übersteigerten Narzissmus geraten.

    …Fehler sind tatsächlich menschlich, wir alle begehen sie. Doch so, wie etwa Herr zu Guttenberg von seiner “großen Dummheit” spricht, oder Herr Wulff von seinem “großen Fehler”, scheint es sich um manipulative Versuche zu handeln, an das Mitgefühl und Verständnis des Publikums zu appellieren. Was beide nicht sagen, ist: Ich habe da mit kalkulierter Absicht gehandelt, ich habe mir eben einen Vorteil – einen verdächtig günstigen Kredit, oder mehr Ansehen über eine abgeschriebene Doktorarbeit – verschaffen wollen. Ich wusste, dass das ein Risiko enthält, und ich hätte darüber besser nachdenken sollen. Von der Dimension des absichtlichen Kalküls wollen solche Ausreden nichts preisgeben…

    Sobald der frühe Idealismus in den Rausch eines übersteigerten Narzissmus umkippt, gewöhnen sich Mächtige gern an eine Art psychischen Vip-Zustand: Ich kann mir das leisten, denn ich leiste Ungewöhnliches. Wenn auf dem Grund der Seele auch Selbstwertprobleme liegen, verführt die Macht dazu, das vor sich und anderen zu verbergen. Das Gefühl für die eigenen Grenzen schwindet…
    Wenn sich Personen, die Verantwortung tragen, amoralisch verhalten, hat das sozialpsychologische Auswirkungen. Zynismus, Resignation und eine negative Weltsicht werden gefördert. Daher wäre es falsch, all das leichtzunehmen.
    Quelle: Die Zeit


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