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Titel: Der „überparteiliche“ Kölner Stadt-Anzeiger trommelt für die FDP

Datum: 16. April 2012 um 9:09 Uhr
Rubrik: FDP, Kampagnen/Tarnworte/Neusprech, Wahlen
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Dass nahezu alle etablierten Medien die Splitterpartei FDP wieder in den Düsseldorfer Landtag schreiben, haben wir schon an Hand der Berichterstattung über deren Wahlparteitag belegt. Die FDP und vor allem ihr NRW-Spitzenkandidat, Christian Lindner, erhalten eine Medienaufmerksamkeit wie kein anderer Landespolitiker und wie keine andere Partei. Der sich unter dem Zeitungskopf als „unabhängig“ und „überparteilich“ ausgebende Kölner Stadt-Anzeiger geht in seiner Wochenendausgabe sogar so weit, dass er einen Wahlaufruf von FDP-Altvorderen als redaktionelle Meldung abdruckt. Mehr unbezahlte Wahlpropaganda für die FDP geht kaum noch. Von Wolfgang Lieb

Unter der Überschrift „Lindner hat Kraft“ druckt das Blatt aus dem Hause Neven DuMont einen Wahlaufruf der prominenten Alt-FDP-Politiker Hans-Dietrich Genscher, Klaus Kinkel und Gerhart Baum in einem umfänglichen Zweispalter ab. Lindner und die FDP werden darin über den grünen Klee gelobt: Lindner sei auf viel Zustimmung innerhalb und außerhalb unseres Landes gestoßen, er habe kraft seiner Persönlichkeit die politische Landschaft verändert. Viele die sich von der FDP enttäuscht fühlten, seien bereit ihr nun eine neue Chance zu geben. Lindner nähme die große Tradition der Liberalen verbunden mit den Namen Willy Weyer, Liselotte Funcke, Wolfgang Döring oder Otto Graf Lamsdorff neu auf. Lindner stehe für „neues Denken“ für NRW, die von ihm gesetzten Prioritäten seien richtig. Er könne Menschen für das liberale Lebensgefühl begeistern. Usw. usf. Die FDP sei die Partei der Bürgerrechte, der Sozialen Marktwirtschaft, der Toleranz – sämtliche Werbeparolen dieser Partei also und das im redaktionellen Teil einer Zeitung.

Die plumpe Wahlpropaganda wird mit der Hauptschlagzeile „Wirbel um FDP-Wahlaufruf“ auf der Seite eins dann auch noch pseudo-journalistisch kaschiert. Um dem Abdruck einen journalistische Vorwand zu liefern, wird scheinheilig die Frage aufgeworfen, ob in dem Aufruf nicht insgeheime eine Kritik am Parteivorsitzenden Rösler stecke.

Nun ist es für den regelmäßigen Leser dieses Lokalblattes schon lange kein Geheimnis mehr, dass der Verleger des Kölner Stadt-Anzeigers Alfred Neven DuMont als langjähriger Vorsitzender der Industrie- und Handelskammer Köln und über den Oppenheim-Esch-Fonds mit dem kölschen Klüngel eng verbandelte Zeitungspatriarch wirtschaftsliberale Positionen nicht nur persönlich vertritt, sondern auch ständig – bis hin zu Interventionen in die Redaktionen – über seine Blätter verbreiten lässt. Zum Hause DuMont Schauberg gehören nicht nur der „Kölner Stadt-Anzeiger“ sondern noch der Kölner „Express“, die „Kölnische Rundschau“, die „Mitteldeutsche Zeitung“, die „Frankfurter Rundschau“, die „Berliner Zeitung“, der „Berliner Kurier“ und die „Hamburger Morgenpost“. Dazu kommen noch Beteiligungen an mehreren rheinischen Lokalradios und regionalen Fernsehsendern.

Mit der Verbreitung dieses Wahlaufrufs erhält die bislang nur mühsam verdeckte Parteilichkeit dieser Mediengruppe eine neue Qualität. Es hat nur noch gefehlt, dass neben dem Wahlaufruf, um diesen „redaktionell“ zu bebildern, (kostenlos) ein buntes Wahlplakat der FDP abgedruckt worden wäre.

Der Abdruck dieses Aufrufs ist nur ein offensichtliches Beispiel unter vielen dafür, dass Verleger und die ihnen gehörenden Medien sich in massiver Weise parteiisch und parteilich in die Politik einmischen und dabei sogar Personen und Inhalte von Parteien von außen bestimmen – und das alles unter dem Deckmantel einer freien, unabhängigen und überparteilichen Presse.
Es ist Meinungsmacht ohne Kontrolle, da zwischen den oligopolistischen Verlagsgruppen keine Krähe der anderen ein Auge aushackt. Und Medienkritik durch Politiker ist wie ein Sprung in die Schlangengrube.

Dieser Verlust an journalistischer Professionalität und damit an Glaubwürdigkeit ist mit ein wesentlicher Grund, warum Zeitungen an verkaufter Auflage verlieren und warum sich vor allem Jüngere immer mehr von den Printmedien abwenden.


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