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Titel: Hinweise des Tages II

Datum: 20. Januar 2012 um 16:28 Uhr
Rubrik: Hinweise des Tages
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Hier finden Sie einen Überblick über interessante Beiträge aus anderen Medien und Veröffentlichungen. Wenn Sie auf “Mehr” klicken, öffnet sich das Angebot und Sie können sich aussuchen, was Sie lesen wollen. (MB/WL/JB)

Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:

  1. Heiner Flassbeck: A German end to the Euro vision
  2. Weltorganisationen warnen Staatschefs vor Sparkurs
  3. Schuldenbremse: Keine Lösung für Europa
  4. Thomas Fricke – Heimliche Liebe zum Euro
  5. Finanztransaktionssteuer: Brüderles wirre Logik
  6. Warum schenken Sparer dem Bund Geld?
  7. Spanien: Regierung klagt ihren Richter an
  8. Kroatien: Die Armen zahlen
  9. Der zweigeteilte Arbeitsmarkt
  10. Tariflöhne und -gehälter 2011: Trotz höherer Abschlüsse ein reales Minus
  11. Zahl der Leiharbeiter steigt auf Rekordhoch
  12. Forderung der Ärzte ist vernünftig
  13. Gekauft wird, was billig ist
  14. Anlegerschützer auf Abwegen
  15. „Kriegslobby ist stark“
  16. Der Professor und die Schoko-Pistolen
  17. Äthiopien: Bauern weichen Investoren
  18. Solidarische Bildung – Das Buch zur Summer Factory 2010
  19. Bild-Kritiker wollen Zeitung nicht geschenkt

Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Heiner Flassbeck: A German end to the Euro vision
    The result is disastrous for the southern European economies as they are losing permanently market shares without being able to successfully retaliate the German attack. They would need a number of years with falling wages to come back into the markets. However, the time to do that is not available. Falling wages mean falling domestic demand and recession especially in countries like Italy or Spain with small export shares of some 25% of GDP. The resulting depression would be politically unbearable.
    Even a political tour de force would in vain as long as Germany is blocking the indispensable short and medium term relief measures. Until EMU as a whole recovers strongly, deficit countries will remain in current account deficits and will not be able to reduce their budget deficits. What would be required is direct intervention by the ECB to bring down bond yields as well as Eurobonds to bridge the time until the deficit countries’ competitiveness is restored. These measures are blocked by the German economic policy doctrine.
    There is no solution to the current Eurozone crisis as long as no one effectively challenges the consistency of Germany’s economic policy strategy with the logic of a monetary union. Captain Merkozy’s boat approaches the rocks at high speed.
    Quelle: Euro Intelligence

    Anmerkung: Auch in der gestrigen Ausgabe der Wirtschaftszeitschrift Capital schreibt Flassbeck:

    Man habe das Märchen von der Staatsschuldenkrise erfunden, weil es als einziges in das Weltbild der herrschenden Lehre passe: „der Staat ist der Böse, die Schuldenmacher haben die alleinige Schuld und Heilung gibt es nur für den, der die herrschende Lehre vollständig akzeptiert“. Der Haken sei nur, dass die Sache nicht funktionieren könne. Es räche sich jetzt, das die gesamtwirtschaftliche Logik längst auf dem Altar der Marktideologie geopfert worden sei: Ein Staat, der die Staatsausgaben in einer Rezession kürze und dazu noch Druck auf die Löhne ausübe, könne nur in dem Fall erfolgreich sein, wenn seine Währung nicht aufgewertet würde und alle seine Handelspartner das Gegenteil täten. „Tun alle das Gleiche, wie es jetzt in der Währungsunion auf dem Programm steht, kürzen sie sich gegenseitig in Grund und Boden, verbessern ihre Wettbewerbsfähigkeit gerade nicht, verschlechtern aber alle ihre binnenwirtschaftliche Lage.“ Die Weltwirtschaft gerate so in tiefes Wasser und Europa in einen Strudel. Man könnte das rettende Ufer erreichen, aber nur zu dem Preis, dass man seinen Dogmen und Mythen abschwöre.

    Interessant ist, dass immer mehr „Experten“ ihre Position in der Eurofrage ändern und sich der Einsicht beugen, dass in der derzeitigen wirtschaftlichen Lage eine rigide staatliche Sparpolitik bei gleichzeitiger Senkung der Einkommen in eine Sackgasse führt. Im angelsächsischen Raum besteht darüber inzwischen weitgehende Übereinstimmung, nur in Deutschland will das immer noch niemand verstehen.

    Selbst bei Goldman-Sachs dämmert es:

    Goldman-Sachs-Chefvolkswirt Jan Hatzius zur Euro-Krise:
    Sie sagen, wir können in Europa eigentlich nicht von einer Staatsschuldenkrise sprechen, wenn es um die Ursache der aktuellen Krise geht. Das steht in Widerspruch zumal zu den Ansichten vieler deutscher Ökonomen.
    Hatzius: Wenn man sich die Diagnose ansieht und schaut, wo wir standen im Jahr 2007, also am Vorabend der Krise, dann ist nicht zu erkennen, dass überhöhte Neuverschuldung in den Peripherieländern der Auslöser für die Krise war. Durchschnittlich betrug die Neuverschuldung der fünf Krisenländer Griechenland, Italien, Spanien, Irland und Portugal im Jahr 2007 weniger als 1 Prozent des Bruttoinlandsproduktes. Das ist nichts Dramatisches. Dagegen waren die finanziellen Defizite im privaten Sektor enorm. In Spanien waren das zum Beispiel 12 Prozent des Bruttoinlandsproduktes, im Durchschnitt der Fünfergruppe waren es ungefähr 5 Prozent.
    Was haben wir aus Ihrer Sicht für eine Krise?
    Hatzius: Eine der Zahlungsbilanz, die wesentlich aus dem Aufbau privater Schulden resultierte und die über private Kapitalzuflüsse in die Euro-Peripherie finanziert wurde.
    Bis die Finanzkrise kam und viele private Schulden über Rettungsmaßnahmen auf den öffentlichen Sektor übertragen wurden.
    Natürlich. Jetzt sind die Defizite in den Krisenländern sehr groß, im Durchschnitt 6 Prozent für 2011.
    Was sollte getan werden?
    Hatzius: Meine aktuelle Sorge ist, dass derzeit ein zu großes Gewicht auf die zweifellos notwendige Konsolidierung der öffentlichen Haushalte liegt im Verhältnis zu der Zeit, die der private Sektor zur Anpassung braucht. Das kann man kontrovers diskutieren, weil sicher auch Konsolidierungsversprechen und -taten am Markt überzeugen können und die Situation verbessern helfen. Die Frage der richtigen Konsolidierungsgeschwindigkeit ist übrigens auch in den Vereinigten Staaten noch ungeklärt.
    Quelle: FAZ

  2. Weltorganisationen warnen Staatschefs vor Sparkurs
    Es ist ein Appell, der aufrütteln soll: Die Leiter von elf großen internationalen Wirtschaftsorganisationen warnen die Staatschefs aller Länder vor zu strengen Sparmaßnahmen. Auf lange Sicht könnten finanzielle Kürzungen das Wirtschaftswachstum und Arbeitsplätze gefährden, heißt es in einer am Freitag veröffentlichten Erklärung. Unterzeichner sind unter anderem die Chefs der Welthandelsorganisation, Pascal Lamy, die Direktorin des Internationalen Währungsfonds, Christine Lagarde und Weltbank-Chef Robert Zoellick.
    Quelle: SPIEGEL Online

    Anmerkung JB: Es ist schon wenig seltsam, dass Mme Lagarde einerseits vor einer übertriebenen Austerität warnt und Griechenland mit ihrem IWF als Mitglied der Troika exakt diese „strengen Sparmaßnahmen“ aufzwingt.

  3. Schuldenbremse: Keine Lösung für Europa
    Den Euroländern wird eine Schuldenbremse nach deutschem Vorbild als Weg aus der Krise empfohlen. Dies wäre jedoch gefährlich – für die Konjunktur, die Staatsfinanzen und sogar die Finanzmärkte, so das IMK.*
    Die Bundesrepublik hat es sich selbst auferlegt: das Verbot, über einen relativ eng gesteckten Rahmen hinaus neue Schulden aufzunehmen. Sorgen solch strenge Regeln in Sachen Staatsverschuldung für mehr Glaubwürdigkeit an den Finanzmärkten? Könnten sie also ein Vorbild sein für Länder wie Griechenland, Portugal oder Spanien? „Wir halten diese Logik grundsätzlich für falsch und für den Fortbestand des Euro extrem gefährlich“, schreiben dazu die IMK-Forscher Achim Truger und Henner Will.
    Grundsätzlich falsch sei sie, „weil sie die Ursachen der Eurokrise in unzulässiger Weise auf eine unsolide Finanzpolitik in den gegenwärtigen Krisenstaaten verengt“, erläutern die beiden Volkswirte. Außenwirtschaftliche Ungleichgewichte sowie die Verantwortung der gegenwärtig wirtschaftlich stärkeren Euroländer würden fast vollständig ausgeblendet. Auch sei die Annahme längst widerlegt, Finanzmärkte würden ausschließlich rational agieren
    Quelle: Böckler impuls [PDF – 170 KB]
  4. Thomas Fricke – Heimliche Liebe zum Euro
    Bundeskanzlerin Merkel nervt seit zwei Jahren die halbe Welt, dass dieses oder jenes in der Krise nicht zu machen sei – weil sonst die skeptischen Deutschen die D-Mark zurückwollen. Und wenn diese These gar nicht stimmt? […]
    Wird nicht ständig von Umfragen berichtet, nach denen die Deutschen den Euro blöd finden oder zu 37 Prozent eine Euro-kritische Partei wählen würden? Ja. Bei näherem Hinsehen erweist sich diese Skepsis nur oft als, sagen wir, interpretationsfähig.
    Den krassesten Fall dafür hat gerade der deutsche Wissenschaftler Daniel Gros vom Brüsseler Thinktank CEPS in aufgedeckt. Zusammen mit seinem Kollegen Felix Roth ging er der Frage nach, warum eigentlich die Meinungsforscher von Allensbach 2011 in großen Artikeln und bei der CDU über drastischen Euro-Vertrauensschwund berichteten – während ähnliche Umfragen der EU-Kommission ganz anders ausfallen. […]
    Und weil kaum einer “sehr groß” antwortete, sei die erste Antwortoption irgendwann weggelassen worden, so Roth. Nachteil: Seitdem gab es asymmetrische Antwortoptionen. Was nach Erfahrung von Meinungsforschern mit hoher Wahrscheinlichkeit dazu führte, dass eine Menge Befragte die mittlere Variante (“weniger”) nun als eher neutrale Antwort nahmen. Zumal das “weniger” auch offenlässt, worauf sich das bezieht.
    Wenn das so ist, ist höchst strittig, ob man “weniger” und “kaum/kein” Vertrauen einfach zum Vertrauensmangel von mehr als 70 Prozent addieren darf. Gros und Roth machten den Gegencheck, indem sie die Mittelvariante mal herausließen. Ergebnis: Per saldo gab es zwischen den relativ seltenen Extremantworten eine Minimehrheit der Vertrauenslosen. Und siehe da: Das passt schon viel eher zum Eurobarometer.
    Quelle: FTD
  5. Finanztransaktionssteuer: Brüderles wirre Logik
    Natürlich wird es so sein, dass auch Aktienbesitzer die Abgabe zahlen müssen. Das ist gewollt und bei anderen Steuerarten, etwa der Mehrwertsteuer, nicht anders. Aber auch FDP-Wähler sind klug genug, zu wissen, dass die Steuer sie kaum betrifft. Selbst wer ein üppiges Aktiendepot besitzt, schichtet es nicht ständig um. Die Steuer wird aber nur bei Bewegungen fällig. Außerdem geht es – bei einem Steuersatz von 0,1 Prozent – um minimale Summen. Die Verwaltungsgebühren, die Banken für Fonds berechnen, liegen im Vergleich horrend hoch.
    Brüderle verkauft seine Wähler für dumm, wenn er sich als Schutzherr der Kleinaktionäre aufspielt. Er nährt den Verdacht, dass sich die FDP als Lobbyorganisation der Finanzdienstleister versteht. Nur die haben ein Interesse an einer Verhinderung, weil die Steuer Hochfrequenzhandel unattraktiver macht.
    Quelle: taz

    Anmerkung Orlando Pascheit: Das wirklich Ärgerliche ist, dass die FDP der Kanzlerin die Möglichkeit verschafft, sich hinter den FDP-Forderungen zu verstecken.

  6. Warum schenken Sparer dem Bund Geld?
    Anfang Januar ergab eine Auktion 6-monatiger Bundesschatzanweisungen eine negative Nominalrendite (genau: -0.012 Prozent). D.h. Sparer zahlten der Bundesregierung de facto eine Gebühr für das Privileg, ihr Geld leihen zu dürfen. […]
    Mal angenommen ein griechischer Sparer will sich gegen einen möglichen Austritt Griechenlands aus der Eurozone absichern. Cash in Euros mag da als unsichere Anlage erscheinen, weil von Griechen gehaltene Euros nach Aufbrechen der Eurozone vermutlich umgewertet werden in die neue griechische Währung. Dieses Risiko scheint geringer bei Staatsanleihen: der deutsche Staat wird seine Staatsschulden auch nach einem Aufbrechen der Eurozone wohl in der Währung bedienen, die in Deutschland legaler Tender ist.
    Quelle: Kantoos Economics

    Anmerkung JB: Ein interessanter und keinesfalls unplausibler Gedankengang-

  7. Spanien: Regierung klagt ihren Richter an
    Richter Baltasar Garzón steht vor Gericht, weil er den größten Korruptionsfall der regierenden Volkspartei in Valencia aufklären will. Eine Verurteilung wäre das Ende für Spaniens mutigsten Richter, der in seinen 22 Jahren am obersten Strafgerichtshof Spaniens Ermittlungen gegen Drogenkartelle, die ETA und gegen die Verbrechen der Franco-Diktatur führte. International bekannt wurde Garzón 1998, als er einen Haftbefehl gegen Chiles Exdiktator Pinochet erließ.
    Es ist das erste Mal, dass sich ein Richter wegen eines mutmaßlichen Verfahrensfehlers der Anklage der Rechtsbeugung ausgesetzt sieht. Normalerweise werden Abhörprotokolle, sollten sie sich als nicht rechtmäßig erweisen, in der Hauptverhandlung als Beweismittel nicht zugelassen. Strafrechtliche Konsequenzen für den Ermittlungsrichter hatte dies bisher nie. Kommende Woche wartet ein weiteres Verfahren auf Garzón. Die Kläger – drei faschistische Organisationen – beschuldigen Garzón, die Verbrechen der Franco-Diktatur untersucht zu haben, obwohl er wusste, dass er nicht zuständig war. Sie fordern 20 Jahre Berufsverbot.
    Quelle: taz
  8. Kroatien: Die Armen zahlen
    In der Europäischen Union herrscht Krisenstimmung. Aber viele Kroaten verbinden mit dem Beitritt ihres Landes zu »Europa« Hoffnungen auf eine bessere Zukunft, auf Wohlstand und eine Reisefreiheit, die die älteren noch aus jugoslawischen Zeiten kennen. Anfang 2011 gab es dennoch Demonstrationen gegen die EU in mehreren kroatischen Städten. Sie ließen sich nicht eindeutig politisch einordnen, denn neben linken Gruppen hatten sich auch Nationalisten daran beteiligt. Dennoch waren diese Proteste Ausdruck einer wachsenden Skepsis gegenüber der »europäischen Integration«. Am Sonntag wird es ein Referendum über den geplanten EU-Beitritt geben. Laut Umfragen ist eine Zweidrittelmehrheit für den Anschluß an den Block sicher. Die linksgerichtete dänische »Volksbewegung gegen die EU« hat die Kroaten dazu aufgerufen, mit Nein zu stimmen. Jetzt sei der »denkbar schlechteste Zeitpunkt«, heißt es in der Erklärung. Die aktuelle Euro-Krise stelle eine große Gefahr für die demokratische und wirtschaftliche Entwicklung Kroatiens dar, so die dänische Gruppierung.
    Bereits jetzt sagt die Weltbank Kroatien für 2012 eine wirtschaftliche Rezession voraus und nennt auch gleich die »nötigen« Gegenmaßnahmen: den Finanzmärkten Vertrauen einflößen, Steuern senken und andere neoliberale »Strukturreformen« unternehmen. Mit diesen Forderungen an Kroatien arbeitet die Weltbank Hand in Hand mit den EU-Staats- und Regierungschefs, die vor kurzem die »europäische Schuldenbremse« beschlossen haben. Diese ist zwar vorerst nur für Euro-Staaten gültig, drückt aber auch eine Erwartungshaltung an die Länder aus, die sich bislang nicht der Währungsunion angeschlossen haben. Diesen Erwartungen entsprechen die kroatischen »Eliten« sehr gern, schließlich bedeutet die EU-Spar- und Kürzungspolitik eine weitere Umverteilung zugunsten der Reichen auch in ihrem Land.
    Quelle: junge Welt
  9. Der zweigeteilte Arbeitsmarkt
    In Deutschland existieren zwei Arbeitsmärkte nebeneinander: einer mit geregelten und sozial abgesicherten Arbeitsverhältnissen für Qualifizierte und einer mit unsicheren, schlecht bezahlten Jobs. Wissenschaftler prognostizieren, dass sich diese Spaltung noch vertiefen wird.
    Quelle: Böckler impuls [PDF – 194 KB]
  10. Tariflöhne und -gehälter 2011: Trotz höherer Abschlüsse ein reales Minus
    Die Tarifabschlüsse lagen im vergangenen Jahr deutlich über denen des Vorjahres. In einer Reihe von Branchen wurden 2011 Tarifsteigerungen von 3 Prozent und mehr vereinbart. Die Bedeutung der Pauschal- und Einmalzahlungen ging zurück, es wurden vermehrt dauerhafte Tarifanhebungen vereinbart. Rechnet man die Abschlüsse mit ihren unterschiedlichen Laufzeiten auf das Jahr um und berücksichtigt auch die länger laufenden Abschlüsse aus dem Vorjahr, dann ergibt sich insgesamt ein kalenderjährlicher Anstieg der nominalen Tariflöhne und -gehälter 2011 von durchschnittlich 2,0 Prozent. Zu diesem Ergebnis kommt die Bilanz der Tarifpolitik des Jahres 2011, die das Tarifarchiv des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) in der Hans-Böckler-Stiftung heute vorlegt. Die Spannweite reicht von 2,8 Prozent im Bereich Private Dienstleistungen, Organisationen ohne Erwerbszweck bis zu 1,1 Prozent bei den Finanzdienstleistungen (siehe Grafik am Ende der Pressemeldung)… Da sich die Verbraucherpreise im vergangenen Jahr um 2,3 Prozent erhöhten, ergibt sich im gesamtwirtschaftlichen Durchschnitt ein realer Rückgang der Tariflöhne und -gehälter um 0,3 Prozent.
    Quelle: WSI [PDF – 55,3 KB]
  11. Zahl der Leiharbeiter steigt auf Rekordhoch
    Die Millionengrenze ist nicht mehr weit: Die Zahl der Leiharbeiter in Deutschland ist bis Mitte 2011 auf 910.000 gestiegen. Nie zuvor zählte die Branche so viele Mitarbeiter.
    Quelle: SPIEGEL Online

    Anmerkung unseres Lesers G.K.: Die Bundesagentur für Arbeit stellt sich in gewohnter Art und Weise in den Dienst der neoliberalen Arbeitsmarkt-“Reformen”, deren Ziel u.a. darin bestand, die Leiharbeit zu “liberalisieren” und damit den Arbeitsmarkt zu “flexibilisieren”. Es wäre interessant, von der Bundesagentur zu erfahren, wie viele der neu begonnenen Leiharbeitsverhältnisse mit Leiharbeitern abgeschlossen wurden, die zuvor im Geiste der “Arbeitsmarktflexibilisierung” aus einem Leiharbeitsverhältnis entlassen wurden. Was die Bundesagentur komplett unter den Tisch fallen läßt: Die Ausweitung der Leiharbeit trug mit zur massiven Ausdehnung des Niedriglohnsektors und damit zum deutschen Lohndumping bei.

  12. Forderung der Ärzte ist vernünftig
    Die Ärzte fordern dass, was jeder andere Arbeitnehmer auch erwarten können muss: dass der Wert seines Gehaltes erhalten bleibt.
    Großartig ist anders, ganz anders – vor allem, wenn man von sich behauptet, sehr gut verhandeln zu können. Nun kommen für die Ärzte gerade einmal 2,9 Prozent mehr Lohn und eine Einmalzahlung von 440 Euro heraus, wenn sich der Marburger Bund und die Vereinigung kommunaler Arbeitgeberverbände auf die zuletzt veröffentlichten Eckpunkte einigen.
    Geschieht nicht noch eine Überraschung bei der Laufzeit des Vertrages, sondern bleibt es bei den zuletzt diskutierten 16 Monaten, wird damit vermutlich gerade einmal die Inflation ausgeglichen. Das können andere Gewerkschaften auch.
    Das bedeutet aber auch, dass den Medizinern keinesfalls der Vorwurf gemacht werden kann, dass sie ihre Schlüsselpositionen in den Krankenhäusern schamlos ausnutzen würden, um übertriebene Tarifabschlüsse zu erzwingen. Sie fordern vielmehr nur das, was jeder andere Arbeitnehmer eigentlich auch erwarten können muss: dass der Wert seines Gehaltes erhalten bleibt. Die Ärzte haben freilich die Macht dazu, diese Forderungen im Tarifstreit auch durchzusetzen.
    Quelle: Frankfurter Rundschau
  13. Gekauft wird, was billig ist
    Die meisten Kunden achten nur auf den Preis, sagt Ernährungsindustrie-Sprecher Jürgen Abraham – selbst wenn sie behaupten, für bessere Lebensmittel mehr Geld auszugeben.
    Quelle: ZEIT
  14. Anlegerschützer auf Abwegen
    Der Aktionärsverband Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger (SdK) ist für seine kritischen Worte gegenüber den Vorständen börsennotierter Konzerne bekannt.
    Doch jetzt stehen die Anlegerschützer selbst am Pranger, jedenfalls einige von ihnen: Vor dem Münchner Landgericht läuft gerade ein Prozess um millionenschwere Manipulationen von Aktienkursen und Insiderhandel. Ehemalige Mitarbeiter der SdK stehen dabei im Mittelpunkt. Am Donnerstag wurde einer von ihnen verurteilt.
    Quelle: FR
  15. „Kriegslobby ist stark“
    Der Rüstungsforscher William D. Hartung über die USA als Kriegstreiber, die unausgegorene Strategie von Präsident Barack Obama und einen möglichen Schlag gegen Iran.
    Quelle: TAZ
  16. Der Professor und die Schoko-Pistolen
    Peter Grottian ist Politik-Professor und bekennender Fan des zivilen Ungehorsams – was ihn nun in Lindau vor den Kadi gebracht hat. Denn der 69-Jährige soll in einem Vortrag zur Finanzkrise dazu aufgerufen haben, eine Filiale der Deutschen Bank zu stürmen. Mit Schokoladen-Pistolen. Ein Gespräch über den etwas anderen bewaffneten Widerstand.
    Wenn es einen straßenkampferprobten deutschen Professor gibt, dann Peter Grottian. Der Berliner Politologe ist ein bekennender Fan des zivilen Ungehorsams. Mal geht er gegen die vermeintliche Raffgier von Bankern auf die Straße, mal ruft er wegen Fahrpreiserhöhungen im Nahverkehr zum Schwarzfahren auf. Am Mittwoch musste sich der 69-Jährige vor dem Amtsgericht in Lindau verantworten, weil er im Juni 2010 seine Zuhörer bei einem Vortrag über die Finanzkrise aufgefordert haben soll, „mit Schokoladenpistolen und ohne Maskierung“ eine Filiale der Deutschen Bank „heimzusuchen“. Die Staatsanwaltschaft Kempten stellte ihm deshalb einen Strafbefehl wegen „öffentlichen Aufrufs zum Hausfriedensbruch“ über 3900 Euro zu, gegen den er Widerspruch einlegte. Mit Erfolg: Das Gericht gab ihm recht.
    Quelle: Süddeutsche

    Anmerkung MB: Schmunzel. Ältere werden sich vielleicht an die Puddingbomben des verstorbenen Aktionskünstlers Fritz Teufel erinnern.
    Möglicherweise haben hier Prozess und Berichterstattung mehr Folgen als die eigentlichen Schoko-Aktionen; das macht dann aber auch nichts.

  17. Äthiopien: Bauern weichen Investoren
    Äthiopiens Regierung begeht schwere Menschenrechtsverletzungen bei der Zwangsumsiedlung zehntausender Bauern im Westen des Landes. Diesen Vorfwurf erhebt die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) in einem am Dienstag veröffentlichten Bericht. Besonders brisant: Die Umsiedlungen, sagt HRW, räumen Land für ausländische Agrarinvestoren frei.
    Quelle: TAZ

    Anmerkung Orlando Pascheit: Dabei ist die Verpachtung schon als reines Wirtschaftsprojekt fragwürdig, wenn Äthiopiens Volkswirtschaft z.B. durch die Übermittlung von Agrar-Knowhow oder/und an von der Produktion von Nahrungsmitteln nicht partizipiert und nur die Pacht einstreicht.

  18. Solidarische Bildung – Das Buch zur Summer Factory 2010
    Das bestehende Bildungssystem erhebt zwar den Anspruch demokratischer Bildung – tatsächlich besteht seine Funktion jedoch in der Herstellung und Aufrechterhaltung sozialer Ungleichheiten. Das vorliegende Buch fordert deshalb »Solidarische Bildung« ein und richtet sich damit an alle, die sich gegen den neoliberalen Mainstream in Theorie und Praxis zur Wehr setzen wollen.
    Die Autor_innen bündeln kritische Positionen und konstruktive Lösungsansätze aus Wissenschaft und Politik, den linken Spektren von SPD, Grünen und Linkspartei, NGOs, sozialen Bewegungen und Gewerkschaften.
    Quelle: ISM
  19. Bild-Kritiker wollen Zeitung nicht geschenkt
    Die Bild-Zeitung lässt ihre Kritiker nicht kalt: Die Ankündigung, dass zum 60. Geburtstag der Boulevardzeitung jeder Haushalt in Deutschland ein Exemplar kostenlos zugestellt bekommen soll, erhitzt so manches Gemüt. Statt gelassen auf die Post zu warten, basteln Bild-Gegner Aufkleber für ihre Briefkästen mit der Aufschrift “Bild nein danke!” Lawblogger Udo Vetter will die Zustellung bereits vorab untersagen lassen. Ein Musterschreiben gibt es auch schon. Das Blatt polarisiert auch kurz vor dem Rentenalter.
    Quelle: MEEDIA

    Anmerkung JB: Eine Seite Werbung in dieser BILD-Jubiläumsausgabe soll 4 Millionen Euro kosten. Natürlich wird die PR-Aktion am Ende nicht von den werbetreibenden Konzernen, sondern von den Kunden der Produkte dieser Konzerne bezahlt – also im Zweifel von uns. Vielleicht könnte man dem Springer-Verlag die Party ein wenig vermiesen, wenn man bereits eine große Boykott-Aktion gegen alle Unternehmen ankündigt, die ihren Werbeetat für dieses BILD-PR-Projekt verschleudern. Die NachDenkSeiten werden jedenfalls ganz sicher an diesem unerfreulichen Thema dranbleiben.


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