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Titel: Hinweise des Tages

Datum: 14. Mai 2012 um 9:01 Uhr
Rubrik: Hinweise des Tages
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Hier finden Sie einen Überblick über interessante Beiträge aus anderen Medien und Veröffentlichungen. Wenn Sie auf “Mehr” klicken, öffnet sich das Angebot und Sie können sich aussuchen, was Sie lesen wollen. (KR/JB)

Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:

  1. Wahlen in NRW
  2. Bankenschwindel: Wie aus der Finanz- eine Schuldenkrise gemacht wurde
  3. Milliardenverlust bei JPMorgan Chase: “Menschliches Versagen in unreguliertem System”
  4. Die Kosten des Sparens
  5. Paul Krugman: Jetzt nicht kleckern …
  6. SPD-Linke dringt auf härteren Kurs im Streit um Fiskalpakt
  7. Das Kölner Spiel ist aus
  8. Rentenbeiträge sollen stärker sinken als gedacht
  9. Merkel wirbt für Rente mit 67
  10. Nachtrag zu den Hinweisen des Tages 2 vom 11.05.2012
  11. Wir versprechen, nicht zu lange zu löffeln
  12. Ethikrat: Helfen Gentests im Kampf gegen Volkskrankheiten?
  13. Pentagon kippt anti-muslimische Lehrstunde
  14. Entwicklung der politisch motivierten Kriminalität im Jahr 2011
  15. Guter Journalismus in schlechtem Umfeld
  16. Handbuch der Euro-Rettung

Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Wahlen in NRW
    1. Norbert Röttgen, Kanzlerkandidat in spe a. D.
      Rot-Grün glänzt wieder und die CDU verliert ihren Glanz: Bundespolitisch ist der Absturz der Christdemokraten bei der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen noch bedeutsamer als der rot-grüne Sieg. Wieder hat sich ein möglicher Nachfolger Merkels selbst aus dem Weg geräumt. Doch Röttgens Niederlage in Düsseldorf ist auch für die Kanzlerin gefährlich.
      Quelle: Süddeutsche Zeitung
    2. Lafontaine will an die Spitze der Linkspartei zurück
      Ex-Parteichef Oskar Lafontaine hat das wochenlange Rätselraten um seine Person beendet und sich bereit erklärt, wieder an die Spitze der Linkspartei zu rücken. Dies erfuhr das ARD-Hauptstadtstudio aus Parteikreisen. Allerdings will Lafontaine offenbar nicht in jedem Fall zur Wahl antreten, sondern knüpft seine Bereitschaft an Bedingungen. Welche, ist noch nicht bekannt.
      Quelle: Tagesschau.de
  2. Bankenschwindel: Wie aus der Finanz- eine Schuldenkrise gemacht wurde
    Es ist der wohl größte PR-Coup der Geschichte: Die Banken haben sich aus der Schusslinie genommen, indem sie aus der Finanz- eine Staatsschuldenkrise machten. Die Politik zieht daraus die falschen Schlüsse. Jetzt aber wird die Kritik an Merkels Spardiktat immer lauter.
    Quelle: Cicero
  3. Milliardenverlust bei JPMorgan Chase: “Menschliches Versagen in unreguliertem System”
    Schock an den Finanzmärkten: JPMorgan – die größte Bank der USA – hat binnen weniger Wochen zwei Milliarden Dollar verzockt. Möglicherweise ein Fall von Hybris, meint der Chefanalyst der Bremer Landesbank, Hellmeyer, gegenüber tagesschau.de – auf jeden Fall aber ein Systemversagen.
    Quelle: Tagesschau

    Anmerkung KR: Interessant ist auch dieser Abschnitt:

    „Es gibt aber auch Banken, die die volkswirtschaftlichen Funktionen unserer Branche vorleben. Diese Institute haben in der Krise antizyklisch ihre Kreditportfolien erhöht und damit der Stabilisierung der Wirtschaft gedient. Dazu gehören Finanzinstitute, deren Kreditvergabe mehr als 40 Prozent der Bilanzsumme ausmacht. Sparkassen und Volksbanken waren in Deutschland Musterknaben.
    Genau diese Institute sollen übrigens jetzt durch Basel III in ihrer klassischen Kreditvergabe, die gar nicht Ausgangspunkt der Krise war, eingeschränkt werden. Biesweilen frage ich mich, was die Regulierer bezwecken oder ob sie willfährig Lobbyisten folgen. Soll noch mehr deutscher Mittelstand an den Finanzmarkt gedrängt werden mit der Folge der Stärkung der Investmentbanken und erhöhter systemischer Risiken?“

  4. Die Kosten des Sparens
    Frau Merkel kam nicht nach Cerea: Im Zentrum der italienischen Möbelproduktion sieht man, wie Sparsamkeit in der Globalisierung eine ganze Region ruiniert. …
    Zu gerne würde man die Politiker fragen, was denn diese Region, gebaut auf Reis und Möbeln, tun soll, um wieder zu wachsen. Man würde gerne wissen, wie diese Medizin hier wirken soll, und was all die Polsterer und Schreiner, die Vorhangnäher und Schnitzer denn sonst machen sollen. Es leben rund 100.000 Menschen in dieser Region, es ist eine Kernregion Europas, die in jedem Business Plan der Krisenbewältigung auf der Habenseite steht, weil es dort noch so viele Mittelständler gibt, auf die man meint bauen zu können. Wer die Probleme von Cerea lösen kann, sollte es auch in Europa können. Nur sieht es hier nicht so aus, als wäre jemand dazu in der Lage. Cerea lässt die Rollläden runter, und macht sie nicht mehr auf.
    Quelle: FAZ-Blog Stützen der Gesellschaft

    Anmerkung KR: Die Fotos machen die Krise, die so viele Deutsche nicht wahrhaben wollen, anschaulich. Den gleichen Eindruck hatte ich übrigens Ende April von der Umgebung des Gardasees gehabt: Offensichtlich bis vor kurzem einige Prosperität, heute jedoch viel Leerstand und geschlossene Betriebe.

  5. Paul Krugman: Jetzt nicht kleckern …
    … sondern klotzen. Der Aufschwung, nicht der Abschwung, ist der richtige Zeitpunkt für Sparmaßnahmen. Regierungen Europas, gebt das Geld aus und rettet den Euro! Als allererstes muss Europa den Panikattacken Einhalt gebieten. Die Eurozone muss die ausreichende Liquidität der Eurostaaten gewährleisten und sicherstellen, dass diesen das Geld nicht ausgeht, nur weil der Markt in Panik verfällt. Es wäre eine Garantie, wie sie Staaten abgeben, die Geld in ihrer eigenen Währung aufnehmen. Die einfachste Lösung bestünde darin, dass die Europäische Zentralbank Staatsanleihen der Eurostaaten aufkaufen würde. Zweitens benötigen die Staaten mit unhaltbaren Außenhandelsdefiziten einen gangbaren Weg, um wieder wettbewerbsfähig zu werden. Kurzfristig müssen Länder mit einem großen Außenhandelsüberschuss eine starke Nachfrage nach Gütern aus dem europäischen Ausland entwickeln. Außerdem brauchen diese Länder mittelfristig eine moderate Inflation von drei bis vier Prozent, um Ländern mit einem großen Außenhandelsdefizit keine kostspielige Deflation aufzubürden. Es ist also eine expansive Geldpolitik der Europäischen Zentralbank nötig sowie ein Konjunkturprogramm für Deutschland und einige kleinere Länder.
    Quelle: Welt Online

    Anmerkung Orlando Pascheit: Bemerkenswert ist, dass neben Paul Krugman z.B. auch ein bekennender Neoliberaler wie James Bradford DeLong von den europäischen Kernländern eine expansive Fiskalpolitik fordert. Unter den heutigen Bedingungen könne man davon “langfristig” davon ausgehen, dass die Lockerung der Fiskalpolitik “höchstwahrscheinlich nicht nur die zusätzlichen Schulden zahlen, die man für diese Ausgabenerhöhung braucht, sondern bei ausgeglichenem Haushalt noch zusätzliche künftige Steuersenkungen ermöglichen.” Seltsam, dass z.T. dieselben Politiker, die zusätzliche Finanzierung des Kurzarbeitergeldes über den Bundeshaushalt als segensreich bewerteten, dies bei einer Lockerung der Fiskalpolitik zum Segen Europas nicht sehen können/wollen. Aber beim Thema Schuldenmachen kommt es wohl bei vielen zu einem automatischen mit einer Denkblokade einhergehenden Abwehrreflex, sehr schön bei Henning Krumrey (WirtschaftsWoche) im letzten Presseclub zu beobachten. Bezeichnend und traurig ist, dass selbst Paul Krugman sich genötigt fühlt, darauf hinzuweisen: “Wenn Sie demnächst in Texten von Joseph Stiglitz, Christina Romer oder mir lesen, dass Sparmaßnahmen eine Wirtschaftskrise weiter verschlimmern, während eine vorübergehende Anhebung der Staatsausgaben die Konjunktur beleben, dann hoffe ich vor allem, dass Sie dies nicht nur für eine subjektive Meinung halten. Wie Christina Romer unlängst in einem Vortrag zu den wissenschaftlichen Erkenntnissen zur Haushaltspolitik ausführte: “Es gibt mehr Beweise denn je, dass die Haushaltspolitik eine entscheidende Rolle spielt und dass Konjunkturprogramme zur Schaffung von Arbeitsplätzen beitragen, während Sparmaßnahmen das Wachstum zumindest kurzfristig beeinträchtigen. Aber diese Beweise scheinen noch nicht zu den Gesetzgebern vorgedrungen zu sein.” Die IWF-Studie, welche Krugman im Auszug seines Buches “Vergesst die Krise! Warum wir jetzt Geld ausgeben müssen” erwähnt, heißt “Expansionary Austerity: New International Evidence” und in ihr wird mit dem Mythos von Gesundsparen gründlich aufgeräumt. Jaime Guajardo, Daniel Leigh und Andrea Pescatori kommen zu dem Ergebnis, “that a 1 percent of GDP fiscal consolidation reduces real private consumption by 0.75 percent within two years, while real GDP declines by 0.62 percent.” [PDF – 1.2 MB]
    Natürlich liegt auch bei Krugman der Teufel im Detail: Wie bringt man Länder mit einem großen Außenhandelsüberschuss dazu, eine starke Nachfrage nach Gütern aus dem “europäischen” Ausland entwickeln, d.h. u.a. Importe aus Ostasien gleichzeitig zu unterbinden? Oder anders herum gefragt, wie soll z.B. Griechenland seine Exportquote von 11,5 Prozent im Warenhandel (wichtigste Ausfuhrgüter sind Textilien, Erdölprodukte, Tabak, Olivenöl, Obst, Zement, Tomatenprodukte und Aluminium) aus dem Stand heraus BIP-wirksam erhöhen, z.B. auf den Wert von Portugal (25,9 Prozent)?

  6. SPD-Linke dringt auf härteren Kurs im Streit um Fiskalpakt
    Der linke Parteiflügel der SPD fordert die Neuverhandlung des Fiskalpakts. Auf einem Parteikonvent Mitte Juni soll über die Einzelheiten diskutiert werden – der SPD-Linken gehen die Verhandlungsergebnisse nicht weit genug. […]
    Ohne einen “signifikanten Wachstumsimpuls auf breiter Front” werde es keine Stabilisierung der Lage geben, heißt es in dem Papier der SPD-Linken. Notwendig seien daher daher “verbindliche” Beschlüsse für europaweite Programme für nachhaltiges Wachstum, zur Stärkung der Binnennachfrage und eine Beschäftigungsgarantie für junge Menschen. Zur Finanzierung der Wachstumsprogramme schlagen die Jusos ergänzend zu der Finanztransaktionssteuer, gegen die es Widerstand in zahlreichen EU-Staaten gibt, eine europaweite Mindestbesteuerung von Unternehmen sowie hoher Vermögen vor. Die Wachstumsbeschlüsse müssten eine “vergleichbare Rechtsqualität” haben wie der Fiskalpakt, fordern sie.
    Quelle: FTD

    Anmerkung JB: So löblich die Ideen der SPD-Linken sind – würde man die Analyse ernst meinen, müsste man den FIskalpakt in Gänze ablehnen.

  7. Das Kölner Spiel ist aus
    Wie ein Investmentkünstler, ein Banker und Stadtoffizielle die Metropole arm machten.
    Quelle: ZEIT online
  8. Rentenbeiträge sollen stärker sinken als gedacht
    Wenn es bei den guten Vorzeichen bleibt, können sich Beschäftigte und Unternehmen im nächsten Jahr auf eine deutliche Senkung des Rentenbeitragssatzes freuen. Es wäre der niedrigste Stand seit mehr als zehn Jahren.
    Quelle: FOCUS

    Anmerkung unseres Lesers J.A.: Total verrückte Politik, die auch noch das ganze Geschwätz von der “demographischen Katastrophe” völlig ad absurdum führt. Die Renten müssen nicht nur nicht gekürzt, sondern sie könnten sogar leicht z. B. durch eine Erhöhung des Beitragssatzes auf 21% um ganze 7% (!) erhöht werden, was die Altersarmut spürbar reduziert, dennoch den Durchschnittsarbeitnehmer gerade mal 15-20 Euro im Monat “kosten” würde, bei ebenfalls 7% höheren Rentenansprüchen bzw. Verzicht auf die Rentenkürzung durch die “Rente erst ab 67”.

  9. Merkel wirbt für Rente mit 67
    Kanzlerin: Unternehmen müssen auch über 55-Jährigen eine Perspektive geben.
    Quelle: Ihre Vorsorge

    Anmerkung MB: Es lohnt sich, die Reden der Politprominenz beim Deutschen Seniorentag durchzulesen. Die Rafinesse, mit der das erhöhte Renteneintrittsalter beworben wird, ist schon beeindruckende Meinungsmanipulation. So spricht der Bundespräsident viel von Freiheit und ein bischen von Chancen und für unsozial Arbeitsbedingungen bleibt ein halber Nebensatz übrig.

  10. Nachtrag zu den Hinweisen des Tages 2 vom 11.05.2012, Nr. 8:
    „Bayerns Finanzminister Söder will die Erbschaftssteuer halbieren“
    Leser F.L. schreibt uns dazu:

    “Söder sollte mal die Bayerische Verfassung lesen. Dort steht nämlich, man lese und staune, in Artikel 123 Absatz (3):

    Die Erbschaftssteuer dient auch dem Zwecke, die Ansammlung von Riesenvermögen in den Händen einzelner zu verhindern. Sie ist nach dem Verwandtschaftsverhältnis zu staffeln.
    Sieh an, sieh an, waren sozialpolitisch ziemlich bewandert diese Mütter und Väter der Bayerischen Verfassung. Es scheint so, als hätten die damals ganz gut gewusst, auf was es ankommt, um eine gerechte Gesellschaft zu gewährleisten, und versucht, dies in der Verfassung auch zum Ausdruck zu bringen. Man findet weitere interessante Pasagen. Hier zum Beispiel:

    Artikel 156 Kartell- und Konzernverbot

    Der Zusammenschluss von Unternehmungen zum Zwecke der Zusammenballung wirtschaftlicher Macht und der Monopolbildung ist unzulässig. Insbesondere sind Kartelle, Konzerne und Preisabreden verboten, welche die Ausbeutung der breiten Massen der Bevölkerung oder die Vernichtung selbständiger mittelständischer Existenzen bezwecken.

    Wow, die nehmen sogar Worte wie Ausbeutung und Vernichtung in den Mund. Das ist schon eine recht klare Sprache.
    Und dann ganz aktuell:

    Artikel 157 Kapitalbildung, Geld- und Kreditwesen

    1. Kapitalbildung ist nicht Selbstzweck, sondern Mittel zur Entfaltung der Volkswirtschaft.
    2. Das Geld- und Kreditwesen dient der Werteschaffung und der Befriedigung der Bedürfnisse aller Bewohner.

    Ich könnte fortfahren mit der Aufzählung sozial ähnlich weitsichtiger Paragraphen, die Bayerische Verfassung hat noch mehr davon. Vielleicht sollte Söder sich diese Verfassung des Landes, in dem er Finanzminister ist, mal durchlesen. Allerdings ist nicht davon auszugehen, dass er sich dadurch von seiner Linie, sich den Eigentümern großer Vermögen anzudienen, abbringen lassen würde.
    Dagegen versucht er die Bürger mit einem Vernebelungsbegriff wie “Doppelsteuer” zu verführen. Der Begriff ist in diesem Zusammenhang völlig nichtssagend, da wir bei genauerem Hinsehen zu dem Ergebnis kommen, dass letztendlich jede Steuer eine Doppelsteuer ist, oder gar eine dreifach, fünffach, hundertfach-Steuer. Immer wieder wechselt Vermögen die Hände, und immer wieder fällt Steuer an. Auch Geld, und zwar das gleiche Geld, wird immer von neuem ausgegeben. Und immer fallen Steuern an. Man müsste dann immer von Mehrfachbesteuerung sprechen. Was für ein Unsinn. Man sieht daran, dass Söder wahrscheinlich nichts von Wirtschaft versteht, aber viel von Machtpolitik. Aber noch wahrscheinlicher ist, dass er schon versteht, was er da tut, aber seine neoliberale Agende eiskalt durchzieht.”
    Quelle Bayerische Verfassung [PDF – 450 KB]

  11. Wir versprechen, nicht zu lange zu löffeln
    Die Alten hätten den Jungen zu versprechen, sie “nicht in die Armut zu stoßen”. Sagt einer, der selbst auf die Rente des umlagenfinanzierten Systems nicht angewiesen ist – sagt einer, der für weltfremde Einwürfe und zynische Zwischenrufe bekannt ist. Roman Herzog nämlich. Ex-Bundespräsident und -Verfassungsrichter. Klingt edel, klingt galant, wie er da als alte Stimme der Alten den Gönner, die weise Maßhaltung gegenüber den Jungen spielt. Er hat leicht Reden …
    Quelle: ad sinistram
  12. Ethikrat: Helfen Gentests im Kampf gegen Volkskrankheiten?
    Bei der Beantwortung dieser Frage waren sich die sieben Experten aus verschiedenen medizinischen Fachgebieten sowie aus dem Bereich der Bioinformatik im Grundsatz einig. Trotz rasant anwachsender Informationen über die Beteiligung vieler Genvarianten an Krankheitsrisiken sei der medizinische Nutzen dieser Erkenntnisse bislang fraglich. Der Hauptgrund für diese Zweifel sei der Umstand, dass die meisten beteiligten Genvarianten in der Regel nur einen jeweils sehr geringen Einfluss auf das Erkrankungsrisiko haben, das Gesamtrisiko, an einem Leiden zu erkranken, von vielen Varianten gleichzeitig beeinflusst wird und die Varianten sich zudem gegenseitig beeinflussen.
    Quelle: Informationsdienst Wissenschaft e. V.

    Anmerkung Volker Bahl: Ich hatte ja einmal dazu – zusammen mit einem fachlichen Spezialisten (Biologen) in den WSI-Mitteilungen 12 / 1989 die “fundierte” Ansicht vertreten: Nein, denn es besteht nur die “Gefahr”, dass die ökonomischen Interessen dominieren und Leute mit eventuellen genetischen “Gefährdungen” einfach aussortiert werden, um das Risiko für die Arbeitgeber zu minimieren. Ja, im Gegenteil muss erwartet werden, dass dann eben Arbeitsschutzmassnahmen abgebaut werden – zugespitzt ausgedrückt , es wird der “genetisch-resistente” Arbeitnehmer herausgesucht – um den Arbeitsschutz so für die Unternehmer überflüssig zu machen (Aushebelung des ganzen Arbeitsschutzes): Diese “Gefährdungsanalyse” mit einer falschen Prioritätensetzung als Folge der Genomanalyse sprach für uns dafür, sich nicht nur von den “genetischen Analysen” nichts für eine Vorsorge-Medizin im allgemeinen zu erwarten, sondern die Genom-Analyse gerade im Arbeitsleben – bis auf ganz wenige Krankheiten bezogen auf ganz spezifische Berufe – im allgemeinen zu verbieten. Genomanalysen sollten ganz allein in der Eigenverantwortung des einzelnen Menschen stehen. Und damit dann Arbeitgeber nicht doch Druck ausüben konnten ( = Diese Stelle bekommen sie nur, wenn sie uns die Genomanalyse vorlegen – alle anderen haben es schon “gemacht” ), sollte die Verwendung von Genomanalysen im Arbeitsleben zum Schutz des Individuums auch noch generell untersagt werden. (Natürlich auch gegenüber Versicherungen etc.) ( Volker Bahl / Michael Raabe , “Genomanalyse – ein fortschrittliches Instrument der Vorsorgemedizin ?” – in den “WSI-Mitteilungen” Heft 12 / Dezember aus dem Jahre 1989 , S. 751 ff.)
    Die Fragestellung des Ethikrates allein lässt schon befürchten, dass er einer solchen stark eingeschränkten Genomanalyse nur im Interesse des einzelnen Menschen zusammen mit der Verantwortung “seines Hausarztes”, zu dem er Vertrauen haben kann, wohl eher nicht zu folgen gedenkt.

  13. Pentagon kippt anti-muslimische Lehrstunde
    Ein Ausbilder der US-Streitkräfte macht Ernst: In Planspielen und Simulationen ist von “totalem Krieg” gegen Muslime und deren “Ausrottung” die Rede. Nach einer Beschwerde eines Studenten setzt das US-Verteidigungsministerium dem Programm ein Ende. (…) Zwar räumte der Offizier in dem Planspiel vom vergangenen Sommer selbst ein, dass solche Überlegungen “in den Augen vieler, sowohl innerhalb der USA als auch außerhalb, nicht ‘politisch korrekt'” seien. Dennoch führt er Möglichkeiten an, wonach etwa “Saudi-Arabien mit einer Hungersnot gedroht” und die heiligen Städte Mekka und Medina zerstört werden könnten.
    Ausdrücklich werden die Bombardierung Dresdens sowie die Atombomben auf Hiroshima und Nagasaki als Modell erwähnt. Die Genfer Konvention sei angesichts des Vorgehens islamistischer Terroristen nicht mehr relevant. “Dies würde erneut die Option eröffnen, den Krieg auf zivile Bevölkerung zu richten, wo immer dies notwendig ist”, heißt es.
    Quelle: Frankfurter Rundschau

    Anmerkung unseres Lesers G.K.: Der in der Überschrift dieses FR-Beitrages gewählte Terminus “anti-muslimische Lehrstunde” ist eine grobe Verharmlosung, denn der US-Oberstleutnant “lehrte” am Joint Forces Staff College in Norfolk (Virgina) nicht weniger als den potenziellen Massenmord an einer ca. 1,5 Milliarden Menschen umfassenden Religionsgemeinschaft. Der US-Oberstleutnant bezieht in seine Massenmordphantasien ganz offiziell auch Zivilisten – d.h. sogar Frauen, Kinder und alte Menschen – mit ein. Dieser Massenmordwahn wird zwar vom US-Generalstabschef Dempsey verurteilt, doch die von ihm gewählten Worte stellen angesichts der Massenmordphantasien des in den US-Streitkräften lehrenden Oberstleutnants eine grobe Verharmlosung dar: “vollkommen verwerflich”, “akademisch unverantwortlich”, “Auswüchse”. Auch ist es mehr als erstaunlich, daß sich lediglich ein einziger Student über diese “Planspiele” beschwert hatte. Fanden die übrigen Studenten diese Massenmordphantasien ihres Lehrers in Ordnung? Auch wäre von Interesse, über welchen Zeitraum hinweg dieser Oberstleutnant seine menschenverachtenden “Lehrstunden” abhalten konnte: einen Tag, mehrere Tage oder gar Wochen?
    In unseren Medien und von unseren Politikern wird sehr häufig suggeriert, “der Westen” sei im Gegensatz zur islamischen Welt “zivilisiert”, “rational” und “aufgeklärt”. Die muslimische Staaten und die dort lebenden muslimischen Menschen seien hingegen “primitiv”, “irrational” und “rückständig”. Auch der aktuelle Vorfall macht deutlich: Dieses Schwarz-Weiss-Schema unterschlägt, daß der Heiligenschein, den zahlreiche Politiker und Medien “dem Westen” aufsetzen möchten, zahlreiche dunkle Flecken und Kratzer aufweist. Die zumeist einseitige Parteinahme der westlichen Staaten zu Gunsten der Politik der israelischen Regierung und zu Lasten der palästinensischen Bevölkerung in den von Israel besetzten Gebieten ist hier nur eines von zahlreichen Beispielen. Siehe hierzu die in den Leser-Anmmerkungen zu dem Beitrag “Von Horst Seehofer bis Samuel Huntington” genannten Beispiele.

  14. Entwicklung der politisch motivierten Kriminalität im Jahr 2011
    Für das Jahr 2011 wurden in Deutschland insgesamt 30.216 politisch motivierte Straftaten gemeldet. Dies bedeutet bundesweit einen Anstieg gegenüber dem Jahr 2010 (27.180) um rd. 11,2 %; bezogen auf die politisch motivierten Gewalttaten ist mit insgesamt 3.108 Delikten im Vergleich zum Vorjahr (2.636) eine Zunahme um rd. 17,9 % zu verzeichnen. Damit ist seit Einführung des derzeit geltenden Definitions- und Erfassungssystems im Jahre 2001 der bislang höchste Wert bei den politisch motivierten Gewalttaten erreicht worden. Zwei Todesopfer sind zu beklagen: Am 2. März 2011 verübte ein Einzeltäter einen Schusswaffenanschlag auf US-Soldaten in einem Militärbus auf dem Gelände des Flughafens Frankfurt/Main bei dem zwei US-Soldaten getötet und zwei weitere schwer verletzt wurden.
    Quelle: BMI

    Anmerkung Orlando Pascheit: Die üblichen Verdächtigen (Medien und Politiker) betonen natürlich, dass die Zahl der Gewalttaten im linksextremen Spektrum um 31,4 Prozent gestiegen sei gegenüber dem moderaten Anstieg der rechtsextrem motivierten Gewalttaten um 2,7 Prozent. Dabei haben die fremdenfeindlichen Gewalttaten um mehr als 22 Prozent zugenommen. Weiterhin verweist der Innenminister selbst auf die der rechtsextremen Kriminalität “innewohnenden Brutalität”, die sich an einer “deutlich höheren Quote an Verletzten beim Vergleich Zahl der Verletzten zu der Anzahl der Gewalttaten” zeige. Sicherlich lässt sich über Statistiken und deren Kriterien trefflich streiten, aber dass das Bundesinnenministerium von 60 Todesopfern rechter Gewalt seit dem Jahr 1990 spricht, ist ein Skandal. Nicht nur antirassistische Initiativen kommen auf eine deutlich höhere Zahl, sondern auch Journalisten der Zeit und des Tagesspiegels kommen nach intensiven Recherchen auf derzeit 148 Todesopfern. Anetta Kahane, Geschäftsführerin der Amadeu Antonio Stiftung, hat die Zählweise der Behörden als “unwürdig” bezeichnet und wie folgt beschrieben: “Die [Behörden] gehen nämlich davon aus, dass selbst wenn ein Neonazi einen rassistischen Mord begeht – sagen wir einen Schwarzen umbringt – und nicht dabei ertappt wird, wie er sagt, ‘Heil Hitler’ oder so etwas, dass es dann vielleicht auch eine andere Ursache geben könnte. Vielleicht hatte der Täter ja auch einen persönlichen Konflikt mit dem Opfer.”

  15. Guter Journalismus in schlechtem Umfeld
    Bei der Würdigung der beiden “Bild”-Journalisten mit dem Henri-Nannen-Preis hätte auch das Umfeld ihrer investigativen Leistung bedacht werden müssen: Die “Bild”-Zeitung selbst betreibe nämlich keinen Journalismus, der diesen Namen verdient, meint Brigitte Baetz.
    Nun ist es also doch wahr geworden, was niemand wirklich für möglich halten wollte: Ausgerechnet die “Bild”, das zynische Kampagnenblatt aus dem Hause Springer, für das den Namen Zeitung zu gebrauchen man sich schämen sollte, erhielt eine der renommiertesten Journalistenauszeichnungen dieses Landes, den Henri-Nannen-Preis.
    Quelle: Deutschlandfunk
  16. Handbuch der Euro-Rettung
    Schluss mit der Depression! In seinem neuen Buch „Vergesst die Krise!“ liest der Wirtschaftsnobelpreisträger Paul Krugman den politischen Eliten die Leviten.
    Tag um Tag trägt er in seinem Blog in der „New York Times“ seine Argumente vor, Woche für Woche erklärt er in seiner Kolumne, warum die Krisenlösungsstrategien der amerikanischen Regierung, vor allem aber der europäischen Eliten ins Desaster führen müssen: Paul Krugman, Wirtschaftsnobelpreisträger des Jahres 2008. Verallgemeinertes Sparen mitten in einer Wirtschaftskrise führt nur weiter ins Loch einer langandauernden Depression, ist mit millionenfachen menschlichem Leid verbunden, und wird auch noch an dem selbstgesteckten Ziel, nämlich der Haushaltskonsolidierung scheitern, weil die Schrumpfung der Wirtschaftsleistung Steuerausfälle nach sich zieht, so dass die Schulden noch drückender werden.
    Quelle: Frankfurter Rundschau


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